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Mittwoch, 30. Juni 2021

Der Häkchenweiler

Trockengasse oberhalb Intschi, die 
Siedlung ist von den Bäumen in der
Bildmitte rechts praktisch verdeckt.
Bei Intschi schlägt die Reuss einen markanten Bogen nach Osten. Hat der Weiler, der zur Gemeinde Gurtnellen gehört, von daher seinen Namen? Die Forschung vermutet es. Lateinisch uncinus, italienisch uncino: Dies ist das "Häkchen". Ich schlug das nach, nachdem wir am Samstag in Intschi eine Wanderung beendet hatten.

Dienstag, 29. Juni 2021

Simse, Seile, steile Flanken

In der Chelli-Laui.
Schmal waren manche Passagen.
In der Tiefe sahen wir immer wieder mal die Reuss.

Lieblichkeit nach der Gefahr: der Arnisee.
Die Wanderung vom Samstag im Urnerland war, wie ich gestern antönte, wild. Wir nahmen den Rot-Weiss-Weg von Erstfeld über Hoferli, Riedberg und Vorder Arni zum Arnisee. Zwischen Riedberg und Vorder Arni wars schwierig. Die Chelli-Laui erwies sich als brüsk in die Tiefe abfallendes Geröllfeld, die Traversierung war heikel. Der Pfad war stellenweise schmal, Farnfelder verbargen den Grund, manche Passagen waren mit ein, zwei Zentimetern Wasser geflutet, Baumwurzeln und feuchtelnde Steine erforderten konzentriertes Gehen, schmale Simse und Seilpassagen forderten uns. Nun, wir schafften es alle heil zum Arnisee, der uns nach der gefahrvollen Strapaze umso lieblicher vorkam. Im Alpenblick assen wir eine sehr gute Rösti. Ehrensache, dass wir hernach zu Fuss nach Inschi hielten. Dort nahmen wir nicht den nächsten, sondern den übernächsten Bus – im Schäfli stiessen wir an auf unser Abenteuer (5 3/4 Stunden, 1250 Meter aufwärts, 1070 abwärts).
Intschi, das Happy End.

Montag, 28. Juni 2021

Pepe, Nero und der böse Wolf

Pepe und Nero. Oder Nero und Pepe.

Der Anti-Wolf-Zaun.
Sagen wirs neudeutsch: Die Wanderung vom Samstag im Urnerland (Erstfeld - Riedberg - Arnisee - Intschi) war heavy. Mehr davon morgen. Heute möchte ich von zwei Lamas erzählen, die wir beim Hoferli, einer Lichtung hoch über Erstfeld, in einer Weide mit Schafen antrafen. Während wir an diesem aussichtsreichen Ort rasteten, tauchte der Besitzer der Tiere auf, der ebenfalls grad aufgestiegen war. Er erzählte, dass die Lamas Pepe und Nero hiessen und Streunerwölfe von seinen Schafen fernhielten. Lamas könnten zwar nicht ganze Wolfsrudel abschrecken, doch sehr wohl einzelne Wölfe, wie sie her unterwegs seien. Dann wies uns der Schafhalter  auch auf den Zaun hin, den er installiert hatte: Dies sei, sagte er, ein elektrisch ziemlich stark geladener Wolfszaun. Wir staunten über die Sache mit den Lamas und gaben uns gleich danach, während wir weiterzogen, Mühle, den Zaun am Weg nicht zu berühren. 
Blick vom Hoferli auf die Reuss und den Urnersee. Rechts unten unser Startort Erstfeld.

