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Sonntag, 31. Oktober 2021

Das Comeback der Gerechtigkeit


Ich weiss, das ist kein besonderes Foto. Ich machte es gestern morgen kurz vor acht in Zofingen, viel Licht war da nicht. Danach verliess ich den Ort, um mit meinem Grüpplein zu wandern. Die Geschichte zum Bild ist jedenfalls interessant. Zu sehen ist der Niklaus-Thut-Platz mit der Brunnenstatue, die ebenfalls nach dem Stadthelden benannt ist. Von ihm habe ich gestern erzählt. 1893 stiftete die Studentenverbindung Zofingia den Brunnen samt Thut in der Mitte als Ersatz für den verwitterten Gerechtigkeitsbrunnen. Die 1590 entstandene Statue der Justitia, also der Göttin, die die Gerechtigkeit verkörpert, kam ins Museum. Knapp 100 Jahre nach ihrem Abtransport war 1991 am 14. Juni landeweit Frauenstreik. Die Frauen des Städtchens verlangten die Rückkehr der Justitia und verhüllten Thut mit einem Leintuch. Drei Jahre später wurde eine Replik der Justitia-Statue aufgestellt. Am Rand des Platzes, nicht in seiner Mitte. Immerhin begegnen sich seither Mann und Frau, Allegorie und alter Krieger, auf Augenhöhe.

Samstag, 30. Oktober 2021

Der Mann mit der Fahne


Habe die Nacht im Hotel Engel in Zofingen verbracht, mein Foto zeigt ein Stück Zimmertapete mit der Stadtsilhouette. Bei dem Mann mit der Fahne handelt es sich um eine Brunnenfigur. Um Stadtheld Niklaus Thut. 1386 verspeiste er in der Schlacht von Sempach kurz vor seinem Tod das Stadtfähnlein, auf dass der Feind es nicht erbeute. Es war seine letzte Amtshandlung als Schultheiss. Der Feind, übrigens, waren die Eidgenossen. Zofingen kämpfte damals auf der Seite der Habsburger.

Freitag, 29. Oktober 2021

Warum denn fahren, wenn man gehen kann?

Widmer auf der Moorfläche vor der Rossweidhöchi.
Der Wageten.
Blick vom Morgenholz auf den Walensee, links hinten der Leistchamm. Auf die Benutzung
der Seilbahn Morgenholz–Niederurnen verzichteten wir. Warum denn fahren, wenn man gehen kann?
Letztes Foto der Wanderung, wir sind in Niederurnen.

Zum Zmittag etwas Leichtes.
Eiskalt war der Morgen. Und schön hell. Wenigstens über dem Hochnebel. Unsere Wanderung führte uns am Mittwoch von der Postautohaltestelle Flühbödeli nach Niederurnen. Also vom Wägital ins Tal der Linth. Also aus dem Kanton Schwyz in den Kanton Glarus. Vieles von der Unternehmung wird mir bleiben. Etwa die traute Schwendenenkapelle eine halbe Stunden nach dem Start. Die mit Raureif bedeckten Holzbretter für Wanderer auf den Moorflächen um die Rossweidhöchi, wie der sanfte Grat heisst, der die Kantonsgrenze bildet und den höchsten Punkt der Route verkörperte. Die gewaltigen Berge unmittelbar zu unserer Rechten, zuerst der Chöpfenberg, dann der Brüggler, dann der Wageten. Der verzauberte, von unzähligen häuschen- und haushohen Bergsturzblöcken übersäte, totalvermooste Flüewald auf der Glarner Seite. Die von der Sonne goldgelb gefärbte Flanke zur Linken mit dem Planggenstock und dem Hirzli. Die deftig mit kross gebratenem Speck bedeckte Käserösti im Bergrestaurant Hirzli. Last not least im letzten, sehr steilen Wegstück vom Bodenberg hinab nach Niederurnen der plötzlich sich zeigende, mediterran stimmende Walensee. Das war eine tolle Wanderung. Wer sie (5 1/4 Stunden, 835 Meter aufwärts, 1020 abwärts) nachmachen will – noch ist es möglich.

