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Freitag, 31. Mai 2024

Regen, Regen, Regen

Regen, Regen, Regen: Wetterprognose auf sma.ch für Bühler heute Freitag.

Heute habe ich einen Auftritt vor der Lesegesellschaft Bühler und will dort unter kräftigem Einsatz von Fotos begründen, warum wir Schweizerinnen und Schweizer derart am Wandern hängen. Drei Dinge freuen mich, wegen einer Sache ist mir ein wenig bange. Also, zuerst das Positive. Erstens finde ich Lesegesellschaften imposant, es sind aus historischer Sicht frühe Foren der Demokratie, man ging in die Lesegesellschaft, um abonnierte Zeitschriften zu lesen, um sich Vorträge anzuhören und an Diskussionen teilzunehmen. Um sich eine Meinung zu bilden. Und um diese kundzutun. Zweitens: Bühler ist Heimat, Appenzell Ausserrhoden. Und drittens freue ich mich auf heute Abend, weil mit dem Erscheinen der Verwandtschaft oder auch von Freundinnen und Freunden zu rechnen ist. Alles gut. Ein bisschen besorgt bin ich einzig wegen der Wetterprognose. Starke Regenfälle sind angesagt, ich hoffe, das Trassee der Appenzeller Bahn hält. Möge ich rechtzeitig in Bühler eintreffen, möge auch meine Heimreise gelingen.

Donnerstag, 30. Mai 2024

Tod eines Malers

Die Statue von Johann Melchior Wyrsch, 1732–1798, in Buochs. (Foto: Ronja)

Maler Wyrsch auf einer Lithografie von
1868, Alter des Malers nicht angegeben.
(Wikicommons)
So nebenbei bringt uns der Schweizer Jakobsweg Menschen und ihre Geschichten näher. Ende April kamen wir in Buochs im Kanton Nidwalden an der Statue des Johann Melchior Wyrsch vorbei. Er war im 18. Jahrhundert ein bedeutender Porträtmaler, hatte in Italien studiert, lebte viele Jahre lang in Frankreich, in Besançon, wo er eine Kunstakademie gründete und gar zum Ehrenbürger ernannt wurde. Schliesslich begann eine Augenkrankheit ihm zuzusetzen; vom Erblinden bedroht, kehrte er heim nach Buochs. Als im Herbst 1798 Napoleons Truppen gegen hartnäckigen Widerstand in der Innerschweiz vorrückten, wobei es zu Plünderungen und Massakern kam, wollte Wyrsch sein Dorf retten. Als Unterhändler ging er den Franzosen entgegen, er war ja selber ein halber Franzose. Die Soldaten erschossen ihn. Buochs brannte in der Folge fast vollständig nieder, rund 50 Menschen starben. Der couragierte Maler hatte es nicht verhindern können.

Mittwoch, 29. Mai 2024

Der periurbane Park

Im Naturpark Jorat. (Foto: zvg)
Im Norden von Lausanne erstreckt sich der Jorat, ein Hochland mit der grössten zusammenhängenden Waldfläche des Schweizer Mittellandes. Letzten Samstag wurde in diesem Gebiet im Beisein von Bundesrat Albert Rösti der "Parc Naturel du Jorat" offiziell eröffnet. 40 Kilometer öffentliche Wege zum Herumstreifen und Entdecken bietet er und ist eine "nature de banlieue", wie ein Waadtländer Regierungsrat an der Feier sagte; gemeint ist, dass hier artenreiche Natur direkt an einen städtischen Siedlungsgürtel anschliesst. Der neue Naturpark ist, anders gesagt, nach dem Sihlwald bei Zürich der zweite periurbane Naturpark der Schweiz; das Fremdwort bedeutet nichts anderes als: stadtnah.

Dienstag, 28. Mai 2024

Erstaunlich nahbar, dieser Goethe

Alte, freilich nicht datierte Steintreppe auf dem Brünig-Saumweg.
Abschüssiges Stück im Abstieg durch den Uochwald nach Brienzwiler.
Blick aus der Gegend von Hofstetten zum Brienzersee.
In der Direktbegegnung erwies sich der
berühmte Goethe als erstaunlich nahbar.
(Foto: Ronja) 
Wir sahen, wir erlebten viel am Samstag, als wir auf dem Jakobsweg von Lungern über den Brünig nach Brienz wanderten, was knapp fünf Stunden dauerte bei 610 Höhenmetern aufwärts und 800 Höhenmetern abwärts. Auch kehrten wir drei Mal ein. Auf dem Brünig gabs Kafi im Restaurant Waldegg. In Hofstetten, eine gute Gehstunde vor Brienz, leisteten wir uns ein Bier in "Rosa's Bistro" in der Chueli-Erlebniswelt des Sängers Marc A. Trauffer (über sie habe ich früher einmal gebloggt). Und schliesslich gönnten wir uns am Ziel in Brienz im "Weissen Kreuz" ein opulentes Nachmittagsmahl, beäugt vom deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe bwz. seiner Holzfigur ganz in der Nähe; offenbar stieg in diesem Etablissement schon Goethe ab – wo nicht in der Schweiz, frage ich mich manchmal, der Mann war überall. 

