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Donnerstag, 30. Juni 2022

Zeugen des Schwundes

Letzte Woche berichtete ich von der Wanderung zum Griesslisee beim Klausenpass, einem Gewässer, das vom Schmelzwasser des Gletschers in der Clariden-Nordwand gespiesen wird. Mit Hilfe der Zeitreise-Funktion von Swisstopo habe ich inzwischen rekonstruiert, seit wann es den kleinen See gibt: 1979 taucht er auf der Landeskarte auf. Und wird dann stetig grösser, wobei sich zwischenzeitlich zwei kleine Seelein bilden, die sich später verbinden. Überall im Gebirge sind in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz solche Seelein entstanden. Sie bezeugen den Schwund der Gletscher. Und sind gleichzeitig schöne Ziele.

2015.
1997.
1991.
1986.
1979.
1978.

Mittwoch, 29. Juni 2022

Zuerst Rütli, dann Albeli

Albeli. Ich liebe Albeli.
Kehrenreicher Pfad von
Seelisberg hinab zum Rütli.
Nachdem ich vorgestern am Morgen von Seelisberg durch den steilen Waldhang zum Rütli abgestiegen war – ein wahnsinnig schöner Pfad übrigens –, machte ich natürlich nicht schon Schluss. Auf dem "Weg der Schweiz" ging ich hinüber nach der Treib, wo einst Verfolgte für drei Tage lang verschnaufen konnten, so lange durfte sie kein Häscher greifen. Zudem war die Treib ein Hafen, an dem Boote anlegen konnten, wenn wieder einmal ein Föhnsturm die Einfahrt in den Urnersee verunmöglichte. Tagsatzungsstätte war die Treib auch zur Zeit, als die frühe Eidgenossenschaft gerade mal fünf Orte zählte. Nun, ich wurde am Montag weder verfolgt, noch tobte ein Föhnsturm. Und die Tagsatzung ist ja auch schon längst Geschichte. Die Gegenwart der Treib, das ist die kleine Standseilbahn hinauf nach Seelisberg. Die Anlegestelle der grossen Vierwaldstättersee-Schiffe. Und ein Restaurant. Auf dessen Terrasse endete meine zweistündige Wanderung (260 Meter aufwärts, 665 Meter abwärts) mit einem Zmittag. Geplant hatte ich ihn nicht, war vielmehr davon ausgegangen, dass ich zuhause kochen würde. Doch da waren praktisch keine Leute, ich hatte das Restaurant fast für mich. Und vor allem gabs Albelichnusperli von der nahen Fischerei Schwybogen. Nein, so etwas lässt sich der Widmer nicht entgehen.
Die Treib, links das Restaurant, geradeaus seine Terrasse. 
Noch einmal die Treib, Blick über den Vierwaldstättersee Richtung Westen.

Dienstag, 28. Juni 2022

Seelisberg statt Berg

Die Rütli-Wiese mit dem Restaurant. Ich kam von oben durch den Waldhang.
Viel gibts auf dem Rütli nicht zu sehen. Aber jedenfalls war ich jetzt auch mal dort.
Grau! Logisch, fuhr ich gestern nicht
von Beckenried auf die Klewenalp.
Gestern wollte ich testen, ob ich nach der Impfung mit Shingrix wieder fit bin. Ich nahm mir den Schwalmis vor, einen Berg hoch über Beckenried. Weil Gewitter angekündigt waren, fuhr ich früh los und war schon vor acht in Beckenried. Dort freilich wurde mir klar, dass das mit der Gebirgsroute nicht klappen würde. Über 1500 Metern war alles verhangen, die Webcam der Klewenalp, wo ich hatte starten wollen, zeigte nur Grau. So gabs für mich statt Berg halt Seelisberg. In dem Urner Dorf, auf der bescheidenen Höhe von 800 Metern, startete ich eine halbe Stunde später und stieg ab zum Rütli. Und jetzt ein Bekenntnis: Ich war dort noch nie. Auch nicht im Rahmen einer Schulreise. Ich bin froh, die Nationalwiese endlich kennengelernt zu haben.
Auf dem Rütli, der sogenannte Schwurplatz. Werner Stauffacher von Schwyz,
Walter Fürst von Uri und Arnold von Melchtal aus Unterwalden sollen hier den
Aufstand gegen die Habsburger besprochen und sich Treue gelobt haben. Sollen. 

