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Samstag, 31. Dezember 2022

Tagträume



Ich mache das gern und regelmässig: durch ein Stadtquartier mit schönen Häusern gehen und mir vorstellen, wie es wäre, reich zu sein und mir eine schmucke Villa zu kaufen und dann etwas Schönes mit ihr zu machen. Nicht nur in ihr zu wohnen, sondern in ihr auch irgendein Projekt anzusiedeln. Etwas Sinnvolles und Nützliches. In meinem Leben wird das wohl nichts mehr, ausser ich gewinne sehr, sehr viel Geld im Lotto, das ich ja aber nicht spiele. Träumen macht jedenfalls Freude, wie ich kürzlich wieder einmal feststellte, als ich in Zürich vom Hegibachplatz hinab ins Seefeldquartier ging und, siehe Foto, etliche Gebäude passierte, die mich inspirierten. Nun wünsche ich allen ein frohes neues Jahr. Und gute Träume aller Art – ob sie nun wahr werden oder nicht.

Freitag, 30. Dezember 2022

Ein Ungar in Burgdorf


Johann Hunyadi war ein ungarischer Heerführer des späten Mittelalters, der als Archetyp des christlichen Ritters in mehreren Schlachten gegen das türkische Osmanenreich kämpfte. In Ungarn hat er heutzutage den Status eines Nationalhelden. Doch wie kommt es, dass es in Burgdorfs Innenstadt, wie ich diese Woche sah, eine nach Hunyadi benannte Gasse gibt? Nun, offenbar war es ein in Burgdorf lebender ungarisch-schweizerischer Ingenieur, der um 1900 die Benennung erwirkte. Zuvor war der Weg über die Spitalmatte namenlos gewesen. Auf dem Strassenschild sticht das Wort "Freiheitskämpfer" ins Auge. Es schweizert den Ungarn ein. Macht den adeligen Burgherrn aus dem Osten zum Bruder des Urner Bauern Wilhelm Tell.

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Die drei Silvias

Ein bisschen "Mona Lisa" ist da schon drin, oder?
Das "Museum Franz Gertsch" wurde 2002 gebaut,
später kam ein Erweiterungsbau hinzu.
Wenn ich vor einem Werk des Berners Franz Gertsch stehe, fasziniert es mich jedesmal, wie sich dieses beim Nähertreten aus einer vermeintlichen Fotografie in ein Gemälde verwandelt, in ein Meer aus einzelnen Tupfen und Strichen – mir ist die Akribie und Raffinesse fast unheimlich, die da waltet. Gestern besuchte ich das Franz Gertsch Museum in Burgdorf, der Tod des Malers Tage zuvor hatte mich motiviert. Zum 20. Jahrestag der Eröffnung des formidablen Hauses ist Gertsch eine Ausstellung gewidmet, "Kaleidoskop"; die Sammlung wurde zu diesem Anlass ergänzt mit Bildern von auswärts. Besonders gefiel mir die Zusammenführung der drei grossen "Silvia"-Gemälde, das erste ist immer in Burgdorf zu sehen, die zwei anderen kommen von auswärts, aus Kleve in Deutschland und aus Zürich. Ich konnte mich kaum lösen von diesen Frauenporträts, die wirken wie aus der Renaissance ("Mona Lisa") in die Moderne hinübergebeamt.
Das Herbstbild aus Gertschs Vier-Jahreszeiten-Zyklus
einmal aus der Distanz und einmal aus der Nähe.

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Wanderung zur Wurst


Bahnhof Killwangen-Spreitenbach – Oberi Halde – Heitersberg – Rinderacher – Egelsee – Seematte – Waldhof – Hasenberg – Bahnhof Berikon-Widen: dies unsere Weihnachtsroute am Stephanstag, Gehzeit dreieinhalb Stunden. Eigentlich hatten wir mit Bremgarten ein anderes Ziel im Auge gehabt und wären länger unterwegs gewesen, doch setzte in der Gegend des Hasenbergs heftig der Regen ein. Wir brachen daher vorzeitig ab. Höhepunkte hatte die Wanderung auch so genug, hier vier – abgesehen natürlich vom wundervollen Föhnfenster, das ich gestern erwähnte:

  • Wir reisten mit der neuen Limmattalbahn vom Bahnhof Altstetten zu unserem Startpunkt. Für die anderen im Grüppli war die Fahrt eine Premiere, für mich wars das zweite Mal. Und alle waren wir angetan, man erlebt das Limmattal mit der neuen Linie intensiver als bisher. Das Spital Limmattal zum Beispiel hatte ich bis anhin nie wahrgenommen.
  • Der Egelsee, seines Zeichens der grösste Aargauer Natursee, liegt schmal und still unter der Heitersbergkrete, sein Südteil ist verlandet und eine Riedfläche. Ob auf dem Seegrund tatsächlich eine Ritterburg steht, wie es in der Sage heisst, konnten wir nicht ausmachen.
  • Der Hasenbergturm, letztes Jahr eröffnet, war für uns eine Entdeckung. Die 210 Treppenstufen zur Plattform auf 36 Metern – das war schon fast eine kleine Bergwanderung. Oben wartete eine grandiose Aussicht. Wir arbeiteten uns am Panorama ab, es gibt Gipfel, die sehen aus jedem Winkel anders aus. Besonderes irritierten uns die beiden Mythen, sie sahen kurios kompakt aus. Wie von einer Presse zusammengedrückt.
  • Am Ende bewirtete uns B. in ihrer Wohnung in Zürich-Wiedikon. Dort gabs, nicht zum ersten Mal, die heissgeliebten Wiedikerli. Wer die schmalen langen Schweinsbratwürstli nicht kennt, hat etwas verpasst, "Gault & Millau" spricht von einer "Kult-Wurst". Wir tranken reichlich Rotwein dazu, und so endete unsere Stephanswanderung mit einem gemütlichen Gelage.
    Bekam gestern Mittag mehr Fotos zum erwähnten Föhnfenster, sie stammen alle von Ronja. 

Dienstag, 27. Dezember 2022

Das Fenster


Meinem Grüppli und mir wurde gestern Vormittag in der Gegend des Heitersberges und Hasenberges, Kanton Aargau, ein besonders schönes Weihnachtsgeschenk zuteil, das mein Foto freilich nur unzulänglich wiedergeben kann. Ein Föhnfenster leuchtete im verdunkelten Himmel zartorange, die Bergzacken darin wie im Scherenschnitt aufgereiht vom Säntis über den Mürtschenstock, den Pilatus und die Rigi bis zu den Berner Alpen. Wir genossen, wir staunten. Schliesslich kam dann gegen den Mutschellenpass zu von Westen her doch der Regen, das Fenster schloss sich. Was uns nicht wirklich schmerzte, denn wir hatten ausgiebig geschaut. – Mehr von der Route morgen.

Montag, 26. Dezember 2022

Zu Tode gemäht

Ueli an der ungewohnten
Sense: Madiswiler Wappen.
  (Wikicommons)
Madiswil im Oberaargau wird "Linksmähderdorf" genannt. Das hat mit einer Sage zu tun, gemäss der dort einst ein Bursche namens Ueli lebte. Er verliebte sich in das Vreneli, die Tochter eines reichen Bauern. Der Vater wollte die Hochzeit nur erlauben unter einer Bedingung: Ueli, der Rechtshänder, musste mit der Linkshändersense ein Riesenkreuz in eine Wiese mähen. Ueli schaffte es, brach am Ende aber vor Anstrengung tot zusammen – er hatte sich sozusagen zu Tode gemäht. Im Wappen von Madiswil ist er verewigt, auch hat der Ort einen "Linksmähderpfad" und eine Dorfzeitung namens "Der Linksmähder". Und: Es gibt dort eine "Spielgemeinde", die das Theaterstück des Lehrers Heinz Künzi aufführt, das die traurige Liebesgeschichte erzählt. Und zwar alle zehn Jahre, denn laut einer juristischen Klausel kann Madiswil nur so das Aufführungsrecht behalten. Was es nicht alles gibt in diesem Land.