Ein Wort noch zur Route. Sie zerfiel in drei Teile: Auf dem historischen Brünig-Saumweg stiegen wir von Lungern auf, bemerkten dabei im Wald unter der Hagsflue die Reste einer uralten, in den Kalkfelsen gehauenen Treppe, die auch für Mulis bewältigbar war. Teil zwei: Vom Brünig stiegen wir durch den Uochwald nach Brienzwiler ab, diese Passage war stellenweise steil und sehr rutschig. Nicht ganz ungefährlich. Schliesslich das letzte, äusserst liebliche Drittel: von Brienzwiler via Hofstetten nach Brienz. In Brienzwiler, übrigens, nahmen wir ein Schild an der Pilgerherberge zur Kenntnis, das uns die Entfernung bis nach Santiago de Compostela angab, dem Ziel der ernsthaften Jakobspilgerinnen und -pilger. 2109 Kilometer. Wie viele Kilometer es sind, bis wir, in Konstanz gestartet, bei unserer Destination ankommen, der Genfer Kathedrale: Das stand da leider nicht zu lesen.

Montag, 27. Mai 2024

Gelobt sei der Tschuggen

Tschuggen, Blick über den flachen Boden der jungen Aare Richtung Meiringen.
Dreht man den Kopf, sieht man den Brienzersee.
Und, etwas näher, die Piste des Militärflugplatzes Meiringen.

Rechts oben der Brünig. Links unten der Tschuggen.
(Schweizmobil-Karte, Screenshot)
"Tschuggen" heisst der Aussichtspunkt, den man vom Brünigpass aus in 45 Minuten erreicht, wobei die letzten fünf Minuten vom Hauptwanderweg wegführen, dem Jakobsweg-Abschnitt vom Brünig via Brääch und Uochwald hinab nach Brienzwiler. Besagter Uochwald, übrigens, ist ein Traum von Wald, alles ist vermoost, die Bäume stehen wie erstarrte Menschen, es gibt überhängende Fluhen und Schrunden im Untergrund. Steil ist dieser Wald auch und heikel zu begehen, wenn der Boden, wie gestern, nass ist. Aber zurück zu unserem Aussichtspunkt. Wir traten an den Drahtseilhang, wichen grad zurück, das Gelände fällt senkrecht ab. Tief unter uns sahen wir den topfebenen Boden, den die junge Aare durchfliesst, sahen den Militärflugplatz Meiringen und weiter hinten Meiringen selber, sahen an der Bergflanke gegenüber die Kaskaden zweier Bäche, des Oltschibaches und des Wandelbaches. Und gleichzeitig erschauten wir Richtung Westen die blaue Fläche des Brienzersees und Brienz. Wir waren uns einig: Dies ist einer der schönsten Aussichtspunkte in einem an schönen Aussichtspunkten nun wirklich nicht armen Land.
Moos, Laub, Fels und Schrunden im Uochwald.

Sonntag, 26. Mai 2024

Kaputtes Bern

Wappenstein auf dem Brünig: links Obwalden, rechts Bern.

Ende März betraten wir bei Rapperswil, Kanton St. Gallen, den Fussgängersteg über den Zürichsee und gelangten gleich danach in den Kanton Schwyz; unser Ziel war an jenem Tag, dem Ostersamstag, Einsiedeln. Seither waren wir auf dem Schweizer Jakobsweg mehrere Samstage hintereinander in der Innerschweiz unterwegs, bewanderten zuerst Schwyzer, dann Urner, dann Nidwaldner, dann Obwaldner Boden. Gestern nun mussten wir uns auf dem Brünig von der Innerschweiz verabschieden, ein paar Meter vor der Passhöhe wechselten wir in den Kanton Bern. Ein Wappenstein zeigt an der vielbefahrenen Strasse die Kantonsgrenze an. Auf der Obwaldner Seite erkannten wir das Obwaldner Wappen mit dem einbärtigen Schlüssel und dem altertümlichen Zusatz "Unterwalden, ob dem Wald". Und auf der Berner Seite … nun, erahnten wir knapp den geschwungenen Rand des Wappens. Der Berner Bär darin ist – von der Witterung, nehme ich an – in ein Rorschach-Test-Bild verwandelt worden. Trist, dieses kaputte Hoheitszeichen. Hey, Kanton Bern, mach dein Wappen wieder schön.