Donnerstag, 28. Oktober 2021

Die Sprechstunde

Hier trifft man mich am Freitag: Zofingen.
(Foto: Minnou/Wikicommons)
Von Freitag bis Sonntag finden die Literaturtage Zofingen statt. Das Programm ist reichhaltig mit Gesprächsrunden, Lesungen und Musikeinlagen. Ich darf auch mittun. Bin am Freitagabend bei der Eröffnung eingespannt mit einer Wörtersprechstunde. Ich sitze an einem Tischli und unterhalte mich mit Leuten, die vorbeischauen, über jeweils ein bestimmtes Wort aus meinem neuen Buch "Mein Wortschatz". Oder vielleicht bringt auch jemand eine eigene Preziose mit. Mal schauen, wies wird, ist ein Experiment, jedenfalls freue ich mich.

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Hundeselbstmordbrücke

Overtoun House und die Overtoun Bridge.
(Foto: Dave Souza / Wikicommons)
Die Overtoun Bridge nah Dumbarton in Schottland, ein Bauwerk von 1895, ist mit 15 Metern nicht besonders hoch, doch sehr schön. Womöglich aber auch ein wenig unheimlich. Gestern las ich im Tagi, dass in den vergangenen 70 Jahren von dieser Brücke schon rund 600 Hunde gesprungen sind, viele überlebten den Sturz in die Schlucht nicht. Allerlei Legenden ranken sich um die Serie dieser Vorfälle, so ist die Rede von einer weisslich-durchsichtigen Figur, dem Geist der Lady Overtoun. Treibt sie die Hunde in den Tod? Ein Wissenschaftler vermutet, dass Wild unter der Brücke den Hunden den Kopf verdreht. Auch Minks, amerikanische Nerze, sollen dort hausen.

Dienstag, 26. Oktober 2021

Ganz verschiedene Hunde

Niklaus Meienberg 1979. (Foto: Walter Rutishauser,
Bibliothek am Guisanplatz, Wikicommons)
Als 1798 Napoleons Truppen in unser Land einfielen, um die alte Ordnung zu kippen, kam auf Seite der Verteidiger der "Zürihund" zum Einsatz (danke für den Hinweis, liebe B.!). Ein Leichtmörser aus der Zeit des Dreissigjährigen Krieges. Der Zürihund hatte ein fahrbares Untergestell und eine zweirädrige Lafette, zwei Zürcher hatten das Geschütz erfunden, daher der Name. An dieser Stelle kommt mir der – heute weitgehend vergessene – Starjournalist Niklaus Meienberg in den Sinn, der 1993 aus dem Leben schied. Er machte sich 1986 über eine gemeinsame Kampagne der Stadt Zürich und kynologischer Organisationen lustig. Deren Slogan lautete: "Züri-Hünd sind Fründ."

Montag, 25. Oktober 2021

Das Bergland zwischen Emme und Ilfis

Berner Alpen: Wetterhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn (von links).
Hügelland im Aufstieg (Rückblick).
Apartig wohnen im Emmental.
Auf dem Grat des Rämisgummehoger verläuft die Grenze zwischen Bern und Luzern.

Eiskalt wars in der Höhe mit einer Bise, die durch die Daunenjacke stach. Die Einkehr im Bergrestaurant Erika unter dem Rämisgummehoger half, Bratwurst und Rösti wärmten. Vor allem aber war es der Blick, der die Mühen der sechseinhalbstündigen Wanderung vergessen liess, mit der wir am Samstag das Emmental und das Entlebuch, Eggiwil und Escholzmatt verbanden. In der Nähe sahen wir Felsfluhen, abrupt steile Hügel, verschattete Gräben, fast schon absurd platzierte kleine Bauernhöfe. Und in der Ferne sahen wir die Schrattenfluh und den Hohgant, den Belpberg, die Bütschelegg und den Napf, einen Teil der Berner Alpen. Ich hoffe, meine Fotos vermögen die Schönheit des Berglandes zwischen Emme und Ilfis zu zeigen. Route: Eggiwil, Dorf – Heidbühl – Hürlisegg – Pfyffer – Rämisgummehoger – Geisshalden – Schärligbad – Ober Binzberg – Wiggen – Escholzmatt. 1015 Meter aufwärts, 900 abwärts.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Leere?

