Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Montag, 31. Juli 2023

Das war knapp

Unwetter im Anzug.
Mein Zmittag, Rösti und
Fleischkäse mit Spiegelei.
Für den Samstag hatte ich Höheres geplant. Von Arosa nach Alvaneu. Oder von Innerthal hinauf zum Chli Mutzenstein und weiter nach Vorderthal. Oder von Langwies auf dem Schanfigger Höhenweg westwärts zum Skihaus Hochwang und hinab nach Pagig. Am Freitag verwarf ich all die Pläne, der Wetterprognose wegen. Wir wanderten stattdessen im Züribiet, zogen von Oetwil am See via den Lützelsee und Wolfhausen zur Wirtschaft zum Sageli, die bei Felsenhof ganz knapp an der Zürcher Grenze auf St. Galler Gebiet steht, Gemeinde Rapperswil-Jona. Im lauschigen Garten assen wir währschaft. Und hielten nach dem Zmittag zum Bahnhof Feldbach, während sich der Himmel rapide verdunkelte. Wild begann es zu regnen und stürmen, just als wir unser Ziel erreichten. Das war knapp. Ich war froh, hatte uns das Unwetter nicht irgendwo draussen und droben in den Bergen erwischt.
Der Lützelsee.
Diese Schafe mögens schattig.

Sonntag, 30. Juli 2023

Hier wohnte die First Lady

Heidi Abels Hüsli mit Blick auf den Lützelsee.

Gestern kamen wir zu einem Hofladen im Weiler Lützelsee, er liegt auf einer Anhöhe über dem gleichnamigen See in der Zürcher Gemeinde Hombrechtikon. Lustig, ich kaufte dort nicht nur einen Bauernschüblig, sondern entdeckte (und kaufte) auch eine Seife. Eine vom Aroser Seifenmacher Beat Urech, den ich grad eben in meinem Heftli porträtiert habe, was ich hier kürzlich erzählte. Ein paar Meter weiter, und wir passierten das verträumte Hüsli einer längst verstorbenen Frau, die als nationale TV-Ikone empfunden wurde. Und wird. Heidi Abel war das Gegenteil etlicher Plumpgestalten am Bildschirm, sie hatte Stil, sie sprach ein elegantes Baslerdeutsch und ein dito elegantes Hochdeutsch. So gelang es ihr, sich von der "Ansagerin zur First Lady des Schweizer Fernsehens" hochzuarbeiten, wie der "Blick" treffend schrieb. 1986 erlag sie dem Krebs, den sie jahrelang der Öffentlichkeit verheimlicht hatte. Sie wurde nur 57 Jahre alt, die letzte Zeit ihres Lebens musste sie in einer Wohnung in Zürich verbringen in der Nähe der Arztklinik, in der sie behandelt wurde – Abschied vom schönen Lützelsee.

Samstag, 29. Juli 2023

Auferstehung einer Alp

Gestern erzählte ich vom Lagh de Cama im Misox, einem See im Val Cama auf 1266 Metern, den man nur zu Fuss erreicht nach drei Stunden Aufstieg. Erstaunlich, dass man oben gleich an zwei Orten einkehren kann, das Angebot ist rudimentär, doch eben, man bekommt etwas zu essen und zu trinken. Mehr brauchts nicht.

Bei der Familie Righetti-Fibbioli.
Als wir am Mittwoch am See ankamen, sahen wir als erstes das Restaurant der Familie Righetti-Fibbioli. Der Steg, der über den See-Ausfluss zu ihm führte, war mit 1.-August-Fähnlein geschmückt, Patriotismus in einer entfernten Ecke unseres Landes. Wir nahmen an einem Tisch im Rasen Platz, fanden im Angebot drei Gerichte, Spaghetti, Risotto (ab zwei Personen), Pizzoccheri (ab drei Personen), entschieden uns für die Spaghetti. Bergfreund Peider nahm sie mit Pesto, ich mit Tomatensauce. Die Wirtin erklärte uns später auf meine Frage: Ja, die Esswaren seien Anfang Saison mit dem Heli hochgebracht worden, daher die kleine Auswahl. Nun, wir warens völlig zufrieden. Ein Calanda-Bier gab es auch.

