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Donnerstag, 28. September 2023

Byzanz in Sarnen

Alles so schön rund: die Sarner Kollegikirche.

Der Innenraum ist reizvoll unübersichtlich.

Am Montag kam ich in den Genuss einer Führung durch Sarnen. Wars eine Stadtführung? Der Obwaldner Hauptort hat mittlerweile etwas mehr als 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner, versteht sich aber als grosses Dorf. Doch lassen wir das. Ich möchte nämlich berichten, dass mich eine Kirche begeisterte. Die Kollegiumskirche St. Martin, die zum angrenzenden Benediktinerkloster gehört. Sie ist riesig, weil sie entstand, während die Benediktiner noch ihr Internat führten, das Kollegi. 300 Schüler plus die Mönche mussten hineinpassen. Die Kollegikirche, wie sie genannt wird, ist ein Wunderwerk allein des Lichtspiels wegen, es gibt praktisch keine Fenster in den Wänden, das Tageslicht, ergänzt durch schlau geführtes Kunstlicht, kommt von der Decke und beleuchtet jede Ecke und jede Fläche anders. Fasziniert war ich aber auch vom umlaufenden Gang um den Mönchschor und das Schiff, die in diesem Gotteshaus übrigens nicht durch ein Gitter abgetrennt sind, die beiden Welten mischen sich. In dem Gang gibt es 12 Nischen mit Einzelaltären aus Beton. Die Kollegikirche entstand, während in den 1960er-Jahren das Zweite Vatikanische Konzil lief, ein Reformprojekt, das den Brauch praktisch beseitigte, dass jeder Priester täglich seine eigene Messe lesen muss; stattdessen setzte das Konzil die grosse Messe in Anwesenheit der Gemeinschaft der Gläubigen durch. Doch eben, die 12 Seitennischen waren eingebaut, als die Kirche 1966 eingeweiht wurde. Als erster moderner Sakralbau der Innerschweiz gilt sie, ihr Urheber war der Zürcher Architekt Ernst Studer, ein Bewunderer Le Corbusiers. Studer hat eine Kirche kreiert, die praktisch ohne rechte Winkel auskommt, die vielen Rundungen verleihen ihr Schwung. Auffällig sind die flachen Kuppeln, die an Byzanz erinnern. Eines bedachte Studer freilich nicht. Nämlich, dass es hierzulande extrem viel mehr regnet als im Orient. Das Wasser sammelte sich im Lauf der Jahrzehnte am Rand der einzelnen Dachflächen, drang in die Wände ein, es kam zu Frostschäden und Rissen. 2007 musste die Kollegikirche für 900 000 Franken saniert werden. Seither ist wieder alles gut.
3 der 12 Altarnischen.

Mittwoch, 27. September 2023

Mein neuer Lieblings-Löwen


In Oberriet im St. Galler Rheintal hätte ich kürzlich gern zu Mittag gegessen. Aber das Restaurant, auf das ich aspirierte, hatte Ruhetag. Ich beschloss heimzufahren, das Smartphone gab mir als Verbindung nach Zürich die Route via Buchs und Sargans an. Im Zug stellte ich fest, dass ich wirklich ein Hüngerli hatte. Auch war mir nach gediegen, ich hatte an dem Tag etwas zu feiern. Wieder konsultierte ich das Smartphone, das halt wirklich smart ist. Ich stiess auf das Zunfthaus zum Löwen in Sargans, rief dort an; ja, man habe Platz, hiess es. Gegen zwölf pilgerte ich vom Bahnhof Sargans ins Städtli hinauf, eine manierliche Welt einiger weniger Gassen und Strassen unter dem Schloss. Am Kirch- und Marktplatz fand ich mein Zunfthaus und las beim Eintreten die Tafel, gemäss der dort schon im 17. Jahrhundert ein Gasthaus stand, das freilich dem Stadtbrand von 1811 zum Opfer fiel; gut zehn Jahre später entstand der Nachfolgebau im Biedermeierstil. Interessant. Ich liess mich in der guten Stube platzieren, draussen essen hasse ich, wenns nicht grad beim Wandern ist und wirklich heiss. Im Folgenden schwelgte ich, man sieht es auf dem Foto: Alpensaibling mit Äpfeln und gelben Randen, zu dem Fischtartar gehörte auch eine Fischglace. Gang Nummer zwei, das war das Wolfsbarschfilet mit Schwertmuschel, einer Art Chorizo-Chip, Bohnencassoulet und Peperoni, ich fand es optimal, wie das Stück Fisch, das einem so nature auch langweilig werden könnte, durch die Beigaben konkurrenziert wurde – tolle Kombination. Zum Schluss gabs fünf Sorten Käse, wieder toll. Ah ja, die Weinbegleitung nahm ich auch in Anspruch. Beschwingt fuhr ich am Ende heim und habe mir vorgenommen, wieder mal, wenn ich besonders und Besonderes speisen will, in diesem Restaurant zu essen. In meinem neuen Lieblings-Löwen.