Montag, 27. Juni 2022

Bröckelbotta

Wer auf dem Moron war, kennt den
Botta-Turm. Derzeit ist er gesperrt.
(Foto: Tschubby/Wikicommons)

209 Stufen und zuoberst auf 26 Metern ein fantastischer Weitblick – der Botta-Turm oder auch Tour de Moron auf dem Moron im Berner Jura ist beliebt wegen der Aussicht, die er bietet. 2004 fertiggestellt, hat er neuerdings ein Problem. Zum zweiten Mal innert kurzer Zeit sind Treppenteile abgebrochen; eine Erklärung dafür gibt es noch nicht, derzeit ist eine Besteigung nicht möglich. "Sehr traurig" ist gemäss Medienberichten der Tessiner Starchitekt Mario Botta, der den Turm entwarf.

Sonntag, 26. Juni 2022

Dazwischen

An schönen Sommertagen fühlt man sich in Zürich wie in den Ferien.
Talfahrt im Rigiblick-Bähnli.

Am Samstag startete ich am Bahnhof Stettbach, hielt am Rand des Sagentobels durch den Wald aufwärts, passierte das weitläufige Areal des Zoos Zürich und erreichte schliesslich den Sendeturm praktisch auf dem höchsten Punkt des Zürichbergs. Es folgte ein kleiner Abstieg, und schon war ich beim Rigiblick, der Bergstation einer kleinen Schmalspur-Seilbahn der charmanten Art – Ende der Unternehmung. Gehzeit eindreiviertel Stunden, 275 Meter aufwärts, 130 abwärts: Es war halb ein Spaziergang und halb eine Wanderung. Etwas dazwischen, für das es keinen Namen gibt.
Auf dem Zürichberg. Hinten der 94 Meter hohe Sendeturm.
An der Grillstelle hatte ein Familienvater grad angefeuert.

Samstag, 25. Juni 2022

Shingrix statt Salbit

Da geh ich heut nicht hin: die Salbithütte.
(Foto: nadir azur / Wikicommons)
Hab mich bei meinem Grüppli krankgemeldet, heute werde ich nicht wandern. Dabei wollten wir doch ins Urnerland, zur Salbithütte hoch über Göschenen. "Shingrix" heisst mein Problem, das gleichzeitig eine gute Sache ist, wenn man mich fragt. Letztes Jahr zog ich mir, ich habs erzählt, eine Gürtelrose zu. Und weil ich nie wieder eine Gürtelrose will, liess ich mich diesen Donnerstag impfen. Mit Shingrix eben, einem Impfstoff, der seit kurzem auch hierzulande verfügbar ist, in zwei Dosen im Halbjahresabstand verabreicht wird und einen guten Schutz gegen "Herpes Zoster" bietet, wie die Krankheit im Fachjargon heisst. Dass ich in der Nacht nach der Impfung Schüttelfrost bekam, mich auch heute morgen nicht ganz hundert fühle und halt mal nicht in die Berge kann, werde ich verschmerzen. Eventuell mache ich einen Spaziergang im Wald irgendwo in der Nähe.

Freitag, 24. Juni 2022

Horrorheidi

Schadet gar nichts, wenn der Schweizer Traditionsstoff von Johanna Spyri mal ein wenig aufgefrischt wird. Im Herbstkatalog des Helvetiq-Verlags ist eine vielversprechende Neuerscheinung angekündigt – siehe Foto des Buchcovers. Der Verlag schreibt: "Ein Streich geht gehörig schief, und schon wecken Heidi und ihre Freunde Clara und Peter aus Versehen eine Horde Zombies auf. Mit allem, was sie gerade auf der Alp finden, müssen sie sich verteidigen und zu verhindern versuchen, dass sie von den Zombies erwischt werden."

Donnerstag, 23. Juni 2022

Fussbad im Fätschbach

Blick vom Clariden-Höhenweg auf die Klausenstrasse vor der Passhöhe.
Das Gelände war vor allem grün, stellenweise aber, weil geröllig, grau.