Philosoph Klein 2011 in Paris.
(thesupermat/Wikicommons)
In der Zeitung "Gruyère" waren einige Gedanken des französischen Philosophen und Alpinisten Etienne Klein zum Bergsteigen abgedruckt. Mir gefielen sie, hier drei:

"Wenn es keine Berge gäbe, müsste man graben. Denn wenn man Täler ausgräbt, dann lässt das Berge erscheinen." 
"Ich bin stets überrascht, wenn Alpinisten das, in das sie stürzen könnten, als Leere bezeichnen. Der Raum über ihnen enthält wesentlich weniger Luft als der unter ihnen. Die wahre Leere ist oben." 
"In der Quantenphysik hat man entdeckt, dass zwei Teilchen, die interagierten, verbunden bleiben können bei aller Distanz. Die Verbindung bleibt ihnen eingeschrieben. Die Seilschaft beim Bergsteigen ist auf menschlicher Ebene etwas Ähnliches."

Samstag, 23. Oktober 2021

Schon Cäsar hats falsch gemacht

Um ihn gehts hier heute. (Foto: Nasa/Wikicommons)
Der Genfersee hiess auf Französisch einst auch Lac de Lausanne, heute kennen wir die beiden Namen Lac de Genève und Lac Léman bzw. Léman. Online las ich bei RTS, dem welschen Radio und Fernsehen, grad einen Artikel, der mir erklärte, dass Lac Léman unsinnig ist. Léman kommt von einer uralten indogermanischen Wurzel, die "See" bedeutet  (auf Altgriechisch lautet das Wort limne). Womit der Lac Léman der "Seesee" wäre. Wer sich jetzt grämt, dass er oder sie das nicht gewusst hat und stets Lac Léman gesagt hat, darf sich trösten. Schon Julius Cäsar sprach vom lacus lemanus.

Freitag, 22. Oktober 2021

Babouti, Branger, Prudhomme


Der Deutsch-Französische Krieg endet 1871 mit der Niederlage Frankreichs. Ein Teil der französischen Bourbaki-Armee ist an der Grenze zur Schweiz eingekesselt, die 130 000 Männer sind verzweifelt, hungrig, erschöpft, krank, verwundet. Um nicht in Gefangenschaft zu geraten, verfügt die Armeeführung den Übertritt in die neutrale Schweiz. An der Grenze werden die 87 000 Bourbaki-Soldaten, die in unser Land kommen, entwaffnet und verpflegt. Die medizinische Versorgung übernimmt das wenige Jahre zuvor gegründete Schweizerische Rote Kreuz. Alsbald werden die Soldaten auf diverse Gemeinden verteilt. 247 von ihnen kommen nach Lützelflüh im Emmental. Man nimmt sie freundlich auf und quartiert sie in der Kirche ein, die mit Stroh ausgelegt wird. Als nach mehreren Wochen die Internierung endet, gibt es im "Ochsen" ein Abschiedsfest, die Soldaten bedanken sich für die Aufnahme. Drei von ihnen allerdings können nicht mehr heim. Sie sind an ihren Verletzungen aus dem Krieg gestorben. An der Kirchenwand fotografierte ich am Mittwoch den Gedenkstein für sie. Er trägt die Namen Jean Babouti, Pierre Branger und François Prudhomme.

Donnerstag, 21. Oktober 2021

Wo Gotthelf wirkte

Lützelflüh: Uli-Brunnen beim Schulhausplatz und Gotthelf-Denkmal beim "Ochsen".
Bei der Kulturmühle ist ein Teil der Holzbrücke zu sehen,
über die Gotthelf am 1. Januar 1831 im Schneegestöber
ritt, als er seine Seelsorger-Stelle in Lützelflüh antrat.
Gestern gotthelfte ich. Es gibt in Lützelflüh, wo Albert Bitzius ab 1831 zuerst als Vikar, bald aber als ordentlicher Pfarrer waltete und daneben als Schriftsteller eine Vielzahl von Romanen und Erzählungen schrieb, die heutzutage als grosse und bedeutende Literatur gelten, "Uli der Knecht" etwa – es gibt in besagter Emmentaler Gemeinde neuerdings einen Kulturweg namens "Unterwegs zu Gotthelf". Gestern beging ich die Route von zwei Stunden Gehzeit, die mich durchs Dorf und auch ein wenig in die Höhen nördlich führte. Ich sah viel: das Gotthelf-Zentrum natürlich, wo man die Broschüre zum Weg bekommt (noch bis und mit 14. November hat es offen). Die Kirche, in der Bitzius predigte. Seinen Grabstein. Den Uli-Brunnen. Das Gotthelf-Denkmal. Die Gotthelf-Gedenkstätte. Und einige prachtvolle Häuser wie etwa ein stattliches Bauernhaus im Weiler Waldhaus, das wohl als "Hof Liebiwyl" im Roman "Geld und Geist" auftaucht. Und und und, das war eine gute Sache. Bloss etwas klappte nicht. Den Ochsen, in dem der Herr Pfarrer gern einkehrte, hätte ich auch besuchen wollen. Das Restaurant hatte leider Ruhetag.
Berner Alpen und Föhnhimmel von Lützelflüh aus gesehen.

