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Dienstag, 31. März 2015

Der Doriskult

Glasmalerei im Kloster Muri.
Vergoldeter Totenschädel in Muri.
Gestern berichtete ich über Findlinge, die wir auf unserer Samstagswanderung antrafen: den Erdmannlistein und den Bettlerstein. Die Route Bremgarten - Muri - Obfelden war aber auch abgesehen von den zwei magischen Stein-Orten toll. Zum Beispiel war da ein kleiner Waldweiher im Cholmoos unterhalb des Bettlersteins. Rührend, wie er langsam aus dem Winterschlaf erwacht; noch viel rührender, wie alle Wasservögel Abstand zu uns hielten - bloss eine Graugans wurde zutraulich und schnakte, als wollte sie uns etwas erzählen. Später in Muri besichtigten wir natürlich das Hauskloster der Habsburger mit der Loretokapelle, in der hinter einem Altar die Herzen des letzten Kaiserpaares begraben sind, das von Karl I. und seiner Gattin Zita von Bourbon-Parma. Stilvoll, dieser Begräbnisort im Kreuzgang mit den berühmten Glasmalereien. Personenkult der geschmacklosen Art dann in Merenschwand, dem Ort, wo Bundesrätin Doris Leuthard geboren und aufgewachsen ist und bis heute lebt, wenn sie nicht in Bern geschäftet. Mitten im Dorf stand ein absurdes Denkmal mit einer an ihre Zeit als Bundespräsidentin erinnernden Plakette.
Heieiei, was für ein Kitschding. Ob Frau Leuthard sich so mag?

Montag, 30. März 2015

Kino der Vorzeit

Vermooster Wald um den Erdmannlistein.
60 Tonnen wiegt der obere Block. Rechts Stein Nr. 4, der "Bildschirm".
Wer hat das geschaffen? Die Experten sind sich nicht einig.
Ich hatte mir die Sache banaler vorgestellt. Irgendwie pfadimässig, Grillstelle mit Stein. Doch als wir am Samstag nach 50 Gehminuten ab Bremgarten AG den Erdmannlistein erreichten, war ich begeistert. Ein magischer Platz! Nur schon der Wald rundum mit seinen Findlingen und dem vielen Moos. Und dann auf einer kleinen Anhöhe die zwei Steine, die einen dritten tragen, der der grösste ist und 60 Tonnen wiegen soll. Sieben Mal muss man das Ensemble umkreisen und dabei bis zum Schluss die Luft anhalten, dann kommen die Erdmannli, eine Art tiefergelegte Hobbits, aus dem Boden, heisst es. Bisher hat das keiner geschafft. Die "Aargauer Zeitung" schrieb dieser Tage, dass sich nicht einmal die Spezialisten der kantonalen Verwaltung einig sind, wie die Anlage entstanden ist. Die Abteilung Landschaft und Gewässer glaubt an eine von Menschen geschaffene prähistorische Kultstätte, die Kantonsarchäologie hingegen geht von einer zufälligen Ablagerung aus. Der Artikel reportierte auch, dass sich jeweils vom 22. bis 29. März am Erdmannlistein ein Phänomen abspielt, das mit dem Lichtspiel des Martinslochs in Elm zu vergleichen ist. Die Zeitung nennt es "Wolfskino" - guter Name! Durch das Loch in der Mitte der drei Steine treffen zu einer bestimmten Tageszeit die Strahlen der Sonne auf eine gut anderthalb Meter entfernte, perfekt flache Steinplatte, einen Bildschirm der Natur. Dort zeichnet sich ein Wolfskopf ab (eine kleine Fotostrecke begleitet den Artikel). Interessant. Grandios fanden wir zehn Gehminuten später auch den Bettlerstein, der durch seine exzentrische Schrägstellung Schutz vor der Unbill der Natur bietet. Man könnte an ihm mit etwas Gottvertrauen zelten; er steht seit Tausenden Jahren so und wird also nicht gerade umfallen, wenn man unter ihm schläft. Oder?
Der Bettlerstein.
PS. Die Route: Bremgarten Bahnhof - Erdmannlistein - Bettlerstein (Abstecher) - Tierpark Waltenschwil - Waldhäusern - Besenbüren - Hasliwald - Hasli - Muri Kloster - Maiholz - Merenschwand - Rickenbachbrücke - Obfelden, Lunnern. 6 1/4 Stunden, 25 Kilometer, 335 Meter aufwärts, 322 abwärts. Was wir abgesehen von den Steinen so sahen und erlebten - mehr davon bald in einem zweiten Eintrag.

Samstag, 28. März 2015

Cahn und Imada

Prätentiöses Gebrabbel: Aargauer Kunsthaus.
Imada! Oh Imada!
Am Freitag machte ich einen Ausflug nach Aarau und ging ins Aargauer Kunsthaus. Als ich es von weitem sah, dachte ich wieder einmal: Woran erkennt man ein Kunsthaus? Jawohl, am Pseudotiefsinn an der Aussenwand, siehe Foto. Als erstes nahm ich mir die Gemälde des Caspar Wolf vor, des Pioniers der Hochgebirgsmalerei im 18. Jahrhundert. Sie langweilten mich ein wenig. Hernach stieg ich wieder hinab ins Erdgeschoss, begab mich in die laufende Ausstellung. Der Titel war nicht besonders: "körperlich - corporel", so etwas ist Gähnstoff. Aber dann! Die Bilder von Miriam Cahn, einer Baslerin, die man offenbar kennen muss, waren eine Wucht, taten weh, kamen mir nah; ein Mix aus Apokalypse, etwas H.R. Giger, viel Munch, Horrorfilm, Gummimasken. Cahn malt Menschen, zum Teil Familien, verzerrt, grell und doch wieder voller Gefühle. Zombies des Alltags. Besser kann ich es nicht sagen und empfehle bloss: hingehen! Das ist aber nur die eine Hälfte der Ausstellung. Die andere, das waren kohlenschwarze Grossbilder, die... sorry, ich bin kein Kunstkritiker - wie gesagt, Aargauer Kunsthaus. Bis 12. April. So. Nachdem ich ausgiebig geschaut hatte, ging ich in die Aarauer Altstadt. Dort, wusste ich, gibt es das Imada, ein hervorragendes japanisches Lokal. Ich nahm eine Bento-Box mit paniertem Fleisch und Fisch, koreanischem Tofu, Omelettchen und spargelspan-artig zugerüsteten Kartoffeln und war begeistert. Imada, auch da muss man hin; mir gefiel die Sorgfalt, mir der erstklassige Produkte erstklassig zubereitet werden. Glücklich reiste ich heim.
Also gemütlich würde ich...
die Bilder der Miriam Cahn...
... nicht nennen. Aber stark sind sie.