Samstag, 25. Mai 2024

Obwalden baut

Imposante Grossbaustelle. Vor zwei Wochen passierten wir sie zu Fuss und nutzten dabei auch den Behelfssteg, als wir auf dem Schweizer Jakobsweg den Abschnitt von Sachseln nach Giswil und weiter nach Kaiserstuhl und Lungern machten. Heute werden wir dieselbe Baustelle oberhalb von Giswil erneut sehen, diesmal aus dem Zug; wir reisen nach Lungern und wollen von dort auf dem Jakobsweg weiterwandern, auf den Brünig soll es gehen und hinab nach Brienz. Die Baustelle am Hang zwischen Giswil und Kaiserstuhl gehört zu einem ambitionierten Strassenprojekt im oberen Obwalden: Die Brünigroute, ein Teilstück der Nationalstrasse A8, wird aufwändig modernisiert. Die Umfahrungen von Sachseln, Giswil und Lungern sind schon realisiert, derzeit wird nun der Kaiserstuhl-Tunnel gebaut. Ab 2029 kurvt man nicht mehr die Kehren nach Kaiserstuhl hinauf, sondern überwindet die Steilstufe unterirdisch. Wesentlich weniger lang dürfte unser Schweizer Pilgerabenteuer dauern, ich denke, wir kommen spätestens im November in Genf an.

Freitag, 24. Mai 2024

Pruntruts Schande

Schloss Pruntrut ist auch ein Gefängnis.
Das Schloss von Pruntrut, einst jurassischer Sitz der Fürstbischöfe von Basel, ist gewiss malerisch. Es ist ein Ziel, das Touristen begeistert – auch mich, als ich es vor drei Jahren besuchte. Diese Woche las ich, dass es im Schloss ein Gefängnis gibt. Dass die Haftbedingungen dort schlecht sind, dass die Zellen schlecht belüftet sind, dass kaum Tageslicht in sie dringt, dass es keinen Spazierhof im Freien gibt. Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter empfiehlt daher, das Gefängnis zu schliessen. Die Regierung des Kantons Jura zeigt sich prinzipiell einsichtig, erklärt aber gleichzeitig, dass es mit der Schliessung dauern könne, da ein Projekt für den Bau einer neuen Justizvollzugsanstalt noch nicht weit gediehen ist. Falls ich wieder mal nach Pruntrut komme und das Schloss sehe, werden sich andere Gefühle melden als beim letzten Mal. Abscheu vor allem.

Donnerstag, 23. Mai 2024

Ferien im Fellergut


Die Stiftung "Ferien im Baudenkmal" macht Schweizer Baukultur aus sechs Jahrhunderten zugänglich. Neu im Angebot: eine Maisonette-Wohnung im 14. und 15. Stock des 1972 erbauten Hochhauses Fellergut in Bern-Bümpliz mit Platz für vier bis sechs Personen. Die Wohnung sei "weitgehend im Originalzustand" erhalten, schreibt die Stiftung in ihrer Medienmitteilung. Und man sehe aus ihr schön zu den Alpen. Voilà die originelle Ferienunterkunft!
Fotos: Stiftung Ferien im Baudenkmal / Studio Gataric Fotografie

Mittwoch, 22. Mai 2024

Der Renaissancerausch


Am Freitagabend kam ich unverhofft zu einem Rausch. Einem kulturellen. Mit zwei Kolleginnen besuchte ich in Zürich in der Maag-Lichthalle die Ausstellung "Leonardo da Vinci – Uomo Universale". Sie beginnt konventionell, man lernt in Form von Abbildungen und Schrifttafeln die vielen Facetten des Italieners Leonardo da Vinci (1452–1519) kennen, der Maler und Bildhauer war, aber auch Anatom und Philosoph, Ingenieur und Mechaniker, Waffenkonstrukteur, Tüftler und Erfinder. Dann tritt man ein in die angenehm grosse Halle, in der Projektoren da Vincis Werk durcheinanderwirbeln in Form immer neuer, von passender Musik unterlegter Bilder. Die Ausstellung funktioniert in diesem Riesenraum nach dem Prinzip der Immersion: Man taucht ein, ist sozusagen umzingelt von den Darbietungen. Auch "Mona Lisa", Leonardos berühmtes Gemälde, vervielfältigt sich. Man kommt der Frau so näher als im Louvre in Paris, wo an dem mit Panzerglas geschützten Original täglich mehr als 20 000 Menschen vorbeiziehen. In der Maag-Lichthalle ist Platz, man kann sich bewegen, kann stehen, sitzen oder gar liegen. In Zürich wird Leonardo da Vincis Schaffen so vorgeführt, dass die Beschleunigung, die Körperbegeisterung, der Wissensdrang, der Realitätssinn und der Schönheitsdurst der Renaissance spürbar werden. Ich denke, der Meister hätte das gemocht.