Füsse im Fätschbach.
Dreieinviertel Stunden braucht man für den Clariden-Höhenweg; er führt von der Klausenpasshöhe zuerst zum Gletschergewässser Griesslisee, dann via Follen zum Gemsfairenhüttli und weiter über das Hasentrittli zum Fisetenpass. Am Dienstag war ich auf der Route (560 Meter aufwärts, 500 abwärts) unterwegs. Und war angetan. Ich sah Gletschereis. Den gewaltigen Riegel der Jegerstöck zu meiner Linken. Den Clariden, natürlich. Aber auch und vor allem in der Tiefe die elegant sich den Berg hinauf windende Passstrasse. Freude bereitete mir der Zwischenhalt im Gemsfairenhüttli, ich hatte nicht damit gerechet, dass dort in der Alpsaison gewirtet wird. Am Ende nahm ich die Seilbahn vom Fisetenpass hinab zum Dörfli auf dem Urner Boden und beschloss, dass das noch nicht das Ende sein sollte. Nach dem Zmittag im Restaurant Urnerboden zog ich also – talauswärts und praktisch ebenaus – zum nächsten Restaurant, der Sonne. Unterwegs gönnte ich mir das erste Fussbad der Wandersaison im Fätschbach. Er wird unter anderem aus dem Griesslisee gespiesen. Phuah, das Wasser war eiskalt.
Das Hüttli der Seilbahn-Bergstation unter dem Fisetenpass kommt in Sicht.
In der Seilbahn hinab zum Dörfli Urnerboden.

Mittwoch, 22. Juni 2022

Ich trug Eis in mir

Der Griesslisee, die hintere Uferwand besteht aus Eis. Darüber die Nordwand des Clariden.
Der Stein mit den – schwer
lesbaren – Gedenkplaketten.
Gestern unternahm ich eine Wanderung im Gebiet Klausenpass-Urner Boden. Früh, um 8 Uhr 40, startete ich auf dem Klausen. Nach einer guten halben Stunde passierte ich etwas höher im Gelände einen Felsen mit gleich mehreren, sagen wir, Todesplaketten. Die Inschriften waren ziemlich verwittert, die Plaketten zum Grossteil Alpinisten gewidmet, die an der Clariden-Nordwand umgekommen waren, die einen abgestürzt, die anderen vom Schnee in die Tiefe gerissen. Ich war froh, kein Kletterer zu sein, meine Route war einfach und praktisch gefahrlos. Hier vorerst drei Fotos vom Griesslisee just unter der erwähnten Nordwand. Ich fand dieses vom Gletscher gespiesene Gewässer wundervoll arktisch. Ein bisschen Eis trieb auf dem Wasser, der Gletscherhang über dem einen Ufer machte seltsame Stöhngeräusche, später erzählte mir ein Einheimischer, dass im August immer wieder unter sinistrem Donnern riesige Eisschollen abbrechen und in den See stürzen. Der Anblick des Griesslisees, der auf der Karte übrigens noch unbenannt ist und nach dem Gebiet Griessli getauft wurde, in dem er liegt – dieser Anblick wird mir bleiben. Am Abend, auf dem Weg nach Hause, stellte ich in der überfüllten Zürcher S-Bahn fest, dass mir die stickige Hitze nichts ausmachte. Ich trug Eis in mir.
So etwas sieht man dieser Tage besonders gern.

Dienstag, 21. Juni 2022

Gewitterschnäppchen

Heute Nachmittag oder so soll es ja ein bisschen abkühlen. Betonung auf "ein bisschen". Gestern Abend beschloss ich spontan, dem Dienstag doch so etwas wie ein Gewitterschnäppchen abzutrotzen, entsprechend früh, um 5 Uhr 22, fahre ich nächstens los. Mehr von meiner Innerschweizer Unternehmung morgen oder übermorgen, ich hoffe und bin zuversichtlich, nicht in ein Unwetter zu geraten.

Und hier noch ein Foto aus den Tagen der grossen  Hitze. Am Sonntag war ich zu einer Konfirmation im Norden des Kantons Zürich geladen, wir assen im Restaurant Klostergarten in Rheinau zu Mittag, draussen am Rhein im Schatten mächtiger Platanen. War sehr fein. Dass man als Gast mit der Menükarte gleich auch einen Fächer gereicht bekam, fand ich eine hübsche Geste.

Montag, 20. Juni 2022

Stägeli uf, Stägeli ab

Geradeaus gings selten auf unserem Höhenweg (hier ein Blick zurück).
Der Zacken am Horizont rechts der Bildmitte ist der Chaiserstock.

