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Dienstag, 30. November 2021

Tod und Auferstehung am Bachtel

Der leere Bachtelweiher.
Grad eben klagte ich, dass wir am Samstag auf unserer Wanderung im Zürcher Oberland den Bachtelweiher leer vorgefunden hätten. Ein kundiger Blogleser wies mich darauf hin, dass da mehr dahintersteckt als eine winterliche Abpump-Routine. Rund 100 Höhenmeter unter dem Weiher liegt die Hueb mit der ehemaligen Weberei. Für diese wurde der Weiher vor rund 150 Jahren aufgestaut, als Energiequelle. Nun hat vor einiger Zeit eine Sicherheitsprüfung ergeben, dass der Damm des Weihers nicht mehr hundertprozentig stabil ist; käme es zum Dammbruch, würde der Wasserschwall den Weiler Hueb gefährden. Daher wurde das Wasser abgepumpt. Die Sanierungsarbeiten beginnen nächstes Jahr, nach ihrem Abschluss soll der Bachtelweiher auferstehen.

Montag, 29. November 2021

"Ist es bald da?"

Vorsicht, Unfallrisiko: Einstieg in den Bachtelspalt.
Widmer arbeitet sich durch den Spalt.
Am Samstag gingen wir von Gibswil via Wissengubel, Bachtelweiher, Sennenberg, Bachtelspalt auf den Bachtel. Und stiegen wieder ab über Orn, Hasenstrick, Breitenmatt, Garwied, Tann-Dürnten Bahnhof nach Rüti. Nur grad eine Sache gefiel uns an der Unternehmung (Gehzeit vier Stunden, 440 Meter aufwärts, 720 abwärts) nicht, der Bachtelweiher war leer, vermutlich pumpt man das Wasser auf den Winter jeweils ab. Ansonsten gabs nur Schönes. Wir hatten im Aufstieg ein bisschen blauen Himmel und gar ein ganz bisschen Sonne. Die Begehung des Bachtelspalts, 8 Meter tief, 50 Meter lang und an seiner engsten Stelle nur 40 Zentimeter breit, erwies sich als Abenteuerchen. Die Aussicht vom Bachtel auf den Zürichsee gefiel uns sehr. Auch wenn uns am Treppengeländer des Panoramaturms fast die Hände anfroren. Und die opulent gebutterte Rösti samt Schweinsbratwurst im Gipfelrestaurant mundete im Zusammenspiel mit dem Pinot von Rapperswil-Jona sehr. Am Nebentisch hielt ein kleiner Bub das Warten auf seine Pommes frites mit Würstli fast nicht mehr aus. Er ging ans Buffet und fragte höflich: "Ist es bald da?"
Der Zürichsee mit Lützelau und Ufenau vom Bachtel aus.

Das Schneeli verdeckte mancherorts fies vereiste Stellen.

Sonntag, 28. November 2021

Verschluckt

Die Giessen, die Wasserfälle im Zürcher Oberland, stürzen oft über eine überhängende Wand, hinter der sich eine Höhle öffnet. Gestern entdeckten wir oberhalb von Gibswil auf dem Weg zum Bachtelweiher wieder einmal eine typische Kombination dieser Art, den Wissengubel-Giessen samt seiner Höhle. Wir waren begeistert – sicher ist dies einer der schönsten Giessen, die wir in den letzten Jahren sahen. Begibt man sich in die weite, an keiner Stelle beengende, bestens begehbare Nagelfluh-Einbuchtung, so fühlt sich das urtümlich an. Und eigenartig beruhigend. Man ist verschluckt. Aufgenommen von einem gutmütigen Bauch.

