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Donnerstag, 30. April 2020

Der Baron von Bauma

Adolf Guyer-Zellers Grabmal in Bauma. Man könnte es gelegentlich wieder
einmal auffrischen. Das Viadukt gehört zur Uerikon-Bauma-Bahn.
Der Eisenbahnbaron.
(Foto: Wikicommons/ sidonius)
Adolf Guyer-Zeller, 1839 bis 1899, war Zürcher Oberländer. Weltläufig und gebildet war der Sohn eines Industriellen, schon in jungen Jahren reiste er in ferne Länder. Als er selber der Fabrikherr war, liess er für die Arbeiter seiner Spinnerei im Hügelland seiner Heimat Wege anlegen, die es bis heute gibt. In der Gründerzeit der Eisenbahnen wurde Guyer-Zeller zum Bahnpionier. Seine Jungfraubahn existiert nach wie vor. Die Uerikon-Bauma-Bahn auch, aber nur als Museumslinie, die von Bahnfreaks an gewissen Tagen mit Nostalgiekompositionen befahren wird. Die Ofenbergbahn von Chur über den Ofenpass nach Triest konnte Guyer-Zeller in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr realisieren. Letzten Samstag kamen wir an seinem prachtvollen, an antike Bauten wie den Parthenontempel erinnernden Grabmal auf dem Friedhof von Bauma vorbei. Die letzte Ruhestätte des Eisenbahnbarons ist gut gewählt. Ganz nah zieht sich der Schienenstrang der Uerikon-Bauma-Bahn, erhalten geblieben von Bauma bis Hinwil. Der Tote ruht bei seinem Werk.

Mittwoch, 29. April 2020

Europas älteste Landkarte

Im - heutigen - Baskenland nahm jemand vor 14 000 Jahren einen faustgrossen Stein, in den Rentiere und Pferde eingeritzt waren. Diese Person recyclierte das Kunstwerk zu praktischen Zwecken, indem sie neue Gravuren anbrachte - nun waren auf dem Stein skizzenhaft Berge, Flüsse, Wege der Umgebung zu sehen. Heute gilt der Stein von Abauntz, 2009 in einer steinzeitlichen, zu bestimmten Zeiten des Jahres als Unterschlupf dienenden Jägerhöhle entdeckt, als älteste Landkarte Europas.

Dienstag, 28. April 2020

Man betrachtete uns neidisch

Zürcher Oberländer Himmel zwischen Frauenbrünneli und Fehrenwaltsberg.

Die Treppe auf den Allmen.
Am Samstag wanderten wir, schön brav mit Abstand und zu fünft. Unsere Route im Zürcher Oberland: vom Bahnhof Hinwil ins Wildbachtobel, hinauf zum Girenbad und zum Allmen. Via Frauenbrünneli, Fehrenwaltsberg, Ghöch, Sunnenberg, Tännler, Lochbachtobel und die Silisegg gings nach dem Zmittag hinab zum Bahnhof Bauma. Höhepunkte hatte diese Route (5 1/4 Stunden) derart viele, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Hier bloss fünf davon:
  • Das Wildbachtobel im Norden von Hinwil mit einem Giessen, einem Wasserfall. Wegen der Trockenheit war da wenig Wasser. Aber der Ort ist schön: ein Nagelfluhkessel mit grossen runden Steinen, in dem man grad bleiben und ein Lager einrichten möchte.
  • Die Ruine Bernegg höher oben, eine sogenannte Rodungsburg, eine von mehreren, die im Mittelalter rund um den Bachtel entstanden, den höchsten Berg der Umgebung. Es macht immer wieder Spass, solche Gemäuer auf ihren bizarren Hügeln zu erklimmen und sich oben vorzustellen, wie es sich an einem derart engen und unwirtlichen Ort lebte.
  • Der Aufstieg zum Allmen, dem Kulminationspunkt unserer Route auf 1079 Metern. Er war anstrengend, es war erstaunlich heiss am Samstag. Der letzte, besonders steile Teil verlief über eine Treppe. Oben keuchte man wie ein altes Saumpferd und freute sich gleichzeitig, nun eben oben zu sein.
  • Das Lochbachtobel mit dem schmalen Waldpfad, den Treppen und Querstegen aus Metall. Ich habe es nun schon das vierte Mal durchquert und bin sicher, dass irgendwann ein fünftes Mal folgen wird.
  • Last not least ist die Mittagsrast beim Frauenbrünneli zu erwähnen, wo man über das Tösstal hinweg zum Schnebelhorn schaut. An diesem Ort rasteten wir, jeder packte sein Essen aus, es gab Wein dazu, und jemand hatte fürs Dessert kleine Küchlein mitgebracht. Einige Vorbeiwanderer bedachten uns mit neidischen Blicken. Man kann auch restaurantlos geniessen, das wird mir in der Coronakrise bewusst.
    Giessen im Wildbachtobel dreissig Minuten nach dem Start am Bahnhof Hinwil.