Wir fuhren am Samstag mit der Standseilbahn auf den Stoos, das Schwyzer Feriendorf. Und fuhren gleich weiter mit dem Sessellift zum Klingenstock. Dort begann unsere Panoramawanderung hinüber zum Fronalpstock. Zwei Stunden brauchten wir, es war ein stetes Auf und ab mit unzähligen Stufen, fantastisch war die Sicht auf Berge wie Ortstock und Höch Turm, Chaiserstock und Rossstock, Niederbauen und Oberbauen. Und praktisch mit jedem Schritt zeigte sich mehr von der blauen Fläche des Urnersees, Sisikon lag uns bald zu Füssen. Dies sei der schönste Treppenweg der Schweiz, befand Mitwanderin Ronja auf dem Fronalpstock. Sie hatte recht. Wir machten dort dann nicht grad Schluss, sondern wanderten nach einer Pause, statt mit Sessellift Nummer zwei talwärts zu fahren, hinab zum Stoos. Dreieinhalb Stunden dauerte so die ganze Unternehmung, die auf der schattigen Terrasse des Restaurants Gadä auf dem Stoos ausklang – mit Hamburgern, Pommes und Bier. 

Sonntag, 19. Juni 2022

Fünf brutale Minuten

Diesen Kühen fehlte ein Baum oder ein schattiger Waldrand.
Und lange Haare sind derzeit natürlich ungut.
(Beide Fotos: Ronja)

Ja, es war heiss gestern im Kanton Schwyz. Und immerhin stiegen wir 445 Meter auf und 1066 Meter ab. Doch starteten wir vor zehn Uhr in einer Höhe von etwas über 1900 Metern, hatten die ganze Zeit über ein Brischen im Gesicht und im Hemd und waren schon um halb zwei Uhr am Ziel. Dort gabs auf einer schattigen Beizenterrasse Bier. Und Hamburger. Alles bestens. Die einzigen fünf Minuten, die uns an diesem Hitzesamstag wirklich zusetzten, waren die im Postauto auf der Heimfahrt. Bei der Haltestelle "Schwyz, Zentrum" machte der Postautochauffeur, schön nach Fahrplan, fünf Minuten Pause. Er liess dabei alle Türen ausser der ganz vorne geschlossen und schaltete mit dem Motor auch die Belüftung aus. Ich fühlte mich wie einer dieser Hunde, die von ihrem Besitzer auf dem Parkplatz irgendeines stark besonnten Shoppingcenters im Auto vergessen werden. Das war brutal. Wuff.

Samstag, 18. Juni 2022

Hofstetters Rucksack

Daniel Hofstetter ist 25 und Doktorand in Physik an der ETH. Erfahrung im Bergsteigen und eine anständige Ausrüstung hat er nicht. Trotzdem geht er allein auf eine Bergtour in den Berner Alpen. Auf dem Oberaargletscher stürzt er durch eine Schneebrücke in eine 18 Meter tiefe Gletscherspalte. So geschehen im Jahr 1992.

Was Daniel Hofstetter damals mit sich trug. (Foto: Alpines Museum der Schweiz)

Die Geschichte hat gleich zwei Fortsetzungen. Zum einem wurde Hofstetter damals schon nach einer Stunde von Bergsteigern entdeckt und gerettet. Und zum anderen gab der Gletscher letztes Jahr, 29 Jahre danach, den ramponierten Rucksack des dilettierenden Alpinisten frei; er war seinerzeit in der Spalte zurückgeblieben und im Eis verschwunden. Hofstetter spendete den Rucksack umgehend dem Alpinen Museum der Schweiz in Bern, wo er jetzt samt den Gegenständen, die er enthielt, in einer Schaubox ausgestellt ist. Das Museum schreibt: "Daniel Hofstetters Rucksack ist Zeitzeuge der 90er-Jahre, erzählt von den Gefahren des Bergsteigens und zeugt von der Naturgewalt und vom Klimawandel, der die Gletscher schmelzen lässt."

Freitag, 17. Juni 2022

Hans Schwarz und die Pferde

Das Anwesen Maison Rouge in Les Bois. Das Haus rechts war früher Teil eines Klosters. 