Die Alp de Lagh.
Blick von der Hütte zur Bergrutschrinne. Sieht bedrohlich aus.
Ziegenmutschli am Reifen.
Den Kafi tranken wir anschliessend etwas weiter hinten am Ostufer des Sees. Dort steht die Alp de Lagh mit ein paar Bänken vor dem Haus. Eine freundliche junge Frau aus Karlsruhe bediente uns, ihre Kollegin war grad daran, gut 800 Meter höher oben die Ziegen zu besuchen und zu inspizieren. Mutterkühe und ihre Kälber gehören auch zu dem Betrieb. Die Frau nahm sich viel Zeit für unsere Fragen, zeigte uns das in einem Grotto, einem Natursteinkeller am Felshang, eingerichtete Ziegenkäse-Lager, wir kauften jeder ein Mutschli. Die Alp de Lagh auferstand 2004, nachdem sie gut zehn Jahre zuvor aufgegeben worden war; die Hilfe der zuständigen Gemeinde Verdabbio sowie Zuwendungen von Gönnern machten es möglich, den Betrieb wiederzubeleben. Eine gute Sache. Traurig etwas anderes, das wir auch im Gespräch erfuhren. 2013 ereignete sich direkt über der Hütte ein Felssturz. Die Älplerin, die damals hier mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern lebte, starb. Das Val de Cama ist so schön wie grausam.

Freitag, 28. Juli 2023

Der lange Marsch zum See

Sass de la végia, der "Fels der Alten". Die Passage unter den zwei verkeilten
Felsblöcken ist gut zwei Meter hoch und soll die Silhouette einer Hexe abbilden. 

Felsklötze und Wald in Kombination prägen den Weg zum Lagh de Cama.
Im ersten Drittel des Aufstiegs, rechts fällt das Gelände zum Talboden (Misox) ab.

Das Val Cama machte mich als Wanderer glücklich. Es begann schon zuhause beim Kartenstudium, als ich sah, dass es keine Fahrstrasse gibt, die dieses Seitental des unteren Misox erschliesst. Auch für Biker eignet sich die Strecke ins Tal nicht, auf der man bis zum Lagh de Cama, dem Cama-See, 1080 Höhenmeter aufsteigt. Hin und zurück dauert die Wanderung laut Planungstool fünf Stunden – ich und mein Bergfreund Peider brauchten am Dienstag an die sechs Stunden. Ist halt alles ruppig. Der Weg ist im unteren Teil zudem sehr steil, immerhin auch bestens befestigt mit einigen Drahtseilzäunen sowie vor allem mit Treppen aus Hunderten Gneisplatten; den Steig nehmen auch die Mutterkühe, die in der Höhe mit ihren Kälbern sömmern. Weiter oben ist man nicht mehr ganz so steil unterwegs, gerät in Gelände, das von Bergstürzen geprägt ist, der Pfad schlängelt sich um vermooste Blöcke, die mal eher klein sind und mal so gross wie ein Haus. Kein Tritt ist auf dieser Unternehmung wie der andere. Macht das glücklich? Nun, es bereitet jedenfalls Vergnügen, eine Landschaft zu durchwandern, die bei allen menschlichen Spuren doch von der Natur regiert wird. Und die Schilder zu lesen, die Flurnamen kommentieren und an die Älpler und Säumer von einst erinnern. Wenn man schon fast nicht mehr dran glaubt, zeigt sich schliesslich in seinem Kessel der Lagh de Cama, und der ist eine Wucht. Grünlich ist sein Wasser, erstaunlich weit seine Fläche, gezackte Gipfel reihen sich über ihm: Piz de Sambrog, Piz d'Uria, Pizzo Campanile und Pizzo Caurga, die allesamt die Grenze zu Italien markieren. Ebenso schön wie die Landschaft ist, dass man mit den wenigen Menschen, die man an diesem Ort trifft, etwas gemeinsam hat, das verbindet. Alle, die den Bergsee geniessen, haben eine Strapaze hinter sich und vor sich. Denn es geht wirklich nur zu Fuss.

PS: Morgen etwas zu den zwei Orten am See, wo man einkehren kann. Es gibt da doch einiges zu erzählen.

