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Montag, 28. Februar 2022

Alpträume in Aarau

Am Samstag gönnte ich mir ein Fährtli ins geliebte Aargauer Kunsthaus in Aarau und schaute mir dort die derzeitige Hauptausstellung an. Die Amerikanerin Nicole Eisenman, Jahrgang 1965, assoziiert in ihren Gemälden so ziemlich jede Kunstströmung und jedes Motiv von mittelalterlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts bis Pop Art und Comic. Harmlos ist bei ihr gar nichts, ihr Werk ist eine Art anhaltender Alptraum, jedenfalls kam es mir so vor. Stark, diese Ausstellung – so bereichernd wie bedrückend ist sie.

Sonntag, 27. Februar 2022

Gallus, Columban und Luke

Gestern schaute ich mir auf "PlaySuisse", der SRG-Gratis-App, "Gallus & Columban" an. Der einstündige Film des Innerschweizer Regisseurs Luke Gasser blendet zurück in die Gründerzeit des hiesigen Christentums. Er erzählt einerseits durch fiktionale Szenen, anderseits dokumentarisch und anhand von Interviews mit Expertinnen und Experten vom Zug der irischen Wandermönche durch Europa und die Schweiz. Columban ist der gestrenge Meister, ein kirchennaher Gläubiger, ein Gründer von Klöstern, in denen eine Regel installiert wird. Gallus wiederum, sein Schüler, ist der Introvertierte, der den Zugang zu den Menschen eher über die Innigkeit oder gar Liebe sucht. Kitschig gesagt: Gallus ist der Mann der Herzen. Im Wald an der Steinach findet er nach der Trennung von Columban seine Bestimmung als Klausner, Berufungen wie die zum Bischof von Konstanz lehnt er ab. Auch aus dem Wirken von Gallus, der 640 als Volksheiliger stirbt, wird freilich später ein Kloster hevorgehen, das Kloster St. Gallen. Luke Gassers Film: Kirchengeschichte auf leichte Art vermittelt.

Gallus im Gespräch mit Gunzo, dem Herzog von Überlingen.
Gunzo will ihn zum Bischof von Konstanz machen. Gallus lehnt ab.
(Screenshot aus dem Film "Gallus & Columban")

Samstag, 26. Februar 2022

Das Barabas-Rätsel

Früher eine Zelle, heute ein Hotelzimmer: im "Barabas".
Vor Monaten verbrachte ich eine Nacht in einer Zelle. Das vormalige  Zentralgefängnis der Stadt Luzern ist seit 1999 ein Hotel, ich testete es als Journalist, diese Woche ist mein Artikel in der "Schweizer Familie" erschienen. Das Hotel Barabas, wie es heisst, richtet sich mit ziemlich günstigen Zimmern vor allem an junge Travellers, Reisende aus dem Ausland, aber auch an Familien und Firmengruppen, die ein besonderes Erlebnis suchen. Mit dem Haus im Löwengraben in der Luzerner Altstadt ist ein kleines Rätsel verbunden. Es heisst "Barabas", weil mit diesem Namen jene Wandmalereien signiert sind, die ein Wehrdienstverweigerer als Insasse 1975 hinterliess. Wer dieser "Barabas" war, weiss keiner, die Hotelbetreiber forschten ausgiebig nach, wurden aber nicht fündig. Wer weiss, vielleicht führt mein Artikel ja dazu, dass sich jemand meldet.
Der Aufgang zu den Zimmern.
Bücher in der alten Gefängnisbibliothek.