Stein mit Bahnanschluss

Der Erdmannlistein. Leider habe ich kein Foto, auf dem man Erdmannli sieht.
(Wikicommons, Voyager)
Toll. Bis Mitte Woche musste man davon ausgehen, dass es am Samstag schon am Vormittag zu regnen beginnen würde. Dann verbesserte sich die Prognose - und jetzt heisst es: Regen heute Samstag erst gegen Abend. Trockenen Fusses werden wir, hoffe ich, von Bremgarten nach Muri wandern und, nach dem Zmittag, weiter nach Mettmenstetten oder so. Ziemlich bald nach Wanderstart kommen wir übrigens am Erdmannlistein vorbei, einer Findlingsgruppe, bei der ich noch nie war. Es gibt ganz nah sogar eine S-Bahn-Haltestelle "Erdmannlistein"! Cool, oder?

PS: Vielleicht gibt es Leute, die sich für das Thema interessieren - hier der Link zu einem Artikel, den ich diese Woche publizierte. Er handelt vom Zürcher Germanisten Martin Müller, dessen Leidenschaft es ist, seltene und seltsame Wörter (Flette, Ehekriepel, sich bespitzen) zu sammeln.

Freitag, 27. März 2015

Küche mit Einsicht

Warum heisst das Restaurant Urwaldhaus im Weiler Robach der Gemeinde Rehetobel AR so, wie es heisst? Die Kolumne, in der es erklärt wird, steht heute in der Zeitung; natürlich kann man die kleine Geschichte auch auf der Restaurant-Homepage finden. Dort las ich auch, dass im Urwaldhaus die Küche "einsichtbar" sei. Gemeint ist wohl eher "einsehbar". Ich möchte mich nun aber nicht beim Deutschfehler aufhalten, sondern feststellen, dass eine Küche, die Einsichten zeigt, die also denkt, durchaus im Trend liegt. Grosse Firmen wie Google arbeiten derzeit eifrig daran, Autos, Haushaltgeräte wie Staubsauger, Kleidungsstücke mit allerhand Sensoren und interaktiven Einrichtungen "intelligent" zu machen. Auch Küchentechnik ist betroffen. Wenn dereinst mein Backofen das Kommando übernimmt, den Gugelhopf aber nicht optimal hinkriegt, werde ich sanft mit ihm schimpfen. Ich hoffe, er zeigt sich einsichtig.

Donnerstag, 26. März 2015

Ab in den Feuersee!

Woran erkennt man den Fanatiker? Daran, dass er keinen Respekt vor den Gesetzen der Typographie hat. Das Blatt, das ich kürzlich aus meinem Briefkasten fischte, war auf beiden Seiten vollgedruckt bis zum Rand - jeder Quadratzentimeter zählt für Leute, die eine Botschaft loswerden müssen. In diesem Fall geht es um die Endzeit, die offenbar "bald geschehen" wird, so der anonyme Schreiber. Sein Szenario fand ich interessant: Ein Politiker wird auftreten, ein Charismatiker, der einen wirtschaftlichen Aufschwung und Frieden bringt. Die Regierung, die er kontrolliert, wird jeder Bürgerin und jedem Bürger einen Chip implantieren wollen, auf dem deren persönliche Daten sowie der Name des Antichristen stehen. In diesem Moment wird es zwei Arten Menschen geben: Die einen werden die Einpflanzung des Chips verweigern und deswegen umgebracht werden, werden dafür aber später belohnt werden, wenn Jesus zurückkommt. Die anderen aber werden den Chip und allerlei Vorteile annehmen. Kurzfristig, bis Jesus wieder da ist, werden sie profitieren. Aber dann? "Wegen dieser Tat werden sie für immer in den Feuersee geworfen."

Interessant. Die Person, die das geschrieben hat, bringt die gute alte Apokalypse mit den gegenwärtigen Möglichkeiten der Überwachungstechnologie zusammen. Es nimmt mich wunder, wie sie lebt. Vermutlich in steter Angst, dass es klingelt und ein Mann vor der Tür steht, der mit einem satanischen Grinsen sagt: "Grüezi, ich komme wegen dem Chip, passt es Ihnen grad?"