Montag, 27. April 2020

Der Ziegenmann vom Tännler

Ich muss wieder wandern, sonst geht mir bald das Futter für meine Kolumne aus. Gestern zog ich mit einem Minigrüppli von vier Freundinnen und Freunden von Hinwil über die Hügel nach Bauma. Im Wald des Tännler südlich von Bauma trafen wir einen schlanken, braungebrannten Mann um die vierzig, der mit zwei Ziegen unterwegs war. Er war offensichtlich kein Hirte, sondern so etwas wie ein Hobbyhalter, er wirkte nicht bäurisch, sondern intellektuell. Seine Ziegen trugen Kopfhalfter, waren aber grad nicht angeleint, sie streiften fidel über den Gratweg und taten sich am frischen Buchenlaub gütlich, mal streiften sie nah beisammen durch den Wald, mal in einigem Abstand, auch rammten sie immer wieder mal ihre Hörner gegen die Baumstämme. Der Mann erzählte uns, dass die beiden Halbgeschwister seien, dass sie gut zehn Jahre alt seien und wohl noch einmal halb so lang leben würden. Dass er sie weder melke noch zu schlachten gedenke. Nein, er halte die beiden Tierchen von je circa 60 Kilo Körpergewicht zum Spass und führe sie vom Haus etwas unterhalb immer wieder mal aus, wobei er sie auf den Nebenstrassen der Gegend anleine. Es seien Pfauenziegen, auch den Namen "Prättigauer" gebe es. Die Rasse sei selten geworden, weil diese Ziegen wenig Milch gäben. Bald zottelten der Mann und die Ziegen weiter bergwärts. Und wir talwärts. Mehr von unserer Unternehmung im Zürioberland will ich morgen erzählen.

Sonntag, 26. April 2020

Mein neues Hausbrot

Im März des letzten Jahres erzählte ich hier, wie ich mein erstes Brot buk. Kürzlich fand ich, es wäre Zeit für ein neues Rezept, Abwechslung und so. Die liebe Géraldine empfahl mir das Rezept von Jenny. Wer ist Jenny? Hier gehts zu ihr und ihrer Anleitung; sie ist eine Youtube-Köchin. Das Brot, für das man einen Bräter braucht, in dem bei grosser Hitze gefangener Wasserdampf den Teig schön befeuchtet, ist fantastisch geworden. Ich liebe mein neues Knusperhausbrot, ich liebe Jenny.

Samstag, 25. April 2020

Die Rätier blitzten ab

Pfadi 1996 beim Welttreffen. Waren da die von der Turatzburg
vertreten? Ich weiss es nicht. (Wikicommons/ Järg Bürgis)
Dank Blogleserin Marianne weiss ich jetzt, was "Turatzburg" heisst. Respektive wie der Name dieses Pfadiheims in Zollikon (Eintrag vom Mittwoch) zustandekam. Nämlich: Er ist zusammengesetzt aus den Pfadistämmen, die 1946 und 1947 das Gebäude erstellt und eingerichtet hatten. Vom Stamm Tulka kam das Tu, vom Stamm Römer das R, vom Stamm Kalats das AT. Und das Z? Das bezieht sich auf Zollikon. Kurz vor der Einweihung der Burg war übrigens bei den Pfadi von Zollikon noch ein neuer Stamm gegründet worden, die Rätier. Die Idee, auch diese in Form eines zweiten R zu verewigen, wurde aber abgelehnt, steht in der Chronik, die Marianne mir zukommen liess. Und so heisst die Turatzburg eben so und nicht Turratzburg.

PS: Langsam lockern sich die Corona-Einschränkungen. Ich denke, bald werde ich als Wanderer aus der eigenen Wohngegend ausbrechen. Mit anderen Worten: Habt Geduld, liebe mit Zollikonthemen bombardierte Leserinnen und Leser.

Freitag, 24. April 2020

A new mouse in my house

Darf ich vorstellen? Dies ist meine neue Maus. Sie kam am Montag bei mir zuhause an und fügte sich binnen fünf Minuten in meinen Haushalt, genauer gesagt mein Home-Office-Büro ein, als hätte sie schon immer hier gelebt. Sie hört auf den Namen Logitech MX Vertical und fügt sich sanft in meine rechte, seit einiger Zeit schmerzende, weil überbeanspruchte Hand ein; diese Maus ist auch eine Therapiemaus und wird mir guttun. Ich denke, es wird eine gute und lange Freundschaft werden. Denkt daran, liebe Blogleserinnen und -leser: An jedem Eintrag, den ich schreibe, wirkt auch die Maus diskret mit. Klick, klick.

