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Sonntag, 30. Juni 2024

Beatus und sein Spindoctor

Hau den Drachen: Beatus im Wappen
der Gemeinde Beatenberg BE.
(Aliman540/Wikicommons)
Manche öffentliche Figur verdankt ihre Karriere einem schlauen Schreiber. So verhält es sich auch mit dem heiligen Beatus, der im frühen zweiten Jahrhundert nach Christus verstorben sein dürfte. Wir wissen von ihm praktisch nichts. Und gleichzeitig kursieren bunte Legenden wie die, dass er sich seine Höhle über dem Thunersee, in der er als Einsiedler lebte, zuerst erkämpfen musste – gegen einen Drachen. Nun, es waren die Kleriker im nahen Interlaken, die Geschichten dieser Art in Umlauf setzten und so Beatus überhaupt zum Glaubenshelden machten. Sie taten es erst gut 1400 Jahre nach dem Tod von Beatus, 1511 veranlassten sie nämlich den Basler Franziskaner Daniel Agricola, die Lebensgeschichte des Beatus aufzuzeichnen. Dieser flunkerte weniger, als zu kopieren, er schweizerte die Vita des gleichnamigen französischen Eremiten Beatus von Vendôme ein mit allen saftigen Details wie der Drachenstory. Eben, manche öffentliche Figur verdankt ihre Karriere einem schlauen Schreiber. Einem Spindoctor, wie man heute auch sagt.

PS: Dies ist natürlich ein Nachtrag zu unserer Wanderung im Juni, als wir die Beatushöhlen über dem Thunersee besuchten.

Samstag, 29. Juni 2024

Melde mich ab

Diesen Ort bekomme ich heute nicht zu sehen:
Spiez (im Bild der Hafen und hinten der Niesen).

Gestern Morgen stand ich auf und hatte abscheuliches Ohrenweh. Und Halsweh, ebenfalls abscheulich. Und die Nase tropfte. Es war wohl der Ständerventilator im Büro gewesen, der einen Tag zuvor eiskalte Luft rumgeblasen hatte. Ich beschloss, meine Erkältung zu ignorieren, und bestätigte die Samstagswanderung: Jakobsweg, von Spiez nach Wattenwil. Nun, gestern Abend, als ich ins Bett ging, begann ich zu schlottern. Fieber, 38,9. Worauf ich die Wanderung last minute absagte. Blöd, ich hätte früher kommunizieren sollen. Aber ich hatte halt gedacht, ich könne mich selber überlisten und einfach so tun, als sei ich gesund. Die zwei nächsten Tage bleibe ich zuhause, will viel liegen und mich erholen. Und mir ein Pouletsüppli kochen. Ich bin sicher, der Jakobsweg ist auch in einer Woche noch da.

Freitag, 28. Juni 2024

Grüssen nach Brienzer Art

In Brienz grüsst man sich gern mit "hopp", sind mehrere Menschen gemeint, kommt der Plural zum Einsatz, "hoppid". Als ich kürzlich vom Bahnhof Brienz Richtung Interlaken loswanderte, sah ich gleich als erstes eine Bude mit dem regionalen Gruss als Motto. Leider war in ihr zu dieser Morgenstunde noch kein Mensch zu sehen, dem ich ein "hopp" hätte entgegenschmettern können.

Donnerstag, 27. Juni 2024

Lourdes in der Zwinglistadt

In der Kapelle mit der Lourdesgrotte.
Die Kirche neben der Lourdeskapelle ist riesig. Vorn das runde Marienbild.

Es gibt im reformierten Kanton Zürich zwei katholische Wallfahrtskirchen. Die eine ist "St. Antonius" in Egg, über sie habe ich vor vielen Jahren hier gebloggt. Die andere Kirche – nun, die steht in Zürich im Stadtteil Seebach und heisst "Maria Lourdes". Letzte Woche schaute ich mir diese Kirche an, die 1935 eingesegnet worden war; das riesige runde Marienbild über dem Altar fesselte mich. Seitlich angebaut ist überraschenderweise eine Kapelle mit einer Lourdesgrotte, so etwas assoziiert man nicht mit einer grossen Stadt, sondern mit ländlichem Ambiente, mit Felsen, Wald, Moos und rieselndem Wasser. Das Licht in der Lourdeskapelle von Zürich-Seebach ist schummrig, die Wände sind vollgehängt mit Tafeln, auf denen Gläubige der Gottesmutter für ihren Beistand danken, die eigentliche Grotte ist durch ein Gitter abgetrennt, als ich da war, betete eine Tamilin grad tonlos. Und ein alter Mann zündete eine Kerze an, die er zunächst in den gefalteten Händen barg, bis er sie dann abstellte. Ich selber genoss einfach die Stille in dieser Stadtoase ganz nah beim lauten Seebacherplatz.
"Maria Lourdes" von aussen. Müsste man hier mal jäten?