Freitag, 25. Februar 2022

Lihapullat in Albligen

Der Bären und was ich dort ass.
Am Mittwoch – ich habs hier gestern erzählt – fuhr ich nach Ueberstorf und besuchte die gewaltige Eibe ein wenig ausserhalb des Dorfes. Es folgte eine zweistündige Wanderung via Obermettlen, Hinterried, Oberholzwald, Rütti, Götschmannsried nach Albligen. Zu dem kleinen Dorf sind mindestens drei Dinge zu bemerken:

  1. Albligen liegt links der Sense und gehört doch, anders als die Dörfer rundum auf derselben Seite des Flusses, nicht zum Kanton Freiburg, sondern zum Kanton Bern. In der Sprache des Militärs würde man von einem "Brückenkopf" der Berner reden. Im endenden Mittelalter und der frühen Neuzeit war Albligen Teil einer Gemeinen Herrschaft von Bern und Freiburg, die es abwechselnd verwalteten. Und niederhielten. Nachdem Napoleon das Ancien Régime beendet hatte, kam Albligen zuerst zum Kanton Freiburg und 1803 zum Kanton Bern. Eine Gemeinde ist es seit einiger Zeit nicht mehr, es gehört zu Schwarzenburg BE, nachdem man zuvor auch einen Anschluss an Ueberstorf FR erwogen hatte.
  2. Albligen hat eine klassizistische Kirche, ein schlichtes Meisterwerk, das ziemlich genau 200 Jahre alt ist. Heute steht die Kirche mit dem ausgegliederten, im Grünen neben dem Gotteshaus stehenden Glockenstuhl unter eidgenössischem Denkmalschutz.
  3. Albligen hat ein Dorfrestaurant, den "Bären". Dort wirtet seit Jahren ein finnisches Paar. Und so kam es, dass ich zum Schluss meiner Wanderung zu – hervorragenden – Lihapullat kam, Fleischklössen, die auf Kartoffelstock serviert wurden. Und zu einem Bier namens "Karhu". Macht immer Spass, auf einer inländischen Wanderung im Ausland zu landen.
Landschaft nah Ueberstorf.

Donnerstag, 24. Februar 2022

Visite beim Baum

Die Rinde faszinierte mich besonders. Wie sie in Tönen von rot über braun bis bläulich schimmerte. Wie sie an manchen Stellen schorfig war, an anderen aber aufgebrochen, das Holz darunter weich, dem Fingernagel nachgebend. Und der Stamm bildet dicke Beulen, teilt sich gegen oben mehrfach, offenbart tiefe Spalten. Dieser Baum ist nicht leicht zu erfassen, doch auf jeden Fall ein Charakterwesen. Gestern besuchte ich die Eibe von Ueberstorf im Sensebezirk, Kanton Freiburg; im ersten Anlauf hatte es mit der Visite vor anderthalb Wochen wegen einer SBB-Panne nicht geklappt. Die Eibe steht einen Kilometer östlich des Dorfes beim Weiler Umbertsried, ist ein Männchen, gegen die 14 Meter hoch. An die 500 Jahre alt soll sie sein – schwer, sie nicht zu vermenschlichen und zu denken: Was die wohl alles gesehen hat!

Mittwoch, 23. Februar 2022

Nach siebenhundert Jahren

Für ein paar Wochen Exilort des letzten österreichischen Kaisers
und seiner Familie nach dem Ersten Weltkrieg: Schloss Wartegg.

Schloss Wartegg liegt in Rorschacherberg am Wanderweg zwischen Staad und Rorschach. Das Schloss mit dem weitläufigen Park und dem grossen Blick auf den Bodensee ist heute ein Hotel mit biologischer Küche, das sich speziell für Seminare und Tagungen eignet. Im März 1919 war dieses Anwesen, nicht zu verwechseln mit dem etwas höher gelegenen, Luftlinie 800 Meter entfernten Schloss Wartensee, jener Ort, wo Karl I., Österreichs letzter Kaiser, samt seiner Gattin, Kaiserin Zita von Bourbon-Parma, und den gemeinsamen Kindern Zuflucht suchte, nachdem die jahrhundertelange Herrschaft der Habsburger zu Ende gegangen war. Beider Exil begann somit im Kanton St. Gallen, im Mai desselben Jahres ging es weiter nach Prangins am Genfersee. Beim Grenzübertritt in die Schweiz soll Karl übrigens wehmütig zu seinem adeligen Begleiter gesagt haben: "Nach siebenhundert Jahren ..."