Dienstag, 21. Mai 2024

Die Reise der Schwarzen Madonna

Die Haggeneggkapelle ist etwas mehr als hundertjährig.
Einen von vielen Dankestafeln
im Inneren der Kapelle.
Auf der Haggenegg im Kanton Schwyz, dem höchsten Punkt des Schweizer Jakobswegs von Genf nach Konstanz, stehen gleich zwei Gotteshäuser. Die kleine Pilgerkapelle exakt auf der Passhöhe geht auf das Jahr 1700 zurück und ist innen praktisch leer, ein uraltes Steinkreuz wirkt umso stärker. Wenn ich hier von der zweiten Kapelle, der Haggeneggkapelle, mehr erzähle, dann, weil mich die Geschichte fasziniert, die sie umrankt. 400 Meter westlich der Passhöhe steht sie am Strässchen. Ungefähr hier vergruben Leute des Klosters Einsiedeln 1798 ihre Schwarze Madonna, als die Truppen Napoleons anrückten und dem Kloster Plünderungen und Brandschatzung drohten. 1870 entstand am Ort des einstigen Versteckes eine Kapelle, 50 Jahre später wurde sie durch den etwas höher platzierten Holzbau ersetzt. Wir fanden ihn schmuck und trafen im Inneren auf Einsiedelns Schwarze Madonna. Nun, nicht auf das Original, dieses reiste zurück ins Kloster, nachdem damals die Franzosen abgezogen waren. Aber auch die Kopie auf der Haggenegg beeindruckt.
Mutter und Sohn, beide gekrönt, in der Kapelle.

Montag, 20. Mai 2024

Der Rohmilchamerikaner

Heiliger unseres Vertrauens:
Jakob vor der Kirche Alpthal. (Foto: Ronja)
Soulfood, wie man so schön sagt:
Beinschinken und Kartoffelsalat
im Berggasthaus Haggenegg.
(Foto: Ronja)
Bei angenehmem Wetter gingen wir also, siehe gestern, auf dem Jakobsweg von Einsiedeln via Au, Trachslau, Alpthal, Haggenegg nach Schwyz. Halt, ungenau. Von Ried etwas oberhalb von Schwyz steuerten wir nicht in den Kantonshauptort hinein, den wir auf der Etappe Schwyz–Ingenbohl–Brunnen bereits besucht hatten. Sondern wir hielten direkt zum Bahnhof Schwyz im Ortsteil Seewen. Wobei die Einheimischen von der "Filiale" Seewen reden, so bezeichnen sie auch die anderen Ortsteile der Gemeinde Schwyz. Aber ich schweife von der Hauptsache ab, unserer Wanderung. Hier vier bemerkenswerte Dinge zu ihr:

  1. Charismatisch. In Alpthal besichtigten wir die Kirche, die der heiligen Apollonia gewidmet ist. Im Inneren steht die Statue der Namenspatronin, Apollonia zeigt stolz die Zange vor, mit der sie gefoltert wurde. Samt einem ausgerissenen Zahn. Sie gilt ja auch als die Instanz, an die man sich wendet, wenn man Zahnweh loswerden will. Uns gefiel ein anderer Heiliger besser. Unser Gehheld. Draussen vor der Kirche steht beim Friedhof eine Statue des heiligen Jakob. Also des Jesusjüngers, auf dessen Spuren wir derzeit durch die Schweiz pilgern. Breitkrempiger Hut, Spitzbart, langer Stock, Provianttasche: Wir fanden diese Erscheinung ausgesprochen charismatisch.
  2. Fein. Auf der Haggenegg assen wir gut im Berggasthaus, es gab Bouillon mit Flädli, Rösti, Schinken mit Kartoffelsalat, Salat mit Pouletstreifen, alles schmeckte. Die junge Frau, die uns bediente, war fix und freundlich. Seit 1483 werden auf dem Pass, dem mit 1414 Metern höchsten Punkt des Schweizer Jakobswegs, Pilgerinnen und Pilger verköstigt (und beherbergt). Alle anderen Leute natürlich auch.
  3. Mächtig. Der Grosse und der Kleine Mythen mit dem Nebengipfel Haggenspitz dominierten unsere Unternehmung. Auf der Haggenegg musste ich den Kopf in den Nacken legen, um den mächtigen Haggenspitz zu würdigen. Der Nacken tat mir dann für den Rest der Wanderung weh. Apropos Wanderung: hier die Fakten. Wir brauchten, abgesehen von den Pausen 5 3/4 Stunden. Stiegen 580 Meter auf und 1010 Meter ab. Er war durchaus anstrengend, unser Pfingstsamstag.
  4. Kurios. Auf dem steilen, doch gut unterhaltenen, reichlich mit Kies bestreuten Waldweg hinab in den Talkessel von Schwyz trafen wir einen jungen Amerikaner. Er sah superfit aus, trug freilich einen schweren Rucksack, hatte ein Zelt dabei. Ob es noch weit sei bis zum Pass, fragte er. Und erzählte, dass er in Brunnen losgelaufen sei und als Tagesziel Einsiedeln im Auge habe. Und in den nächsten Wochen und Monaten bis Niedersachsen laufen wolle. Dort hätten seine ancestors gelebt, seine Vorfahren. Dann wollte der junge Mann aus Wisconsin noch etwas anderes wissen: Ob wir wüssten, wo es Rohmilch gebe: Die trinke er am allerliebsten.
    Rückblick zu den Mythen eine halbe Stunde vor Wanderschluss.
    Gaumenkühlung: Vanilleglace im Café
    Schelbert beim Bahnhof Schwyz-Seewen.

Sonntag, 19. Mai 2024

Ganz oben


Haggenegg, Kanton Schwyz, 1414 Meter über Meer. Höchster Punkt des Schweizer Jakobswegs von Konstanz nach Genf. Grandios fühlte sich der Moment an, als wir gestern exakt um 12 Uhr nach dreieinhalb Stunden Anmarsch ab Einsiedeln den Pass erreichten – und mit ihm eine neue Landschaft. Auf einen Schlag hatten wir das Bild vor uns, das ich hier zeige: Tief unter uns lagen der Talkessel von Schwyz, der Vierwaldstättersee (links) und der Lauerzersee (rechts). Und wir sahen als grüne Bergkette, die beide Seen trennt, das Rigimassiv samt der Rigi (ganz rechts). Im Berggasthaus Haggenegg (das dunkle Haus zur Linken) stiessen wir an auf diesen speziellen Ort. Auf das schöne Wetter. Auf die Jakobspilgerei. Und auf uns selber.

Ich wünsche allen schöne Pfingsttage. Ich nehms heute ruhig, will Fotos verarbeiten, die nächsten Etappen auf dem Schweizer Jakobsweg planen, etwas Gutes kochen und mal sichten, was in meiner Wohnung an alten Schuhen und Kleidern weg muss. Morgen Montag gehts dann kurz ins Appenzellerland zu einem Familienessen. Ruhige Feiertage: Ich liebe das.

Samstag, 18. Mai 2024

Haggenegg und Hafenchabis

Im Oktober 2015 assen wir im Berggasthaus
Haggenegg. Es gab ein altes Gericht, Hafenchabis.
Heute könnten wir in Lungern zur dreizehnten Etappe unserer Wanderung auf dem Schweizer Jakobsweg von Konstanz nach Genf ansetzen. Könnten auf dem Brünig vom Kanton Obwalden in den Kanton Bern übertreten und hinab nach Brienz ziehen. Könnten. Hinter uns klafft aber immer noch eine Lücke: Etappe sieben von Einsiedeln über die Haggenegg nach Schwyz liessen wir vor Wochen aus, weil auf dem Pass noch Schnee lag. Heute wird das Versäumte nachgeholt, wir machen diese fehlende siebte Etappe. Die Tour ist eher streng, dauert gut 5 1/2 Stunden bei 560 Höhenmetern aufwärts und 980 Höhenmetern abwärts. Schön ist, dass wir auf der Haggenegg einkehren können, was auch deswegen passt, weil an diesem Ort seit 1483 ein gastliches Haus müde Pilgerinnen und Pilger empfängt. Ich freue mich. Und hoffe, dass das Wetter mitmacht, ab der Mitte des Nachmittags könnte es regnen. Etappe sieben, sei bitte gut zu uns.

Freitag, 17. Mai 2024

Langer Satz

Das Plakat vor dem "Kaufleuten" und ...