Mittwoch, 26. Juni 2024

Die Kupferwarze

Blick von St. Peter und Paul auf Willisau.
Der Glockenstuhl im Turmdach.
Ich mache diese Woche eine Reportage über Willisau. Vorgestern Montag bestiegen ich und der Fotograf mit einer Führerin den Turm der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Nach der Fertigstellung im Jahr 1929 wollte der Pfarrer den Turm wieder abbrechen und schimpfte ihn "Kupferwarze"; heutzutage nennen ihn die Einheimischen mit einiger Liebe so. Der Blick aus 35 Metern Höhe auf das historische Städtchen zu unseren Füssen war toll. Froh waren wir, dass die Wetterglocke nicht grad schlug, das über 400-jährige Ding ist bei einem Gewicht von über drei Tonnen ein Monstrum. Es wird bis heute in Gang gesetzt, wenn es vom Napf her gelb oder schwarz kommt – angeblich kann die Wetterglocke von Willisau mit ihrem mächtigen Schall gar die Gewitter abdrängen.
St. Peter und Paul mit der "Kupferwarze".

Dienstag, 25. Juni 2024

Monsun am Thunersee

Blick von der Burgruine Weissenau zur Ostspitze des Thunersees.
Oberhalb Sundlauenen kurz vor den St. Beatus-Höhlen:
So etwas nennt man gemeinhin "Traumstrasse".

Was hatten wir Wetterglück! Am Samstag pilgerten wir auf dem Schweizer Jakobsweg von Interlaken nach Merligen, besuchten unterwegs die St. Beatus-Höhlen, nahmen am Ende das Schiff über den Thunersee nach Spiez. Im letzten Viertel der insgesamt fünfeinhalbstündigen Wanderung (in dieser Zeitangabe ist die Höhlenbegehung inbegriffen) regnete es. Anfangs charmant, dann heftig, ja brutal. Die mitgeführten Schirme halfen gegen den Berner Oberländer Monsum, die Regenkleidung sowieso, und doch blieb niemand in unserem Wandergrüppli wirklich trocken. Umso mehr wussten wir im Nachhinein zu schätzen, dass die ersten drei Viertel der Unternehmung sich bei freundlichem Wetter abgespielt hatten – sogar die Sonne hatten wir mal kurz gesehen. Eben, Wetterglück. Am Ende stiessen wir am Hafen von Spiez im "Riviera by Elio", einem empfehlenswerten Lokal, auf das Wetter an. Auf seine Kapriolen. Auf seine nie nachlassende Fähigkeit, uns zu überraschen und zu unterhalten.
Widmers Schuhe und Widmers Regenhose in Merligen.

Montag, 24. Juni 2024

Unterirdisch pilgern

In den St. Beatus-Höhlen.

926 Meter ausgebauter Weg unter Tag
87 Höhenmeter in diesem touristischen Teil
8 bis 10 Grad Wärme bzw. Kühle
95 Prozent Luftfeuchtigkeit

Am Samstag, als wir von Interlaken nach Merligen jakobspilgerten, besuchten wir die St. Beatus-Höhlen, die ja am Weg liegen. Eine knappe Stunde brauchten wir für die Begehung, man nimmt hinein/hinauf zum grössten Teil denselben Weg wie hinaus/hinab, hat also Gegenverkehr, muss ein wenig aufpassen, zum Teil sind die Gänge eng, beim Kreuzen darf man die Höhlendecke nicht ausser Acht lassen, sonst schlägt man sich womöglich den Schädel an. Gute Schuhe tun not, der Boden ist stellenweise nass und rutschig. Und wenn jemand Augen hat, die mit Schummerlicht nicht zurechtkommen, ist das nichts. Meinem Vierergrüppli tat es die Höhle an, ihr scheinbar endloser Verlauf ins Innere des Berges, die Spalten mit ihren Tropfsteingewächsen, der wilde Bach, dessen Rauschen betäubt. Schwer hat es gegen die touristische Attraktion jener Mann, mit dem die Geschichte der Höhlen begann. Der heilige Beatus ist Legendenstoff, soll am Thunersee als Glaubensbote tätig gewesen sein, soll hier in der Felsfluh als Eremit gehaust und nach seinem Tod im Jahre 112 nach Christus begraben worden sein. Im Felsloch, das er angeblich bewohnte, ist er als kuriose Fantasiepuppe gegenwärtig.