Mittwoch, 25. März 2015

Die Merinomillionen

Jesus mit einem Merinoschaf. "El Buen Pastor" von
Bartolomé Esteban Murillo, 17. Jh. (Wikicommons)


Icebreaker: Das ist hippe Sportbekleidung aus Merinowolle. Der neuseeländische Anthropologe Jeremy Moon baute das Unternehmen in den Neunzigerjahren auf. Heute ist man in 50 Ländern präsent, beliefert gut 4000 Händler, macht 200 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr. 40 Prozent des Umsatzes stammen aus Europa, die Schweiz ist dessen drittwichtigster Markt. Kann man alles im Tagi-Artikel nachlesen. Interessant fand ich die Kalkulation. Wenn ein Icebreaker-T-Shirt 100 Franken kostet, dann gilt folgender Schlüssel:
  • 60 Franken behält der Händler.
  • 21 Franken sind in die Produktionskosten von Material über Verarbeitung bis Logistik geflossen.
  • 16 Franken gingen in Design, Verkauf, Personal- und Finanzierungskosten.
  • 3 Franken beträgt der Gewinn für Moons Firma.

Dienstag, 24. März 2015

Sebastian und Babs und Sivo

Sebastian Vettel ist Autorennfahrer, Formel eins. Ich sehe diesen Sport so: Leute wie er verpesten und verlärmen mit ihren Boliden die Welt. Und gleichzeitig suchen sie privat das Idyll: Grün, Stille, Vogelgezwitscher usw. Am Samstag auf unserer Thurgauwanderung durchzogen wir die sehr, sehr ländliche Gemeinde Kemmental. Etwas südlich des zu Kemmental gehörenden Dorfes Ellighausen hat sich Vettel die Neumüli gekauft. Die alte Mühle samt Umschwung lag nicht direkt an unserem Wanderweg, aber wir erahnten aus der kurzen Entfernung doch: Momoll, der Mann mag die Natur. Wenn er nicht gerade rast und stinkt.

Und gleich noch ein Nachtrag zu der Samstagswanderung: Sie begann in Kradolf, wo vor Jahren eine andere Samstagswanderung endete. Damals nahmen wir bahnhofsnah unser Schlussbier in «Babs & Sivo's Dart & Steak-Beiz». Gemerkt? Jawohl, in dem Beizennamen fehlt bei "Babs" der Apostroph, der den Genitiv signalisiert (Babs'). Oder sind "Babs und Sivo" eine Fügung, also zwei Wörter, die ein neues einziges Wort bilden, das nur am Schluss in "Sivo" dekliniert wird? Kann sein. Aber ganz sicher hat "Sivo" in dem Beizennamen einen Apostroph, der dort nicht hingehört. Der Genitiv von "Sivo" ist "Sivos". Nicht "Sivo's". Man verspöttelt diesen Falschfall mit Apostroph, der gern in Würstchenbuden-Schriftzügen auftaucht, als "sächsischen Genitiv". Was ich nicht realisierte, als ich am Sonntag einen Eintrag über das Restaurant "Babs Türmli" in Sulgen schrieb: Das ist die apostrophlose Babs von Kradolf! Sie ist mit ihrem Sivo ins Nachbardorf gezogen.

Montag, 23. März 2015

Die Morchelsauce morchelte nicht

Heu, mmmh!
Mit der Ostschweiz trafen wir am Samstag eine gute Wahl. Die meiste Zeit waltete trockenes Wetter, einmal blitzte gar die Sonne durch die Wolken; der Regen kam erst gegen vier, als wir fast in Kreuzlingen waren. Ein paar Dinge zur Strecke Kradolf - Auwald - Sulgen - Leimbach - Guntershausen - Berg - Alp Ottenberg - Ottenberg/Stelzenhof - Kemmental - Ellighausen - Bommer Weiher - Bernrain - Kreuzlingen (6 1/2 Stunden, 26.5 km, 350 m aufwärts, 400 m abwärts):
  • Zwischen Kradolf und Sulgen gingen wir an der Thur und hernach an einem Kanal, der gerade neu gefasst wird. Die Baustelle sah imposant aus mit gerammten Dammwänden aus rostrotem Eisen. Wir witzelten, dies sei der historische Beginn einer Wasserstrasse durch den Thurgau.
  • Sulgen fanden wir deprimierend, ein Wirrwarr von Häusern aller Stile und Nichtstile, ein Gewucher von Gewerbebauten. Haben die dort keine Ortsplanung?
  • Vor Berg gingen wir bei Andhausen ein rechtes Stück der Bahnlinie entlang. Der Schienenstrang war ungesichert, das kam uns vor wie im Wilden Westen. Später vollzog der Weg eine Schleife weg von der Bahn, um gleich wieder zurück zu ihr halten. Wir tauften das Wegstück: Leistenbruch.
  • Im Stelzenhof auf dem Ottenberg assen wir und fanden es nicht besonders. Ich hatte Kalbsschnitzel an Morchelsauce. Das Schnitzel war länglich und schmal wie eine Schuhsohle und etwas zäh. Und die Morchelsauce morchelte nicht.
  • Einer der Bommer Weiher.
  • Die Bommer Weiher begeisterten uns. Herrlich still war es da. So still, dass wir hörten, wie es zu tröpfeln begann. Zeit, den Schritt zu beschleunigen. Unten in Kreuzlingen waren wir recht müde. Im Restaurant Bahnhof nahmen wir das Schlussbier und fuhren heim in den Rest des Wochenendes.