Samstag, 27. November 2021

"III. Stock links ist lohnend"

"Gezinkt"sind Karten, die jemand mit unauffälligen Markierungen versehen hat, was heisst, dass dieser Jemand weiss, welches Blatt die anderen in der Runde halten. Das Substantiv zum Verb, "Zinken", kommt vielleicht von lateinisch "signum", Zeichen. Eventuell aber auch vom althochdeutschen "zinko", Spitze. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war bis zu ein Zehntel der Menschen in Europa das ganze Leben oder doch jahrelang unterwegs. Auf viele dieser Leute wartete nirgendwo ein Zuhause, sie hatten kein festes Einkommen und wurden immer wieder mal vertrieben oder gar gejagt. Manche bettelten, andere ergaunerten sich Nahrung oder Geld. Mit Zinken, festgelegten Geheimzeichen, brachte das fahrende Volk an manchen Häusern Zeichen an. Sie deuteten an, was dort zu erwarten bzw. zu holen war. Hier eine Liste gängiger Zinken, die ich kürzlich im Buch "Landauf-Landab ... mit Gauklern, Quacksalbern und Gemeinen Fräulein" fand, erschienen 1985 in der Edition Erpf. Und damit fertig, jetzt muss ich mal vors Haus, den Türrahmen inspizieren, obs dort seltsame Kreidemarkierungen gibt.

Freitag, 26. November 2021

Julius Cäsar aus Biel

Eine Denner-Filiale in Zürich.
(Foto: Karl Pfister Denner AG / Wikicommons)
Gemeinhin denkt man, dass die Geschichte von Denner in den frühen 1950er-Jahren mit Karl Schweri beginnt. Das stimmt zur Hälfte. Wenn wir vor der Discounter-Strategie sprechen. Das Unternehmen selber ist wesentlich älter. Alles beginnt mit der Einwanderung von Emanuel Friedrich Denner aus Stuttgart. 1844 lässt er, Lehrer von Beruf, sich in Biel einbürgern. Sein Sohn, auf den klingenden Bildungsbürger-Namen Julius Cäsar getauft, heiratet in eine Familie ein, die im Spezereihandel tätig ist. 1888 entsteht die Denner & Co. Consumgesellschaft. Dies die Vorgeschichte zum heutigen Detailhandelsriesen. In der "Schweizer Familie" der nächsten Woche bringte ich 27 Kurztexte, die erklären, was hinter bekannten Produkte- und Firmennamen unseres Landes von Trisa über Sipuro bis Bico steckt.

Donnerstag, 25. November 2021

Kleinhüningen und Alaska

Kleinhüningen zählte gerade mal 211 Menschen, als die Stadt Basel es 1640 – also im Dreissigjährigen Krieg – dem Markgrafen von Baden abkaufte und so ihr Territorium vergrösserte. 3500 Reichstaler betrug der Preis, offenbar wars ein Schnäppchen. Heute ist Kleinhüningen das nördlichste Basler Stadtquartier, die Einwohnerzahl hat sich mehr als verzehnfacht. Und jetzt wechseln wir mal kurz die Grössenordnung. 1867 erwarben die Vereinigten Staaten von Amerika vom russischen Zaren für gut sieben Millionen Dollar Alaska. Beide Fälle verbindet dies: Der Kauf hat sich gelohnt. Kleinhüningen ist wertvolle Fläche. Und sicher sind auch die Amerikaner froh um ihren Bundesstaat im Norden. Terrain ist Chance, Terrain ist Macht.

Im Pfarrhaus von Kleinhüningen wuchs der Psychologe
C. G. Jung auf, sein Vater war der Dorfpfarrer.
(Foto: Dr. Nachtigaller / Wikicommons)

Mittwoch, 24. November 2021

Pipilottis Tentakel

Der Autor, Erzähler, Radiomann Reeto von Gunten, ein Scherzbold, sprach von der "ersten 5G-Fernimpfsäule". Ziemlich ausgeflippte Assoziation. Ich denke eher an das Tentakel eines gutmütigen Unterwasserwesens. Die Skulptur von Pipilotti Rist steht in Zürich auf dem Heimplatz zwischen dem Kunsthaus und dessen neuen Erweiterungsbau – seltsamerweise übersah ich sie bisher. Sie ist Teil einer grösseren Licht- und Videoinstallation.