Mittwoch, 20. Oktober 2021

Schiefer als Schicksal


Unterwegs auf dem Spissenweg von Adelboden Richtung Frutigen (Einträge von vorgestern und gestern), sahen wir am Samstag am Eingang zum Lintergraben eine Nische mit einer ausrangierten Maschine. Um eine Schieferfräse von einst handelt es sich. Unter der Niesenkette wurde früher an verschiedenen Orten Schiefer abgebaut. Mit der Fräse spaltete man im Berg den freigesprengten Schiefer und schnitt ihn auf Schiefertafelformat zu. Die fertigen Tafeln vom Lintergraben wurden per Materialbahn via Kratzern hinunter zur Strasse an der Engstligen transportiert, reisten zum Bahnhof Frutigen und weiter, unter anderem nach Deutschland. Die Grube Wältiweide-Lintergraben wurde 1964 geschlossen, 13 Jahre später stellte die letzte Grube in der Gegend den Betrieb ein. 250 Jahre lang hatte man dem Berg Schiefer abgetrotzt.

P.S. In besagter Nische standen zur Veranschaulichung handliche Schiefertafeln. Auf die eine hatte jemand mit Kreide Folgendes notiert: "Mein Vater Adolf Fuhrer arbeitete manches Jahr in den Schiefergruben. Er starb an Schieferlunge." Der Berner Journalist und Schriftsteller Fredi Lerch hat zum Thema eine Reportage geschrieben.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Zwei Wanderungen in einer

38 Meter über der Engstligen auf der Hängebrücke Hostalden.
Die Brücke von unten.
Man probierte zuerst und fotografierte dann.
Die Tour von Adelboden nach Frutigen hinab am Samstag: grandios. In der ersten Hälfte nahmen wir den Spissenweg, von dem ich gestern schon erzählt habe. Wir gingen in hellem Herbstlicht, hatten hinter uns den Wildstrubel mit dem Plaine-Morte-Gletscher, hatten zur Rechten das Elsighorn, zur Linken aber die Niesenkette mit dem Gsür, dem Linterhorn, dem Mäggisserhorn. Und des öftern durchquerten wir exotische Gräben, waren im Schatten und in der Oktoberkühle unterwegs, passierten hohe Wände und nasse Schieferflächen. Es war ein Hin und Her zwischen Himmel und Hölle. Bei Gempelen stiegen wir ab zur Engstligen, kehrten im Restaurant Rohrbach ein, assen Flammkuchen – perfekte Rast, perfekte Speise. Was folgte, war etwas ganz anderes: eine Brückenschlenderei das Tal hinab mit der Hohstalden-Hängebrücke als Höhepunkt. Am Bahnhof Frutigen waren wir uns einig, dass das nicht eine Wanderung gewesen war. Sondern zwei. (6 Stunden, 610 Meter aufwärts, 1180 abwärts).
Bauernland am Gegenhang.

Montag, 18. Oktober 2021

Das Geologie-Spektakel

Am Samstag wanderten wir von Adelboden nach Frutigen, mehr zur ganzen Route morgen. Auf der ersten Hälfte gingen wir auf dem Spissenweg. Der Hang unterhalb der Niesenkette ist durch in der Falllinie herabschiessende Gebirgsbäche zertrennt in längliche Geländestücke, Spissen eben. Wer besagten Weg begeht, taucht immer wieder mal aus der Heilligkeit ab in das schummrige, bröselnde Reich des Schiefers, Spissen und Gräben wechseln sich ab. Im Ladholzgraben erwartete uns ein besonders üppiges Geologie-Spektakel (Fotos), wir konnten uns kaum sattsehen.

Sonntag, 17. Oktober 2021

Die Blüemlisalp-Eiche

Die Blüemlisalp-Eiche konnte ungehindert wachsen.