Dienstag, 22. Februar 2022

Andi in der Kapsel

Japan ist das Pionierland des Kapselhotels, das Foto zeigt eines in Tokyo.
(Foto: Trueshow 111 / Wikicommons)
Beim Flughafen Zürich gibts neuerdings ein Kapselhotel. Mein früherer Redaktionskollege Andreas "Der Internaut" Güntert hat es für seinen Blog getestet. Er fühlte sich in seinem Ein-Personen-Kabäuschen offenbar ziemlich wohl; das liege, schreibt er, an den Wandverkleidungen aus hellem Holz, am Seitenspiegel, der Weite simuliert, und an der Zimmerdecke, auf die ein blauer Himmel aufgemalt ist. Beim Lesen von Andreas' Übernachtungs-Bericht lernte ich auch ein neues Wort: "Capsulaner" bzw. "Capsulanerin". So heissen die Leute, die in dem Hotel arbeiten und einem beistehen, wenn etwas nicht klappt. 75 Franken 50 zahlte der Probeschlafer übrigens für die Nacht.

Montag, 21. Februar 2022

Guri-See und Rümbeli

Das Rümbeli.
Auf dem Guri-See-Rundweg.
Am Guri-See.

Im Umland von Andelfingen im Zürcher Weinland wimmelt es von Seen und Weihern, manche liegen ein wenig versteckt und zeigen sich auf der Landeskarte online erst, wenn man vergrössert. Am Samstag machten wir eine fünfeinhalbstündige Tour in der Gegend und wurden immer wieder von herrlichen Kleingewässern überrascht – zwei davon taten es auch durch ihre hübsch abseitigen Namen: "Guri-See" und "Rümbeli". Den Guri-See mochten wir besonders, weil er mit einem Rundweg ausgestattet ist, der durch einen dichten Riedgürtel und über sumpfige Partien führt. Schad, ist noch Winter, gern hätten wir ein Froschkonzert gehört, das sicher ohrenbetäubend ist. Unsere Route: Winterthur-Wülflingen, Bushaltestelle "Schloss" – Chöpfi – Mettlen – Im guete Ried – Hettlingen – Eichmüli – Heimistenholz – Weidhof – Welsikon (Zmittag im Bahnhöfli) – Guri-See – Buecher Weiher – Rümbeli – Holgass – Trottenifang – Eichholz – Thurufer – Holzbrücke – Andelfingen, Bahnhof (5.30 h, 390 Meter aufwärts, 410 abwärts).
Andelfingen, das letzte Foto zur Wanderung.

Sonntag, 20. Februar 2022

Staunen auf dem Wolfensberg


Anfang Februar schrieb ich hier über die Chöpfi, eine Gesteinsformation auf dem Wolfensberg am Rand von Winterthur, das indirekte Produkt eines prähistorischen Meteoriteneinschlages bei Stuttgart. Gestern Samstag begaben wir uns vor Ort, was gar nicht so einfach war. Zwar ist auf der Karte ein Gebiet auf dem Wolfensberg als "Chöpfi" bezeichnet, doch das geologische Spektakel liegt leicht abseits der Wanderwege. Hinweisschilder gabs keine. Wir irrten eine Viertelstunde herum. Ein Einheimischer brachte uns schliesslich auf die richtige Spur. Als wir fündig geworden waren, staunten wir. Und waren fasziniert von den bizarren Felsköpfen. Wer auch hin will: hier die Koordinaten (zum Beispiel für die Schweizmobil-Karte): 2695013 1263638.

Samstag, 19. Februar 2022

199 000 000 Stunden

Wanderinnen und Wanderer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
(Eugène Trutat / Wikicommons)

Rund 199 Millionen Stunden ist die Schweizer Bevölkerung im Jahr 2020 gewandert, 37 Millionen Stunden mehr als im Jahr 2014. Der Anteil der Wanderer und Wanderinnen an der Gesamtbevölkerung nahm im selben Zeitraum um 12,6 Prozent zu auf 56,9 Prozent. Das las ich gestern im "Tagi", der sich auf die Studie "Sport Schweiz 2020" stützt. Schaut man die drei Lieblings-Sportarten der hiesigen Bevölkerung an, ergibt sich folgende Rangliste:

  • Wandern ist am beliebtesten mit, wie bereits gesagt, 56,9 Prozent.
  • Auf Platz zwei folgt das Velofahren. 42 Prozent der Leute radeln regelmässig.
  • Platz drei belegt das Schwimmen mit 34,9 Prozent.