Dienstag, 23. November 2021

Das Bistrotram

Das Tram am Dorfrand von Siblingen im Schaffhauser Klettgau – dieses Tram gleich bei der Postautohaltestelle "Am Stei" ist sozusagen ein Zitat. Es erinnert an die Jahre von 1905 bis 1964, in denen auf der Linie von Schaffhausen nach Schleitheim eine Strassenbahn verkehrte. Das Depot der Linie befand sich in Siblingen. Vor zwei Jahren erstand ein Paar einen alten Tramwagen von 1919 und überführte ihn nach Siblingen. Die beiden richteten in dem alten Vehikel ein hübsches Bistro ein. Für Wanderer und Wanderinnen, die grad eine Randentour hinter sich haben oder eine solche in Angriff nehmen, liegt das "Trämli" ideal. Seit diesem Sommer ist es offen. Eine gute Sache ist das auch, weil ein paar Monate zuvor die letzte verbliebene Dorfbeiz, der "Freihof", coronahalber aufgab.

Montag, 22. November 2021

Tod eines Kallenfängers

Chorgestühl-Figuren im Berner Münster.
(Foto: Mike Lehmann / Wikicommons)

Vor kurzem berichtete ich, dass das Berner Münster der höchste Sakralbau der Schweiz sei. Ich bekam Post von Blogleserin Christine Lienhart-Racine, eine Dokumentation über das Berner Münster, die sie bei Recherchen zu ihrer Familiengeschichte zusammengestellt hatte. Ich las und fand das interessant. Mit Dank an die Autorin hier vier Aperçus:

  1. Der Turm des Berner Münsters schwankt beim Läuten, das leuchtet ein. Doch auch Temperaturdifferenzen bewirken, dass der Turm sich subtil bewegt. Scheint die Sonne, wärmt sie am Morgen dessen Ostseite auf, am Mittag heizt sie von Süden, am Nachmittg von Westen. Die jeweils beschienene Seite dehnt sich um zwei Zentimeter aus.
  2. Am 22. Juni 1502 tobt in Bern ein Hagelsturm. Eisklumpen, gross wie Hühnereier, zerstören einen Grossteil der südlichen Chorfenster des Münsters. Aus den traurigen Trümmern fertigt man ein einziges grosses neues Fenster.
  3. 1517 wird über dem Chor der "Himmlische Hof" vollendet. In dem Kreuzrippengewölbe ist jeder Knotenpunkt mit einer Heiligenfigur befestigt. Ein Heiligenhimmel schwebt also über denen, die die Kirche besuchen.
  4. Die grösste der sieben Münsterglocken wiegt fast zehn Tonnen und gilt als schwerste Glocke der Schweiz. Acht Mann brauchte es einst, sie ins Schwingen zu bringen. Dem erfahrensten Glöckner, dem Kallenfänger, oblag es, am Ende des Läutens den Glockenklöppel mit einem Seil einzufangen. An Silvester 1943 wird der Kallenfänger vom Klöppel erschlagen. Kurz darauf stellt man das Glockenwerk auf Motorenbetrieb um.

Sonntag, 21. November 2021

Röntgens Restaurant

Am 23. Januar 1896 machte Wilhelm
Conrad Röntgen diese Aufnahme von
der Hand (mit Ring) eines Kollegen.
(Foto: Wikicommons)
1310 wird die Liegenschaft, in der heute das Restaurant und Zunfthaus "Zum Grünen Glas" untergebracht ist, erstmals urkundlich erfasst. Sie liegt am Rand der Zürcher Altstadt und ist – wie könnte es anders sein bei diesem Alter? – geschichtsträchtig. Hier nur eine Anekdote: Ab 1845 ist ein Wirtschaftsbetrieb belegt. Der erste Wirt ist ein deutscher Revolutionär, der fliehen musste und in Zürich den Studenten der nahen Uni im eigenen Fechtsaal das Fechten beibringt. Ein Student, der bei Johann Gottfried Ludwig verkehrt, findet Gefallen an dessen Tochter Anna Bertha. Und umgekehrt. Die zwei heiraten 1872 in Utrecht. Wilhelm Conrad Röntgen, so heisst der glückliche Ehemann, entdeckt 1895 eine bestimmte Art Strahlung – nach ihm, dem Physiker und späteren Nobelpreisträger, werden diese Strahlen als "Röntgenstrahlen" benannt. Man isst gut im "Grünen Glas", stellte ich kürzlich bei einem Besuch fest, sehr gut.

Samstag, 20. November 2021

Erdbrustweg?