Ich mag Bäume, die Persönlichkeiten sind und einen Namen tragen. Den Chêne des Bosses von Châtillon im Kanton Jura etwa, die Esche von Peist im Schanfigg, die Linde von Linn im Aargau. Die Blüemlisalp-Eiche an der Zürcher Goldküste ist auch so ein Baum. Sie zog mich in ihren Bann, als wir kürzlich auf dem Weg vom Erlenbacher Tobel zur Neuen Forch durchkamen. Ihr Umfang beträgt 4.84 Meter. Dabei ist sie, an anderen bekannten Eichen gemessen, gar nicht mal so alt, 1885 wurde sie gepflanzt. Dass die Blüemlisalp-Eiche so prächtig gewachsen ist, liegt daran, dass sie ein Einzelbaum ist, der nicht von anderen Bäumen bedrängt wurde und sich ungehindert entwickeln konnte. Blüemlisalp, übrigens, bezieht sich auf das nahe Restaurant in Herrliberg, um das herum tatsächlich auf bescheidener Höhe Alpwirtschaft betrieben wird.

Samstag, 16. Oktober 2021

Vom kurzen Leben des Flaz

Der Flaz (rechts) und seine Einmündung in den Inn. Dies ist der korrigierte
Lauf des Flaz. Vorne links das frühere Flussbett, damals tangierte der Fluss Samedan (hinten links).
(Foto: Sven Scharr / Wikicommons)
Kennt jemand den Flaz? Mir war dieser Fluss kein Begriff. Bis ich kürzlich im Oberengadin wanderte und ihn auf der Karte eingezeichnet sah. Bei Pontresina wird der Flaz geboren, indem Berninabach und Rosegbach sich vereinigen. Bei Samedan, nach sechseinhalb Kilometern, ist schon wieder Schluss: Einmündung in den Inn. 2004 wurde das Flussbett des Flaz bei Samedan korrigiert zwecks Hochwasserschutz. Auf dem Foto sieht man schön beide Läufe.

Freitag, 15. Oktober 2021

Zu hell, zu sonnig war der Tag

Bei Corte di Sotto.
Die Römerbrücke über die Melezza in Intragna.
Palagnedra, die Centovalli-Bahn kommt, es geht heimwärts.

Meine Dienstagsunternehmung im Centovalli begann mit einem Missgeschickli. Ich kam um 8 Uhr 14 in Locarno an und musste für die Weiterfahrt den Bus Richtung Onsernonetal nehmen, der in Intragna bei der Brücke anhält; dort wollte ich starten. Allerdings stieg ich zu früh aus, statt in "Intragna Ponte" in "Golino Ponte". Kein Problem, meine Wanderung nach Rasa (Eintrag von vorgestern) verlängerte sich so bloss um eine Viertelstunde und einige Höhenmeter. In Intragna machte mir wieder einmal der Campanile der Dorfkirche Eindruck, der höchste des Tessins. Es folgte ein Abschnitt an der Melezza, ich überquerte die Römerbrücke und andere stilvolle Brücken. Kastanienhüllen polsterten den Boden. Auf der Höhe von Corcapolo begann der Aufstieg. Der war happig. Von Corte di Sotto sah ich den Campanile von Intragna wieder, eingebettet in das Grün des Tales. Wie fern er war! An diesem Ort bauert man bio, in einem Stübli mit der Aufschrift "Bar" kaufte ich Käse und ein Glas Bienenhonig. Bald darauf erreichte ich Rasa, das Dorf, zu dem keine Strasse führt. Im Grotto kehrte ich ein und hätte im Folgenden die Seilbahn hinab nach Verdasio nehmen können. Ich verzichtete, zu hell, zu sonnig war der Tag. Stattdessen ging ich zu Fuss nach Terra Vecchia und Bordei und zog, wobei ich das Fahrsträsschen benutzte, hinab nach Palagnedra, zuerst zum Dorf, dann zur Mauer des Stausees, dann zur winzigen Station der Centovalli-Bahn. Dort hatte ich eine Stunde Zeit. Ich legte mich auf den Rasen, schaute in den von Wolken dekorativ durchzogenen Himmel und sinnierte, wohin ich als nächstes wandern will. (5 Stunden, 1090 Meter aufwärts, 815 abwärts)