Donnerstag, 23. April 2020

Der Thurgau ist noch da

Psst! Geheim! Diskretes Schild in Herdern.
Rückblick auf Schloss Herdern.
Wenn man am Ort verharrt, wenn man viel zuhause hockt, dann beginnt man zu zweifeln: Gibt es den Rest der Welt eigentlich noch? Gestern war ich im Thurgau unterwegs und kann zumindest zu dieser Region eine gute Nachricht verkünden: Sie ist noch voll da vom Bodensee bis zur Thur, inklusive Dörfer, Felder, Wälder und Kantonshauptort Frauenfeld. Ich hatte einen beruflichen Termin in Mammern und nutzte das, um auch ein bisschen zu wandern. Von Mammern ging ich via Herdern nach Frauenfeld., was dreieinhalb Stunden dauerte. Die Weite, die knallgelben Rapsfelder, die Waldpfade, die Auen an der Thur und an der Murg: Sie taten mir gut. Erfrischten Gemütes kam ich wieder zuhause an und freue mich nun auf die hoffentlich stetig voranschreitende Lockerung der Anti-Corona-Massnahmen.
Der Ochsenfurt-Steg führt von Weiningen über die Thur Richtung
Allmend Frauenfeld. Die Fachwerkbrücke ersetzte 1899 eine Fähre.

Mittwoch, 22. April 2020

Adolf Muschgs Pfaditrauma

Warum die Turatzburg so heisst, wie sie heisst - ich habe es nicht herausgefunden. Um ein Pfadiheim auf Zolliker Boden handelt es sich, seine knallote Farbe macht es unverwechselbar. Als ich am Sonntag an der Turatzburg vorbeiging, fiel mir ein, wo ich den Namen schon einmal gehört hatte. In einem Interview, in dem der Schriftsteller Adolf Muschg, Jahrgang 1934, von seiner Kindheit in Zollikon erzählt. Mittlerweile habe ich das Interview gefunden, es war vor sechs Jahren im "Magazin" zu lesen. Hier ein Auszug, Adolf Muschg erinnert sich darin an seine Pfadizeit:
Ich sollte in der "Garde" auf den Namen "Spirit" nachgetauft werden. Man band mir die Beine zusammen, steckte mich in einen Sack und zog mich an einem Balken der Turatzburg hoch, um mich kopfüber in einen Bottich voll Essig, Öl und Stammespisse hinunterzulassen. Plötzlich sagte ich durch das Sacktuch: "Ich will raus." In meinem Ton muss etwas gewesen sein, was dem Spiel Einhalt gebot; danach erklärte ich meinen sofortigen Austritt.

Dienstag, 21. April 2020

Der verfluchte Stein

Der Pflugstein von Herrliberg. Oben zwei Menschlein.
Das Restaurant Pflugstein liegt in der Gemeinde Erlenbach, der Pflugstein steht 20 Meter entfernt auf Herrliberger Boden. Gestern hatte ich einen Termin am Stein bzw. auf dem Stein, es ging um mein Buch "Hundertundein Stein", zu dem nächstens ein Beitrag in einer Zeitschrift erscheinen wird. Für mich war es ein freudiges Wiedersehen, der Pflugstein ist mir ein alter Freund und wird regelmässig und auch in Coronazeiten aufgesucht - immerhin handelt es sich um den grössten Zürcher Findling, allein über Boden hat er ein Volumen von gut 1000 Kubikmetern. Als wir fertig waren, kamen gerade zwei junge Leute mit dicken Mätteli, es waren Boulderer, die Mätteli legten sie auf dem Boden unter ihrer Kletterroute aus als Polster im Fall eines Sturzes. Noch zwei Dinge zum Pflugstein: Er heisst auch "Fluchstein", weil gemäss einer Sage unter ihm eine junge Frau einen jungen Mann traf; der Fluch des Vaters der jungen Frau soll darauf beide in Form eines Blitzes getötet haben. Klingt das nicht ein wenig nach Liebe unter den Taliban? Etwas anderes: Ganz nah beim Stein findet sich eine uralte, unheimlich knorrige Eiche. Sie passt bestens zu dem märchenhaften Ort. Man erreicht diesen ab dem Bahnhof Erlenbach in 30 Gehminuten, oder man nimmt den Bus. Jedenfalls muss man den Pflugstein gesehen haben.
Die Eiche neben dem Pflugstein.