Sonntag, 22. März 2015

Drei Theorien zu Babs

Gestern wanderten wir und wurden vom Regen fast ganz verschont. Wir starteten in Kradolf, assen auf dem Ottenberg zu Mittag und beschlossen die Wanderung in Kreuzlingen. Mehr davon morgen - und heute zunächst dieser Schnappschuss:
Das Beizenschild in Sulgen fesselte mich augenblicklich; ich wusste nicht, wie den Beizennamen deuten. Es gibt mindestens drei Möglichkeiten.
  1. "Babs" könnte als Genitiv zum Nominativ "Babs" gemeint sein. Dann fehlt aber der Apostroph: "Babs' Türmli". Nicht ganz klar ist mir, ob man zu dem Nominativ "Babs" alternativ auch den Genitiv "Babsens" konstruieren kann; ich glaube schon. Wäre hübsch, aber natürlich länger: "Babsens Türmli". Ah ja, was ich zu sagen vergass: Das Wirtshaus hat eine Art Erker. Also ein Türmli.
  2. "Bab" heisst auf Arabisch "Tor" oder "Tür". "Das Türmli der Tür"? Irgendwie seltsam, da ich auch kein Stadttor sah. Und wieso sollte man ein solches Tor auf Arabisch übersetzen müssen? Wohnt hier ein Orientfan? Oder ein Araber, den sie "Tür" nennen?
  3. Vielleicht gibt es in Sulgen eine Frau namens Babs, die mit Nachnamen Türmli heisst. Dann hätte sie vielleicht zielgerichtet das Haus mit dem Türmli gekauft, um nun mit der Doppelung zu spielen.

Samstag, 21. März 2015

Hommels Haematogen

Hier wohnte Hommel. Villa "Dem Schönen" in Zürich, heute Sitz eines Kunstgymnasiums.
(Sidonius/Wikicommons)
Kürzlich schaute ich ein Buch* mit 157 biografischen Kurzporträts durch: Martin Müllers "Adler bis Wesendonck. Deutsche und andere Ausländer in Zürich 1830 bis 1914" (Chronos Verlag). Darin wimmelt es von interessanten Gestalten. Zum Beispiel Adolf Hommel, 1851 in Chemnitz geboren, 1913 in Hanau gestorben. Er war zunächst Kaufmann in Russland, kam als spätberufener Medizinstudent nach Zürich, doktorierte, heiratete, zeugte mit seiner Gattin eine "reizende Kinderschar", wie es im Nachruf heisst. Ungeheuer reich, liess er sich in Zürich-Enge die Villa "Dem Schönen" bauen, ein Prunkgebäude nach Art der italienischen Renaissance; heute ist dort das Liceo Artistico untergebracht. Daneben besass Hommel eine Zweitvilla am Vierwaldstättersee und eine gigantische Kunstsammlung. Woher kam all das Geld? Von seinem Haematogen. So hiess ein aus Rinderblut stabilisiertes Präparat, das die Ärzte bei Blutarmut, Bleichsucht, Magengeschwüren, Malaria, Zuckerkrankheit und Rachitis verschrieben. Dank dem guten Hommel mussten empfindsame Bürgerinnen und Bürger sich nicht mehr krankheitshalber in den Schlachthof begeben und dort frisches Tierblut trinken. Wohlverdient, der Reichtum!

PS: Ich studierte das Buch für einen Artikel, der diese Woche erschienen ist. Er handelt von einer Zeit, als mehr als jede fünfte in Zürich lebende Person ein Deutscher war.

Freitag, 20. März 2015

Wenn die Bierleitung gefriert

Das Sigristenhaus auf seiner Homepage. (Screenshot)
Ich versprach vor einiger Zeit einen Eintrag zum Sigristenhaus, dem Dorfrestaurant von Illgau SZ. Hier ein paar Dinge, die es besonders machen:
  • Man kann Schnupperstunden buchen für chlefälä, zitherä, träntnä, Tubaksäckli büetzä.
  • Der dorfeigene Fakir Rodani, eigentlich Beat Bürgler, der im Winter auch als Schneeschuhtour-Führer agiert, ist ein Freund des Hauses.
  • Im Sommer kommen bisweilen Busse mit amerikanischen Touristen. Die Einheimischen zeigen dann an sogenannten "Ami-Abenden", was sie folkloremässig draufhaben.
  • Ein deutsches Ehepaar verbrachte hier schon über 30 Mal seine Sommerferien. Es feierte mit Kindern und Enkeln auch seine goldene Hochzeit im Sigristenhaus.
  • In sehr kalten Wintern froren im Keller des Restaurants die Leitungen ein. Nicht nur die fürs Wasser, sondern auch die Bierleitung. 
  • Erbaut wurde das «Sigristenhaus» im Jahr 1774 als Pfrundhaus. Schon früh wurde das heute denkmalgeschützte Haus zum Treffpunkt, wo man sich austauschen konnte. Daher  wurde 1907 das erste Telefon der Gemeinde Illgau im «Sigristenhaus» installiert.

Donnerstag, 19. März 2015

Wie gesund ist das grüne Cola?

Als Coca-Cola sein Cola Zero lancierte, machte ich, damals noch bei der Weltwoche, einen Geschmackstest; als Degustator konnte ich den Zürcher Weinhändler und Master of Wine Philipp Schwander gewinnen. Ein andermal schrieb ich in diesem Blog über das Appenzeller Goba-Cola, das mit Extrakten der Pflanze Stevia gesüsst wird. Gestern entdeckte ich im Regal meines Cööpleins in Zollikerberg Coca-Cola life - Ehrensache, mir einen Halbliter in der Petflasche zu kaufen und das Getränk zu probieren; es beruht auch auf Stevia. Ich fand es sehr okay. Übrigens wird bloss ein Teil des Zuckers durch Stevia ersetzt; "life" habe 36 Prozent weniger Kalorien, steht auf der Flasche. Erläutert wird die Kalorienreduktion im Kleingedruckten: "aufgrund von 36 Prozent weniger Zucker als die Mehrheit der mit Zucker gesüssten Colas in der Schweiz". Was für ein nebulöser Satz. Das Wort "Mehrheit" bereitet mir Schwindel. Sinnvoller wäre, den Zuckergehalt klipp und klar mit dem normalen Coci zu vergleichen. Hübsche grüne Etikette und nettes Substantiv "life" hin oder her macht mich das alles misstrauisch.