Lustig, wenn man sich selber in der Stadt begegnet, womit konkret jenes Plakat gemeint ist, das der eine meiner beiden Verleger, Markus Schneider, mir am Mittwochabend in Form eines Fotos simste, kurz bevor ich selber beim "Kaufleuten" eintraf, wo etwas später die Vernissage meines neuen Buches "Neue Schweizer Wunder" begann, eine Veranstaltung, die ich im Nachhinein als geglückt empfinde, weil doch viele Leute kamen, Freundinnen und Freunde, aber auch mir unbekannte Interessierte, und weil ich selber die, sagen wir mal, Show geniessen konnte, was sicher auch mit meiner angenehmen Gesprächspartnerin zu tun hatte, Redaktionskollegin Natascha Knecht, deren Fragen ich freudig beantwortete, bis es schliesslich doch Zeit wurde, sich von der Bühne zu verabschieden und zum zweiten Teil überzugehen, dem Signieren meiner Bücher draussen im Foyer. Uff, jetzt ist dieser lange Satz zu Ende. Und ich habe für heute geschlossen. Nein, halt, noch dies: Das Buch kann man weiterhin beim Echtzeit Verlag bestellen. Ich würde mich freuen, wenn es sich auf die Dauer gut verkauft. Der Verlag sowieso.
... ein Teil des Publikums drinnen.

Donnerstag, 16. Mai 2024

Tenzin? Oder doch Korra?

Der Dalai Lama im Jahr 2012.
(Foto: Christopher Michel /
Wikicommons)
Gestern gabs im "Tagi" drei Listen: die beliebtesten Namen für Neugeborene im letzten Jahr in der Stadt Zürich. Bei den Mädchen steht Sofia (samt ähnlichen Schreibweisen) ganz oben, gefolgt von Olivia und Ella. Bei den Buben Leo vor Louis und Leonardo. Die dritte Liste nennt die fünf häufigsten Unisex-Namen im Jahr 2023: Luca, danach Lou, Laurin und Youri. Wie? Ich hätte jetzt bei Laurin und Youri gesagt, das seien eindeutig Bubennamen. Auf Platz fünf der Unisex-Liste steht Tenzin. Der Name bezeichnet eine Person männlichen oder weiblichen Geschlechts, die die buddhistische Lehre behütet und verteidigt; der heutige Dalai Lama heisst so, Tenzin Gyatso. Ich denke allerdings, eine andere, fiktive Person könnte in Zürich gewirkt haben. In der amerikanischen Fantasy-Zeichentrickfilm-Serie "Die Legende von Korra" von 2012, in der es um Figuren geht, die die vier Elemente kontrollieren können, gibt es einen Tenzin. Er ist der Bub, der der Hauptfigur Korra, einem Mädchen, das Luftbändigen beibringt. Oh, mir fällt grad ein, Korra wäre ein hübscher Vorname, oder?

Mittwoch, 15. Mai 2024

Mein Muttertagsschock

Das Appenzeller Volkskunde-Museum in Stein, Appenzell Ausserrhoden.
Infoplakat vor dem Museum.
Ich bin in Stein AR aufgewachsen, von dort kommt meine Familie, ich bin auch Steiner Bürger. Ich hänge an Stein. Umso schockierter war ich, als ich am Muttertag mit meiner Mutter in Stein im Restaurant der Appenzeller Schaukäserei essen ging. Die Schaukäserei ist mit dem Appenzeller Volkskunde-Museum gepaart, die zwei Gebäude stehen auf dem weitläufigen Areal nebeneinander, viele Leute von auswärts besuchen grad beide Einrichtungen, wenn sie nach Stein kommen. Und jetzt verkündete da doch tatsächlich vor dem Museum ein Plakat, dieses sei seit dem 2. April "vorübergehend" geschlossen. "Für einen derzeit unbestimmten Zeitraum." Hatte ich nicht gewusst. Finanzielle Probleme sind schuld an der Schliessung. Die Erträge aus Eintritten, Führungen und dem Shop sowie die Gelder von der Gemeinde und dem Kanton reichten offenbar nicht aus, um den Betrieb nachhaltig zu finanzieren. Auch ist das Museum in die Jahre gekommen, einiges müsste erneuert werden, doch allein der Unterhalt des Hauses kostet viel. Sentimentale Erinnerung: 1987 berichtete ich als Jungjournalist für die "Appenzeller Zeitung" über die Einweihung. Wie stolz ich damals war auf unser modernes Museum, das weit mehr war und ist als ein Retro-Heimatmuseum und in den letzten Jahrzehnten immer wieder tolle Ausstellungen geboten hat. Geht es irgendwie doch weiter, findet sich eine Lösung? Ich hoffe es.