Freitag, 18. Februar 2022

Neue Linsen, neue Schuhbändel

Unglaublich, wie meine neuen
Schuhbändel leuchten. Ist das 
jetzt die Folge der Operation?
Oder sind die Dinger so grell?
So. Seit gestern Donnerstag sind meine Augen voll gleichgestellt – auch rechts ist das Implantat eingepflanzt, Bereits-Korrigiert und Noch-nicht-Korrigiert behindern sich nicht mehr, wie es eine Woche lang der Fall war mit Folgen wie Schwindel und Weltüberdruss. Die linke und die rechte Kunstlinse erzeugen jetzt die gleiche Sehschärfe, perfekt auf die Nähe, leicht unperfekt in die Ferne. So wars vorgesehen, für das In-die-Weite-Schauen brauche ich, wie vor der Behandlung besprochen, eine Brille. Eine provisorische vorerst, denn in den nächsten Wochen kann sich alles noch leicht verändern. Für den Moment bin ich sehr zufrieden. Und morgen soll endlich gewandert werden.

Donnerstag, 17. Februar 2022

Kleine Dinge, grosser Lärm

Bischofszell und (links) der Muggensturm.
(Schweizmobil, Screenshot)
Bei Bischofszell, Kanton Thurgau, legt die Thur eine riesige Schleife ins Gelände. Sie macht linksum kehrt. Das von ihr umfasste Land trägt den kuriosen Namen Muggensturm. Gibt bzw. gab es hier an feuchtschwülen Tagen besonders viele Mücken? Kann sein, findet die wissenschaftliche Datenbank der Schweizer Ortsnamen. Alternativ könnte es an diesem Ort eine Liegenschaft gegeben haben, deren Besitzer so hiess. Ein Muggesturm war in früheren Jahrhunderten einer, der wegen kleiner Dinge grossen Lärm machte. Ein Stürmihung, wie die Bernerinnen und Berner sagen.

Mittwoch, 16. Februar 2022

Diese Tour wird brutal

Brutalismus im Toggenburg:
die Kirche St. Gallus, Lichtensteig.
(Foto: Leiju/Wikicommons)
Habe viel Freude an zwei grossformatigen Karten: der Carte Brute Schweiz einerseits und der Carte Brute Zürich anderseits. Die eine listet 50, die andere 40 brutalistische Bauwerke auf, Kirchen, Schulhäuser, Behördengebäude und vieles mehr, wobei jeweils in präziser Kürze die allernötigste Information zum jeweiligen Objekt mitgeliefert wird. Ich fühle mich inspiriert und will gern bald mal mit meinem Grüppli auf eine brutale Brutalismustour gehen. 

Brutalismus, grob gesagt, ist eine Architekturströmung ab 1950, die mit rohem Beton arbeitet; "brut" bedeutet genau dies: roh. Bestellen kann man die zwei Karten hier.

Dienstag, 15. Februar 2022

Blutiger Barbier


Am Sonntag kam ich in Zürich beim Bahnhof Stadelhofen an einem Barbiergeschäft vorbei. Seit Männer, vor allem junge Männer, lange Bärte tragen, boomt das Gewerbe. Ich fragte mich vor dem Laden, woher eigentlich die barber poles, die Pfosten mit den diagonalen, blau-weiss-roten Streifen stammen und was sie bedeuten. Im Internet fand ich einen Artikel mit einer möglichen Erklärung für das Branchensignet. Ursprünglich kamen in den Pfosten demnach nur die Farben Weiss und Rot vor. In Amerika wurde später Blau hinzugefügt, weil dies dem Trio der Farben in der US-Flagge entsprach. Rot und weiss wiederum sollen auf frühere Jahrhunderte zurückgehen. Einst waren Barbiere auch Sanitäter, ja Ärzte. Sie öffneten Geschwüre, liessen zur Ader, amputierten gar Glieder. Die weissen Wundverbände hingen nach mancher Behandlung blutbefleckt vor dem Barbierlokal. Ob die Deutung stimmt? Sie klingt jedenfalls hübsch abenteuerlich.