Sonntag, 27. Juni 2021

Eine Stadt, zwei Stiere


Etwas vom ersten, was ich vor wenigen Wochen in Martigny sah, nachdem ich den Bahnhof verlassen hatte, war ein Verkehrskreisel mit einem Minotaurus: einem Mann mit Stierkopf, als Gestalt bekannt aus der Glaubenswelt der alten Griechen. Die Kreisel der Walliser Stadt sind alle mit Kunst ausgestattet. Etwas vom Letzten, was ich in Martigny sah, war ein paar Stunden später wieder ein Stier. In der Bahnhofsunterführung sind in drei Schaukästen archäologische Fundgegenstände ausgestellt, natürlich handelt es sich um Kopien. Der dreigehörnte Stier – das mittlere Horn fehlt – war Teil der keltischen Mythologie, dieses Exemplar wurde 1883 vor Ort ausgegraben. Ein Stier zu Beginn und ein Stier am Ende: So bleibt mir mein Besuch in Martigny in Erinnerung.

Samstag, 26. Juni 2021

Tortenturm

Turmpräsentation am 22. Juni
vor Ort mit Modell. (Youtube)
Mulegns, seit fünf Jahren Teil der Grossgemeinde Surses in ebendiesem Surses, also dem Oberhalbstein, ist ein reizendes Winzigdorf von 17, jawohl 17, Einwohnerinnen und Einwohnern. Nächsten Sommer soll es zu einer ganz besonderen Attraktion kommen: Die ETH Zürich und die örtliche Kulturstiftung Nova Fundaziun Origen wollen einen Turm aufstellen, der vollständig digital gedruckt wurde. Die Tortenform des "Weissen Turms" spielt auf die Zuckerbäcker an, für die der Ort einst berühmt war. Im Turm soll zum Beispiel Theater gespielt, doch auch die Geschichte von Mulegns vorgestellt werden. 3.5 Millionen Franken kostet das Projekt, der Turm aus Beton soll fünf Jahre stehenbleiben. Sofern der Kanton ja sagt – die Baubewilligung steht nämlich noch aus.

Freitag, 25. Juni 2021

Die Gürtelrose – ein Update

Vor kurzem auf dem Kronberg:
Widmer wandert wieder.
Heute vor zwei Monaten begann das Problem. Am Tag nach der Wanderung von Malters nach Luzern tat mir plötzlich die rechte Seite weh, Genick, Schulter, Arm, Hand. Besonders schlimm wars nicht, ich dachte mal an eine Verspannung, mal an einen Tennisarm mit Ausstrahlungen. Nach drei Tagen kam der Ausschlag, die Apothekerin schickte mich zum Arzt, und der diagnostizierte eine Gürtelrose. Hab ich ja schon erzählt – und denke mir, ein Update wäre jetzt vielleicht sinnvoll. Die Gürtelrose im engeren Sinn bin ich längst los, der Ausschlag ist weg. Aber der Schmerz, der bald heftig wurde, der … nun ja, erklären wir ihn zuerst. Vor allem die Hand tat mir über sechs Wochen lang infernalisch weh. Es waren mindestens drei verschiedene, sich überlagernde Beschwerden. Erstens: Die Handfläche kam mir vor, als sei sie mit Salzsäure bepinselt. Zweitens: Die Fingerspitzen surrten, als würden sie samt den Nägeln nächstens explodieren. Drittens: Im Unterarm und in der Hand schalteten sich regelmässig Heizdrähte ein, wie man sie von Autoscheiben kennt. Fiese feine Brennlinien. Das ging blitzschnell und war jenseits von unangenehm. Nachts wachte ich oft mehrmals auf, tigerte durch die Wohnung, kühlte die Hand mit kaltem Wasser, wobei auch der Wasserstrahl mir zusetzte; sogar mein Atem war auf Arm und Hand fast unerträglich. Man nennt es Post-Zoster-Neuralgie, es handelt sich um eine Nervenzellen-Schädigung. Konventionelle Schmerzmittel nützten nicht. Dank dem Medikament Lyrica, Wirkstoff Pregabalin, überstand ich diese Phase aber doch recht gut, Lyrica schnitt mich sozusagen vom Schmerz ab, hoch lebe die Schulmedizin, dachte ich Tag für Tag. Mittlerweile ist der Schmerz auf gefühlte 40 Prozent zurückgegangen, scheint mir allerdings auf dem Niveau zu verharren. Die tägliche Pregabalin-Dosis habe ich halbiert. Heute nun ist Zeit für Neues: Ich habe um acht Uhr einen Termin bei einem Arzt, der TCM praktiziert, traditionelle chinesische Medizin. Mal schauen, was der Mann mit Akupunktur und so ausrichten kann. Wir bleiben dran. Und noch ein Letztes: Wandern kann ich schon seit Wochen wieder. Dafür bin ich dankbar. Es ist für mich der Gradmesser, ob ich krank bin oder nicht.