Beatus in seiner Zelle am Eingang zu den Höhlen.

PS: Jeden Tag platziere ich einen Hinweis auf meinen neusten Blogeintrag auf Facebook. Mein gestriger Hinweis wurde dort umgehend gelöscht. Grund: Fake News. Stimmt ja auch, die bebilderte Meldung über die Volg-Filiale in Stein am Rhein, die aus dem 15. Jahrhundert stammt, war frei erfunden. Ich ging davon aus, dass man den Witz sofort als solchen erkennt. Das Gute an der Sache: Facebook scheint tatsächlich einzugreifen, wenn man Dinge verbreitet, die nicht stimmen.

Sonntag, 23. Juni 2024

Der uralte Volg

In aller Kürze sei hier heute nur diese kleine Sensation vermeldet: In Stein am Rhein, wo ich kürzlich durch das Städtchen bummelte, haben sie einen Volg, der im Jahr 1476 schon bestand.

PS: Bald mehr von unserer 15. Etappe auf dem Jakobsweg Schweiz. Kurzfassung: drei Viertel angenehmes Wetter, im letzten Viertel allerdings wurden wir brutal verregnet.

Samstag, 22. Juni 2024

Nr. 15

Vor acht Jahren kam ich bei den St. Beatus-Höhlen vorbei. 
Für eine Besichtigung hatte ich damals keine Zeit.
Die Jakobspilgerei durch unser Land geht weiter, heute machen wir uns an Etappe Nr. 15, den Abschnitt von Interlaken nach Merligen. Dort nehmen wir das Schiff hinüber nach Spiez, was Pilgerinnen und Pilger auch in früheren Zeiten durchaus taten, wenn sie nicht am Nordufer des Thunersees weiter nach Thun und hinüber nach Amsoldingen zogen, wo beide Wegvarianten wieder zusammenkommen. Jetzt freue ich mich auf die vor mir liegende Unternehmung. Und hoffe, dass uns der Regen verschont oder nicht allzu heftig heimsucht. Zur Tour gehört auch, dass wir die St. Beatus-Höhlen besuchen – unter Tag wird es zwar kalt sein, aber garantiert trocken.

Freitag, 21. Juni 2024

Quietsch

Die Hängebrücke über den Underweidligraben.
Zwei Stunden zuvor: Wolkenballen über
der rechten Flanke des Brienzersees.

Letzten Sonntag pilgerte ich also auf dem Jakobsweg von Brienz nach Interlaken (Ost) – siehe auch meinen Eintrag vom Mittwoch. Ich war früh dran, hatte um 5 Uhr 22 zuhause im Zollikerberg den Zug genommen, konnte darum schon um halb neun Uhr in Brienz loslegen. Die Wolkenballen, die die Bergflanken über dem Brienzersee umwallten, machten mir Freude, ich wusste, dass das Wetter am Drehen war – auf die gute Seite, die Wolken würden sich verziehen. Tatsächlich schien die Sonne dann uneingeschränkt, als ich nach fünf Gehstunden bei je 625 Höhenmetern auf- und abwärts am Bahnhof Interlaken Ost eintraf. Viel gibt es an diesem Jakobsweg-Abschnitt zu loben, belassen wir es hier und heute bei zwei Dingen. Erstens ist der Anblick des blaugrünen Sees betörend, ich musste immer wieder das Smartphone zur Hand nehmen und ihn fotografieren. Und zweitens freute ich mich über die Hängebrücke, die oberhalb von Ebligen den Underweidligraben auf etwa 45 Metern Höhe überquert. Das elegante Ding von 80 Metern Länge hat im Übrigen einen eigenen Sound, es "giipset", wie ich in meinem Dialekt sage. Auf einer Website der Schweizer Hängebrücken ist die Rede von einer "quietschenden Schönheit".

PS: Hier ein anderthalbminütiges Filmli der erwähnten Website, die Brücke quietscht dramatisch. Könnte einem glatt Angst machen, dieses Hitchcockgeräusch.