Hans Schwarz, Jahrgang 1895, wuchs in Bern auf. Sein Vater betrieb dort ein Lebensmittelgeschäft und hielt Fuhrpferde, so kam der Sohn in Kontakt mit Pferden – der Beginn einer lebenslangen Liebesgeschichte. Hans Schwarz wurde Offizier im Trainwesen. In den Dreissigerjahren absolvierte er diverse Langstreckenritte durch europäische Länder, über diese Unternehmungen verfasste er vielbeachtete Bücher. Er war nun bekannt als Mann der Pferde, aber auch als aufmerksamer Beobachter seiner Zeit, der mit Nachdruck die Nazis kritisierte und gegen sie anschrieb; nur konsequent, dass er sich auf den Journalismus verlegte. Als die Schweizer Armee nach dem Krieg den Train abbaute, also Pferde abstiess und liquidierte, enragierte das Schwarz sehr. Es war einer der Gründe dafür, dass er 1958 in den Freibergen, heute Kanton Jura, die Stiftung "Fondation pour le Cheval" lancierte. Sie gibt es bis heute, auf drei Höfen umsorgt sie geschundene und alte Pferde. Der bekannteste dieser Höfe ist Le Roselet bei Les Breuleux. Der grösste Hof der Stiftung aber ist der bei Maison Rouge etwas ausserhalb von Les Bois, an dem ich diesen Montag vorbeikam. Etwa 80 Pferde, Ponys und Esel geniessen dort den Ruhestand, auch ein kleines Restaurant gibt es. Gern hätte ich die Tiere fotografiert. Aber sie waren nicht zu sehen, vermutlich grasten sie grad auf einer der Weiden rundum.

Donnerstag, 16. Juni 2022

Binnenkanton Bern

Der Kanton Bern touchiert ganz im Westen
bei Biaufond die Landesgrenze. Oder?
Bei Biaufond, in breitem Violett die Landesgrenze.
Der Berner Spickel berührt sie knapp nicht.
Am Montag wanderte ich vom Plateau der Freiberge hinab zum Doubs. Hab ich hier erzählt. Ich geriet in jenen Spickel, mit dem der Kanton Bern am westlichsten Punkt grad knapp die französische Grenze tangiert; man sieht das auf meiner oberen Karte. Nun, Karten können bekanntlich täuschen. In diesem Fall ist es eine Frage der Vergrösserung. Als ich auf meiner digitalen "Schweizmobil"-Karte den Spickel heranzoomte, realisierte ich, dass das Berner Territorium kurz vor der Landesgrenze endet bei einem Punkt, wo es eine Drei-Kantone-Grenze gibt. Bern, Jura, Neuenburg treffen dort aufeinander. Seit der Kanton Bern 1979 den Nordjura verlor, aus dem der Kanton Jura entstand, sowie 1994 das Laufental, das sich dem Kanton Basel-Landschaft anschloss – seither ist Bern, das im Ancien Régime alle möglichen Landschaften an sich raffte und in unserer Neuzeit einige wieder hat hergeben müssen, ein Binnenkanton. Der Kanton Jura hat den Berner Grenzanstoss sozusagen geerbt.

Mittwoch, 15. Juni 2022

Die Moostour

In der Combe de Biaufond tragen die Bäume sozusagen Mooskleider.

Ich wusste, dass es im Abstieg von Les Bois nach Biaufond am Doubs, bei Roche de l'Aigle, lange Treppen im Felshang gibt. Und dass es im Aufstieg von Biaufond nach La Ferrière durch die Combe de Biaufond noch mehr Treppen und auch Leitern hat. Auf dieses kleine Abenteuer freute ich mich. Als ich am Montag die Wanderung machte, machte mir etwas anderes mehr Eindruck: das Moos, das in der Combe de Biaufond die Bäume hinaufkriecht und hinabkriecht, von den Ästen hängt, die Felsen umhüllt. Dieses umfassende, saftige, tätige, einpackende, wattierende, wuchernde, ein wenig unheimliche Grün ist das, was mir von meiner Route vom Hochland der Freiberge in die Niederungen des Grenzflusses Doubs und retour am meisten bleiben wird.
Les Bois, Bahnhof – Maison Rouge – Cerneux-Godat – Roche de l'Aigle – Biaufond, Stausee – Combe de Biaufond – Cul des Prés – Combe du Valanvron – La Ferrière, Bahnhof. 4 Stunden, 520 Meter aufwärts, 550 Meter abwärts. 
Roche de l'Aigle: Blick ins Tal des Doubs.
Bei Biaufond ist der Doubs zum See gestaut.

Eine der Treppen in der Combe de Biaufond.