PS: Kann sein, dass die Coronaimpfung die Gürtelrose auslöste, also das körperintern schlummernde Virus weckte. Kann sein, dass es Stress war, mein neues Buch gab im Finish in kurzer Zeit enorm viel zu tun. Kann aber auch sein, dass es ein leichter Sonnenbrand nach der Wanderung im Luzernischen war. Oder alle drei zusammen.

Donnerstag, 24. Juni 2021

LIechtensteins Aquädukt

Vaduz, die Kathedrale St. Florin.
(Foto: kyselak/Wikicommons)

Gestern fragte ich mich, woher der Name von Vaduz kommt, dem Hauptort Liechtensteins. Nun, ich schlug das nach. Vaduz liegt aus historischer Sicht im rätoromanischen Siedlungsgebiet. Ein alt-rätoromanisches Wort avadutg (das tg wird als deutsches "tsch" ausgesprochen) steckt im Namen, verwandt mit dem lateinischen aquaeductus, Aquädukt. Gemeint sein könnte in diesem Fall ein Wassergraben, ein Mühlkanal oder ähnlich.

Mittwoch, 23. Juni 2021

Ich wanderte geführt

Thunersee und Niesen (rechts der Bildmitte) von einem Hubel über der Alp Tschuggen.

Mundete hervorragend!

Vorgestern war ich im Diemtigtal und nahm dort an einer geführten Wanderung des Naturparks Diemtigtal teil. Startpunkt: die Postauto-Haltestelle bei der Talstation der Wiriehornbahnen. Als erstes hielten wir hinauf zur Chilchflue, Ueli Kammer, diplomierter Wanderleiter, zeigte uns die Pflänzli am Weg von Belladonna bis Nestwurz und erklärte alle Berge am Horizont von Wiriehorn über Mäggisserhorn bis Spillgerten. Von der Chilchflue stiegen wir auf zur Alp Tschuggen, und ich sah den Abendberg direkt vor mir, den ich letztes Jahr von Erlenbach aus erobert hatte. Im Alpbetrieb von Daniel und Marlene Wiedmer stand auf der lauschigen Laube ein Plättli mit Käse und eines mit Fleisch parat, wir schlugen zu, herrlich – und à propos: Diese Wanderung samt Degustation bei Wiedmers kann man, auch ohne Führung, buchen. Im Gespräch mit den Alpleuten erfuhren wir, dass das Diemtigtal geprägt ist von der Milchwirtschaft und also auch Käserei, wohingegen man zum Beispiel im nahen Kandertal eher Mutterkuh-Haltung betreibt und Fleisch produziert. Mit vollem Bauch ging es nach dem Mittagsmahl via Vorders Bergli ins Dorf Diemtigen (hier endet die Alpkäsewanderung offiziell) und weiter hinab zum Bahnhof Oey-Diemtigen. Während ich dort auf dem Perron stand, platschten riesige Tropfen auf den Vorplatz. Der Regen setzte ein.

3 1/2 Stunden, 500 Meter aufwärts, 820 abwärts. 

Das unscheinbare Ding ist eine Orchidee. Nestwurz.

Blindschleiche erkundet Menschenhand.