PS: Die Flasche selber ist zu 15 Prozent pflanzlichen Ursprunges, steht auch auf der Etikette; auch daher leitet man einen grünen Anspruch ab.

Mittwoch, 18. März 2015

Das Gruppengrab von Oberbipp

Der Dolmen. Hinten die Dorfkirche von Oberbipp.
Ein Dolmen ist ein prähistorisches Kammergrab aus Steinen. Der Dolmen von Oberbipp BE, den ich am Sonntag besuchte, lag in einer Wiese an der Steingasse. Nur ein kleiner Teil lugte aus dem Boden und musste vom Bauer mit dem Traktor jeweils umfahren werden. 2011 realisierte man, um was es sich handelte, und legte die Anlage frei. Man stellte fest: ein Dolmen aus der Jungsteinzeit, 5000 Jahre alt. Die Knochen von gut 30 bestatteten Menschen fand man in der Kammer und dazu einige von Menschenhand gefertigte Gegenstände. Imposant ist besonders die Deckplatte des Oberbipper Dolmens, eine Granitplatte von annährend sechs Quadratmetern, die auf kleineren Tragesteinen aufliegt. Mittlerweile hat man den Dolmen zur nahen Kirche gezügelt, auf deren Hinterseite er nun am Rand des Friedhofs zu besichtigen ist. Wobei: Eigentlich ist nur die Deckplatte authentisch. Die Seitensteine waren in einem derart schlechten Zustand, dass man sie durch neuzeitliche Nachahmungen ersetzen musste.

Was ich erst zuhause beim Lesen eines Artikels zum Dolmen von Oberbipp erfuhr: Die Fundamente der nahen Kirche bestehen aus Mauern einer römischen Villa. Oberaargau, in dir steckt viel mehr, als man meint!

Dienstag, 17. März 2015

Wer bist du, Vals?

Vals, bleib lieber, wie du bist! (Wikicommons/Paebi)
Vals war über Jahre der Lieblingsort erholungsbedürftiger Zürcherinnen und Zürcher; man fand dort oben gewaltige Berge, eine ziemlich intakte Natur und die vom Stararchitekten Peter Zumthor auf Alpin-Zen getrimmte Therme. Um in Vals baden zu gehen, warf man gern ein Wochenende auf und spies im Roten Saal des Therme-Hotels fein. Seit einiger Zeit sind die Valser allerdings daran, ihr Imagekapital zu vernichten, wenige Leute wollen inzwischen noch zu ihnen hinauf wellnessen und wandern gehen. Der Immobilien-Unternehmer Remo Stoffel hat übernommen und der Gemeinde die Therme abgeluchst; er versprach im Gegenzug den Bau eines Luxusluxushotels und - das gefiel den Leuten - einer Mehrzweckhalle. Die gibt es noch nicht. Hingegen hat Stoffel jetzt seine Hotelidee konkretisiert; ich las das in der "SonntagsZeitung". 380 Meter hoch soll - Europarekord! - sein Hotel werden bei einem Grundriss von nur 30 auf 16 Metern. Präsentieren will er das Projekt Mitte Monat zuerst in New York und dann in Zürich. Ob es je zustandekommt? Jedenfalls ist der tangierte Hang rutschgefährdet, auch dürfte es baurechtliche Probleme wegen einer Quellschutzzone geben. Unklar. Sicher ist aber eines: Niemand, den ich kenne, hat in diesen Tagen Lust auf Vals, ich zähle mich da auch mit. Wenn die ihr schönes Tal ruinieren wollen: ohne mich! Ich mag als Tourist Orte, die spüren, wer sie sind. Und wer sie nicht sind.

Montag, 16. März 2015

Der einzige Berner Menhir

Der Freistein bei der Kirche Attiswil.
Letzte Woche kam ich nicht zum Wandern, ein Todesfall in der Familie. Gestern reichte es immerhin zu einem Halbtagesausflug. Ich fuhr in den Oberaargau, ging in zwei Stunden von Attiswil via Wiedlisbach nach Oberbipp, schaute mir vorgeschichtliche Steine und anderes an. Über den Dolmen von Oberbipp, mein Hauptziel, möchte ich demnächst in einem separaten Eintrag berichten - hier vorerst etwas zu den zwei berühmten Steinen von Attiswil BE:
  • Etwas südlich des Bahnhofs Attiswil erreicht man, nachdem man zuvor das Atelier von Bildhauer Schang Hutter passiert hat, die Kirche. Einen Steinwurf weiter steht in der Wiese der einzige Menhir des Kantons Bern. Menhire sind lange Steine, oft Findlinge, die von Menschen der Vorzeit zu Kultzwecken behauen und aufgerichtet wurden. Derjenige von Attiswil ist 3.6 Meter hoch und ziemlich genau zur Hälfte in den Boden eingegraben. Man nennt ihn auch Freistein. Mit ihm verbunden ist die Vorstellung, dass einst Flüchtige aller Art, Unschuldige oder Verbrecher, für eine gewisse Zeit sicher und unbelangbar waren, wenn sie sich in seiner Nähe aufhielten. Historisch belegt ist diese Funktion nicht.
  • Der Bernerstein.
    Im Burchwald oberhalb des Dorfes steht der Bernerstein, ein Erratiker, also ein Findling. Der Riese von 200 Kubikmetern ritt einst auf dem Rücken des Rhonegletschers aus dem Gebiet der Dent Blanche heran. Er liegt ein bisschen blöd, einen Weg gibt es nicht, ein Schild sah ich auch nicht. Immerhin ist er auf der Schweiz-Mobil-Karte (wie auch der Freistein) eingezeichnet, so dass ich mich per Handy durch den halbsteilen Waldhang hinnavigieren konnte. Der trutzige Bernerstein weist eine Inschrift auf: "Fündling staatlich geschützt."
PS: Hier noch der Hinweis auf ein sehr städtisches Thema, Zürichs Türsteher. Meine Kollegin Salome Müller und ich sprachen in den letzten Tagen mit vielen Türstehern; heute liest man im Tagi den Artikel "Die Türversteher".