Dienstag, 14. Mai 2024

Die Raketenkirche

Schmal und hoch: die Herz-Jesu-Kirche in Lungern.
Blick von der Kirchenterrasse samt Friedhof zur
Südspitze des Lungerersees, hinten die Dundelbachfälle.

Reist man per Bahn von Luzern zum Brünig, gibt es in Lungern den Moment, wo man nach dem Halt am Bahnhof wieder losfährt. Das Zahnrad greift, der Zug beginnt zu klettern – und jetzt sieht man zur Rechten die am Dorfrand auf einem Hügel platzierte Pfarrkirche, die schnell in der Tiefe zurückbleibt. Hundert Mal habe ich diesen Anblick genossen. Und nun habe ich am Samstag erstmals, mit meinem Jakobspilger-Grüppli, die Kirche besucht. Verrückt, wie herrschaftlich sie sich über einem aufbaut, wenn man ihr von unten zustrebt. Wie schmal und aggressiv sie sich in den Himmel bohrt, der Vergleich mit der Raketenglace ist nicht falsch. Und diese Kaskadentreppe, sie hat schon fast die Dimension der Pariser Sacré-Coeur-Treppen. Ich könnte nicht sagen, dass mir die Herz-Jesu-Kirche von Lungern speziell gefällt. Neogotik habe ich schon immer ein wenig seltsam gefunden, das Mittelalter war ja doch seit mehreren Jahrhunderten vorbei, als der Retrostil im 19. Jahrhundert aufkam. Aber Eindruck macht die Pfarrkirche von 1893 auf jeden Fall.

PS: Morgen muss ich hier von meinem Schock am Muttertag berichten.

Montag, 13. Mai 2024

Wasserwandern

Er "stübte" erfrischend: der Untere Dundelbachfall in Lungern. 57 Meter hoch ist er.

Wasser dominierte Etappe zwölf auf dem Schweizer Jakobsweg, die uns am Samstag von Sachseln via Giswil nach Lungern führte. Wir waren angetan von der Weite und den lauschigen Uferpartien des Sarnersees und waren später, eine Geländestufe höher, ebenso angetan vom speziellen Blau des Lungerersees, eines gestauten Natursees, dessen Schönheit nicht einmal der tiefe Wasserspiegel entscheidend schmälern konnte. Wir überquerten zudem die Kleine Melchaa und gleich zwei Mal die Giswiler Aa. Und wir kamen, kurz vor Ende der viereinhalbstündigen Wanderung (455 Höhenmeter aufwärts, 175 Höhenmeter abwärts), in Lungern zum Unteren Dundelbachfall. Der führte erfreulich viel Wasser, immer gut, wenn man Wasserfälle im Frühling besucht. Den späten Zmittag nahmen wir gleich nach der Wasserfall-Visite im Restaurant des Campingplatzes Obsee in Lungern. Dort tranken wir, weil es sommerlich warm war und wir richtig Durst hatten, nicht Rotwein, sondern Bier. Also letztlich … Wasser.
An der Nordspitze des Lungerersees. Am rechten Ufer (Blickrichtung) zogen
wir im Folgenden nach Lungern. Hinten in Weiss das Wetterhorn und Nachbargipfel.
Stilvolle Badehüttli am Sarnersee.

Sonntag, 12. Mai 2024

Bliomä-Meitli


Gestern machte ich in Lungern dieses Foto. Und fragte mich, was wohl ein deutscher Urlauber aus, sagen wir mal, Hannover denkt, wenn er Richtung Brünig fährt, im Dorf einen Halt einlegt und das Schild sieht. "Bliomä-Meitli"? Fragt sich der Mann womöglich, ob die Geschäftsinhaber aus der Mongolei kommen? Oder merkt er tatsächlich, dass das Alemannisch ist und "Blumen-Mädchen" bedeutet? Es ist möglich. Aber nicht sicher. Was mich angeht, so war ich gestern, als wir im Kanton Obwalden auf dem Schweizer Jakobsweg unterwegs waren, wieder einmal fasziniert vom örtlichen Dialekt. Mir gefällt er unheimlich. Wie armselig "Huus" (Haus) klingt, wenn man "Huis" danebenstellt.

Samstag, 11. Mai 2024

Mir war nicht nach Schieben

Am Auffahrtstag las ich im Zug im Bahnhof Rüti, wo ich Richtung Tösstal umgestiegen war, ein Inserat des Bahnunternehmens. Die suchen Lokführer und Lokführerinnen, es klingt ein wenig verzweifelt. Ich war dann sehr erfreut, dass der Zug auch wirklich losfuhr, dass also vorne im Führerstand jemand sass. Ich hätte keine Lust auf Schieben gehabt.