Dienstag, 22. Juni 2021

Das Einhorn von Moutier

Am Samstag führten wir wandernd zusammen, was bald zusammen sein wird. Sozusagen. Wir gingen vom bernischen Moutier, das zum Kanton Jura wechseln will, über die Hügel und Kämme nach Delémont, dem Hauptort ebendieses Kantons Jura. Die Route (Moutier SBB – Aux Arsattes – Montagne de Moutier – La Combe – Neufchamp – Droit de Folpotat – Les Fougies – Châtillon – Abstecher zum Chêne Millénaire und retour – La Fenatte – Rossemaison – Cras de Courroux – Varnet – Delémont SBB, 6 3/4 Stunden, 990 Meter aufwärts, 1100 abwärts) forderte uns, weil der Tag heiss war; vor allem die letzte Etappe von Châtillon nach Delémont war schweisstreibend. Hier vier Fotos von unserer Unternehmung:

Morgens im Speisewagen, Frühstück "Muntermacher".
Zwischen Moutier und Aux Arsattes: ein Einhorn.
Halbzeit, wir brätlen. Der Ort im Wald ist lauschig.
Vor Châtillon führt der Weg am Ruisseau du Sacy durch vier kurze Tunnels.

Montag, 21. Juni 2021

Il est majestique

Wir waren fasziniert: die "Tausendjährige Eiche" von Châtillon JU.
Spinnen lieben sie auch.
In Châtillon unweit von Delémont erblickten wir am Samstag ein Schild: "chêne millénaire". So eine tausendjährige Eiche will man natürlich sehen. Die Beschilderung war im Folgenden nicht besonders präzis, eine Baustelle (ein Damm gegen die gelegentlichen Attacken des Dorfbaches entsteht) irritierte, doch wir fragten uns durch und fanden den Baum unseres Begehrens. Ob die Chêne des Bosses, die "Beuleneiche", wie sie auch genannt wird, wirklich tausendjährig ist, darf bezweifelt werden. Im Zweiten Weltkrieg bohrten Soldaten sie zwecks Datierung an, kamen aber zu keinem Ergebnis. Nun, alt ist diese Eiche, genauer Stieleiche, auf jeden Fall. Und ihre Masse beeindrucken: 3 Meter Durchmesser, 9 Meter Umfang, 20 Meter Höhe. Auf einer Seite ist sie mit Schindeln verkleidet, um einen Schutz gegen Fäulnis oder Pilze handelt es sich, nehme ich an. Als wir später wieder in den Dorfkern hinabgingen, öffnete sich Fenster um Fenster, immer wieder mal schaute jemand heraus und fragte, ob wir "le chêne“ gefunden hätten. "Ah oui", rief ich, "il est majestique!"
Ein Teil des Stammes ist mit Schindeln verkleidet.

Sonntag, 20. Juni 2021

Kilian und Loredana

Mit diesem Paar war ich grad eben im Appenzellerland unterwegs. Das Foto ist auf der  Haggenbrücke (Ganggelibrogg) aufgenommen, einem fast 100 Meter hohen Steg, der den Rand der Stadt St. Gallen mit der Gemeinde Stein AR verbindet. Kilian und Loredana sind Stars auf der Internet-Plattform tiktok, wo ihre Kürzestfilmli über eine Million Follower haben; es geht meist um ihr Leben zu zweit respektive zu dritt, denn sie haben seit einiger Zeit ein Töchterlein. Hier ein Beispiel. Auch auf Instagram haben die Gründer und Inhaber von saturday.and.sunday ein riesiges Publikum, ihre Themen sind Reisen und Tourimus. Ich traf die beiden, weil sie im Auftrag des Grossbuchhändlers Orell Füssli Videoporträts von vier Schweizer Autorinnen und Autoren anfertigen, ich bin einer der Erwählten. Das Resultat im Drei-Minuten-Format werde ich gern hier zeigen, wenn es vorliegt. Der Dreh mit Kilian und Loredana gefiel mir, die beiden verlangten sich und mir alles ab, während wir von St. Gallen-Haggen via Stein nach Haslen wanderten. So soll es sein, sie sind Profis. Und liebenswerte Leute.