Sonntag, 15. März 2015

Angenehm unsäuerlich

Stirb mir ja nicht aus! (Bild: Fructus)
Im Tagi war kürzlich Apfelteilet. Der Kollege, der über den Wehntaler Hagapfel schrieb, zückte sein Sackmesser und viertelte grosszügig den Apfel, den er quasi als Belegexemplar erhalten hatte. Fructus heisst die Vereinigung, die jedes Jahr die Schweizer Obstsorte des Jahres ausruft; für 2015 ist es besagter Hagapfel. Bis vor kurzem gab es vom Baum, der ihn hervorbringt, nur noch ein einziges Exemplar. Er steht im Garten eines gewissen Werner Schnellmann in Sünikon, einem Ortsteil von Steinmaur ZH. Zwischen 70 und 100 Jahren alt ist er (nein, nicht Schnellmann, der Baum!); er "trägt zuverlässig und ist stets gesund", so sein Besitzer. Nun hat Frcutus im gleichen Obstgarten einen zweiten Baum der Art gepflanzt, um die Zukunft des Wehntaler Hagapfels zu garantieren. Wie dieser schmeckt? Gut. Angenehm unsäuerlich.

Samstag, 14. März 2015

Das gelbe Büchlein ist da!

Vorgestern bekam ich das neue Jahresprogramm der Zürcher Wanderwege zugeschickt, das von der Zürcher Kantonalbank gesponsert wird - eine anregende Sache, dieses gelbe Büchlein. Hier kann man es bestellen oder downloaden. Die meisten Routen, zu denen geladen wird, kenne ich bereits; immerhin sind mir drei neu und also zur gelegentlichen Bewanderung notiert - natürlich nicht in der Grossgruppe:
  • Am Doubs: Von Les Planchettes nach Les Brenets.
  • Bisse de Clavau: Von St-Léonard nach Sion.
  • Sonniges Faltsche: Von Kiental nach Aeschiried.

Freitag, 13. März 2015

Die Frühbiene

Das sind gute Nachrichten: Die ersten Bienli sind draussen und an der Arbeit. Dieses Foto belegt dies, es stammt von meiner lieben Facebook-Freundin Marianne Jeker - tausend Dank! Ist es nicht auch toll, dass die Natur nun wieder Farbe hat und duftet?

PS: Bei der fleissigen Frühbiene handelt es sich natürlich um eine Zürcherin, das Bild wurde im Reppischtal aufgenommen.

Donnerstag, 12. März 2015

Roamer und Omega

"To roam" heisst "herumstreifen", ein "Roamer" ist somit ein Vagabund, Herumtreiber, zielloser Wanderer. Alles soweit klar. Hingegen wusste ich nicht, warum an der Buslinie von Solothurn nach Oberdorf eine Haltestelle "Solothurn, Roamer" heisst. Ich schaute das nach und fand heraus, dass es eine Uhrenmarke gibt, die so heisst: "Roamer of Switzerland". Die Firma hat ihren Sitz am Nordrand Solothurns. An dieser Stelle fällt mir ein, dass ich eine alte Omega besitze, die ich seit Jahren nicht mehr trage. Ich geh sie jetzt gleich hervorkramen. Sie soll hier bald vorgestellt werden. Der Bezug zum Wandern? Früher trug ich sie auf meinen Ausflügen. Eines Tages ging sie nicht mehr. Der Uhrmacher teilt mir mit: korrodiert vom Schweiss. Die Restauration kostete mehrere hundert Franken. Seither darf sie nicht mehr mit.

Mittwoch, 11. März 2015

Schützenhouse, yeah!

Irgendwie finde ich das lustig - diese Kombination aus altehrwürdiger eidgenössischer Einrichtung in einem historischen Städtchen einerseits, modernenglischem "House" wie in Dr. House oder House Music anderseits.

Dienstag, 10. März 2015

Die Pinkelbrücke

In meiner Zeitung las ich eben einen Artikel über Zürichs Stauffacherbrücke und lernte dabei ein neues Wort. Die Brücke lässt den ganzen Winter über Wasser, ein dünner Strahl spritzt von ihrer Unterseite in die Sihl. Arbeiter der Stadt öffnen jeweils, wenn der Frost kommt, bei dieser und zehn weiteren Brücken den entsprechenden Schieber. Dies, damit das Trinkwasser in den Leitungen der Brücke nicht einfriert. Der Wasserverlust ist bescheiden, gut ein Tausendstel der Gesamtmenge. Man nennt die schlaue Einrichtung: nein, nicht "Brücken-Inkontinenz". Sondern: "Stetslauf".

PS. Sorry, ich habe kein Foto. Aber wieso nicht mal das Auge mit einer kleinen Bleiwüste beruhigen.