Dienstag, 26. September 2023

Das Öko-Bijou

Reizvolles St. Galler Gewässer: der Wichensteinsee.

Letzte Woche hatte ich in Oberriet im St. Galler Rheintal zu tun. So nebenbei wanderte ich zum nahen Wichensteinsee am Ostfuss des Semelenberges und umrundete diesen auf einem Weg, an dem Tafeln einiges zur Flora und Fauna erklären. An einer Stelle ist eine Beobachtungsstation eingerichtet, von der aus man die beiden Becken, in die der See zerfällt, einigermassen überblickt samt dem Riedgürtel. Dies ist zusammen mit der nahen Grube Loo Naturschutzgebiet, es gibt hier ein Flachmoor, in dem rare Amphibien laichen, die Gelbbauchunke etwa. Auch das Teichhuhn, der Teichrohrsänger und die Sumpf-Heidelibelle gedeihen auf der wertvollen Fläche. Mit der erwähnten Grube Loo hat der Wichensteinsee eines gemeinsam: Auch er war – bis 1972 – eine Lehmgrube.

Montag, 25. September 2023

Da gehn wir wieder hin

Blick zurück auf Beggingen einige Zeit nach dem Start daselbst.
Kurz vor dem "Randenhaus". In Schaffhausen haben sie schöne Wolken.
Begginger Birnen.
Der Randen, das Schaffhauser Jurahochland, hat bei aller Schönheit einen Nachteil: Er ist klein. Geht man öfters hin, macht sich das bemerkbar, gar nicht einfach, jedesmal eine andere Route zu finden. Nun, am Samstag gelang es weitgehend, einmal abgesehen vom Mittelteil der Wanderung, als wir für den Zmittag dem Siblinger Randenhaus zustrebten. Gestartet waren wir in Beggingen, einem ungeheuer abgelegenen Dorf. Zuerst durch die Felder, dann durch den Wald gelangten wir auf den Felssporn mit dem Schleitheimer Randenturm und den kümmerlichen Resten der Randenburg; die schmalen Kehren im steilen Hang unterhalb bereiteten Spass umso mehr, als wir sonst die meiste Zeit auf breiten Waldwegen und Fahrsträsschen unterwegs waren. Zum Beispiel auf dem folgenden Abschnitt vom Turm hinab zum Randenhaus, in dem wir wieder einmal sehr gut assen, siehe Eintrag von gestern. Via Hinterranden und Stauffebärg hielten wir später hinab nach Löhningen, Ende der Wanderung. Wenig anstrengend war diese gewesen und erholsam, der Randen mit seinen weiten Flächen abseits der Dörfer in den Tiefen rundum harmonisiert das Gemüt. Macht es ruhig. Weswegen wir irgendwann ein nächstes Mal hingehen werden. Wieder auf neuen Pfaden, hoffentlich.
3 1/2 Stunden. 460 Meter aufwärts, 520 abwärts.
Schmaler geht nicht. Spalt zwischen zwei Häusern in Löhningen.