Montag, 20. April 2020

Der Hockeyweiher

Im Norden von Kloten liegt in einer Senke hübsch für sich der Nägelimoos-Weiher. Unlängst kamen wir vorbei und machten kurz Rast. Zuhause fand ich dann heraus, dass auf der gefrorenen Fläche dieses Weihers der EHC Kloten in den Jahren nach der Gründung 1934 im Winter jeweils seine Heimspiele absolvierte - das Gewässer hat eine sportliche Vergangenheit. Ich wünsche allen eine gute und gesunde Woche.

Sonntag, 19. April 2020

Treibstoff nach Berner Art

C. und ihr Ingwerer. Ich fotografierte erst, nachdem ich probiert hatte.
Es waren einmal zwei Musiker aus Bern, Peppe und Simon, die reisten mit ihrer Band durch Europa. Mittlerweile ist bei beiden ein zweites Leben hinzugekommen, sie sind nämlich auch Likör-Produzenten; vor sechs Jahren nahmen sie eine kleine Fabrik in Betrieb, die ihre eigene Erfindung herstellt, den Ingwerer. Das Getränk, eine Mischung aus süss, fruchtig und scharf (im Abgang), hat sich mittlerweile verbreitet und ist beileibe nicht nur in den Berner Bars zu finden. Man kann es auch selber brauen. Gestern wanderten wir im Grossraum Zürich. C. aus Biel hatte ein Fläschchen Ingwerer dabei, selbstgemachten aus Ingwer, Wodka, Zitrone und, wenn ich ich mich recht erinnere, Honig. Der Trunk verlieh uns Schub für die restlichen zwei der fünf Gehstunden.
Eine Giraffenbuche.

Samstag, 18. April 2020

500 Boote pro Stunde

Die Aare verdient schon lange eine Hommage. Jetzt ist eine erschienen. "Liebe Aare" aus dem Weber-Verlag ist ein schön gestaltetes Buch im Quadratformat mit mal schlauen, mal amüsanten, mal lehrreichen Texthäppchen, vor allem aber mit vielen Infografiken zu Themen wie Flora und Fauna, Überschwemmungen, Geologie, Kulturgeschichte. Ich erfuhr beim Schmökern viel Neues. Zum Beispiel diese drei Dinge:
  • Aus den Alpen transportiert die Aare jährlich rund 135 000 Kubikmeter Geröll in den Brienzersee. Dadurch werden die Berge im Quellgebiet in 3333 Jahren um einen Meter niedriger.
  • Die wärmste bzw. die kälteste je im Fluss gemessene Temperatur: 23,8 Grad bzw. 2,6 Grad.
  • Bis zu 500 Gummiboote verkehren pro Stunde in der Hauptsaison zwischen Thun und Bern.

Freitag, 17. April 2020

Brätlen oder nicht, das ist hier die Frage

Das will doch keiner. (Foto: Tilo/ Wikicommons)
Brätlen am Samstag, irgendwo im Wald? Ist das erlaubt angesichts der Trockenheit? Je nach Kanton gelten andere Regelungen. In meinem Wohnkanton Zürich etwa mahnen die Behörden zum "sorgfältigen Umgang mit Feuer im Wald und in Waldesnähe" und im Freien allgemein. Feuer wird nur auf fix eingerichteten Feuerstellen toleriert, Vorsicht ist geboten. Wer sich informieren möchte, wie es in seiner Region ums Feuermachen im Freien bestellt ist: Das Bafu, das Bundesamt für Umwelt, unterhält eine übersichtliche Liste mit den Massnahmen der einzelnen Kantone gegen Waldbrände. Man findet sie hier. Was mich angeht: Morgen wird nicht gebrätlet.