Samstag, 19. Juni 2021

Le Mangonneau


Auf La Bâtiaz in Martigny, siehe Eintrag von gestern, gibt es – eine Schweizer Rarität – mittelalterliche Belagerungs- und Verteidigungsmaschinen zu besichtigen. Wurf- und Schleudergeräte, die ich mir kürzlich anschaute. "Le Mangonneau" ist eines von ihnen. Es schleuderte kugelförmige Geschosse rund 150 Meter weit. Allerdings nur armselige zwei pro Stunde. Hatte also ein Projektil des Mangonneau eingeschlagen, konnte man sich auf der Gegenseite mal 30 Minuten entspannen.

Freitag, 18. Juni 2021

Flucht in die Burg

Martignys Wahrzeichen, das Château de la Bâtiaz. Unten der Blick vom Bergfried auf die Stadt.


Das Interview mit dem Burgenkenner Thomas Bitterli, von dem ich hier vor Tagen erzählt habe, machte mich neugierig. "Gluschtig" darauf, mir ein paar hiesige Befestigungen genauer anzusehen. Unter anderem fuhr ich nach Martigny, ging zur Dranse, folgte ihr flussaufwärts bis zum Pont de Rossettan, stieg steil auf durch die Reben und wanderte im Folgenden wieder nach Norden zum Château de la Bâtiaz, einer gewaltigen, das Bild der Walliser Stadt prägenden Burg. Auf La Bâtiaz machte mir der Blick vom Donjon, dem Bergfried, klar, welches die strategische Absicht hinter dem Bau der Burg im 13. Jahrhundert gewesen war: Sie kontrolliert das Tal der Dranse und damit den Zugang zum Grossen St. Bernhard. Als ich vor der Burg stand, tauchte übrigens ein Heli im Tiefflug auf, der systematisch die nahen Reben mit irgendeiner Substanz besprühte. Wegen des starken Windes geriet ich in den Fallout. Ich floh umgehend ins Innere der Burg. Die dicken Mauern von La Bâtiaz boten mir Schutz.
Der Sprühheli.

Donnerstag, 17. Juni 2021

Ich ging zum Anfang

Stimmungsvoller Ausstellungsraum im Untergeschoss des St. Moritzer Forum
Paracelsus mit Trinkbrunnen und den historischen Brunnenröhren aus Lärchenholz.

Ich trank auch.
Am Dienstag suchte ich den Ort auf, der ganz am Anfang von St Moritz steht. Ich begab mich zur Heilquelle im Ortsteil St. Moritz-Bad. Nun gut, nicht zur Quelle selber. Die liegt unter dem Heilbad. Das Gebäude gleich nebenan, das Forum Paracelsus, war mein Ziel. Es beherbergt im Untergeschoss einen Brunnen, aus dem in dünnen Strahlen das Gesundwasser fliesst, von dem ich natürlich kostete – ein bisschen scharf fand ich es und leicht säuerlich. Im selben Raum bewunderte ich durch eine Glasscheibe die prähistorische Quellfassung, zwei aus Baumstämmen gefertigte Röhren, die 1853 entdeckt und 1907 geborgen worden waren. Sie stammen aus der Bronzezeit, genauer gesagt aus dem Jahr 1411 vor Christus. Auch Schwerter, ein Dolch, eine Nadel aus derselben Epoche, die im einen Baumstamm gefunden wurden, sind zu sehen. Waren es Opfergaben, der Quelle dargebracht als einer heiligen Erscheinung?
Zeitsprung: In der frühen Neuzeit, im 16. Jahrhundert, weilte der Arzt und Naturforscher Paracelsus in St. Moritz. Er lobte die Heilkraft des dortigen Quellwassers und beschrieb die Bresten, gegen die es wirkt. So kam es zum Bade- und Kurbetrieb in St. Moritz, der älter ist als der Wintersport, der den Engadiner Ort später gar weltberühmt machte.
Bronzezeitliche Funde aus der St. Moritzer Quelle.