Sonntag, 25. Dezember 2022

Appenzellerland und Aargau

Habe die Nacht in meinem alten Kinderzimmer im Elternhaus verbracht, in Stein im Appenzellerland. Heiligabend mit der Familie ist vorbei, heute Mittag gibts ein Restaurantessen im Nachbardorf, hernach reise ich retour nach Zollikerberg, wo ich wohne. Und am Stephanstag, da wird wieder gewandert. Im Aargau. Nun entschuldige ich mich dafür, wenn dieser Eintrag allenfalls seltsam aussieht, ich blogge per App auf dem Smartphone, das hapert technisch, ich kann zum Beispiel die Schriftart nicht bestimmen. Daher halte ich mich auch kurz. Weiterhin schöne Weihnachten wünsche ich.


Samstag, 24. Dezember 2022

Ein Elsässer im Oberaargau

Vorspeise, Hausfassade, Weiher, Lebkuchenhüsli im Entrée.

Das Bürgisweyerbad liegt an der Strasse von Madiswil nach Melchnau. Im Oberaargau also. Im 14. Jahrhundert wird es erwähnt als "gliederstärkender Kurort". 1507 erwirbt die Stadt Burgdorf das Anwesen und bewilligt ein gutes Jahrhundert später mitten im Dreissigjährigen Krieg eine Wirtschaft. Sie gibt es bis heute, ohne Badebetrieb freilich. Das Ehepaar André und Sonja Schreiber-Kohler, er Elsässer, sie Aargauerin, wirkt hier seit 1994 mit Können und mit Liebe zum Detail. Die Küche ist klassisch-französisch und doch modern, es gibt ein Vegan-Menü, dessen Gänge entsprechend mit Fleisch ergänzt werden können. Letzten Dienstag, unterwegs von Langenthal nach Rohrbach, kehrten wir für den Zmittag ein und fanden alles impeccable von den Schnecken bis zum Tessiner Merlot. Erwähnt gehört das Ambiente, der Teich zum Beispiel, auf dem eine Entenschar in jenem Abschnitt, der nicht gefroren war, ihre Runden drehte. Das Bürgisweyerbad: eine Entdeckung. Womöglich die letzte des zu Ende gehenden Wanderjahres.

P.S. Ich wünsche allen eine frohe Weihnacht.

Freitag, 23. Dezember 2022

Lob des letzten Drittels

Der Hochwachtturm bei Madiswil. Er ist aus Beton und ersetzte 1911 ein
Holzmodell. Im Zweiten Weltkrieg nutzte ihn die Armee zur Fliegerbeobachtung.
Oben waren wir am Dienstag nicht, wir hätten ja nichts gesehen. Linkerhand
das Gebäude einer Sommerwirtschaft, des "Waldhauses Hochwacht".
Kurz nach dem Bürgisweyerbad geht man durch einen Hohlweg.

Die ersten zwei Drittel der dreieinhalbstündigen Wanderung im Oberaargau von Langenthal via Hambüel, Rappechopf, Bürgisweyerbad, Ghürn, Hochwacht, Kopf und Titti nach Rohrbach waren schön. Wobei, das letzte Drittel war noch ein bisschen schöner. Der Nebel verzog sich, der Himmel wechselte von Grau auf Blau, sogar die Sonne geruhte kurz vor ihrem Untergang noch zu erscheinen, nachdem es in den vorhergegangenen Stunden immer wieder mal ein wenig geregnet hatte. Im Übrigen muss ich die Unternehmung vom Dienstag als eine der dreckigsten der letzten Monate bezeichnen, allenthalben waren die Wege, nachdem der Schnee geschmolzen war, aufgeweicht und matschig mit reichlich eingestreuten Pfützen. Aber noch einmal, die Wanderung war schön als ganze, wir gingen die meiste Zeit durch den stillen Wald, mochten das tolkineske Moos, gsprächleten mit den wenigen Menschen am Weg. Zum Beispiel war da ein Mann mit einem Königspudel. Beide kamen mir schräg vor. Der Hund durch seine lustige Kopfform (hab leider kein Bild). Und sein Besitzer durch seinen Zürichdialekt. Mitten im Berner Bauernterrain ist so etwas exotisch.
Blauer Himmel ist halt schon etwas Schönes: kurz vor Rohrbach.