Donnerstag, 16. April 2020

Der See, der ums Eck geht

Hans Weigel, 1908 - 1991, das
Foto stammt von 1974.
(Wolfgang H. Wögerer/
Wikicommons)
Hans Weigel war Theaterkritiker und Schriftsteller. Ein Wiener, klug, belesen, ein Künstler des Formulierens; seine Texte würden sich für den Deutschunterricht eignen, ihnen geht alles Gestelzte ab, direkt sind sie, unaffektiert und witzig bis in jeden Satz hinein. Gestern nahm ich wieder einmal Weigels "Lern dieses Volk der Hirten kennen" aus dem Bücherregal, las darin und war grad wieder begeistert. Das Buch, ein facettenreiches Schweizporträt, erschien 1962 und war hierzulande ein Riesenerfolg. Die Schweizer fühlten sich verstanden und auch ein wenig geschmeichelt in der eloquenten Hommage. Die feine Ironie des Autors, der in seinen Wörtern zu allen angeblichen Wahrheiten und Gewissheiten ein bisschen Abstand hält und in sich hinein lächelt, goutierten sie, weil sie spürten, dass er ein Freund des Landes war, in dem er von 1938 bis 1945 als Emigrant gelebt hatte; Weigel war jüdischer Abstammung. Hier zwei Zitate aus dem Buch, das längst vergriffen ist:
Lugano liegt am gleichnamigen See, dessen Unübersichtlichkeit ihresgleichen sucht. Er ist nicht sehr gross und überkompensiert diesen Mangel durch seine Allgegenwart. Er sendet seine Lappen und Zipfel in alle Richtungen aus. Er geht sogar ums Eck. Man steigt vom Ufer aus auf einen Berg, steigt auf der anderen Seite wieder hinab und ist wieder am Lago di Lugano.
Anders als anderswo ist auch im Schweizer Deutsch die Betonung. Man wird ihr im allgemeinen gerecht werden, wenn man sich an die Regel hält: Betone jedes Wort auf der ersten Silbe ausser St. Moritz, Schaffhausen, Abonnement, Departement und General! Der Drang des Schweizers, die betonte Silbe möglichst weit vorzuverlegen, ist so ungestüm, dass er gelegentlich über die erste Silbe hinausgeht und die nullte beziehungsweise minus erste Silbe betont, so bei den Adelsprädikaten; man sagt von Arx, von Moos, von Salis, von Fischer.

Mittwoch, 15. April 2020

Haben Sie Rapskuchen?

Raps im Zollikerberg. Das Feld, an dem ich gestern
vorbeikam, brachte mich auf das heutige Blogthema.
Ich kenne Apfelkuchen, Himbeerkuchen, Zitronenkuchen. Aber Rapskuchen? So heisst, las ich gestern, das Nebenprodukt, das bei der Kaltpressung von Rapsöl anfällt. Der Pressrückstand. Rapskuchen ist fett- und proteinreich, wird in der Regel zu Pellets oder Flocken verarbeitet und als Rinder- und Schweinefutter verwendet. Also, Leute, in einer Konditorei nach Rapskuchen zu fragen, ist völlig sinnlos.

Dienstag, 14. April 2020

Der Wassersegen fand nicht statt

Die "Cabane Segen" steht seit 2004 im Park des Spitals Zollikerberg.
Unvergessen: Jean Nouvels
monolithischer Würfel im Murtensee.
Während der Expo.02 standen am Ufer des Murtensees sieben Cabanes, sie waren Teil des Auftritts der Schweizer Landeskirchen. Ausgedacht hatte sich die Hütten der französische Architekt Jean Nouvel, der für dieselbe Expo einen - ebenfalls rostigen - riesigen Würfel "Monolith" im Murtensee platziert hatte. Dieser Riesenwürfel ist längst verschrottet. Schade. Mindestens eine der Cabanes hingegen lebt. Sie ist nach Zollikerberg umgezogen und steht heute im weiträumigen Park des  Spitals. Im Inneren findet sich ein Werk des Zürcher Künstlers Roland Herzog, die Installation "Fingerregen", die auch an der Expo.02 zu sehen war. Aus den Fingern der aus der Wand ragenden sechs Armpaare rieselt Wasser - die Idee ist, dass die Besucher es auffangen, womit sie sozusagen in ein sakrales Ritual eintreten. Als ich kürzlich die "Cabane Segen", so ihr offzieller Name, besuchte, war das Wasser allerdings abgestellt. Der Wassersegen fand nicht statt.
Im Inneren der "Cabane Segen".

Montag, 13. April 2020

Mein Freudenbaum

Der Ostersamstag war toll, ich wanderte sechs Stunden und fühlte mich am Abend einfach nur gut. Gestern hingegen war ich müde und ein wenig gelangweilt. Nichts klappte so richtig, nichts machte viel Spass. Der Risotto mit dem am Vortag gesammelten Bärlauch war irgendwie lahm. Das Hörbuch ("The Long Goodbye" von Raymond Chandler) fesselte mich im letzten Viertel nicht mehr, so dass ich permanent kontrollierte, wie lange es bis zum Schluss noch dauern würde. Und weil ich beschlossen hatte, meinem Gestell ein wenig Ruhe zu schenken, gabs auch keine Unternehmung im Freien. Das Einzige, was mir wirklich Freude machte, war der Baum im Vollbluescht vor meinem Fenster. So war das gestern. Heute ist wieder ein ganz anderer Tag. Mal schauen, was er bringt. Und was nicht. Notfalls habe ich ja den Baum.