Auf der Hängebrücke.

Donnerstag, 20. Juni 2024

Das Sonnenwunder

Sarnens Pfarrkirche steht nicht im Ort, sondern über ihm.

Heute ist Sommersonnenwende. In Sarnen lohnt es sich um dieses Datum herum, sich bei der Pfarrkirche frühmorgens aufzustellen und den Sonnenaufgang zu erleben. Die Sonne tritt über den Sattel zwischen dem Stanserhorn und dem Chli Horn hervor und erleuchtet mit ihren ersten Strahlen die Ostfassade der Kirche, derweil das Dorf unterhalb noch in der Düsternis liegt – ein Lichtwunder. Die Pfarrkirche steht, vermutet der Sarner Künstler Kurt Sigrist, der das Phänomen bekannt gemacht hat, auf einem vorchristlichen Kultort; seit einiger Zeit findet sich vor der Kirche eine Tafel, die das Phänomen erklärt. Hat jemand am Samstag Zeit? Um 15 Uhr findet in Sarnen vor besagter Kirche eine Veranstaltung statt, eine Sonnenwende-Feier mit kurzen Referaten.

Mittwoch, 19. Juni 2024

Zwei kraftvolle Kirchen

Die Dorfkirche von Brienz ist an die 900 Jahre alt.
Blick aus dem Vorraum Richtung Interlaken.
Weil sie so schön ist, gleich noch ein Foto.

Zwei wundervolle Kirchen, beide reformiert, lernte ich kennen, als ich am Sonntag auf dem Jakobsweg von Brienz nach Interlaken wanderte. Die eine Kirche steht am östlichen Dorfrand von Brienz auf einem kleinen Felssporn; aus Stein gebaut, ersetzte sie um 1130 eine Holzkirche. Eine Mauer umgibt die Brienzer Dorfkirche und lässt sie wehrhaft aussehen. Die andere Kirche, die mir Eindruck machte, fand ich in Ringgenberg vor. Sie entstand im 17. Jahrhundert und wurde in die Ruine der Burg der ehemaligen Adelsherren von Ringgenberg eingepasst als rechteckiger Predigtsaal. Nach der Visite stieg ich zum höchsten Punkt der Ruine, dem mit einer modernen Treppe ausgestatteten Turm – was für ein Blick ich da hatte auf den Brienzersee und Richtung Interlaken. Und auf die nahe Kirche.
Ringgenbergs Dorfkirche ist auf die Burgruine gepfropft.
Auf dem Turm der Ruine.

Dienstag, 18. Juni 2024

Tiberius, Drusus und der Römerturm

Die Bushaltestelle Römerturm in Filzbach auf dem Kerenzerberg.
Mauerreste des antiken Militärturms am Haus
neben dem Hotel Römerturm, unten der Walensee.
Im Jahre 15 vor Christus machen sich Tiberius und Drusus, die Adoptivsöhne des Kaisers Augustus, daran, die Alpen zu erobern und deren Stämme zu unterwerfen. Gleich drei Militäreinrichtungen entstehen damals am Walensee, es sind die sogenannten Walenseetürme:

  • Turm 1 bei der Stralegg nah Betlis am Nordufer des Walensees.
  • Turm 2 auf dem Biberlikopf, jenem niedrigen Hoger gleich neben dem heutigen Bahnhof Ziegelbrücke, den der Zug Richtung Chur in einem Tunnel durchfährt.
  • Turm 3 in Filzbach auf dem Kerenzerberg bei Voremwald, nach ihm, "Römerturm" genannt, sind ein Hotel und die Bushaltestelle vor dem Hotel benannt. Viel ist vor Ort nicht zu sehen, ein paar rudimentäre Mauerreste, die ich mir zum Ende meiner Kerenzerbergtour letzten Mittwoch anschaute. Der Turm war jedenfalls bestens platziert, die Legionäre kontrollierten den Landweg, der hier vorbeiführte, unten am See gab es damals keine Wege, dort nahm man das Boot. Wer mehr wissen will: Hier ein interessanter archäologischer Artikel zu diesem und den anderen beiden Walenseetürmen.
PS: Zwischen Obstalden und Filzbach wanderte ich durch die "Alte Gasse", Teilstück der alten Fernverbindung von Splügen via Chur nach Zürich. Der Weg soll auf die Römerzeit zurückgehen. Jahrhunderte später nahmen die Leute vom Kerenzerberg diesen Weg zur Messe in Schänis.