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Der Zoo von Trogen

Meine Quelle für diesen Blogeintrag.
Gross war der zoologische Garten in Trogen nicht. Doch war er einer der ersten im Land. Johann Georg Schläpfer, 1797-1835, Spross einer wohlhabenden Leinwandhandelsfamilie, war Arzt, erwarb sich Ruhm als Naturforscher, baute ein umfangreiches Naturalienkabinett auf. Der Zoo war sozusagen ein Nebenprodukt. Doch gab es in ihm, lese ich in einem opulent bebilderten Aufsatz im "Appenzellischen Jahrbuch", Ausgabe 2022, aller Gattung Tiere vom Dachs über den Turmfalken und Uhu bis zur Griechischen Landschildkröte. Auch ein "Cameel" sowie diverse Affenarten soll Schläpfer gezeigt haben, oft erwarb er seine Tiere auf Reisen und besorgte sich zum Beispiel bei einem Strassenhändler in Venedig eine Grüne Meerkatze. Wie gut hatten es die Tiere in dem Zoo? Ein Satz aus dem Nachruf lässt Übles vermuten: "Schade nur, dass die Beobachtungen, die er mit lebenden Thieren anstellte, nicht immer inner den Grenzen menschlicher Behandlung blieben."

Mittwoch, 21. Dezember 2022

Die 1300-Meter-Klage

Thailändische Kinder auf dem Weg in die Schule.
(Foto: Anthony Hartman / Wikicommons)
Ich kann mich an den Weg zur Schule in Stein im Appenzellerland bestens erinnern. Vom Ortsteil Schachen ging es durch die Wiese steil aufwärts zum Wasserreservoir und an diesem vorbei hinab zum Schulhaus Langenegg, gut eine Viertelstunde brauchte ich. Einmal in meinen ersten Monaten als Erstklässler lag dichter Nebel, und ich hatte grosse Angst, als plötzlich eine Kuh vor mir auftauchte, die mir riesenhaft vorkam. Ich rannte und rannte. Das kam mir wieder in den Sinn, als ich diese Woche in den zwei grossen Zürcher Tageszeitungen die Berichterstattung über einen Fall aus dem Verwaltungsgericht Zürich las. In zweiter Instanz behandelte dieses die Beschwerde von Eltern aus Wädenswil, deren sechseinhalbjährige Tochter einen Schulweg von 1,3 Kilometern hat. Zu lang, fanden die Eltern, dies umso mehr, als auch eine Höhendifferenz von 49 Metern zu bewältigen sei. Machbar, befand das Gericht. So dass das Kind weiter in dieselbe Schule zotteln wird mit nicht wahnsinnig viel Zeit fürs Mittagessen zuhause. Was soll ich von der Sache halten? Sicher schadet dem Meetli die tägliche Kleinwanderung nicht. Auch hege ich den Verdacht, dass es den Eltern um anderes geht, sie hatten sich nämlich gleichzeitig beklagt, dass ihre Tochter in eine Klasse eingeteilt sei mit fast nur Migrantenkindern. In einem nähergelegenen Schulhaus wäre die Zusammensetzung der ersten Klasse ausgewogener, so die Eltern. Aha. Schlusssatz der weisen NZZ über das Mädchen und seinen Schulweg: "Vielleicht hat es unterwegs schon neue Freundschaften geschlossen."