Neuerdings gibt es für Zürich eine online zugängliche Datenbank, in der die 2500 Stadtzürcher Strassen aufgeführt sind mit jeweils einer kurzen historischen Erklärung. Hier vier Müsterli:

  • Basteiplatz. Er liegt am 1830 abgebauten Schanzenwerk. Eine Bastei ist der vorspringende Teil einer Befestigung.
  • Pelikanstrasse. Die Häusergruppe zum Pelikan entstand ab 1675. Der Hausname ist in Zürich mehrfach belegt, der Wasservogel symbolisiert Christus und die Nächstenliebe.
  • Erdbrustweg. Die Siedlung ist 1256 erwähnt. "Brust" kommt von "burst", das mit "bersten" zu tun hat. Gemeint ist wohl ein Erdeinbruch.
  • In der Ey. "Ey" heisst "Au", gemeint ist am Wasser gelegenes Gelände. Die Strasse verläuft entlang des teilweise eingedolten Döltschibachs. Früher wohnte ich in dieser Strasse, über den gluckernden Döltschibach führte ein Brücklein, das war lauschig.

Freitag, 19. November 2021

Zerfetztes Pferd

Pflanze oder Tier? Phycodurus eques. (Foto: Eye Karma / Wikicommons)

Tarnung ist in der Tierwelt alles. Der Grosse Fetzenfisch sieht eher aus wie eine Pflanze, er passt sich hervorragend an sein Habitat vor der Küste Australiens an. Ich stiess gestern zufällig auf das Foto, als ich auf Wikipedia über Knochenfische nachlas. "Phycodurus eques" lautet der wissenschaftliche Name des Fisches. Eques ist lateinisch für Reiter – tatsächlich erinnert er ein wenig an ein Pferd.

Donnerstag, 18. November 2021

Der Randenentlaster

Gestern ging es in diesem Blog um den öffentlichen Verkehr in Schaffhausen. Heute gleich wieder. Erneut ist Fortschritt zu melden: Seit Anfang Oktober verkehrt der Randenbus, ein Kleinbus, der an schönen Wochenenden und Feiertagen vom Dorfplatz Hemmental (Bus ab Bahnhof Schaffhausen) hinauf in den Randen fährt zum Parkplatz Mäserich*. Das neue Angebot soll dazu beitragen, das Wandergebiet Randen vom Autoverkehr zu entlasten; öffentlichen Verkehr hinauf aufs Plateau gab es bis jetzt nicht. Obs klappt? In einem Jahr wissen wir mehr, so lange dauert das Pilotprojekt. Mein Foto zeigt den Randenbus bei Mäserich, wo wir ihn letzten Samstag sichteten.

*Mäserich ist auf der Landeskarte nicht eingezeichnet. Schweizmobil-Koordinaten: 684208 289092.

Mittwoch, 17. November 2021

Ladearme, nicht Lampen


Während wir am Samstag in Schaffhausen vor dem Bahnhof standen und auf den Bus nach Bargen warteten, motzten wir: diese hässlichen schwarzen Strassenlampen! Nun, irgendwann merkten wir, dass das gar keine Lampen waren. Sondern Ladestationen. In Schaffhausen ist man daran, etappenweise das ganze Busnetz zu elektrifizieren. Vorteilhaft wirkt sich dabei aus, dass besagtes Netz in der Form einer 8 angelegt ist mit dem Bahnhof in der Mitte. So entsteht, lese ich online in der Information zur Umstellung, "ein getakteter und regelmässiger Kontaktpunkt". Am Bahnhof wird aufgeladen.

Dienstag, 16. November 2021

Genialer Mix

Bastian Baker als Zirkusstar.

Motorräder sprangen über das Publikum und rasten durch Kugeln. Ein Ehepaar, er New Yorker und sie aus Effretikon, lieferte sich ein spassiges Geschlechter-Verbal-Duell. Tells Apfelschuss wurde nachgestellt. Männer tanzten hoch oben unter dem Chapiteaudach über ein Seil, dass es einem schwindlig wurde. Und ein winziges schneeweisses Pferd rannte durch die Manege, was so bizarr aussah, als sei es einem Gemälde von Salvador Dalí entflohen. Am Sonntag war ich mit meinem Neffen in St. Gallen im Circus Knie, die Show war ein Spektakel und bekam von uns beiden die Note sechs. Dazu beigetragen hatte auch der Schweizer Popstar Bastian Baker, der mehr machte als nur ein wenig singen. Er leitete ein, er leitete aus, er schwebte am Seil durch die Luft, ritt auf einem Pferd, war Motor des Programms. Doch, das war eine grosse Show, ein genialer Mix aus Sensation, Humor, Akrobatik und Entertainment.
Das fliegende Motorrad.