Montag, 14. Februar 2022

Kalt, kälter, Kryosauna

Am Samstag entdeckte ich in Zürich im Universitätsviertel bei einer Tramhaltestelle das illuminierte Werbeplakat des dort angesiedelten Gesundheitsstudios Eistresor (sorry für das schlechte Foto). In dem Lokal dieses Namens, das sich als einziges seiner Art schweizweit anpreist, kann man sich in eine Kammer begeben, in der mit verdampfendem Stickstoff 196 Grad erzeugt werden. Minus 196 Grad, versteht sich. Etwa drei Minuten dauert die Behandlung in der sogenannten Kryosauna, nach der man sich angeblich efrischt und verjüngt fühlt. Ich verspürte vor dem Laden keine Lust. Mir war schon ohne Stickstoff kalt genug.

Sonntag, 13. Februar 2022

Ich kam nicht bis zur Eibe

Die Eibe.
(Wikicommons)

Im Moment wandere ich nicht, das operierte und das noch nicht operierte Auge bekriegen sich, Schwindel und ein seltsam schwummriges Lebensgefühl sind die Folge. Doch warum nicht ein Ausflug? Gestern reiste ich Richtung Freiburg mit dem Plan, mir bei Ueberstorf, 15 Gehminuten ausserhalb des Dorfes, eine berühmte Eibe anzuschauen und sie zu fotografieren. Für einen Artikel. Auf der Höhe von Aarau schaltete sich der Zugführer zu und deklarierte, dass man ab Olten die längere Strecke über Burgdorf fahren werde. Nach Olten meldete er sich wieder und gab durch, dass der Zug nur bis Bern fahre statt nach Brig. Dort sei Endstation, ein technisches Problem mit einem Waggon … In Bern hatten wir 17 Minuten Verspätung, exakt so viel, dass ich den Zug nach Flamatt verpasste und somit auch den Anschlussbus nach Ueberstorf. Den nächsten, zwei Stunden später verkehrenden Bus abzuwarten, darauf hatte ich keine Lust. Ich nahm den nächsten Zug retour nach Zürich und war um halb elf wieder zuhause. Die Eibe von Ueberstorf werde ich halt später aufsuchen.

Samstag, 12. Februar 2022

Der Schrumpfberg

Das Fletschhorn heute (oben) und im Jahr 1900.
(Swisstopo-Zeitreise, Screenshot)

48 Viertausender hat die Schweiz. Die Liste war einst länger. Um das Jahr 1900 war auch das Fletschhorn im Kanton Wallis ein Viertausender: 4001 Meter über Meer. Doch setzten ihm dann Erosion und Eisschmelze zu. Hinzu kamen genauere Messmethoden. Auf der Landeskarte ist heute noch eine Höhe von 3985 Metern vermerkt. Ende der 1980er-Jahre wollte der Gemeindepräsident von Saas Grund eingreifen und den Berg wieder über die magische Marke von 4000 Metern heben. Saas Grund legte dem Kanton ein Baugesuch vor, das die Errichtung eines Aufbaus auf dem Gipfel vorsah. Die kantonale Baubehörde sagte nein. Und so bleibt das Fletschhorn ein Dreitausender.

Freitag, 11. Februar 2022

Schneefallen


Auf Mittelallalin, knapp 3500 Meter über Meer, hoch über Saas-Fee, fotografierte ich kürzlich das Allalinhorn. Auf dem Bild zu sehen ist auch, ganz rechts, die Skipiste. Und im Zentrum eine Reihe langer, parallel laufender, mit dem Pistenfahrzeug geschaffener, seltsamer Rinnen. Ich erkundigte mich beim zuständigen Bergbahn-Unternehmen, wozu sie dienen, und erfuhr, dass da "Snow Farming" betrieben wird. Wenn es dieser Tage windet, füllen sich die Rinnen mit Schnee. Er bleibt liegen und wird später zur Präparierung der Skipisten im Sommer verwendet. Die Rinnen von Mittelallalin sind Schneefallen und Schneelager. 