Montag, 17. Juni 2024

Die Aktien des Balthasar Meier

Ich mag alte Fotos. Bahn auf dem Weg
 zum Gornergrat, eine Aufnahme von 1959.
(Foto: Anidaat/Wikicommons)
Dieter Meier kennen wir alle, Stichwort Yello. Dass der Zürcher Popmusiker, 79, bis vor einiger Zeit ein bedeutendes Paket an BVZ-Aktien besass, das er mittlerweile abgestossen hat, wusste ich nicht; das Kürzel BVZ steht für jene Holdinggesellschaft, die unter anderem die Bahn von Zermatt auf den Gornergrat  betreibt. Ebenfalls wusste ich nicht, dass Dieter Meier einen Bruder namens Balthasar hat, einen Vermögensverwalter. Hatte. Vor wenigen Wochen ist Balthasar Jürg Meier gestorben, und die Wirtschaftswelt fragt sich, was mit seinen Aktien passiert, Balthasar Jürg Meier war Hauptaktionär der Gornergrat-Bahn. All das entnahm ich eben der Plattform "Inside Paradeplatz". Sie spekuliert, dass ausländische Investoren sich beim Bahnunternehmen einkaufen, dieses gar übernehmen könnten. Die Bahn auf den Gornergrat in chinesischen Händen? Das passt insofern, als auch die Klientel zu einem guten Teil aus Chinesinnen und Chinesen besteht.

Sonntag, 16. Juni 2024

Der Alleinpilger

In Brienz sahen wir vor drei Wochen dieses Boot, einen
schwimmenden Hot Tub mit 38-grädigem Wasser. (Foto: Ronja)
Endlich. Heute wird wieder gepilgert auf dem Schweizer Jakobsweg, die Etappe von Brienz nach Interlaken steht an. Am Samstag vor einer Woche hatte ich abgesagt, des Wetters wegen, was, im Nachhinein betrachtet, ein Fehler gewesen war, weil es dann gar nicht regnete und auch nicht gewitterte; die Prognosen kommen mit den volatilen Druckverhältnissen dieses Sommers nicht wirklich zurecht. Nun, gestern Samstag wanderten wir auch nicht, wieder wegen des Wetters, es regnete diesmal tatsächlich. Aber heute Sonntag wird im Berner Oberland die Sonne scheinen. Ich werde diesmal allein unterwegs sein, mein Grüppli ist, wie es der Diminutiv besagt, klein. Alle ausser mir sind abwesend, weil krank, in den Ferien oder sonst nicht verfügbar; zwei Leute sind schon vorgepilgert, um diese Etappe nicht zu verpassen. Jetzt bin ich gespannt, wie sich das Alleinpilgern anfühlt.

Samstag, 15. Juni 2024

Schönheitsrausch auf dem Kerenzerberg

Blick zurück nach Obstalden. Der Walensee war der Star der Wanderung. Zusammen mit den Wolken.

In Obstalden.

Das Südufer des Walensees und speziell der Kerenzerberg strotzen vor Schönheit. Wenn das Wetter stimmt und die Sonne scheint, wird klar, wie mediterran die Gegend ist, allein die Palmen zeigen es. Und allenthalben stehen alte Holzhäuser mit prachtvollen Blumengärten. Okay, das war jetzt ausgiebig geschwärmt. Aber genauso empfand ich, als ich am Mittwochvormittag eine Wanderung über den Kerenzerberg machte, von Mühlehorn via Fuchsfallen und Sagenwald hinauf nach Walenguflen und Obstalden und weiter auf dem Römerweg nach Filzbach, wo die Wanderung beim Hotel Römerturm endete. Nicht einmal zweieinviertel Stunden hatte die Unternehmung gedauert (450 Meter aufwärts, 130 abwärts), doch hatte sie mich mit derart vielen Attraktionen verwöhnt, wie sie normalerweise in einer Fünf-Stunden-Route enthalten sind. Der Walensee, seine Bläue, die Harmonie der Wasserfläche im Kontrast zu den brüsken Wänden der Churfirstenkette war ein Bild, das mich nicht losliess. Und diese Wolken. Berauscht fuhr ich heim.
Zwei Bilder vom Wegstück Fuchsfallen–Sagenwald
oberhalb Mühlehorn: erstens ein kurzer Felsentunnel und …
… zweitens die Fuchsfallen-Hängebrücke.