Montag, 15. November 2021

Türme und Vermicelles

Der Abschnitt vom Siblinger Randenturm hinab nach Siblingen ist steil.
Mein Dessert.
Laub raschelte unter unseren Füssen. Einsam waren die Wege, nur wenige Leute unterwegs. Und grau war der Himmel. Mit Regen rechneten wir, doch kam er wirklich erst dann, als wir ausgewandert hatten und auf den Bus Richtung Schaffhausen warteten. Unsere Samstagswanderung im Randen, dem Schaffhauser Jura, war friedlich und nicht allzu lang und streng: 4 1/2 Stunden, 480 Meter aufwärts, 580 abwärts. Und wieder einmal kehrten wir im Randenhaus ein, wo das Ehepaar Tappolet seit vielen Jahren wirtet und gut kocht. Das Restaurant war voll. Route: Bargen, Dorf – Iblenquelle – Hagenturm – Hasenbuck – Zälgli – Randenhof, Restaurant Randenhaus – Siblinger Randenturm – Siblingen.
An schönen Tagen sieht man den Alpenkranz: auf dem Hagenturm.

Sonntag, 14. November 2021

Darth Vader auf dem Hagenturm


Es war einsam gestern Vormittag im Randen, dem Schaffhauser Jura. Von Bargen stiegen wir auf zum Hagenturm. Dort wurden wir überrascht: Action! Zwei Feuerwehrautos standen da, ein Dutzend Feuerwehrleute, Männer und Frauen, trugen Atemschutzgeräte mit Sauerstoffflaschen auf dem Rücken, einige von ihnen bestiegen grad den Turm. Ein Ernstfall war das nicht. Eine junge Frau teilte Luftballons aus, die man fliegen lassen konnte. An jeder Ballonschnur hing ein Miniflyer, der für Movember warb. Für eine weltweite Bewegung, der es um Männergesundheit geht, konkret um Vorbeugung gegen Hoden- und Prostatakrebs und gegen den Suizid von Männern. Die junge Frau sagte, sie, die Feuerwehrleute des Oberen und Unteren Reiat, unterstützten die Kampagne, indem sie mit den Atemschutzgeräten 60 Mal den Turm erstiegen, man schaffe so Öffentlichkeit. Als wir selber auf der Treppe unterwegs waren, ging hinter uns ein Feuerwehrmann mit seinem Atemschutzgerät. Es röchelte, als sei Darth Vader himself daran, den Hagenturm zu besteigen.

Samstag, 13. November 2021

Schlaue Webstübler

Wer einst in der Webstube sein Geld verdiente, verrichtete eine monotone Arbeit. Vermutlich kommt es von daher, dass bis heute im Dialekt ein "Webstübler" einen bezeichnet, der nicht besonders hell ist. Ein Basler Historiker vermutet, dass die abschätzige Bedeutung konkret auf die in Basel 1917 gegründete "Webstube" zurückgeht. Im Berner Benteli Verlag gab es später gar Webstübler-Witz-Sammlungen, die Basler Webstube änderte deswegen 1971 ihren Namen. Als ich kürzlich einen Teil des Zuger Industriepfades Lorze beging, las ich auf einer Infotafel in Neuägeri dies: Die Arbeiter erhielten in der dortigen Webstube 1857 einen Tageslohn von 1 bis 3 Franken. Dies sei "bedeutend mehr" gewesen als das, was ein Knecht in der Landwirtschaft verdiente. Unter Umständen war es schlau, sich in der Textilindustrie zu verdingen.