Donnerstag, 10. Februar 2022

Ruedins Dorf

Les Bois, eine Luftaufnahme von 1958.
(Foto: Werner Friedli, ETH-Bibliothek / Wikicommons)
Les Bois liegt in den Freibergen im Kanton Jura zwischen La Chaux-de-Fonds und Le Noirmont. Kürzlich schrieb ich eine Wanderkolumne für die "Schweizer Familie", die in ein paar Wochen erscheinen wird und damit beginnt, dass wir im besagten Ort aus dem Zug steigen. Auf Deutsch heisst Les Bois "Rudisholz", der mittlerweile verblasste Name geht zurück auf einen Mann namens Jean Ruedin, der dort zu Ende des 15. Jahrhunderts siedelte. Vielleicht war es die Steuerfreiheit, die den Ruedin lockte. Die karge Hochfläche gehörte damals den Basler Fürstbischöfen, die einen "Freibrief" für die Region ausgestellt hatten: Wer sich in ihr niederliess, zahlte für immer und ewig weder Zinsen noch Zehnten. Von daher rührt der Name "Freiberge".

P.S. Ging gut mit der Augenoperation. Nun ist Geduld angesagt; bis sich die erwünschte Sehschärfe einstellt, kann das Tage oder Wochen dauern.

Mittwoch, 9. Februar 2022

Meine zwei Abenteuer

Nein, das ist nicht der Augenarzt.
Sondern Arabist Burton um 1850.
(Foto: Wikicommons)
So, heute gegen acht Uhr morgens komme ich unters Messer, wie man so schön sagt. Wobei es sich eigentlich um einen Laser handelt, der den Schnitt ausführt. Eine Behandlung des Grauen Stars ist angesagt. In meinem linken Auge wird die getrübte Linse durch ein Implantat ersetzt, exakt eine Woche später ist das rechte Auge dran. Angst habe ich keine, das ist eine Routineprozedur, die als sehr sicher gilt. Ich hoffe, dass ich mich demnächst wieder weniger vertippe, die Schreibfehler häuften sich ja im letzten halben Jahr. Und ich hoffe auch, beim Wandern wieder die Berge am Horizont zu erkennen und die Wegweiser vor mir anständig lesen zu können.

In den kommenden Tagen gedenke ich durchaus zu bloggen. Abgesehen davon wird das operierte Auge geschont, statt lesen und surfen werde ich mir Literatur vorlesen lassen. Bei Librivox habe ich mir das Hörbuch "The Book of the Thousand Nights and a Night" heruntergeladen, "Tausendundeine Nacht" in der englischen Übertragung des grossartigen Arabisten Richard Francis Burton. Ich freue mich auf beide Abenteuer. Das der Operation und das der Märchensammlung.

Dienstag, 8. Februar 2022

Der Datenbunker

Südlich von Rafz kamen wir am Samstag in einer Gewerbezone an einem Gebäude neueren Datums vorbei, die Umgebung ist noch nicht fertig gestaltet. Die mattschwarze Fassade lässt den Blick ins Innere nicht zu, das Areal mit zwei weiteren Bauten ist abgesperrt, Wachleute patrouillieren, es gibt Kameras und, wie ich in einem Artikel des "Zürcher Unterländers" lese, einen Retina-Scanner für die, die Einlass begehren. Um eine Server Farm handelt es sich, einen Datenbunker der Firma "Safe Host" aus Genf, die an mehreren Standorten Anlagen unterhält. Die erwähnte Zeitung berichtet, im Rafzer Rechen- und Speicherzentrum sei ein einziges Grossunternehmen eingemietet, "Microsoft" angeblich. Bei der Gemeinde Rafz weiss man auch nichts Genaues.

Falls die einen Tag der offenen Tür veranstalten, geh ich hin. (Foto: Ronja)

Montag, 7. Februar 2022

Die Tour de Rafzerfeld

Blick vom Schürlibuck auf einen Teil des Rafzerfeldes.