Dienstag, 20. Dezember 2022

Und es war Winter

30 Minuten nach Wanderstart in Safenwil.
Die Plastikkuh von Aarau. Kitsch hin oder
her, im Winter tut Knallrot dem Auge gut.
Sauerkraut, mit Käse überbacken und
hübsch garniert, im "Mürset". 
Jetzt beginnt das grosse Tauen, an Heiligabend soll es im Mittelland 12 Grad warm werden. Letzten Samstag aber, als mein Wandergrüppli und ich von Safenwil über die Hügel nach Aarau zogen, regierte der Winter uneingeschränkt: Schnee auf den Tannenzweigen, gefrorene Weiher, eisverkrustete Waldpfade. Ich kann die Route von knapp drei Stunden nur empfehlen, unterwegs ist praktisch nichts zu merken von der Geschäftigkeit und Lärmigkeit des Mittellandes, alles ist still, grossteils geht man im Wald. Bei einer Jagdhütte servierte C. ihren selbstgemachten, längst legendären Ingwerer, einen Trunk aus Ingwer, Wodka und Zitronensaft, der Tote erwecken kann – das tat gut. In Aarau war dann um 15 Uhr nicht Schluss, wie die wissen, die den Eintrag von gestern gelesen haben. Dies war unser Weihnachtstag. Mit Spezialprogramm. Wir wärmten uns im Bahnhof kurz auf, trafen alsbald Claude Longchamp. Der bescherte uns eine fantastische Führung durch die Stadt, die 1798 kurz mal die Hauptstadt der Helvetischen Republik gewesen war. In der "90 Grad Bar" gabs anschliessend einen Apéro, es folgte das festliche Nachtessen in der Brasserie Mürset unten im Schachenquartier. Auf dem Rückweg zum Bahnhof dachte ich: Ja, jetzt sind wir mitten im Winter. Nun, ab heute schlägt der Herbst zurück.

Montag, 19. Dezember 2022

Aarau mit Claude

An einem der Fenster des Aarauer Rathauses stand im April 1798 Peter Ochs.
Warum trat er nicht hinaus auf den Balkon? Weil es den damals noch nicht gab.
Claude vor der Alten Kantonsschule Aarau
von 1802, die er selber besucht hat.
Aus dem Fenster des Rathauses zu Aarau ruft der Jurist und Politiker Peter Ochs am 12. April 1798 die Helvetische Republik aus, deren Verfassung er selber geschrieben hat. Aarau wird Hauptstadt. Freilich wird sich besagte Republik, ein Implantat des revolutionären Frankreich, bloss fünf Jahre halten. Und Aarau bleibt nur ein halbes Jahr lang Hauptstadt, es ist schlicht zu klein, um die Unmengen französischer Militärs und Funktionäre beherbergen zu können, die ins Land strömen. Am Samtag besuchten mein Wandergrüpplein und ich in Aarau die Schauplätze von 1798. Nun, wir taten es nicht auf eigene Faust, sondern folgten Claude Longchamp. Der führt sozusagen ein Doppelleben. Bekannt ist er von Jahrzehnten der Fernsehpräsenz, Claude ist Experte für die Vorgänge und Hintergründe der direkten Demokratie und war im Schweizer Fernsehen insbesondere zu sehen, wenn wieder mal Wahlen und Abstimmungen anstanden. Also praktisch permanent. Mittlerweile, mit 65, tritt er kürzer, ist zwar immer noch als Politologe aktiv, frönt daneben aber ausgiebig seiner zweiten Leidenschaft, der Geschichte. Claude, der studierte Historiker, macht Führungen in diversen Städten der Schweiz und Frankreichs – und wie wir in Aarau feststellten, tut er das mit Verve. Wir lernten viel, während wir uns mit ihm durch die Weihnachtsshopperinnen und -shopper kämpften. Wir entdeckten faszinierende Häuser. Hörten von architektonischen Visionen und Würfen. Und lernten Figuren kennen wie Franziska Romana von Hallwil, die in jener turbulenten Epoche mit der gemeinen Bürgerschaft um den Freiheitsbaum tanzte und ihren Adelstitel ablegte. Aarau mit Claude: ein Historiespektakel.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Eiszeit in Olten

In der Oltner Ausstellung fotografiert: ein Moschusochse.
Ihn gab es schon in der Eiszeit. Ein bei Olten gefundener
Halswirbel beweist, dass er auch hierzulande heimisch war.

Ein namenloser Lokalgletscher hobelte den Felskessel des Creux du Van im Kanton Neuenburg aus. Der Linth-Rhein-Gletscher schuf die kecken Drumlinspitzen um Neuheim im Kanton Zug. Und der Mont-Blanc-Gletscher trug einen Findling nach Attiswil im Kanton Bern, den Menschen später aufrichteten; ob sie den "Freistein", wie sie ihn nannten, kultisch verehrten, wissen wir nicht. Wer sich für das Wirken der Gletscher interessiert, die unser Land prägten wie keine andere Kraft, sie modellierten, sie mit Findlingen übersäten und mit Seen versahen, ist mit der Ausstellung "Eiszeit" im Naturmuseum Olten bestens bedient. Ich besuchte sie am Dienstag und mochte zum Beispiel die vielen Landschaftsfotos. Sehr passend war das Wetter, ich war am kältesten Tag der Woche bei Minustemperaturen angereist – Eiszeit am Jurasüdfuss.