Schon im Ägypten der Pharaonen wurde gewoben. Von Hand, versteht sich.
Darstellung in einem Grab in Beni Hassan. (Encyclopaedia Biblica / Wikicommons)

Freitag, 12. November 2021

Der General aus Payerne


Antoine-Henri Jomini, geboren 1779 in Payerne, wo ich unlängst seine Statue fotografierte – dieser Waadtländer brachte es als Quereinsteiger aus dem Handels- und Bankengewerbe zum General. Er lebte, das erklärt es zum Teil, in der turbulenten Epoche, in der Napoleon Europa mit Krieg überzog und umkrempelte; bewegte Zeiten bewirken so manchen unkonventionellen Lebenslauf. Jomini beschäftigte sich hobbymässig mit Militärfragen, wurde Adjutant des Kriegsministers der Helvetischen Republik und stieg in dessen Ministerium zum Sekretariatsleiter auf, womit der Hauptmannsrang verbunden war. Als Planer und Spezialist für Organisationsfragen machte er sich einen Namen. 1801, blutjung noch, zog er nach Paris und veröffentlichte dort ein fünfbändiges Werk über Heerestaktik. Unter Marschall Ney machte er in Napoleons Armee Karriere, stieg zum Brigadegeneral auf, nahm am desatrösen Russland-Feldzug der Franzosen mit und wechselte alsbald in den Dienst des Zaren. Jomini wurde geschätzt als kundiger Berater, publizierte fleissig und bekleidete in fremden Diensten noch so manchen Posten, bis er 1869 starb. Auf dem Montmartre-Friedhof ist der General aus Payerne begraben, er gilt aufgrund seiner rund 30 Werke als einer der grössten Militärtheoretiker aller Zeiten.

Donnerstag, 11. November 2021

Luzerner Leinwand-Labyrinth


Vivian Suter, eine schweizerisch-argentinische Künstlerin mit Jahrgang 1949, lebt seit bald vier Jahrzehnten im Regenwald von Guatemala. Ihre grossflächigen Gemälde hängt sie zum Trocknen an Wäscheleinen auf, als seien es nasse Frottiertücher. Seit 2005 und 2010 zwei Tropenstürme ihre Region und ihre Kreationen heimsuchten, lässt sie die Natur gezielt an ihrer Kunst mitarbeiten. Manche Leinwände sind mit Schlamm bespritzt, oder es ist Laub auf sie gefallen. Auch dürfen Suters drei Hunde durchaus mal auf einem Bild herumspazieren und sich so verewigen. Gestern Mittwoch schaute ich mir im Kunstmuseum Luzern die grosse Suter-Retrospektive an. Ich geriet in ein Labyrinth, denn die Bilder hängen ungerahmt kreuz und quer an Leinen, als sei man bei Suter zuhause zu Besuch. Erstaunlich, wie diese andere Art des Zeigens auf den Betrachter wirkt, der nicht vor dem einzelnen Werk ehrfürchtig verharrt, sondern entspannt durch einen Garten der Formen und Farben schlendert.

Mittwoch, 10. November 2021

Barblan war ein Schwein

Gudench Barblan, Wortsammler.
(sent-online.ch / Wikicommons) 
Als ich hier vor zwei Monaten vom Punt Ota in Pontresina berichtete und dass die Leute von dieser Brücke in der Reformationszeit die Heiligenstatuen und -bilder des Ortes ins Wasser warfen, da liess ich ein sprachliches Detail aus. Die Bilderstürmer riefen dem, wie sie ihn sahen, katholischen Kram höhnisch nach: "Bhieti Gott!" Sie zogen sich damit den rätoromanischen Namen zu, der ihnen seither anhaftet: "ils Pietigots". Im Engadin tragen die Einwohnerinnen und Einwohner fast aller Dörfer solche angestammten, heutzutage nicht mehr wirklich lebendigen und doch nicht ganz verschwundenen Namen; dasselbe Phänomen gibt es auch in anderen Gegenden der Schweiz. Die Sprachwissenschaft spricht von "Ortsnecknamen".

P.S. Der Rechtsanwalt Gudench Barblan, vor etwas mehr als 100 Jahren verstorhen, sammelte die Ortsnecknamen des Engadins, darunter die Bezeichnung "Pietigots". Seine Liste findet sich in der Wikipedia. Er selber war aus Schuls und demnach ein … "Schwein".