Freitag, 14. Juni 2024

Nachruf auf einen alten Freund

Links alt, rechts neu, die Daten sausen drahtlos.
Am Dienstagmittag klingelte bei mir ein Kurier, mein neuer Laptop war da. Ich packte das MacBook Air aus, schaltete es ein, verband es mit dem Internet. Es fragte mich, ob ich die Daten meines alten MacBook Air übertragen wolle. Ich bejahte. Eine halbe Stunde sassen die beiden Seite an Seite auf meinem Schreibtisch, der eine schickte dem anderen seine Inhalte, auf beiden Bildschirmen zeigte ein Pop-up-Fenster das Voranschreiten des Vorganges an. Ich fand das Ganze ein bisschen traurig. Wie der Alte dem Jungen alles preisgab, was ihn selber ausmachte, abgeklärt, kulant, ohne aufzumucken, im Wissen, dass sein eigenes Ende nah war. Und tatsächlich habe ich gestern das alte MacBook Air von 2014 weggestellt, es landet nächstens im Elektroschrott. Musste sein, das Ding hatte mir in den letzten Monaten Probleme bereitet, es verweigerte den Batteriebetrieb, blockierte gewisse Befehle mehrere Minuten lang, um sie dann doch umzusetzen, konnte bei wichtigen Programmen wie dem "Adobe Acrobat Reader" auch keine Updates mehr laden. Es war halt wirklich Zeit für ein neues Gerät. Und für den Abschied vom alten. Lebe wohl, treuer Freund.

Donnerstag, 13. Juni 2024

Seeli parat

Ein Schweizmobil-Screenshot:
Oben rechts das Sunnbüel mit dem Restaurant und der
Seilbahnstation. Unterhalb der Bildmitte die Arvenseeli. Die
violette Linie ganz unten ist die Kantonsgrenze Bern–Wallis

Ich fuhr schon von Kandersteg mit der Luftseilbahn aufs Sunnbüel. Und wanderte von dort durch eine wunderschöne Gebirgslandschaft zum Gemmipass, um am Ende wieder eine Seilbahn zu nehmen, diejenige hinab nach Leukerbad. Kurios, dass ich die drei Seeli, die vom Sunnbüel bloss eine halbe Gehstunde entfernt sind und praktisch am Wanderweg liegen, nicht sah. Nun, man kann es erklären. Die Arvenseeli, wie sie heissen, füllen sich so circa im Mai mit dem Wasser der Schneeschmelze und trocknen irgendwann im Sommer wieder aus; ich war damals im Herbst unterwegs und muss die wasserlosen Mulden übersehen haben. Und jetzt ins Jetzt: Meine frühere Redaktionskollegin Barbara, die in Kandersteg lebt, hat mir eben mitgeteilt, dass die Arvenseeli dieser Tage gefüllt sind. Und dass das etwas für mich wäre. Ist es ganz sicher. Die Fotos auf der Website der Sunnbüel-Bahn machen jedenfalls Lust hinzuwandern.

Mittwoch, 12. Juni 2024

Ein Dörfchen lebt auf

Das "Post Hotel Löwe" vor und nach dem Umbau.
(Alle Fotos: "Nova Fundaziun Origen", Benjamin Hofer)

Das Minidorf Mulegns, etwas unterhalb des Marmorerasees an der Julierpassstrasse gelegen, hat seine besten Tage hinter sich. Würde man meinen. Derzeit scheint der Ort mit noch 14 Einwohnerinnen und Einwohnern, der seit einigen Jahren der Gemeinde Surses zugehört, aufzuleben. Im September, etwas später als angekündigt, wird der 30 Meter hohe "Weisse Turm" eingeweiht, er gilt als höchstes im 3-D-Druckverfahren hergestelltes Bauwerk der Welt (Foto hier). Bereits letzte Woche öffnete das aufwändig umgebaute "Post Hotel Löwe"; es ist bald einmal 200 Jahre alt und florierte in der grossen Zeit des Passverkehrs um 1900. Wie aus einer Medienmitteilung hervorgeht, beteiligte sich die "Schweizer Berghilfe" mit 350 000 Franken an der Sanierung. Hinter beiden Projekten steht die "Nova Fundaziun Origen" des Kunstintendanten Giovanni Netzer aus Riom ganz in der Nähe von Mulegns.