Montag, 9. März 2015

Drohne und Storch

Der Storch von Basel.
Es gibt nichts, was eine Verwaltung nicht regulieren kann.
Die Samstagsroute : Zwingen - Blauen - Blauenpass - Bergmatten - Hofstetten - Chöpfli - Flüh - Bättwil - Egg - Benken - Biel - Herzogenmatt - Basel SBB (6 Stunden, 690 m aufwärts, 761 m abwärts, 21 Kilometer). Prägende Momente gab es viele:
  • Von der Bergmatten sahen wir weit hinten Basels neues Wahrzeichen, den 178 Meter hohen Rocheturm. Er verändert die Skyline der Stadt und erweitert ihre Sichtbarkeit markant.
  • Unterhalb der Bergmatten begeisterte uns der Chälengraben, eine Schlucht, die mit Handläufen, Treppenstufen, Stegen und durch eine schlaue Wegführung komfortabel begehbar ist.
  • Im Chälengraben trafen wir einen jungen Typ aus der Gegend, von Beruf Landschaftsgärtner. Er hatte eine Drohne bei sich, mit der er Fotos schoss, und erzählte uns, sein Hobby sei das Pilotieren von Helikoptern. Er meinte richtige, grosse Helikopter.
  • Grandios war der Ausblick vom Chöpfli, einem Jurasporn gleich bei Flüh. Genau gegenüber sahen wir die Festung Landskron, einen Adlerhorst von Burg, der bereits zu Frankreich gehört.
  • Noch viel grandioser das Essen im Restaurant Martin in Flüh. Ich hatte ein Stubenküken, wunderbar. Am Schluss gab es zum Kaffee Friandises, Süssigkeiten des Hauses; wir waren alle begeistert von einem gelben Geléeding mit Passionsfruchtgout. Er habe zuvor als Chef im Novartis-internen Luxusrestaurant für Kader und wichtige Gäste gekocht, erzählte der Wirt.
  • Am Rand des Basler Zoos hockte ein Storch in seinem Nest; dieser Vogel ist einfach ein mythisches Tier. Und wie er in aller Gelassenheit mitten unter den Menschen wohnt, das fand ich wieder einmal faszinierend.
    Auf dem Chöpfli oberhalb Flüh SO. Gegenüber die Burg Landskron (F).

Sonntag, 8. März 2015

Das Solothurner Kamel


Nach dem Blauenpass kamen wir gestern auf einer Geländeterrasse oberhalb von Hofstetten SO zum Restaurant Bergmatten (seltsamerweise ist es auch mit "Hofstettermatten" angeschrieben). Unweit des Hauses weidete ein Pferd. Und daneben ein Kamel. Es sah etwas schmuddelig aus, weil es sich gerade im Dreck gewälzt hatte.  Aber auch zufrieden. Ein Urvieh. Ich fragte den Wirt dann, ob das Tierchen im Winter nicht friere. Das sei ein mongolisches Kamel, sagte er, die seien Kälte gewohnt. Man habe hier oben schon seit 20 Jahren Kamele, momentan ein Weibchen und sein Junges. Oh du exotische Schweiz! Mehr zu der schönen Wanderung gibt es morgen Montag zu lesen.

Samstag, 7. März 2015

Blauen zwischen Glück und Desaster

Ich mag Ortswappen. Hier
das von Blauen am Fusse
des gleichnamigen Berges.
(Wikicommons)

Heute geht es über den Blauen, also in den Baselbieter Jura, das Wetter soll recht gut werden mit einer Portion Sonne, die Bise dürfte einen angenehm erfrischen, wer weiss, vielleicht sind sogar die ersten Blümlein zu sehen, Primeln oder so. In Zwingen soll gestartet werden, in Flüh will man gut essen, am Bahnhof Basel dann schliesslich ankommen, drei Kantone auf einen Schlag also: beide Basel und dazu Solothurn. Wenn man den Tagesplan und seine Glücksmöglichkeiten derart plastisch vor sich sieht, nagt tief in einem drin allerdings oft ein kleiner Zweifel: Kann es sein, dass das alles so kommt? Was, wenn etwas passiert, ein Unfall zum Beispiel? Auch wenn man nicht abergläubisch ist, scheut man davor zurück, das Glück allzu aggressiv zu beschwören, auf dass daraus nicht Unglück werde.

Freitag, 6. März 2015

3 Minuten 46 Sekunden

Das Rössli Zollikon by night.
Kürzlich ass ich hervorragend im Rössli in Zollikon, das gerade eine neue Wirtin bekommen hat. Der Dorfkern besteht aus einigen wunderbaren alten Häusern, deren allerschönstes das besagte Restaurant ist. 1562 wurde es eingeweiht und war laut meinem ortskundigen und historisch bewanderten Freund R. offenbar vor langer, langer Zeit auch einmal ein Bordell. Sei dem, wie dem sei, heute speisen dort die Dörfler und die Reichen von der Goldküste - und natürlich der Widmer, der zwar nicht reich ist, aber ein Dörfler, wenn auch ein minderer vom Zollikerberg, dem Mittelstandsghetto. Wir hatten ein Entrecôte Café de Paris mit Allumettes-Pommesfritli und die Rössli-Crèmeschnitte. Beim Studieren der Dessertkarte ging mir durch den Kopf, dass das Lokal schon sehr nah an der gestressten Stadt liegt. Ist doch irre, dass man anmerken zu müssen glaubt, das Sabayone brauche acht Minuten. Der nächste Schritt ist vermutlich, dass sie die Kochzeit noch genauer angeben und zum Kalbsschnitzel vom Grill dazuschreiben: "3 Minuten 46 Sekunden."
Ausschnitt aus der Desserkarte, sorry für das schlechte Foto.

Donnerstag, 5. März 2015

Der Einsiedlerhof

Das Zunfthaus zur Meisen in Zürich. (Wikicommons/ Roland zh)
Ich lese gerade ein wenig Zürcher Geschichte und lerne dabei wieder so manches. Zum Beispiel dies: Unmittelbar beim Fraumünster steht das prachtvolle Zunfthaus zur Meisen von 1757. Es nimmt den Platz des einstigen Einsiedlerhofes ein, der schon 1268 urkundlich belegt ist. Der Einsiedlerhof war die Dependance des überaus mächtigen Einsiedler Abtes in der Stadt, hier residierte er bei Besuchen, hier wurden Abgaben an ihn gesammelt und gelagert. Für Zürich war der Abt ein wichtiger Partner, die Bindung wurde alljährlich erneuert, indem unter Führung der Ratsdelegation aus jedem Haus der Stadt ein Vertreter zur 40 Kilometer entfernten Gnadenkapelle pilgerte. Man war auch verburgrechtet, stand sich also bei Angriffen von aussen bei. Bis heute ist der Abt von Einsiedeln automatisch Zürcher Ehrenbürger.