Dienstag, 9. November 2021

Reformiert gewinnt

Vor einiger Zeit erwähnte ich in meinem Blog Intragnas Campanile, den mit 65 Metern höchsten Kirchturm des Tessins. Ich fragte mich in diesem Zusammenhang, welches denn eigentlich die höchste Kirche in unserem Land sei. Gestern suchte ich das heraus, was mich dank dem Wikipedia-Eintrag "Liste der höchsten Sakralgebäude der Schweiz" bloss Sekunden dauerte. Die höchste Kirche der Schweiz steht in Bern, es ist das Münster mit 100,6 Metern Höhe. Auf Platz zwei folgt die Kirche St. Martin in Malters LU, 97,6 Meter. Eins zu Null für die Reformierten.

P.S. Die prestigiöse 100-Meter-Marke erreichte der Turm des Berner Münsters erst Ende des 19. Jahrhunderts. 1521 hatte man die Bauarbeiten bei knapp 61 Metern unterbrochen, 1889 setzte man wieder an, wobei man von Berner Sandstein auf robusteren Sandstein aus Niedersachsen wechselte. Die Illustration von Gabriel Ludwig Lory (Wikicommons) zeigt das Münster um 1800.

Montag, 8. November 2021

Die grösste St. Galler Insel

Die Schnittlauchinsel. (Foto: Dodo
von den Bergen / Wikicommons)
Mit Schnittlauch verfeinert man bisweilen den Salat. Im Walensee gibt es eine Insel, die so heisst: Schnittlauchinsel. Sie liegt unweit von Walenstadt, ist 320 Meter vom Ufer entfernt, wird, wenn das Wasser hoch steht, überflutet. Und besitzt einen Superlativ: 80 Meter auf 20 Meter misst sie bloss und ist trotzdem die grösste Insel des Kantons St. Gallen. So weit die Auflösung meines Sonntagsrätsels. Die richtige Antwort erreichte mich gestern von: Felix Käppeli, Stefan Brauchli, Hans Müller, Marianne Jeker.

Sonntag, 7. November 2021

Salatbeigabe? Im Wasser? Hä?

Endlich wieder einmal ein Sonntagsrätsel. Wer die Antwort weiss, mailt mich heute an unter widmerwandertweiter@yahoo.de, die Lösung folgt morgen. Und jetzt wünsche ich allen einen schönen Tag.

Hier das Rätsel, das geografischer Art ist und die Schweiz betrifft:

Eine Salatbeigabe hockt im Wasser und hält einen kantonalen Superlativ.


Samstag, 6. November 2021

Per Strassenbahn zum Ägerisee

Der "Orion" im Jahr 1907.
(Foto ab Infotafel Industriepfad Lorze)
Die Gegend des Ägerisees, das sind die Zuger Highlands. Immerhin 300 Meter beträgt die Höhendifferenz gegen unten zur Ebene der Lorze mit dem Kantonshauptort Zug, von dem aus man Unterägeri und Oberägeri per Bus erreicht. Die erste Form von öffentlichem Verkehr hinauf zum Ägerisee war die Pferdepost. 1904 dann wurde ein Autobus namens "Orion" eingeführt, ein Gefährt mit 12 Plätzen, das für die Strecke weit über eine Stunde brauchte und als unbequem und stinkig galt. 1913 trat an seine Stelle eine elektrische Strassenbahn, die bei der Einweihung drei Mal entgleiste. Sie transportierte auch Güter sowie die Industriearbeiterinnen und -arbeiter der grossen Spinnereien. 1950, als eine Trasseesanierung nötig wurde, rechnete man und zog den Schluss, dass ein Autobusbetrieb billiger sei. So kommt es, dass wir Wanderer und Wanderinnen heutzutage mit dem Bus anreisen. Gelesen habe ich das alles auf einer Infotafel des Industriepfades Lorze bei der Bushaltestelle "Unterägeri, Zentrum".