Sonntag, 12. April 2020

Brot und Triebe

Mmmmm, ein Grahambrot, frisch gekauft beim Hausammann im Zumiker Ortsteil Waltikon. Diese Bäckerei steuere ich immer wieder mal an, von zuhause brauche ich 20 Minuten dorthin. Ich kaufe in der Regel jedesmal ein anderes Brot. Diesmal eben ein Graham. Auf dem Heimweg begann ich mich zu fragen, woher dessen Name kommt. Sylvester Graham, 1794 bis 1852, war ein amerikanischer Prediger und Apostel der Volksgesundheit. Er lancierte ein Brot, das gesünder war als kommunes Brot aus Weissmehl; Graham setzte auf geschrotetes Vollkornmehl. Zudem spielte bei dieser Erfindung die Religion mit. Respektive religiöser Sittenwahn oder so ähnlich. Graham fand, Triebmittel im Brot würden die sexuelle Lust steigern und Menschen ins Verderben führen. Sei dem, wie dem sei, das Grahambrot vom Hausammann ist inzwischen gegessen. Es schmeckte ausgezeichnet. Schade, heisst es so.

Samstag, 11. April 2020

Kann man da reservieren?

Schöner tot sein in Zürich-Witikon.
Zum Friedhof gehört dieses Kirchlein.
Schon wieder eine schöne Streiferei durch meine Lebensregion: Zollikerberg - Trichtenhausen - Witikon - Degenried - Stöckenbach - Burgwies - Balgrist. Von der alten Kirche von Witikon, einem längst von Zürich geschluckten Dorf, blickte ich über den Zürichsee zum Albis und Üetliberg, herrlich. Und der kleine Friedhof war derart gepflegt und schmuck, dass ich spontan überlegte: Kann man da für später reservieren? Anderthalb Stunden später, als ich von Degenried in der Direttissima zum Stöckenbach hinabhielt, geriet ich tatsächlich ein ganz kleines bisschen in Todesgefahr. Ich hatte versehentlich den Bikertrail genommen und musste zwei, drei Mal zur Seite hechten, während behelmte Irre an mir vorbei talwärts bolzten. Nun, ich habe es überlebt.
So was von verwurzelt.
Mein Bikertrail.

Freitag, 10. April 2020

Es werde Licht

Es war ein Wiedersehen mit einem alten Freund. Wenn ich in Maur am Greifensee bin, schaue ich gern in die reformierte Kirche. So geschah es auch letzte Woche. Zu gewissen Zeiten des Jahres hängt in dieser Kirche das Kreuz des deutschen Künstlers Ludwig Hinse aus; ich entdeckte es vor acht Jahren. Auch dieser Tage ist es wieder da. Es besteht aus transparentem, leuchtendem Plexiglas, die Farben changieren je nach Lichteinfall. Heute ist Karfreitag, im Mittelpunkt stehen Leiden und Tod Christi, das Symbol des blutigen Geschehens ist ein Kreuz. Was für ein düsterer, depressiver Gegenstand. Das Kreuz von Maur aber strahlt, es macht froh. Ich wünsche allen einen hellen Karfreitag. Und gute Ostertage.

Donnerstag, 9. April 2020

Motor, Mensch, Maske

Derzeit wandere ich anders. Vermutlich hat es damit zu tun, dass ich zuhause arbeite und dann jeweils einfach raus muss. So kommt es, dass ich praktisch jeden Tag einmal ausziehe. Es sind kleine Fluchten, meist Zweistünder oder so. Doch sie führen mir Sonne und Luft zu, sie harmonisieren mich. Gestern ging ich vom Zollikerberg das Wehrenbachtobel hinab nach Zürich, folgte der Mühlebachstrasse bis zum Bahnhof Stadelhofen. Dort endete die Wanderung, ich traf eine Freundin, wir tranken in der Freiluftpassage über den Schienen ein Bier. Hernach fuhr ich in der praktisch leeren Forchbahn wieder heim. Die kleine Route hatte mich angenehm erfrischt.

P.S. Krass, wie das schöne Wetter nicht enden will. Die Böden sind schon total ausgetrocknet. Mach jetzt mal Regen, Himmel!
Motor, Mensch, Maske: Gestern Nachmittag an der Mühlebachstrasse in Zürich.

Mittwoch, 8. April 2020

Boulouard ar Frankiz

Französisch und Bretonisch: Strassenschild
in Rennes. (Man vyi/Wikicommons)

Gwenedeg
Kerneveg
Leoneg
Tregerleg
Das sind die Dialekte der bretonischen Sprache, die in der Westbretagne in Frankreich von einer Viertelmillion Menschen gesprochen wird; vor 70 Jahren waren es noch vier bis fünf mal mehr Menschen. Ich dachte immer, Bretonisch sei ein Relikt der Gallier, also der Kelten, die einst einen Teil Kontinentaleuropas besiedelten, darunter auch die Schweiz. Ist es aber nicht. Bretonisch ist vielmehr ein Import aus Grossbritannien. Als die germanischen Angelsachsen um 500 nach Christus die britischen Inseln eroberten, flohen manche Kelten von dort in die Bretagne.