Der Lagh de Cama. Wer ihn gesehen hat, vergisst ihn nicht.

Donnerstag, 27. Juli 2023

Durch die Kastanien

Mag jemand Kastanienbäume und speziell jene Exemplare, die alt sind, dick, verzweigt, knorrig, beulig, von Stürmen gezeichnet mit tiefen Rinnen und Löchern im Stamm? Nun, wie ich gestern feststellte, kommt man im Val Cama auf dem Weg zum Lagh de Cama, dem Cama-See, an etlichen grossartigen Esskastanienbäumen vorbei. Das Tal, ein Seitental des Misox, Südbünden, ist Teil eines riesigen Waldreservates, des grössten ausserhalb des Nationalparks, im unteren Teil geht man durch einen Kastanienwald mit beeindruckenden Bäumen. Mehr vom stillen Val Cama, durch das keine Strasse führt, vom strengen Aufstieg, vom paradiesischen See, von der Alpwirtschaft dort oben will ich morgen erzählen.

Mittwoch, 26. Juli 2023

Visite beim Seifenmacher

Vor Wochen war ich in Arosa. Traf dort Beat Urech, der in seiner Manufaktur Naturseifen fertigt. Begleitete den gelernten Drogisten einen Tag lang beim Herstellen einer Heuseife, für die wir bei einem örtlichen Bergbauer gleich auch noch Heu holten. Jetzt ist der Artikel erschienen, der zeigt, wie eine solche Seife im sogenannten Kaltverfahren entsteht, es geht im Text um Sheabutter, ätzende Lauge, Heu "absolue" (ein Fachbegriff) und die sogenannte "Seifenhochzeit". Kann man alles nachlesen, man bekommt die "Schweizer Familie" am Kiosk. Mein Foto zeigt Fotograf Nicola Pitaro an der Arbeit. Und wir sehen Seifenmacher Beat, der nach einer Prozedur von dreieinhalb Stunden die fertige Seifenflüssigkeit in eine Serie von Fichtenholzkistli überführt, in denen sie sich zwei Tage verfestigen wird, um schliesslich mit einer Art überdimensionierter Eierharfe in handelsübliche Stücke zerteilt zu werden. Schön, wie man im Journalismus Geschichte um Geschichte zulernt. Ich bin jetzt ein Seifenwisser.

Dienstag, 25. Juli 2023

Der Wasserplan

Im Breccaschlund hat es etliche Alpbetriebe, die Wasser brauchen.
Ein Letztes zum Breccaschlund, den wir am Samstag durchwanderten: Wie kommt das verkarstete Freiburger Hochtal, durch das kein Bach fliesst, zu jenem Wasser, dank dem dort Rinder, Kühe, Schafe und Ziegen sömmern und einige Alphütten gar als einfache Wirtschaften betrieben werden können? In den letzten Jahren verschärfte die Trockenheit das grundlegende Problem, zum Teil wurde Wasser mit dem Heli eingeflogen. Die wenigen Quellen, die es im Schlund gibt, versiegen schnell einmal und liefern Wasser, das Tiere trinken können, während es für Menschen nicht unbedenklich ist. Und natürlich sprudeln die Quellen auch nicht überall, wo es sie braucht. An der Lösung des Problems wird seit Jahren gearbeitet. Im Gebiet der Alpen des Breccaschlundes wird ein Wasserversorgungsnetz gebaut,  zu dem zwei Pumpwerke gehören, die Wasser aus zwei Quellen in die Höhe zu einem Reservoir bei Cerniets transportieren. Dort verteilt ein zusätzliches Pumpwerk das Wasser weiter. Auch eine Stromversorgung entsteht, sodass allfällige Bakterien im Quellwasser mit UV-Strahlung abgetötet werden können. Das Fünf-Millionen-Franken-Projekt gilt als vorbildlich und soll bis 2025 umgesetzt sein. Die 1100 Tiere auf den elf Brecca-Alpen, die für sie zuständigen Hirtinnen und Hirten sowie die vielen Wanderinnen und Wanderer im Gebiet sind somit langfristig mit gutem Wasser versorgt.