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Julia und die Kommentare

Gute Nachricht auf bild.de
Das Mädchen Julia aus Berlin sei gefunden worden, las ich am Dienstag. Die Eltern waren mit ihr und zwei weiteren Kindern im unwegsamen Waldgebiet an der Grenze von Deutschland zu Tschechien wandern gegangen, die Kinder entfernten sich beim Spielen, zwei fanden zurück, Julia nicht. Sie verbrachte zwei Nächte im Wald, eine riesige Suchaktion lief, bis ein Förster sie leicht unerkühlt, aber unversehrt fand. Was mich an der Geschichte mit dem Happy End erschütterte, waren die Kommentare auf der Plattform nau.ch. Was da zusammenkam, tat weh. Hier ein paar Müsterli, die Grammatikfehler habe ich belassen:

  • Man stelle sich vor, die Polizisten wären ungeimpft gewesen!
  • Bei den Eltern würde ich als Behörde mal sehr genau hinschauen. Waren die Eltern am chatten oder sonst was und Tochter geht verloren. Wäre ja nicht das 1. Mal.
  • ... eine grosse Ohrfeige an die Eltern, die das Leben ihres Kindes riskieren!
  • Heutzutage ist es gefährlich Kinder alleine Spielen lassen im Wald! Die Grenzen sind offen!
  • Die Eltern haben nicht aufgepasst? Die Kinder haben doch ein Handy dabei! Oder hat sie ein Familienmitglied umge...

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Tabula Rasa

Die Kirche von Rasa.

Diesen schlicht-eleganten Palazzo würde ich gern bewohnen.
Rasa ist dieses Tessiner Dorf auf 900 Metern, das man nur per Seilbahn erreicht. Oder zu Fuss. Toll, dort oben hat man seine Ruhe, dachte ich im Vorfeld meiner Wanderung. Tatsächlich traktierte gestern ein Typ mit Gehörschutz neben dem Grotto ausgiebig seinen Garten mit dem Laubbläser. Trotzdem, Rasa ist toll, fand ich. Ich tat dort zwei Dinge. Ich besichtigte die Kirche, von deren Vorplatz man die steilen Waldhänge unter dem Pizzo Leone vor Augen hat. Und ich ging ins Grotto, trank einen Boccalino Merlot und ass Spaghetti Aglio e Olio – endlich einmal Aglio e Olio mit genug Knoblauch! Während des Essens fiel mir ein Kalauer ein, ob er lustig ist oder nicht, weiss ich nicht. Wie nennt man eine Mahlzeit in diesem unverschandelten Dorf? Jawohl, Tabula Rasa.

P.S. Wer auch Lust auf eine Rasa-Visite hat, muss sich sputen. Mitte November stellt die Seilbahn um von öffentlich auf privat, in der Wintersaison dürfen nur die wenigen Dorfbewohnerinnen und -bewohner sie nutzen. Auch mit Einkehren ist dann bis nächsten Frühling nichts mehr.

Blick von der Terrasse der Kirche in Rasa.

Dienstag, 12. Oktober 2021

Die Nebelfresserin

Im Ijental, gleich hat sich die Sonne durchgesetzt.
Auf der Bremacher Höchi. Hinten die Churfirsten.
Auf dem Bützalpsattel zeigt sich der Speer.

Also mein Fussabdruck ist das nicht!
Vom Bahnhof Nesslau-Neu St. Johann das Ijental hinauf nach Stofel. Via die Alp Hengst zum Bützalpsattel. Dort Kehrtwende und über den Hügelkamm aus Nagelfluh hinab nach Büchel und Bumoos und weiter hinab zur Wolzenalp. So zeichnete ich heute vor einer Woche zuhause die Wochenend-Wanderung. Dann dachte ich: Da fehlt etwas! Jawohl, es fehlte ein Berg! Ein Gipfel, ein Höhepunkt. Auf der Karte sah ich, dass man vom Bützalpsattel aus leicht die Bremacher Höchi 50 Meter höher auf 1641 Metern erreicht. Womit der Plan komplett war. Rund. Am Sonntag nahmen wir diese Route unter die Füsse und wurden froh, als sich nach dem ersten Drittel des Aufstiegs die Sonne zeigte. Die grosse Nebelfresserin. Auf besagter Bremacher Höchi, seltsamerweise nicht mit einem Wanderweg erschlossen, rasteten wir, hatten die Wand des Speer direkt gegenüber, sahen aber auch den Säntis, die Churfirsten, die Rote Wand im Vorarlbergischen, den Pizol. Schön war das. Noch schöner war, dass wir im Abstieg nicht mehr wirklich im Dunst landeten, er zog sich vor uns zurück, er sank und sank. Genau deswegen verlängerten wir nach der Einkehr in der Wolzenalp die Wanderung, statt die Sesselbahn zu benutzen, stiegen wir ab nach Krummenau. Zufrieden fuhren wir heim, wir hatten eine Grossdosis Licht abbekommen. (5 1/2 Stunden, 975 Meter aufwärts, 1020 abwärts)