PS: Heute wird wieder gepilgert, geplant ist, dass wir auf dem Jakobsweg von Sachseln via Giswil nach Lungern gehen. Wir kommen dem Brünig somit entscheidend näher; der Pass ist seit Wochen unser nächstes grosses Ziel, wir werden auf ihm von der katholischen Innerschweiz in den reformierten Kanton Bern übertreten. Aus dem Reich des Pilatus und der Rigi in das Reich von Eiger, Mönch und Jungfrau.

Freitag, 10. Mai 2024

Solothurner Betten


Schloss Blumenstein, ein barocker Landsitz, ist seit mehr als 70 Jahren das historische Museum der Stadt Solothurn. Kürzlich war ich dort, schaute mich um, sah zwei Betten. Im prächtigen roten Bett schlief die Herrin, im einfachen Kastenbett einen Stock höher die Zofe. Das Kastenbett hat auch etwas, fand ich vor Ort. Sicher fühlt es sich geborgen an, in ihm zu schlafen. Wobei ich nicht weiss, wie viel Ruhe der Zofe vergönnt war. Wenn die Herrin rief, musste sie über eine enge Treppe in deren Boudoir absteigen. Zwei Solothurner Betten, getrennt und verbunden zugleich.

Donnerstag, 9. Mai 2024

Es ist da

Mein neues Buch. Auf meinem Küchentisch.

Gestern kurz vor 14 Uhr klingelte es. Der Pöstler war schon wieder weg, als ich unten die Haustür öffnete. Da stand ein Paket. Es enthielt mein neues Buch. 30 Exemplare meines neues Buches, genauer gesagt. Ich freute mich sehr, war gleichzeitig bange, eines auszupacken und reinzuschauen. Das geht mir immer so, man hat irgendwie Angst, dass etwas nicht stimmt – ein Malheur in der Druckerei oder so. Mittlerweile bin ich beruhigt, scheint alles in Ordnung. Für alle, die "Neue Schweizer Wunder" kaufen wollen: Es ist jetzt also im Buchhandel. Und nächsten Mittwoch kann man den Autor an der Vernissage im "Kaufleuten" in Zürich treffen und ihn, im Gespräch mit der Alpinistin und Ebenfalls-Buchautorin Natascha Knecht, erzählen hören, was ihn dazu trieb, dieses Buch zu schreiben. Und was "Wunder" für ihn bedeutet.

Mittwoch, 8. Mai 2024

War es Epilepsie?

Niklaus von Flüe. Hablicher Obwaldner Bauer, Vater von zehn Kindern, kriegserprobter Soldat. Hatte er Epilepsie, litt er unter Depressionen? Jedenfalls bringt er 1467 seiner Frau Dorothea bei, dass er es nicht mehr aushält in seinem normalen Leben. Von Flüeli, dem Dorf oberhalb von Sachseln, zieht er in die nahe Ranftschlucht. Richtet sich dort eine Zelle ein. Verbringt die nächsten 20 Jahre bis zu seinem Tod als Eremit, betet, wird von Visionen heimgesucht. Und muss es hinnehmen, dass immer mehr Leute kommen, ihn zu sehen, ihn um Rat zu fragen; so ganz klappt das mit der Ruhe nicht. Heute ist Bruder Klaus unser Landesheiliger und Flüeli-Ranft ein berühmter Wallfahrtsort. Am Samstag besichtigten wir in Flüeli-Ranft und in Sachseln diverse Stätten, die mit dem Leben und Wirken von Klaus verbunden sind. Dazu sieben Fotos.

Die untere Ranftkapelle, Spätgotik, entstand etwa 15 Jahre nach Klausens Tod. Die obere
Kapelle in der Schlucht, siehe hinten, war zu klein geworden für das Besuchervolk.

An die obere Kapelle ist die Zelle des Eremiten
angebaut. Man kann sie besichtigen, eng und düster ist sie.
Flüeli: Hier lebten Klaus, Dorothea, die zehn Kinder und das Gesinde.
Drinnen.
Das Geburtshaus von Klaus ganz in der Nähe des Wohnhauses.
Sachseln, der alte Sarkophag von Klaus in der Grabkapelle bei der Pfarrkirche. Er ist leer.
Was von Klaus geblieben ist, ruht heute im Reliquienbehälter
im vorne offenen Hauptaltar der Sachsler Pfarrkirche.