Mittwoch, 4. März 2015

Die Endzeit kommt!

Eben bekam ich das neue Heft "Falstaff" zugeschickt; es geht darin um Wein, Essen, Reisen. Im Editorial wird überraschenderweise bereits die Endzeit ausgerufen. Oder doch ein sehr endzeitnaher Hedonismus, der die Zukunft verdrängt. Die beiden Herausgeber, Wolfgang und Angelika Rosam, raten der Leserschaft:
"Trinkt die besten Weine und Champagner jetzt! Leistet euch die schönsten Dinge des Lebens, ein bisschen Luxus, und verwirklicht eure Reiseträume. Es wird nicht besser! Die volatile Situation auf den Finanzmärkten und noch mehr die grosse politische Unsicherheit - denken wir nur an Russland und die Ukraine oder den Terrorismus - fordern geradezu ein neues Bewusstsein auf das Jetzt und das Heute heraus!"
Ha, danke für die Aufforderung. Ich begebe mich gleich in den Weinkeller und suche schon mal eine gute Flasche für heute abend heraus. Sollte es dann doch ein Morgen geben, werde ich den Kater irgendwie überleben. Jetzt aber im Ernst: Ist das nicht ein wenig ungeschickt, in einem Genussmagazin apokalyptisch zu werden. Die Inserenten jedenfalls könnten denken: Warum noch Anzeigen schalten, wenn doch Europa ohnehin demnächst ein Trümmerhaufen ist?

Dienstag, 3. März 2015

Der Biser war kein Biser

Während der Kantizeit und später als Student verdiente ich in den Ferien Geld mit Briefträgern in Hundwil AR. Der anstrengendste Tag kam jeweils gegen Monatsende. Ich musste dann bei 20, 30 Leuten läuten und ihnen die AHV auszahlen, meist warteten sie schon und hatten auch den Schnaps parat für "de jung Weppme". Einer meiner Kunden war der Biser, ein ruhiger älterer Mann, dem ich das Geld in seiner Stube auf den Tisch blätterte; mittlerweile ist er gestorben. Dank dem Appenzeller Namenbuch weiss ich jetzt auch, was der Familienname Biser bedeutet, der in vielen Flurnamen wie etwa Bisersweid (in Stein, Nachbargemeinde von Hundwil) auftaucht. Es gibt ein mittelhochdeutsches Verb "bisen" mit langem I. Es bedeutet: schwärmen (wie Insekten), rennen wie eine von Bremsen geplagte Kuh. Des weitern heisst "bisen": auf jemanden losgehen, sich ausbreiten, sich eilig bewegen, herumschiessen, davonschiessen. Fazit des Lexikons: "Der Übername bezeichnet einen leicht erregbaren oder ständig intensiv beschäftigten Menschen." Zu meinem Biser passt das jetzt gar nicht.

Montag, 2. März 2015

Göttliches Uster

Was soll das, fragten wir uns kürzlich in Uster. Gleich neben dem Gebäude der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft steht im Rasen, zu ihrem Schutz umhagt, die Helvetia mit Schweizerkreuz auf der Brust. Fast vier Meter hoch, hält sie in der Hand eine Kugel, auf der ein vergoldeter Merkur steht mit seinem Heroldsstab, um den sich Schlangen winden. Hier die Geschichte zur kurios platzierten Skulptur: Bei ihrem Erschaffer handelt es sich um Richard Kissling, der auch den Wilhelm Tell zu Altdorf und die Alfred-Escher-Statue am Zürcher Bahnhofplatz schuf. "Helvetia und Merkur", diese Kombination von Schweizer Nationalfigur und antikem Gott des Handels, Gewerbes, Reichtums entstand 1899 und stand dann bis 1959 am Zürcher Paradeplatz, wo sie die Kunden des Schweizerischen Bankvereins empfing. Dann musste sie einem Neubau weichen. Der begüterte Walter Bechtler rettete sie vor der Verschrottung und stellte sie zuerst vor seiner Firma Luwa in Zürich-Albisrieden auf. Als die Luwa mit der in Uster basierten Firma Zellweger fusionierte, wurde die Skulptur ein zweites Mal gezügelt, nach Uster eben, in den Zellwegerpark, ein sagenhaftes Areal, das von alten Industrieweihern geprägt ist. Und von allerlei Kunst. Der kleine Merkur wurde übrigens schon einmal abgeschlagen und geklaut. Man musste ihn anhand einer Fotografie rekonstruieren. Der Zaun rundum hat also seinen Sinn.

Sonntag, 1. März 2015

Lasset die Blümlein kommen

Schön wärs.
So, wir haben den ersten März. Der meteorologische Winter, der die drei Monate Dezember, Januar, Februar umfasst, ist zu Ende. Die nächsten drei Wochen sind eine spezielle Zeit im Jahreskalender, denn gleichzeitig dauert der astronomische Winter bis zur Frühlings-Tagundnachtgleiche an. Wir haben also ab heute Winter und nicht mehr Winter. Wenn die Theorie widersprüchliche Aussagen liefert, muss die Praxis übernehmen. Ein Blick aus dem Fenster ergibt, dass der Rasen um mein Haus noch eine weisse Decke hat: Winter! Hoffen wir, dass er sich in den nächsten 20 Tagen verzieht; lasset die Blümlein kommen!