Montag, 24. Juli 2023

Im Reich des Bergahorns

Stolzer Bergahorn bei der Alphütte St. Antoni Brecca.
Wasserrinnen im Kalk des Miniberges Türmli.
Geröllfeld bei Combi im Rückblick.
Die Distel, eine Schönheit.
Der Breccaschlund im Senseoberland ist keine Schlucht, wie der Name es vermuten lässt. Sondern ein Hochtal, das immer wieder mal als "Urlandschaft" bezeichnet wird. Am Samstag stiegen wir vom Schwarzsee auf und drehten in dem unübersichtlich gekammerten und terrassierten Kessel eine Runde. Vieles gefiel uns sehr, zum Beispiel die von der Alpenfaltung malträtierten, verdrehten und gequetschten Wände und Fluhen, die den Schlund rahmen und zum Geologenträumli machen. Zu einem konservierten Drama aus Kalk. Auch der verkarstete Boden tat es uns an mit seinen Rillen, Rinnen, Trichtern, Schrunden. Und die lustigen Ziegen, von denen wir etliche antrafen; obwohl der Breccaschlund, der übrigens im "Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler" als schützenswerte Landschaft aufgeführt ist, keine Oberflächengewässer hat, wird in ihm doch Alpwirtschaft betrieben. Die Einkehr in der Alphütte St. Antoni Brecca, wo die einen eine Wurst mit Brot nahmen und die anderen die Käseschnitte, war ebenfalls toll – was für ein friedlicher Ort! Und wenn ich jetzt sagen müsste, was ich am Breccaschlund das Allerschönste fand, würde ich sagen: die Bergahorne. Es sind strikt Einzelwesen, jeder Baum ist anders geformt und zerklüftet und gezeichnet von Stürmen, Gewittern, kalten Wintern und Hitzeattacken. Überlebenskünstler sind sie, diese Ahorne.

Schwarzsee, Campus (Bus) – Seeweid – Staldenloch – Spicherweid – Alp Unterbödeli – Stierenberg – Rippetli – Combi – Alphütte Cerniets – Alphütte St. Antoni Brecca – Unteri Rippa – Seeweid – Schwarzsee, Campus. 4 1/4 h, je 730 Meter auf- und abwärts.

St. Antoni Brecca, wo wir einkehrten und assen.

Sonntag, 23. Juli 2023

Das Schwarzseemonster

Der nachgebildete Drache vom Schwarzsee und ...
... das Gewässer, in dem das Ungeheuer angeblich endete.

Gestern wanderten wir im Senseoberland, Kanton Freiburg. Wir starteten am Schwarzsee bei der Bushaltestelle "Campus" und vernahmen nach zehn Gehminuten im Wäldli an der Südspitze des Sees ein infernalisches Gebrüll aus der Fluh über uns. Tatsächlich hockte dort mit gespreizten Flügeln ein Drache. Am Wanderweg gibts einen Knopf, mit dem man das Vieh zum Lärmen bringt. Die Installation greift eine alte Sage auf. Beim Schwarzsee soll einst ein Drache gehaust haben, der Mensch und Tier tötete und nicht zu bändigen war. Bis ein frommer Mann kam und das Ungeheuer ins Wasser scheuchte, in dem es zugrundeging. Erstaunlich, jetzt haben die dort oben so ein liebliches Gewässer und bringen es fertig, diesem ein Monster anzudichten.
Der Schwarzsee von höher oben. Mehr zu unserer Route morgen.