Sonntag, 24. September 2023

Jawohl, jetzt ist Herbst!

So geht Herbst: mein (kleiner) Coupe Nesselrode.

Gestern im Siblinger Randenhaus war in mir nach dem Hauptgericht Platz für ein Dessert. Ich orderte den wunderbaren Coupe mit dem schrecklichen Namen "Nesselrode", bei dem ich immer an Brennnesseln und Nesselfieber denken muss. Der Coupe schmeckte herrlich – dieses Gemenge aus Nidel, Vermicelles, Vanilleglace und Meringue ist genial. Blöder Name hin oder her. Als alles weggeputzt war, dachte ich: Jawohl, jetzt ist Herbst!

P.S. Ich habe den Namen "Nesselrode" vor Jahren erklärt. Hier der Link zu meinem Eintrag vom November 2017. Und hier gleich noch ein zweites Foto aus dem Randenhaus, in dem sie gut kochen, wir kehrten dort schon mehrmals ein und waren jedesmal zufrieden. Auch dieses Foto belegt, dass es Herbst ist. Der Teller mit allen Wildbeilagen ohne Wild sieht super aus, oder?

So geht Herbst: der Wildteller für Vegis.

Samstag, 23. September 2023

Das Wetter am Bodensee

In der Ausstellung.

Der Montagvormittag war windig, die Sonne nicht zu sehen. Wolken trieben über den Himmel, der Bodensee war aufgewühlt. Ich besuchte die Ausstellung "Wasser, Wolken, Wind" im Forum Würth in Rorschach, was draussen vor sich ging, passte. Für einen Wanderer ist die Darstellung von Wetterphänomenen in gesteigerter Weise ein Faszinosum, und so genoss ich die Schau mit Bildern und Skulpturen aus der Sammlung Würth. Ebenfalls gefielen mir die auf Tafeln mitgelieferten geografischen und meteorologischen Infos zum Bodenseeraum. Ich erfuhr zum Beispiel, dass ein Wassertropfen im Schnitt 4,2 Jahre im Bodensee verweilt. Wer Lust hat, sich die Ausstellung anzusehen, hat dafür bis Mitte Februar 2025 – jawohl, 2025 – Zeit.
Blick durch die Fenster des Würth-Gebäudes auf den Bodensee.

Freitag, 22. September 2023

Overtourism

Der Staubbachfall im Lauterbrunnental zu einer Zeit,
als Touristen noch rar waren.
(Ölgemälde von Johann Ludwig Aberli, um 1758 / Wikicommons)

Orte, die den Fremdenverkehr fördern und von ihm leben, haben plötzlich zu viele Touristinnen und Touristen. Oder sind es die falschen? Die Strasse von Glarus zum Klöntalersee hinauf musste kürzlich an einem Sonntag gesperrt werden, alle Parkplätze besetzt. Das Wildkirchli samt dem Gasthaus Aescher im Appenzeller Alpstein ist seit längerem ein Hotspot, also praktisch täglich überrannt. In Iseltwald am Brienzersee kämpft man gegen das Problem, dass es zu viele Fremde aus Südkorea hat, seit der idyllische Bootssteg am See in einem Liebesfilm vorkam. Gestern las ich einen Artikel aus der "Berner Zeitung" über Lauterbrunnen, ebenfalls Berner Oberland. Dort sind die Strassen voll und die Läden verstopft, Menschenmassen drängen sich durchs Dorf. Der Gemeindepräsident klagt über Leute, die kreuz und quer parkieren, mitten auf der Strasse Familienselfies machen und den Verkehr blockieren, in der Lütschine baden, was Gefahr birgt. Oder gar auf dem Friedhof Fussball spielen. Die Einheimischen fühlen sich nicht mehr wohl in ihrem Dorf. Man nennt das Phänomen "Overtourism". Tourismus im Übermass.