Freitag, 5. November 2021

Ein treuer Freund

Morgens um acht in Unterägeri am Ausfluss der Lorze aus dem Ägerisee.
Föhnhimmel über dem Zuger Hochland.
Ich liebe alte Häuser wie dieses in Unterägeri.
Die Lorze ist der Hauptfluss des Kantons Zug. Ein Themenweg würdigt ihre Rolle als Treiberin des Handwerks und Gewerbes und später der Industrialisierung, also als Reichtumsquelle. 30 Kilometer lang ist der Industriepfad Lorze und erklärt in 70 Tafeln regionale Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Vorgestern Vormittag bewanderte ich den Anfang der Strecke, die ersten neun Kilometer genauer gesagt vom Ägerisee via Neuägeri ins Lorzetobel, das ich in seiner Mitte Richtung Bushaltestelle "Tobelbrücke-Höllgrotten" verliess. Froh stimmte mich das Wetter während meiner bloss zweieinhalbstündigen Unternehmung. Die Sonne schien grad noch knapp und vergoldete die Blätter der Bäume. Der Föhn, indem er die Regenwolken fernhielt, erwies sich wieder einmal als mein treuer Freund. Was besagten Industriepfad angeht, will ich nächstens etwas mehr von dem erzählen, was ich unterwegs erfuhr.

Donnerstag, 4. November 2021

Moosnews

Das Martinsloch auf der Grenze der Kantone Glarus
und Graubünden ist ein hochalpiner Ort, an dem das
neu entdeckte Moos gedeiht. Illustration von Hans
Conrad Escher, 1812. (Adrian Michael / Wikicommons)

In der Schweiz sind über 1000 Moosarten bekannt. Die schlechte Nachricht: 38 Prozent davon sind gefährdet. Und die gute Nachricht: Dieses Jahr wurde eine bei uns bisher unbekannte Moosart entdeckt. Sie gehört zu den Kissenmoosen, gedeiht im Glarnerland in alpiner Höhe und wurde "Martinsloch-Spalthütchen" getauft. Weltweit ist nur ein weiterer Ort bekannt, wo diese Art wächst, es ist einer im Tirol. Das las ich diese Woche in der "Schweizer Familie". 

Mittwoch, 3. November 2021

Violetti trinken

Unser Pinot.

Rösti mit Käse und Speck im "Hirzli".
Im Restaurant Hirzli im Niederurner Täli bei Niederurnen im Kanton Glarus, einem prachtvoll abseitig gelegenen Haus, kam es letzte Woche zu einer Premiere, die hier zu vermelden ich erst heute Gelegenheit habe. Zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt kostete ich Glarner Wein. Ja, den gibt es. Einigermassen bekannt ist der Bürgliwy vom Burghügel im Kantonshauptort Glarus. Wir hatten es mit einem anderen Tropfen zu tun, einem Pinot Noir von der Winzerfamilie Violetti aus Niederurnen, die dort – sowie im nahen Weesen SG – Rebberge unterhält. Der Rote mundete, leicht und fruchtig war er. Und ich weiss jetzt aus eigener Anschauung, dass auch Glarus ein Weinkanton ist. 
Violetti-Reben in Niederurnen.

Dienstag, 2. November 2021

Der Nachtreiter

Nachtreiter: der Schlossgrün.
(Bild: Ghostpirat/Wikicommons)
Den Schlossgrün sahen wir nicht. Und überhaupt macht die Ruine Göskon, östlich von Obergösgen im Land zwischen der kanalisierten Aare und dem alten Flusslauf gelegen, nicht viel her. Ein paar Mauerreste, mehr ist da nicht. Wir leisteten uns den kurzen Abstecher, während wir am Samstag von Aarau nach Olten wanderten. Denn immerhin: Auf dem Felskopf über dem Fluss siedelten schon in der Eisenzeit Menschen, die sich sicher fühlen wollten. Im 13. Jahrhundert entstand die Burg. 1471 dann schenkten die Solothurner Gebietsherren das Gemäuer den Aarauern. Die brachen es ab, schifften die Steine per Floss nach Aarau und verwendeten sie für den Bau der Stadtkirche. Geblieben ist von der Ruine Göskon fast nichts. Doch ist da eine starke Geschichte. In grüner Jägertracht, heisst es, ist vor Ort ein mittelalterlicher Schlossherr anzutreffen. Das ist der Schlossgrün. Auf einem weissen Pferd umreitet er seine Besitzungen. Leider tut er das nur in gewissen Nächten. Wir waren tagsüber unterwegs, hatten also keine Chance, den Mann anzutreffen.

Die armseligen Reste der Burg Göskon nah Obergösgen SO.