Samstag, 22. Juli 2023

Ufechuu zum Abechuu


Man nannte den Stil "Neues Bauen", er zeichnete sich aus durch eine Abkehr vom Heimattümelnden und Historisierenden und Verschachtelten. Auf einer Geländeterrasse oberhalb Braunwald steht auf 1772 Metern das Ortstockhaus – Neues Bauen im Gebirge. Kein Chaletduktus also und kein konventioneller rechteckiger Grundriss, dafür aber eine überraschende Form und Farbe. Das Ortstockhaus mit den roten Fensterbändern krümmt sich zu moderatem Halbrund wie ein antikes Amphitheater, inszeniert so das Vergnügen der Schau auf die Gipfel vis-à-vis über dem Talgrund. Es stammt aus dem Jahr 1931 und wurde entworfen vom Glarner Architekten Hans Leuzinger, der in der Schweiz das Neue Bauen mitprägte. Uns gefiel das Haus, das nach dem Braunwalder Hausberg benannt ist, dem Ortstock. Und ebenso mochten wir die Küche, die Distanz hält zum Pouletflügeli-Schnipo-Tomatenspaghetti-Groove vieler Bergbeizen und eine kleine Karte führt, auf der Gerichte stehen, deren Zutaten aus der Nähe kommen. Ich hatte das Tagesgericht, Ghackets mit Hörnli, meine Begleiterin die Raclette-Schnitte, beide waren wir sehr zufrieden und waren uns einig, dass man mal im Winter hinwandern muss. Motto des Hauses: "Ufechuu zum Abechuu."

Freitag, 21. Juli 2023

Verregnet und verhagelt in Braunwald

Blick vom Chnügrat auf den Oberblegisee und das Glärnischmassiv.
Der Eggstock ist halt schon ein schöner Zacken.
Augenfreude Bergflora. (Foto: Ronja)
Charakteristisch für die Gegend ist das schrundige Gestein aus Kalk.

Schon seit Jahren bin ich nicht mehr in einen Sturm mit Blitz und Donner, Regen und Hagelschlag geraten wie am Dienstag in Braunwald. Wir fuhren am Morgen mit der Gondelbahn hinauf zum Grotzenbüel, stiegen auf zum Chnügrat, begingen diesen und den anschliessenden Seeblengrat, passierten das Berghaus beim Gumen, das ebenfalls per Bahn erschlossen ist, zogen noch etwas weiter in der Höhenlinie Richtung Bützi, um bald zum Ortstockhaus abzusteigen. So ziemlich alles war toll. Der Blick vom Chnügrat auf den Oberblegisee. Der vor uns aufragende Zahn des Eggstocks, an dem ein Klettersteig eingerichtet ist. Die Flora mit gelbem Eisenhut, Türkenbund, Enzian,Teufelskralle. Das verkarstete Gelände mit von Blacken überwucherten Spalten und Löchern. Und: Im Ortstockhaus assen wir vorzüglich zu Mittag. Auf dem folgenden Abstieg nach Braunwald, für den man etwas mehr als eine Stunde rechnen muss, passierte es ganz schnell. Zuerst fernes Donnern. Dann im Wald ein unheimliches Rasen vom Wind. Und ein, zwei Minuten später das forsche Einsetzen des Regens unter Donnerbegleitung, meine Hose war innert einer Minute nass, als sei ich einem Schwimmbecken entstiegen. Wir drehten ab, hielten hinüber zur Gott sei Dank nahen Bergstation Grotzenbüel, wo die Wanderung begonnen hatte, auf den letzten hundert Metern hagelte es. Im Bahngebäude standen gut 20 Leute, denen es ähnlich ergangen war. Wir mussten ein bisschen warten, bis die Gondeln wieder fahren konnten. Bei der Talfahrt sahen wir, wie sich hinten gegen den Klausenpass zu wieder die Sonne zeigte. Das war ein Erlebnis: Das Wetter hatte mal kurz demonstriert, wozu es fähig ist.
Ha, wir sind unter Dach. Bei der Bergstation Grotzenbüel.

Donnerstag, 20. Juli 2023

Der nächste Menhir kommt bestimmt

Mein Artikel in der neuen "Schweizer Familie". Man kann sie jetzt am Kiosk kaufen.