Wie komme ich auf das Thema? Didier Squiban, mein Lieblingspianist seit vielen Jahren, ist Bretone. Oft höre ich seine zu gleichen Teilen ruhige und unruhige, bewegte und meditative Musik zum Schreiben. Manche seiner Stücke tragen bretonische Namen.

Dienstag, 7. April 2020

Flucht aus Zürich

Beim Balgrist beginnt bzw. endet der Russenweg. Die Strasse auf dem Foto ist
die Forchstrasse. Hinten - hübsches Minarett! - die Mahmud-Moschee.
Der Russenweg, Blick aufwärts,
also von der Burgwies zum Balgrist.
Napoleons Truppen stürzen das Ancien Régime der Schweiz. Im Grossraum Zürich kommt es 1799 zu zwei Schlachten. In der ersten Schlacht um Zürich kämpfen die Franzosen gegen die Österreicher als Vertreter der monarchischen Kräfte; diese Junischlacht endet mit einer Art Patt. In der zweiten Schlacht um Zürich im September setzen sich die Franzosen dann gegen die Österreicher durch, zu denen sich inzwischen auch eine russische Armee unter General Alexander Rimski-Korsakow gesellt hat. Gestern wanderte ich in Zürich-Hirslanden bei der Burgwies und dem Balgrist vorbei. Die zwei sind durch eine schmale, teilweise gepflästerte Strasse verbunden, die sich parallel zur vielbefahrenen Forchstrasse zieht. Die gepflästerte Strasse ist die alte Hauptstrasse. Sie heisst in Erinnerung daran, dass Rimski-Korsakows Russen auf ihr vor den siegreichen Franzosen flohen, Russenweg.

Montag, 6. April 2020

Tröster Wald

Gestern Vormittag war ich, siehe Foto, im Wald. Gleich bei mir, Zollikerberg. Schon um diese relativ frühe Zeit, 10 Uhr, waren etliche Familien mit Picknicktaschen unterwegs. In den letzten drei Wochen fiel mir auf, dass sich mehr Leute als normal in die Wälder begeben. Warum ist das so? Nun, der erste Grund ist banal: Andere Freizeitflächen, Seeufer und Parks vor allem, sind momentan abgesperrt. Wer aber wollte den Wald kontrollieren? Er ist ein Refugium, ein Sammelsurium von Nischen, von Winkeln, in denen man sich verkriechen, sich der sozialen Kontrolle entziehen kann. Vielleicht wirkt zusätzlich etwas anderes: Wer sich in den Wald begibt, sieht nicht weit. So entsteht kein Fernweh jetzt, da man nicht verreisen kann. Der Wald hilft verdrängen. Er ist ein Tröster.

Sonntag, 5. April 2020

Ein Pass für jede Jahreszeit

In der Stadt Zürich gibt es:
einen Amselsteig
eine Delphinstrasse
einen Elefantenweg
einen Hasenrain
eine Krebsgasse
einen Luchsgraben
und viele, viele weitere tierische Strassennamen.

Seit einer Wanderung über den Käferberg und Waidberg weiss ich: Es existiert in Zürich auch ein Fuchspass. Der heisst offenbar so, weil sich in dieser Gegend Füchse tummeln und beobachtet werden. Wesentlich für Wanderinnen und Wanderer ist dies: Sie können in Zeiten, da die Berge nicht zur Verfügung stehen, trotzdem eine Passwanderung absolvieren. Auf 560 Metern über Meer. Der Fuchspass, der zusammen mit anderen Waldwegen Wipkingen und Neuaffoltern verbindet. macht es möglich.

Samstag, 4. April 2020

Der Schnäderfräss

Schnäderfräässig.
Gschmäderfrässig.
Schmäderfrässig.
Ein Schnäderfrääss? Unklar.
Die Adjektive bedeuten alle dasselbe: sich beim Essen wählerisch verhalten. "Bis nüd eso schnäderfrässig", sagt die Mutter zum Kind, das lustlos im Rosenkohl herumstochert. Im Zürichdeutschen gibt es auch das Substantiv: Ein solches Kind ist ein Schnäderfrääss. Zugrunde liegt den Varianten das Verb schnädere, ohne Lust und unwillig essen. Gelesen habe ich all dies in der neuen Ausgabe des "Y-Mag". Meine Lieblingsrubrik in diesem vom Amt für Wirtschaft des Kantons Schwyz herausgegebenen Magazin lautet "Kantonesisches" und präsentiert jeweils ein Dialektwort. Hier kann man das Heft herunterladen.