Dienstag, 14. Juni 2022

Das Breithorn-Experiment

1903, Touristen und Touristinnen bei der Jungfraubahn-Station Eigerwand, 
wo ein kleines Restaurant eingerichtet ist. (Foto: Wikicommons)

Da wäre ich auch gern dabei gewesen. Als Getragener natürlich, nicht als Träger. Adolf Guyer-Zeller, der Grossindustrielle aus dem Zürcher Oberland, schafft zu Ende des 19. Jahrhunderts, was einige Vorgänger nicht geschafft haben. Er sichert sich die Konzession zur Erstellung einer Bahnlinie auf die Jungfrau im Berner Oberland. Dass Guyer-Zeller reüssiert, hat nicht zuletzt mit einem Experiment am lebenden Menschen zu tun. Vor ihm sind Unternehmer und Ingenieure am Argument gescheitert, man könne keine Bahn in eine derartige Höhe bauen, die Passagiere und Passagierinnen würden es gar nicht überleben. Guyer-Zeller lanciert deswegen eine Expedition. Am 15. September 1894 lässt er sieben Versuchspersonen im Alter von 10 bis 70 Jahren von je sechs bis acht Trägern auf das Breithorn-Plateau oberhalb Zermatt tragen, auf 3750 Meter über Meer. Die Beteiligten überstehen den komfortablen Ausflug ins Hochalpine bestens. Und so darf Guyer-Zeller die Bahn bauen. Freilich wird sie am Ende nicht bis auf die Jungfrau fahren, sondern nur aufs Jungfraujoch. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Montag, 13. Juni 2022

Vier Stunden Hochgebirge

Wandern auf 3500 Metern geht bestens, wenn der Weg präpariert ist.
In der Mönchsjochhütte muss
man Hüttenfinken tragen.

100 Minuten Gehzeit, je 200 Meter auf- und abwärts: soweit die Zahlen zu unserer Wanderung vom Wochenende. Wenn man auf 3453 Metern über Meer startet, ist das nicht nichts. Und alles beeindruckte, fesselte, faszinierte am Samstag: die Berge rundum, der Schnee, das Eis, die Gletscher, der weite Himmel. Bei Traumwetter wanderten wir vom Bahnhof Jungfraujoch los. Allein waren wir nicht, viele Menschen waren mit uns auf der gewalzten Piste unterwegs. Wobei etliche bald umkehrten, das Atmen wird auf dieser Höhe, sobald es ein wenig aufwärts geht, zum Hecheln, auch leicht schwindlig kann es einem werden. Unsere Belohnung kam mit der Mönchsjochhütte beim Oberen Mönchsjoch, wo wir einkehrten und uns für den Rückweg stärkten – und für den touristischen Parcours auf dem Jungfraujoch, wo es einiges zu sehen gibt von der Aussichtsplattform auf dem Sphinx-Observatorium über die Ausstellung mit dem Berg und seiner Bahn als Thema bis zum in den Gletscher gehauenen Eispalast. Gut vier Stunden verbrachten wir im Hochgebirge. Es waren gut gefüllte Stunden.
Hält das? Die Mönchsjochhütte, 3650 Meter über Meer.

Sonntag, 12. Juni 2022

Jungfraujoch (VS)

In Rot die Grenze zwischen den Kantonen Bern (oben) und Wallis (unten).
Die Bahnlinie zum Jungfraujoch ist als rote Strichellinie eingezeichnet.

Zu den schönsten Dingen, die man im Kanton Bern tun kann, gehört eine Fahrt aufs Jungfraujoch; seit es den neuen Seilbahnzubringer ab Grindelwald-Terminal gibt, geht das schön speditiv. Gestern reisten ich und mein Wandergrüpplein bei prachtvollem Wetter in die Höhe und hatten oben einen tollen Tag; mehr davon morgen oder übermorgen. Was ich erst gestern Abend beim Studium der Karte begriff und verblüfft zur Kenntnis nahm: Der Bahnhof auf dem Jungfraujoch, der als höchster Bahnhof Europas gilt, liegt gar nicht im Kanton Bern, sondern im Kanton Wallis. In der Gemeinde Fieschertal, die vom Betrieb massiv profitiert. Gewusst? Also mir war das neu.
Gestern bei der Station "Eismeer", wo der Zug zum Jungfraujoch für 
fünf Minuten stoppt – man kann aussteigen und durch die Scheibe
den Gletscherhang fotografieren. Das tat auch die Inderin neben mir.