Die grossen Steine der Schweiz sind ja sozusagen mein Hobby. Schön, dass ich als Journalist immer wieder mal über sie schreiben kann. In der neuen "Schweizer Familie" erzähle ich von den Menhiren, Menhirreihen und Dolmengräbern überall in der Romandie, die aus der Jungsteinzeit stammen – und uns Heutigen letztlich rätselhaft bleiben. Ja, klar, Kult, irgendwie. Doch weiss niemand genau, wozu zum Beispiel das Alignement von Clendy bei Yverdon mit 45 Steinen in mehreren Reihen geschaffen wurde. Motiviert zum Schreiben hatte mich insbesondere, dass kurz vor Weihnachten 2022 in einem Villengarten in Auvernier am Neuenburgersee wieder einmal ein Stein zutage getreten war. 175 Zentimeter hoch, 130 Zentimeter breit, 25 Zentimeter dick. Arbeiter, die dort Sonden für eine Wärmepumpe verlegen mussten, entdeckten ihn. Die Kantonsarchäologin kam, bestätigte, dass es sich um einen Menhir handelt, um einen vor gut 5000 Jahren bearbeiteten Stein. Markierte er eine Quelle, stand er bei einem Grab, begleitete er ein Fruchtbarkeitsritual? Die Fachleute konnten auch nur Vermutungen äussern. Inzwischen ist der Menhir von Auvernier wieder zugeschüttet, die Wissenschaft hat ihn dokumentiert, für eine Bergung ist kein Geld da. Sicher ist eines: Der nächste Menhir kommt bestimmt.

Mittwoch, 19. Juli 2023

Schöner einkehren in Arosa

Der "Güterschuppen". Rechts: Cheminée-Lounge-Ecke. (Foto: Ronja)
Mein später Zmittag.
Vieles spricht dafür, dass man, wenn man in Arosa ist, im "Güterschuppen" einkehrt. Wie wir es am Samstag taten, nachmittags um drei Uhr, nach der Überquerung der Maienfelder Furgga. Hier ein paar der Dinge, die uns an diesem Restaurant gefielen, das einem alten Bahnschuppen neues Leben eingehaucht hat:

  • Die ehemalige Laderampe ist jetzt eine Outdoorlounge mit Tischchen, man schaut direkt auf den Obersee.
  • Das Lokal hat ohnehin Riesenfenster. Wir assen drinnen, ich hatte das Schiesshorn vor mir und einen Teil des Weges, auf dem wir von der Furgga hinabgekommen waren.
  • Das Personal ist unglaublich nett. Faktor acht Mal netter als in Zürich. Wirklich. Mir kam das unwirklich vor.
  • Das Personal ist unglaublich flink. Ich war nah am Verdursten. Ich hatte mich grad zwei Sekunden hingesetzt, als der Kellner, ein junger Tscheche, kam und fragte, ob ich schon mal etwas trinken möchte.
  • Das Essen war toll. Mein Pouletburger mit grosszügig Käse, gerösteten Zwiebeln, Harissa und einer Cole-Slaw-Variation mit scharfem Kraut: eine Wucht an Geschmack. Andere am Tisch hatte die Käseschnitte. Die kleine Ausgabe. Sie war wesentlich länger als mein Unterarm.
  • Im "Güterschuppen" gibts von 11 bis 17 Uhr Zmittag. Kein "Sorry, der Koch hat schon Zimmerstunde" um 13 Uhr 30. Keine kleine Karte mit Pouletflügeli und sonst gar nichts Warmem. Wir genossen das sehr.
  • Die Einrichtung ist modern. Urban. Es gibt eine Lounge-Ecke um ein gewaltiges Cheminée und eine lange Bar. Da ist aber auch das Dach mit den Holzbalken als Reminiszenz an die Vergangenheit, man spürt immer noch, dass dies ein Güterschuppen der RhB war.
  • Und noch etwas Gutes: Wie es sich für einen Güterschuppen geziemt, isst man bahnhofsnah. Wir nahmen nach dem späten Zmittag den Zug und fuhren heim. Mit vollem Bauch und total zufrieden.
    Blick vom "Güterschuppen" über den Obersee. Rechts das Schiesshorn.

Dienstag, 18. Juli 2023

Die brutalen letzten 120 Meter

Wanderstart in Davos Frauenkirch mit der Kirche, nach der der Ortsteil heisst.
Eine halbe Stunde vor der Passhöhe, die Amselflue dominiert den Horizont.
Roter Stein.