Freitag, 3. April 2020

Die 18-Meter-Flamme

Das Forchdenkmal.
Heute möchte ich von meiner Mittwochswanderung erzählen. Ich startete in Ebmatingen, hielt durch ein steiles Waldstück hinab nach Berg und an den Greifensee. Immer wieder gut, die blaue Fläche des Wassers, das Schilf, die Vögel. Am Ufer zog ich nach Maur, rastete bei der Schifflände. Es folgte ein schweisstreibender Aufstieg durch das Bachtobel - eine Neuentdeckung - nach Aesch und zur Forch. Das Forchdenkmal irritiert mich bei jeder Visite neu: Die Treppenanlage kommt mir vor wie ein Aztekentempel, während ich zur 18 Meter hohen, eine Flamme darstellenden Skulptur selber jeweils denke: Dies Modell muss ein berauschter Glasbläser kreiert haben! Das Denkmal wurde 1922 eingeweiht und erinnert an die Schweizer Soldaten, die während des ersten Weltkrieges im Aktivdienst starben (viele von ihnen erlagen der Spanischen Grippe). Die dritte und letzte Etappe der Wanderung: hinüber zum Wassberg, hinab nach Waltikon und hinüber nach Zollikerberg. Nach dreieinhalb Stunden war ich - angenehm durchlüftet der Kopf - wieder zuhause.
Maurs reformierte Kirche.

Donnerstag, 2. April 2020

Acht Minuten ÖV

Er kommt, er kommt! Zollikerberg, der 910-er taucht auf
Gestern gönnte ich mir ein ÖV-Freudeli. Ich führ im - abgesehen von mir - leeren Bus von Zollikerberg nach Ebmatingen, Dorf. Es war eine Premiere für mich. Diese Verbindung gibt es ja auch erst seit vier Monaten. Ich muss ausholen: Man gelangt von Zürich auf zwei Arten nach Zollikerberg. Erstens mit der Forchbahn vom Vorplatz des Bahnhofs Stadelhofen. Oder aber mit dem 910er-Bus ab Bahnhof Tiefenbrunnen, ebenfalls Zürich. Dieser 910er wendete bis Dezember 2019 in Zollikerberg und fuhr wieder hinab nach Zürich Tiefenbrunnen. Nun aber ist die Linie, jeweils von Montag bis Freitag, verlängert, der Bus fährt von Zollikerberg weiter nach Binz und Ebmatingen, also in die Greifenseegegend. Ich genoss die Testfahrt gestern. Sie dauerte acht Minuten. Mir kam das lang vor.

P.S. Von Ebmatingen aus wanderte ich, sah Altbekanntes, aber auch Neues. Mehr dazu morgen oder übermorgen.

Mittwoch, 1. April 2020

Sauerstoff made in Madetswil

Mit dem Linde-Verfahren kann man flüssigen
Sauerstoff erzeugen. Ob ich das schlaue
Diagramm begreife? Kein Kommentar.
(Illustration: Martin Kossick/ Wikicommons)
Bevor ich den Artikel las, schaute ich mir das Foto an. In der Legende war die Rede von einer ehemaligen Lufttrennanlage. Ich las "Luft-Renn-Anlage" und fand das exotisch, bis ich doch begriff, dass es um die Trennung von Luft geht. Um eine industrielle Prozedur, in deren Verlauf der Luft maschinell Sauerstoff entzogen und in Flaschen gefüllt wird. Der Artikel, um den es hier geht, stand gestern im Tagi und führte ins Zürcher Oberland, nach Madetswil in der Gemeinde Russikon. Dort steht eine militärische Sauerstofffabrik, die 1990 den Betrieb aufnahm, um im Oktober 2008 stillgelegt zu werden, worauf die Maschinen entfernt und ins Ausland verkauft wurden. Heute gehört die leere Fabrik der Militärhistorischen Gesellschaft des Kantons Zürich, die sie als Lager und Werkstatt nutzen will. Der in Madetswil gewonnene Sauerstoff - Förderkapazität 120 Flaschen pro Tag - war für die Schweizer Militärspitäler gedacht; auch in Ilanz GR und Luchsingen GL wurde produziert. Einzige erhaltene Anlage ist die Lufttrennanlage in Ilanz, sie kann auf Anfrage besichtigt werden. Funktionsfähig ist auch sie nicht mehr. Dabei könnte die Schweiz gerade jetzt Medizinalsauerstoff brauchen, für die Beatmungsgeräte auf den Intensivstationen.