Die Grafen von Sulz, ein süddeutsches Geschlecht, waren in Geldnot. 1651 verkauften sie ihren Schweizer Nachbarn deswegen definitiv ein riesiges Stück Land. So kam der Kanton Zürich zum Rafzerfeld nördlich des Rheins, das an Deutschland und an den Kanton Schaffhausen stösst und heute aus vier Gemeinden besteht. Am Samstag erkundeten wir das Rafzerfeld in einer knapp fünfeinhalbstündigen Wanderung. Wir zogen vom Bahnhof Hüntwangen-Wil via das Amphitheater von Hüntwangen nach Wasterkingen, stiegen auf zum Hof Bergheim hart an der Landesgrenze, hielten durch einsames Land, meist im Wald, via Forsthütte und Hochenstich nach Hüsliholz, leisteten uns einen Abstecher auf den Schürlibuck, stiegen ab nach Rafz, setzten fort über Waldhof und Galgenbuck – ein zweiter Abstecher auf einen Aussichtspunkt – nach Eglisau. Auf den 21 Kilometern der Route sahen wir viel. Einen Teil des Alpenkranzes mit dem Säntis, Schienen mit alten Kiesloren, prächtige Fachwerkbauten in den Dörfern. Und Haselzötteli en masse, deren Pollen unserer Allergikerin zusetzten. Bloss die Bise erinnerte uns auf manchen Abschnitten daran, dass wir im Winter unterwegs waren und nicht im Frühling.
Holcim-Relikt nah Hüntwangen.

Flaches Land zwischen Hüntwangen und Wasterkingen.

Sonntag, 6. Februar 2022

Das Holcim-Theater


Amphitheater, hinterlassen von den Römern, gibts einige im Land. Hüntwangen, ein Dorf auf dem Rafzerfeld im Norden des Kantons Zürich, hat auch eines, wie wir gestern entdeckten. Allerdings handelt es sich nicht um eine antike Anlage. Die Firma Holcim, die in der Gegend Kies abbaut, spendierte der Gemeinde zu deren 750. Geburtstag im Jahre 2004 dieses Amphitheater. Es ist in eine rekultivierte Kiesgrube eingepasst und bietet 700 Sitzplätze. Vor allem kommunale Anlässe, etwa solche von Vereinen, werden an dem, wie wir fanden, stimmungsvollen Ort durchgeführt.

Samstag, 5. Februar 2022

Frühlingsbotin in Nöten

Sing im Flug: die Feldlerche.
(Foto: BirdLife Schweiz / Beat Rüegger)
Mit "Alouette, gentille Alouette" beginnt das Volkslied. Lerche, liebe Lerche: Das klingt wie eine Liebeserklärung. Doch geht es so weiter: "Je te plumerai", ich werde dich rupfen. Wenn es der Feldlerche, diese Woche von "BirdLife Schweiz" zum Vogel des Jahres ernannt, schlecht geht und sie sich hierzulande nur noch mit Mühe hält, dann freilich nicht, weil sie als Nahrung herhalten muss. Die Landwirtschaft trägt vielmehr das Gros der Schuld. So bewirkt die Düngung der Felder mit Pestiziden, dass es an Insekten fehlt, also an Nahrung. Unscheinbar ist der Vogel, wird nur gut 17 Zentimeter lang bei einem Gewicht von allerhöchstens 45 Gramm. Ein Künstler ist er auch, der im Flug singt und dabei bisweilen mehr als 100 Meter aufsteigt, um dann zu verstummen, wie ein Stein zu Boden zu stürzen und erst kurz vor dem Crash abzubremsen. Ich hoffe, ich höre in den nächsten Tagen doch eine Feldlerche. Sie ist unsere Frühlingsbotin.

Wer sich anhören will, wie die Feldlerche singt: Hier der Link zur Vogelwarte Sempach.