Mit fünf Stunden Gehzeit oder etwas mehr muss rechnen, wer von Davos Frauenkirch aus über die Maienfelder Furgga nach Arosa zieht, es geht 1080 Meter aufwärts und 850 Meter abwärts. Am Samstag, als wir die Route beschritten, fanden wir sie nicht speziell strapaziös. Gut ist, dass man im Aufstieg zuerst das steilste Stück machen muss, die letzte Stunde vor dem Pass ist dann vergleichsweise leicht. Auch wehte die meiste Zeit ein kühles Lüftli, so dass wir an diesem sehr heissen Tag eigentlich nie litten. Ausser während der letzten halben Stunde. Man kommt in Arosa nicht im Ort an, sondern unten bei der Brücke über die Plessur nah der ARA. Und muss nun noch einmal 120 Meter aufsteigen, bis man beim Bahnhof ist. Dieser Abschnitt war brutal, die Hitze staute sich im Höllenkessel, der Asphalt benahm sich wie ein ausser Rand und Band geratener Heizstrahler, die Sonne brannte, nein, sengte serengeti-artig. Ich hechelte wie ein Hund. Nun, wir habens überlebt. Und waren uns einig, dass dieser Pass wunderbar ist wegen der Landschaft, durch die er führt, Schlusstortur hin oder her. Am Ende assen wir dann derart speziell, dass das betreffende Lokal sich hier glatt einen eigenen Eintrag verdient hat. Morgen kommt er.
Gleich nach der Passhöhe. In der Mitte vorn das Schiesshorn, einer von Arosas Hausbergen.

Arosa zeigt sich. Noch anderthalb Stunden bis zum Bier.
Kurz vor Isel gilt es den geschiebereichen Furggatobelbach zu queren.

Montag, 17. Juli 2023

Die Ski fanden wir nicht

Die Maienfelder Furgga, 2436 Meter über Meer. Eine Schutzhütte gibts auf dem Pass seit 1930.

Arthur Conan Doyle im Jahr 1913.
(Foto: The Library of Congress /
Wikicommons)
Im März 1893 überqueren die Brüder Johann und Tobias Branger, Kaufleute aus Davos, die Maienfelder Furgga hinüber nach Arosa. Es ist eine der ersten Skitouren der Schweiz. Die Brangers haben die kuriosen Bretter norwegischen Ursprungs an der Weltausstellung in Paris erstmals gesehen und sich zwei Paar liefern lassen. Ein Jahr später unternehmen die Branger-Brüder die Tour zum zweiten Mal, sie führen diesmal den englischen Schriftsteller Arthur Conan Doyle, den Autor der Sherlock-Holmes-Romane; er weilt in Davos, weil seine Frau dort kurt. Um Viertel nach fünf biegt das Trio in Davos Frauenkirch in den Hang und stapft in der Dunkelheit bergwärts, die Ski werden die drei erst höher oben anziehen. Um halb zehn Uhr vormittags sind sie auf dem Pass. Auf der Aroser Seite verläuft die Unternehmung auch recht okay. Vorerst. Man hat ja Ski an den Füssen. In der unteren Hälfte freilich ist die Bergflanke absonderlich steil. Johann und Tobias Branger ziehen die Ski aus, jeder bindet sein Paar zusammen zu einem schmalen Behelfsschlitten, setzt sich, gleitet so in die Tiefe. Doyle tut es den Schweizern nach, doch etwas geht schief, die Ski sausen ihm ab, entschwinden auf Nimmerwiedersehen. Den Rest der Tour im Tiefschnee absolviert der Engländer wieder zu Fuss, rutscht streckenweise auf dem Hintern ins Tal, ruiniert dabei seine Tweed-Hose. Im Dezember 1894 publiziert er in der englischen Zeitschrift "The Strand Magazine" einen amüsanten Bericht über das Abenteuer, man kann ihn hier nachlesen und die Fotos anschauen, die den Schriftsteller mit Ski im Schnee zeigen. Der Artikel löst in England grosses Interesse aus und wird entscheidend zum Aufstieg des Skisports in der Schweiz beitragen. Warum ich das alles erzähle? Nun, am Samstag zogen mein Grüppli und ich von Davos Frauenkirch über die Maienfelder Furgga nach Arosa. Im Abstieg hielten wir Ausschau nach Arthur Conan Doyles entschwundenen Ski. Leider ohne Erfolg.