Glänzt wie neu: ein Gang.
Extravagante Tapeten, splendide Nassanlagen: ein Zimmer. 

Dienstag, 11. Juni 2024

Wo ist die Fahne?

Das AKW Gösgen, fotografiert aus dem fahrenden Zug.

Montag der letzten Woche, im Zug auf der Rückreise von Basel nach Zürich, fiel meiner Begleiterin auf, dass dem AKW Gösgen etwas fehlte. Die Dampffahne! Wir waren irritert, konsultierten die Homepage des Unternehmens und atmeten auf – Entwarnung. Routine. Seit dem 25. Mai ist das Kraftwerk abgeschaltet, die Jahresrevision steht an. Rund einen Monat dauert sie, Brennelemente werden ersetzt und die Anlagen überprüft. Was ich bemerkenswert finde: 1000 externe Fachleute sind an der Revision beteiligt, mal ganz abgesehen von den regulären Angestellten. Ein Heer von Arbeiterinnen und Arbeitern. In der nächsten Zeit werde ich jedesmal, wenn ich in Gösgen durchfahre, schauen, ob die Dampffahne wieder da ist.

Montag, 10. Juni 2024

Zeitfensterpech

Bahnhof Oberdorf, der BLS-Ersatzbus.
Als ich am Samstagmorgen in Solothurn ankam und umsteigen wollte auf den Zug nach Oberdorf, stellte ich fest, dass dieser Zug gar nicht fährt. Der Weissensteintunnel zwischen Oberdorf und Gänsbrunnen, 3,7 Kilometer lang, wird seit diesem Frühling aufwändig erneuert, bis Ende 2025 verkehren keine Züge durch ihn. Gleichzeitig werden mehrere Bahnhöfe an der Linie Solothurn–Oberdorf–Gänsbrunnen–Moutier saniert, darunter auch derjenige von Oberdorf, in dem man in Zukunft leichter wird auf die Weissenstein-Gondelbahn umsteigen können. 165 Millionen Franken kostet das Unterfangen, Regie führt die BLS, der sämtliche Bahnanlagen samt den Schienen gehören, auch wenn es Züge der SBB sind, die diese nutzen. Nun noch einmal zur Teilstrecke von Solothurn nach Oberdorf. Sie ist der einzige Abschnitt, auf dem auch während der Bauzeit Züge verkehren. Mit Ausnahme zweier mehrwöchiger Zeitfenster, in einem der beiden war ich vorgestern unterwegs. Ich hatte also Pech. Aber nur ein ganz klein wenig Pech. Selbstverständlich stand vor dem Bahnhof Solothurn der Ersatzbus bereit und trug mich umgehend nach Oberdorf, Bahnhof.

Sonntag, 9. Juni 2024

Weissenstein statt Brienzersee

Jura halt: zwischen Bahnhof Oberdorf und Hinterweissenstein.
Bei Hinterweissenstein, die Hasenmatt wird von Wolken bedrängt.

Im Nachhinein weiss man es immer besser. Am Freitagmorgen blies ich unsere Samstagswanderung ab. Wir wollten jakobspilgern, von Brienz nach Interlaken. Doch die Prognose zeigte starken Regen ab zehn Uhr morgens an. Und Gewitter dazu, was mir zu heikel war. Gestern morgen nun, als ich um fünf aufstand, sah es wieder ganz anders aus mit dem Wetter im Berner Oberland, da war – mindestens für den Vormittag – kein Regensymbol in der Karte. Und auch kein Blitz-und-Donner-Symbol. Weil ich nun schon wach war, nichts vorhatte und die Karte zur Hand, studierte ich sie gleich ein wenig. Bekam Lust auf eine Kurzwanderung, wählte den Weissenstein. Stand schon um neun Uhr in Oberdorf bei der Talstation der Weissenstein-Bahn und zog los. Knapp zweieinhalb Stunden dauerte meine Wanderung, ich hatte einen Weg gewählt, den ich noch nicht kannte: via Weberhüsli, Chlus und Hinterweissenstein zum Hotel und Kurhaus Weissenstein auf dem Vorderweissenstein. Während ich unterwegs war, begannen Wolkenfetzen heranzutreiben, sie verdeckten irgendwann die angrenzende Hasenmatt, bald sah ich das Mittelland mit der Aare tief unten nicht mehr, von den Berner Alpen weit hinten zu schweigen. Trotzdem war ich am Ende sehr zufrieden mit meiner Unternehmung, die mit der Gondelbahnfahrt talwärts endete: Genau einer Person war ich in der steilen Bergflanke zwischen Oberdorf und Hinterweissenstein begegnet, sehr entspannend, so allein durchs Gelände zu zotteln. Blumenwiesen und Trockenmauern hatten mich erfreut. Mein vor drei Monaten durch einen Sturz in der Dusche zuhause ramponiertes Sprunggelenk hatte mich keinen Moment geplagt. Und die herandräuenden Wolken hatten ein wenig Dramatik in den Tag gezaubert, ohne dass ich in den Regen geraten war, der kam erst später. So war mein Samstag, der mich auf Solothurns Hausberg geführt hat. Und nun hoffe ich, dass es nächstes Wochenende klappt mit dem Pilgern am Brienzersee.