Mittwoch, 16. Juni 2021

Bewegte Woche

Gestern um 9 Uhr 18: Bergün aus dem Zug.
Verrückt, wie in manchen Wochen alles zusammenkommt. Berufliche Dinge, private Projekte, Verabredungen. Diese Woche nehme ich jeden Tag den Zug. Am Montag traf ich in Bern eine junge polnische Kulturwissenschafterin in der Post-Doc-Phase, die alles übers Wandern, dessen Geschichte und Gegenwart wissen wollte (wir redeten, während wir wanderten). Gestern reiste ich nach St. Moritz, um dort für einen Auftritt an einem Kulturanlass in Pontresina im Herbst zu recherchieren und zu fotografieren (war anstrengend, doch ergiebig). Heute bin ich im Appenzellerland mit einem Video-Film-Team verabredet, das mich im Auftrag von Orell Füssli porträtiert für eine Sommerkampagne (mehr dazu ein andermal). Morgen geht es nach Biel zu einer kleinen Stadtwanderung mit anschliessendem Zmittag (freu, sehr freu). Und am Freitag bin ich an einer geführten Wanderung im Diemtigtal dabei mit Leserinnen und Lesern der "Berner Zeitung" (falls das Wetter hält). Und so weiter. Doch, es läuft was dieser Tage.

Dienstag, 15. Juni 2021

Immer wieder gut: der Kronberg

Die Wartegg und hinten der Alpstein von der Scheidegg aus.
Blick vom Kronberg nach Westen.
Unterhalb Kleinbetten am Wissbach, der AI und AR separiert.
De Chroberg im Rückblick.

Zuerst die Fakten zu unserer samstäglichen Kronberg-Wanderung: Appenzell, Bahnhof – Eischen – Kaubad – Wasserschaffen – Scheidegg – Jakobskapelle – Jakobsquelle – Jakobsalp  – Kronberg – Dorwees – Kleinbetten – Grossbalmen – Hölzli – Herrendürren – Zimmermanns-Lauftegg – Oberhaumösli – Chräg – Feld – Urnäsch, Bahnhof. 6 1/2 Stunden, 1140 Meter aufwärts, 1100 abwärts. Und dann die Gefühle: Wir waren angetan, begeistert, glücklich vom Weg. Hier ein paar Dinge, die gesondert genannt sein müssen:

  • Immer wieder gut, nach der Hälfte des Aufstiegs auf den Kronberg oder ein wenig danach in der "Scheidegg" einzukehren, vor der verblichenen Schindelfassade in der Sonne zu sitzen, den Säntisriegel zu mustern und davor ganz nah den schnurgeraden Kamm der Wartegg.
  • Immer wieder gut auch, auf dem Kronberg einzukehren. Wirtsleute wie die auf dem Napf oder auf dem Chasseral könnten sich ein Beispiel nehmen, wie man in einer Ausflugsbeiz arbeitet, ohne sich gehen zu lassen. Wie man gut kocht. Und das für viele Leute.
  • Das Gebiet westlich des Kronbergs, Nagelfluhzacken noch und noch, ist faszinierend anzuschauen. Der Abstieg nach Kleinbetten und tiefer hinab zum Wissbach, der Inner- und Ausserrhoden trennt, fühlt sich an, als begebe man sich in eine zeitlose Grube. Und der Weg danach via Grossbalmen und Hölzli nach Herrendürren ist einer der schönsten im Appenzellerland. Ein Waldpfad schlängelt sich auf der Höhenlinie durch eine steile Flanke und will nicht enden. Die Bäche, die wir überschritten, waren noch gefüllt mit schmutzigem Lawinenschnee.
  • Auf Kleinbetten trafen wir eine Bauernfamilie, die just an diesem Tag mit dem Vieh zur Alp aufgefahren war. Die Leute sassen am Tisch vor der Hütte. Die Kinder, vier oder fünf, trugen wie die Erwachsenen Tracht. Ein Bub und ein Mädchen übten sich im Schelleschötte, wobei sie die riesigen Glocken nur mit Mühe überhaupt tragen konnten. Das war irgendwie rührend.

Montag, 14. Juni 2021

Ich trank auch

Die Brunnenfassung der Jakobsquelle in der Nagelfluhflanke des Kronbergs.