Montag, 11. Oktober 2021

Partnun und die Pritanni

Partnun liegt nördlich von St. Antönien im Prättigau.
Kürzlich schaute ich mir eine Karte der heutigen Schweiz an mit den keltischen Stämmen, die zur Zeit der römischen Eroberung, kurz vor Christi Geburt, hierzulande lebten. Ein Stamm war mir neu. Dabei gehören die Pritanni zu jenen Völkerschaften, die in einem Gebietsnamen ewig leben. Sie siedelten im Prättigau (und dem angrenzenden Montafon im Vorarlbergischen). Auch im Flurnamen Partnun sind die Pritanni uns erhalten geblieben.

Sonntag, 10. Oktober 2021

News aus Graubünden

Unterwegs im Zug im Bündnerland, las ich diese Woche die "Südostschweiz". Gleich drei Artikel fand ich aus meiner Wanderersicht interessant.

Der Spöl, dieser Abschnitt ist betroffen.
(Foto: Wandersmaa/Wikicommons)

  1. Der Spöl, der Fluss im Schweizer Nationalpark, ist seit einem Malheur der Engadiner Kraftwerke an der Staumauer Punt dal Gall 2016 oberhalb Zernez mit Chemikalien verseucht. Wann und in welchem Umfang saniert wird, ist nach wie vor unklar. Die Sache schockiert mich.
  2. Auf Pradaschier in Churwalden gibt es neuerdings eine Zipline, die erste im Kanton Graubünden. Man fährt mit der Seilbahn hoch und rast dann, in ein Kabel eingeklinkt, mehr oder minder parallel zur Seilbahn wieder talwärts. Die Bergfahrt plus "Flug", so der Ausdruck der Anbieter, kostet pro Person mit Halbtax 59 Franken, man erreicht eine Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometern. Also ich verzichte.
  3. In Jenaz im Prättigau ist ein "Genussmarkt" eröffnet worden. In dem riesigen Holzhaus bieten über 60 Produzenten und Produzentinnen aus dem Kanton Fleisch, Käse, Wein und vieles mehr an. Es handelt sich um Betriebe, die zu klein sind, um sich selber gut zu vermarkten. Da will ich hin.

Samstag, 9. Oktober 2021

Der Drei-Jahreszeiten-Tag

Still wars gestern im Val Fedoz.
Alphütten auf 2106 Metern an dem Punkt im Tal, wo wir wendeten.
Mein Zmittag um 15 Uhr.
Gestern gabs im Oberengadin eine Bergwanderung der Sonderklasse. Ich und mein Bündner Wanderfreund Peider zogen von Sils aus ins Val Fedoz, das Herbstwetter war prächtig. Je höher wir freilich stiegen, desto mehr machte sich der nahende Winter bemerkbar mit Schneeflecken da und dort und gefrorenen Pfützen. Das Val Fedoz, politisch dem Bergell zugehörig, ist der Nachbar des Fextals, doch im Unterschied zu diesem ist es einsam und wird wenig besucht. Wir zogen weit in das Tal hinein und kehrten erst dort um, wo auch der Wanderweg wendete, auf der anderen Seite des Baches hielten wir zurück. Später, wieder am Silsersee, kehrten wir in Isola im Restaurant Lagrev ein, ich hatte fantastische Pizzoccheri. Tiefblau war der See, an dessen Ufer wir zum Schluss Richtung Sils gingen, ein Stück mediterrane Welt war das inmitten hoher Berge, diese Etappe fühlte sich an wie Sommer. Wir erlebten also drei Jahreszeiten an ein und demselben Tag. Route: Sils – Petpreir – Wanderweg-Wendepunkt im Val Fedoz auf 2106 Metern – Sass Fess – Ca d'Starnam – Petpreir – unmarkierter Steilpfad nach Isola hinab – Sils. 4 1/2 Stunden, je 615 Meter auf und ab.
Am Silsersee.

Isola, Blick über den Silsersee Richtung Maloja. Hier kehrten wir ein.