Trockenmauer bei Vorderweissenstein.

Mein Ziel: Das Hotel und Kurhaus Weissenstein.

Samstag, 8. Juni 2024

Der flüssig gewordene Ueli

Widmer greift zu, gleich zischts.
Kürzlich gönnten wir uns im Zug heimwärts ein Ueli-Bier, wir hatten es im Bahnhof von Basel gekauft, zu welcher Stadt es ja auch gehört. Dies ist ein echtes Pioniergetränk, entstanden lange bevor es den Trend zum lokalen Bier gab. Alles begann damit, dass ein Arzt 1974 in Kleinbasel ein Restaurant erwarb, die "Fischerstube". Für den eingefleischten Kleinbasler war klar, dass für sein Lokal bloss ein Bier in Frage kam, das ganz in der Nähe gebraute Warteck-Bier. Bloss lieferte die Warteck-Brauerei nicht. Die Brauereien waren damals untereinander in einem Kartell organisiert, das noch bis 1991 überlebte, jede Wirtschaft war fix einer Brauerei zugeordnet. Die "Fischerstube" hätte ein Bier aus Frenkendorf BL auftischen müssen. Der Besitzer wollte das nicht. Und richtete im hinteren Teil seines Restaurants eine Kleinbrauerei ein, in der nun das hauseigene "Ueli" gebraut wurde, so benannt nach der Figur, die am "Vogel Gryff" Geld für gute Zwecke sammelt. So begann, was bis heute andauert, ich ging auch schon in der "Fischerstube" essen, bewunderte das Sudhaus hinter der Glasscheibe und bestellte, selbstverständlich, ein Ueli-Bier.

Freitag, 7. Juni 2024

Gilberte und der Burgunder

Aufstieg von St-Ursanne durchs pflotschnasse Gras nach Outremont.

Mont Terri im Nebel.

Nass wars, als wir am Montag von St-Ursanne via Outremont, Sous le Bois, Derrière-Monterri, den Mont Terri, St-Gilles, Paplemont und Courtemautruy nach Courgenay zogen. Sehr nass, auch wenn es nicht mehr regnete. Der Kalkstein war rutschig, von den Bäumen tropfte es, an den Grashalmen haftete Wasser. Und feucht war die Luft, als wanderten wir in einem Regenwald. Andere Leute waren nicht unterwegs, wir hatten das Gelände für uns, sahen freilich nicht weit, Nebel waberte. Den höchsten Punkt des Mont Terri, in einem kurzen Abstecher von der Schulter unterhalb erreichbar, liessen wir darum aus. Nach vier Stunden erreichten wir Courgenay. Liessen uns im Restaurant La Petite Gilberte nieder, so benannt nach der jungen Frau, die in diesem Haus, damals "Hôtel de la Gare", während des Ersten Weltkriegs servierte und von den Soldaten und Offizieren schwärmerisch verehrt wurde. Kann man alles nachlesen und sich auch das Lied anhören, das die Gilberte de Courgenay verewigt hat. Uns interessierte etwas anderes: die Karte. Bald hatten wir einen Burgunder auf dem Tisch, kurz darauf kam das Essen, Forelle à la meunière und Morchel-Croûte. War beides hervorragend. Wir waren uns denn auch einig, dass wir wiederkommen werden. Um noch einmal im "La Petite Gilberte" zu essen. Und um den Mont Terri ganz zu besteigen und von ihm aus in die Weite zu schauen.
Die Croûte aux Morilles. (Foto: Ronja)
Tischset im Restaurant.