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Freitag, 4. Mai 2018

Ein Sevir namens Sisses

Der Sockel, um den es hier geht.
Am Mittwoch war ich in Genf und besuchte das Musée d'Art et d'Histoire, das grösste Museum der Stadt. Im Innenhof fiel mir im Lapidarium, der Sammlung alter Steine, auf einem Statuensockel ein Wort in Grossbuchstaben auf: SISSI. Ein lateinischer Dativ offensichtlich zum Namen Sisses. Decimus Valerius Sisses, ein Freigelassener, lebte in der Colonia Equestris, heute Nyon. Der Mann, der ihn freigelassen hatte, war der berühmte Senator Decimus Valerius Asiaticus, der unter dem Kaiser Claudius nach Intrigen gezwungen war, sich das Leben zu nehmen. Er starb im Jahr 47 nach Christus. Was nun aber Sisses angeht, den vormaligen Sklaven: Dem dürfte es nach der Freilassung gut ergangen sein. Mit Sicherheit hatte er Vermögen. Davon zeugt sein Titel, er war Sevir. Auch das gehört erklärt. Freigelassene bildeten im alten Rom eine riesige Bevölkerungsgruppe. Sie waren den römischen Bürgern nicht ganz gleichgestellt, erst ihre Kinder bekamen alle Privilegien. Die Freigelassenen konnten zum Beispiel kaum politische Ämter annehmen. Immerhin war es ihnen möglich, im Kollegium der Seviri ("sechs Männer") mitzumachen. Die Seviri wurden in der Regel jedes Jahr neu bestimmt und hatten die Ehre, an ihrem jeweiligen Lebensort die jährlichen Feiern zu Ehren des Kaisers zu organisieren, freilich mussten sie diese auch bezahlen. Daher wissen wir, dass Sisses reich war. Er dürfte es genossen haben, dass ihm bei seinen Besorgungen in der Öffentlichkeit ein Liktor voranging, der eine ähnliche Funktion hatte wie der Weibel der Bundesräte; der Liktor schritt voraus, sein Auftritt signalisierte: Achtung, da kommt ein wichtiger Mann des Weges. Sein Monument hat Sisses übrigens testamentarisch vorbestellt. Schade, fehlt die Statue, die ihn uns zeigen würde.

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