Viele Male war ich auf dem Kronberg, verpasste es aber stets, die Jakobsquelle zu besuchen, die in der Steilflanke nordöstlich unterhalb des Gipfels liegt und durch einen kleinen Brunnen gefasst wird, der wiederum durch einen unscheinbaren Wanderweg von der Jakobskapelle her erschlossen ist. Es gibt zwei Legenden. Die eine besagt, dass der Apostel Jakob hier seinen Wanderstab in die Luft schleuderte, der bis zum Pilgerort Santiago de Compostela flog. Gemäss der anderen Legende war es umgekehrt, Jakob schleuderte seine zwei Wanderstäbe in Santiago in die Luft, worauf diese sich am Kronberg nah Appenzell in den Boden bohrten - eine Quelle entsprang. Dass der Kronberg am Jakobsweg nach Santiago liegt, geht jedenfalls auf die Quelle und ihre Legende zurück. Die nahe Kapelle respektive ein Vorgängerbau ist schon für 1464 verbürgt, das Volk stieg auf, betete und ging dann zum Wasser, das gegen Schmalbrüstigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Besten helfen soll. Ich trank auch, als wir am Samstag vorbeikamen, schaden kann so etwas nie. Ich bin glücklich, die Jakobsquelle endlich kennengelernt zu haben. 
Die Jakobskapelle kennt jeder, der schon von Osten den Kronberg bestieg.

Sonntag, 13. Juni 2021

Jedem sein Vehikel


Wenn ich frühmorgens um sechs die Zeitung aus dem Briefkasten hole, sehe ich für gewöhnlich die Fahrzeuge zweier Menschen, die beide in meinem Haus wohnen: vorn das Velöli des kleinen Mädchens und hinten das Invalidenmobil der älteren Frau, die nicht mehr gut zu Fuss ist. Und jedesmal muss ich an die antike Geschichte der Sphinx denken, eines Ungeheuers, das vor Theben allen Vorbeikommenden dasselbe Rätsel stellt; wer es nicht lösen kann, wird von ihr getötet. Als Ödipus an der Reihe ist, liefert er die richtige Antwort, worauf die Sphinx sich aus Wut umbringt. Hier das Rätsel, das ziemlich bekannt ist. Wer die Lösung nicht findet, kann sie hier nachschauen.

Also, das Rätsel lautet:

Es ist am Morgen vierfüssig, am Mittag zweifüssig, am Abend dreifüssig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein die Zahl seiner Füsse. Wenn es die meisten Füsse bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder am geringsten.

Samstag, 12. Juni 2021

Whaaat?

Der Titel zum Quiz von "Watson".
Mein neues Buch, also Büechli, namens "Mein Wortschatz" ist jetzt seit 14 Tagen auf dem Markt. Diese Woche erfreute mich die Newsplattform "Watson" mit einer kreativen Reaktion. Journalistin Anna Rothenfluh nahm zehn Wörter aus dem Buch, die nicht aufs erste verständlich sind, und stellte zu jedem Wort vier Antworten bereit. Ein Quiz also. Wer es lösen möchte, voilà der Link – ich wünsche viel Spass.

PS: Heute gehts schon wieder ins Appenzellerland. Dabei war eigentlich geplant gewesen, dass wir im Urnerland wandern. Stellte sich aber heraus, dass es von Zürich Richtung Zentralschweiz eine Bahn-Baustelle gibt mit Ersatzbussen zwischen Thalwil und Zug. Das wollten wir uns nicht antun. Urnerland, wir schauen später mal vorbei.

Freitag, 11. Juni 2021

Bitterli und die Wasserfrage

Mein Burgenartikel. Halt mit Werbung im hinteren Teil.