Sonntag, 16. Juli 2023

Der Stadtheld

Unlängst fand in Zug das Eidgenössische Jodlerfest statt. In einer Medienmitteilung las ich, der Anlass habe 210 000 Personen "in die Kolinstadt" gelockt.
Kolinstadt? Nie gehört.

Zug: Der Kolinbrunnen am
Kolinplatz und das von einem Kolin
gegründete Hotel Ochsen. (Foto:
Paul Bissegger / Wikicommons)
Zeit, das nachzuschlagen. Aha, die Kolin waren ein Geschlecht, das über Jahrhunderte die Geschicke der Stadt prägte. Das steht im "Historischen Lexikon der Schweiz". Sie waren praktisch permanent im städtischen Rat vertreten, stellten vier Ammänner, drei Landvögte sowie drei Landschreiber. Peter Kolin gehört speziell erwähnt. Er ist quasi der Stadtheld. Ammann war er und starb 1422 in der Schlacht bei Arbedo bei der Verteidigung des umkämpften Zuger Panners, der Stadtfahne. Fortan standen die Kolin als die Zuger Dynastie da.

Samstag, 15. Juli 2023

Mann mit Projekt

Das Tenigerbad im Jahre 1905.
(Adrian Michael, Bünder Monatsblatt 1/2008 / Wikicommons)

Im Val Sumvitg in der Surselva steht das stillgelegte Tenigerbad, das eben in einem "Tagi"-Artikel als "Geisterhotel" bezeichnet wurde; mies zwäg ist insbesondere der Jugendstilbau, während die Bauten aus den 1970er-Jahren sich einigermassen gehalten haben. 1976 war Schluss mit dem Tourismus an diesem Ort, zuvor hatte ein reicher Unternehmer aus Frankfurt das ursprüngliche Haus gekauft und um neue Häuser ergänzt. Erfolg war ihm nicht beschieden. Nun versucht es, las ich in dem Artikel, ein Zürcher Maschineningenieur mit ein paar anderen Investoren ein zweites Mal. Er setzt auf Nachhaltigkeit und Ökologie, will zuerst die 70er-Jahre-Gebäude instandsetzen, plant Solarpanels, eine Wasserturbine und einen grossen Wintergarten für den Gemüseanbau. Kleine Wohnungen sollen entstehen, aber auch Zimmer, in denen behinderte Menschen Ferien machen können. Klappt das alles, will Rolf Diefenbacher, wie der Mann mit dem Projekt heisst, allenfalls auch das Jugenstilhotel aufmöbeln und die Mineralwasserquelle wieder nutzen. Wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt: Wir sind gespannt und bleiben dran.

Freitag, 14. Juli 2023

Das Schwalmisgeschenk

Der Schwalmis von der Klewenalp aus. Am rechten Bildrand
eher erahnbar als sichtbar der Pass Hinter Jochli.
Rast auf dem Hinter Jochli, rechts der grüne Rücken des Schwalmis.
Vor dem Gipfel, in der Tiefe ein paar Moorseeli.
Gleich bin ich oben.

Dass ich ihn mal besteigen würde, war mir seit langem klar. Dass die Fernsicht von ihm grandios ist, das weiss ich erst seit Montag. Da wanderte ich bei anfänglich dubios wirkendem Wetter, das Gewitter bereitzuhalten schien, dann aber doch auf die gute Seite wechselte, auf den Schwalmis, 2246 Meter. Über seinen langgezogenen Kamm verläuft die Grenze der Kantone Nidwalden und Uri. Gestartet war ich auf der Nidwaldner Seite, auf der Klewenalp, Zwischenziel war der Pass Hinter Jochli. Oben entschied ich, im Abstieg weiter ins Urnerland hineinzuhalten nach Gitschenen, dem kleinen Alpweiler samt Seilbhähnli hinab zur Bushaltestelle bei St. Jakob. Während ich talwärts gondelte, freute ich mich: Der Schwalmis steht nicht mehr auf meiner Bergwunschliste. Ich habe ihn mir geschenkt. Und das an einem ordinären Montag. 4 1/4 Stunden. 815 Meter aufwärts, 870 Meter abwärts.
Einen Meter neben dem Gipfelkreuz.
Unten links der Vierwaldstättersee. Ganz hinten in der Mitte die Mythen im Dunst.