Freitag, 4. Februar 2022

Winterthur und der Meteoriten-Einschlag

Die Chöpfi-Kegel.
(Foto: Adrian Michael / Wikicommons)
Der Flurname war mir bis anhin kein Begriff. Die Chöpfi findet sich auf dem Wolfensberg am Stadtrand von Winterthur. Bizarre Sandsteingebilde sind so bezeichnet, die ein bisschen aussehen wie Baumstümpfe oder Mini-Vulkankegel. Gestern las ich in der Zeitung, dass die Geowissenschaft jetzt erklären kann, wie sie zustandekamen. Im Nördlinger Ries bei Stuttgart schlug demnach vor rund 15 Millionen Jahren ein Meteorit ein, es war die grösste kosmische Katastrophe Mitteleuropas, von der wir wissen. Sie zeitigte Schockwellen, die auch das hiesige Mittelland erreichten. Bei der heutigen Chöpfi verflüssigte sich unter dem Druck der sandige Untergrund, darüber bildeten sich Blasen. Sedimente überlagerten die Neubildung. Dann kam die Eiszeit, Gletscher schliffen die Ablagerungen Schicht für Schicht weg, die erstarrten Blasen kamen zum Vorschein, Schmelzwasser spülte weicheres Material rundum weg. Ich und mein Grüppli, wir müssen da bald mal hin!

Donnerstag, 3. Februar 2022

Es schneiberlet, es beierlet

 Das Kinderlied, das so anfängt, kennen wir doch alle. Sangen es ja in der Schule.

Darum gehts hier heute.
(Foto: Stöhrfall (talk) / Wikicommons)
Es schneielet, es beielet, es goht en chüele Wind.

Das Verb "beiele" habe, las ich gestern in der neuen "Schweizer Familie", zu tun mit "Beieli" oder "Beili", also Bienen. Dies, weil die tanzenden Schneeflocken an schwärmende Bienen erinnerten. Leuchtet mir ein. Neben der schweizerdeutschen Variante gibt es, fand ich in der "Alemannischen Wikipedia", auch einige andere alemannische Versionen.

Oberrheinalemannisch:

Es schneielet, es beielet, es goht e kiehle Wind.

Schwäbisch:

Es schneielet, es beielet, es goht an kalder Wend.

Mittelschwäbisch:

Es schneiberlet, es beierlet, es ghot an kualer Wind.

Mittwoch, 2. Februar 2022

Zürich will auch

Ein Bild aus dem Januar: Basels Roche-Türme 1 (rechts) und 2 (links, im Bau).
(Foto: Silesia711 Wikicommons)
In Basel haben sie mit dem Roche-Turm ein Hochhaus von 178 Metern Höhe. Daneben ist ein zweiter Roche-Turm von 205 Metern im Bau, ein dritter ist geplant und wäre gar 221 Meter hoch. Da kann der Zürcher Prime Tower mit seinen armseligen 126 Meterchen natürlich nicht mithalten. Doch jetzt ist die Stadt daran, ihr Hochhaus-Leitbild zu aktualisieren. Entlang des Gleisfelds der SBB und in Zürich-West könnten gemäss diesen neuen Plänen Hochhhäuser von bis zu 250 Metern entstehen, las ich gestern im "Tagi". Zürich fühlt sich zu Höherem berufen.

Dienstag, 1. Februar 2022

La guette

Kassandra auf einem Gemälde von
John Collier, undatiert. (Wikicommons)
In den Städten des Mittelalters gab es einen Türmer, der in der Regel auch Feuerwächter war. Er hielt Ausschau nach Bränden und schlug nachts die Uhr an. Manchmal rief er die Stunde auch aus. Auf der Lausanner Kathedrale besteht das Amt noch, freilich verkündet der guet, wie er auf Französisch heisst, nur von 22 Uhr bis 2 Uhr die Zeit – es handelt sich um ein reines Nostalgieritual. Kürzlich nun las ich, dass erstmals eine Frau zum Team der guets gestossen ist als guette, wie die feminine Form heisst. Bereits gibt es ein Youtube-Filmli, das sie zeigt, wie sie ihres Amtes waltet. Lustig oder doch ein bisschen schräg ist ihr Name. Sie heisst Cassandre Berdoz. Kassandra: Das ist in der griechischen Mythologie jene Gestalt, die Unheil voraussieht und es ankündigt.