Für die "Schweizer Familie" führte ich ein Gespräch mit dem Basler Historiker Thomas Bitterli, 69, der nach 25 Jahren als Geschäftsführer des "Schweizerischen Burgenvereins" zurücktritt. Thema? Ja, klar, Burgen! Es geht in dem Interview um Raubritter und die sogenannte Vertikalbewegung des 12. Jahrhunderts, um den Unterschied zwischen Schloss und Burg, aber auch um den Alltag in einer mittelalterlichen Burg. Spezialist Bitterli – er publizierte 1995 den "Schweizer Burgenführer" – spricht schön anschaulich. Man kann das nachlesen, das Heft ist jetzt am Kiosk erhältlich. Auf meine Frage, wie die Burg zu Wasser kam, antwortet Bitterli:

"Man strebte beim Burgbau einen Brunnen an, indem man Richtung Grundwasser bohrte. Doch das führte nicht immer zum Erfolg. Die Alternative zum Brunnen war die Zisterne, wie wir sie heute im Schrebergarten finden. Eine mittelalterliche Burgzisterne, als Hohlraum in den Felsen geschlagen, fasste bis zu 10 000 Liter Wasser. Regenwasser in der Regel. Wo man aus Platzgründen keine oder keine genügend grosse Zisterne einbauen konnte, machte man es wie heute, wo man das Trinkwasser harassweise in Flaschen ins Haus holt. Man schaffte das Wasser in Fässern in die Burg. Heutzutage braucht jede Person 150 bis 180 Liter Wasser pro Tag, zum Trinken, Kochen, Baden, Duschen, für die WC-Spülung, die Geschirr- und die Waschmaschine. Im Mittelalter reichten zwei bis drei Liter Wasser pro Person."

Donnerstag, 10. Juni 2021

Der Duft der Ostschweiz



Ich liebe den zimetflade, weil er ein bisschen altmodisch ist und weil er wohl langsam ausstirbt. Er ist eine bedrohte Spezies, verkörpert den Artenschwund im Süsswarensektor. Gestern hatte ich wieder einmal ein Stück dieser Appenzeller und Toggenburger Spezialität, die auch im "Kulinarischen Erbe der Schweiz" erfasst ist. Das war zuhause bei meiner Mutter, die in Hundwil im Hirschen Brot und Backwaren kauft, einer Ablage der Bäckerei-Konditorei Mühle etwas ausserhalb des Dorfes. Beim Zimtfladen handelt es sich um einen runden Gewürzkuchen, den man recht lange aufbewahren kann, da er von Anfang an ein bisschen trocken ist. Nötigenfalls streiche ich ein wenig Butter auf. Gestern brauchte ich das nicht zu tun, unser Exemplar war frisch. Und duftete fein. Nach Kindheit und nach Ostschweiz.

Mittwoch, 9. Juni 2021

Mondlichtwandern

In der Schweizer Wandernacht läuft einiges. In 
Blau die Orte mit geführten Wanderungen.

Die Nacht vom 26. auf  den 27. Juni ist wieder einmal die Schweizer Wandernacht. Der Anlass unter Obhut der Schweizer Wanderwege ist doch schon 15 Jahre alt, hat also bereits ein klein wenig Tradition. Veranstalter an vielen Orten der Schweiz bieten eine geführte Nachtwanderung an, insgesamt sind es 79 Anlässe. Wer findet, er wolle nicht im Dunkeln tappen, dem sei mitgeteilt, dass am 24. Juni Vollmond ist. Zwei Tage später wird der Mond auch noch hübsch erhellend wirken.

Dienstag, 8. Juni 2021

Als der Delphin sank

In einer Dezembernacht des Jahres 1850 stürmt es am Walensee, der damals Teil einer wichtigen Handelsroute ist. Der Dampfer "Delphin" sinkt mit 13 Menschen an Bord, unter den Toten sind unter anderem zwei Seidenindustrielle aus der Lombardei, die Gattin eines Bündner Grubenmeisters, ein ehemaliger Söldner mit seinem Sohn und die ganze Schiffsbesatzung von Steuermann bis Heizer. Der Glarner Schriftsteller Emil Zopfi hat das Unglück rekonstruiert und erzählt es in Form eines realitätsnahen Romans nach – gestern las ich die Ankündigung zur Neuerscheinung "Der Untergang des Delphin" und stellte fest, dass ich von dieser historischen Schiffskatastrophe bis anhin nichts gewusst hatte.