Samstag, 17. Dezember 2022

Daumen hoch am Gantrisch

Im Gantrischgebiet ist schön wandern.
Im Bild der Obere Gurnigel (links).

Das Angebot an Buskursen im Gantrischgebiet ist bescheiden. Diese Woche stellte der "Naturpark Gantrisch" Neues vor, das für uns Wanderer und Wanderinnen interessant ist. An acht Standorten an der Strasse, die Schwarzenburg via den Gurnigelpass mit Riggisberg verbindet, wurden grüne Tafeln aufgestellt. Es sind Punkte, an denen Leute sich platzieren können, die gern von einem Auto mitgenommen würden. Wer weiss, vielleicht trauen sich mehr Leute, den Daumen hochzuhalten, wenn das sozusagen eine anerkannte Handlung ist. Und wer weiss, vielleicht halten mehr Autofahrer und Autofahrerinnen an, weil sie sich im Voraus überlegt haben, es zu tun. Falls da jemand am Strassenrand steht.

Freitag, 16. Dezember 2022

Freiburger Welle

Also ein typisches Surfgewässer ist der Greyerzersee nicht.

Das Projekt "Goya Onda" sieht am Ufer des Greyerzersees bei Morlon im Kanton Freiburg eine grosse touristische Anlage vor mit Hotel, Restaurant, Sportanlagen, Fischzucht, Amphibienbecken. Und mit einer künstlichen Surfwelle. Die Initianten werben mit der Freiburger Freestyle-Ski-Olympiasiegerin Mathilde Gremaud als Patin und Sympathieträgerin. Gegnerinnen und Gegner wiederum haben haben über 9300 Unterschriften gesammelt und, wie ich gestern las, beim Kanton eingereicht. Die Welle würde das Seeufer zerstören und der Artenvielfalt zusetzen, sagen sie und wollen mit ihrem Volksbegehren den Schutz des 1948 aufgestauten Greyerzersees in der Verfassung verankern.

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Der Phallus von Dietikon

Hier gabs einen antiken Gutshof: Rest einer römischen Mauer beim Bahnhof Dietikon.

Dietikon geht auf die Römer zurück, im heutigen Stadtzentrum stand einst ein riesiger Gutshof. Viel ist von ihm nicht geblieben, immerhin ist am Bahnhof bei der Haltestelle der neuen Limmattalbahn der Rest einer Mauer zu besichtigen. Auf der Infotafel daneben erblickte ich Amüsantes. Das Foto einer winzigen Bronzestatue, gut fünf Zentimeter hoch. Sie zeigt einen Mann mit einem Phallus auf dem kahlen Schädel. Der Penis sei im alten Rom ein Glückssymbol gewesen, so die Infotafel. Als ich anschliessend das Ortsmuseum besuchte, sah ich die Bronzestatue in einer Vitrine. Sie gilt als archäologische Rarität. Der Kopf war vermutlich auf ein Holzjoch montiert, das zum Anschirren von Pferden vor dem Wagen diente.
Dieselbe Dietiker Bronzestatue im Ortsmuseum (l.) und als
Abbildung auf der Infotafel bei der römischen Mauer am Bahnhof.

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Bankier + Posthalter = Museum

Rokoko bedeutet Verfeinerung des Barock. Luftigkeit statt Schwere.
Ofenkachel von 1773 im Dietiker Ortsmuseum.
Das Museum von aussen.
Am Sonntag legte ich, unterwegs mit der neuen Limmattalbahn, in Dietikon einen Halt ein und ging ins Ortsmuseum. Gefiel mir gut. Ich sah Rokoko-Ofenkacheln, Fotos von Schulklassen der 1930er-Jahre, Pläne für die militärische Befestigung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Einquartiert ist das Museum in der Villa Strohmeier, die der Bankier Walter Strohmeier-Schefold 1927 für sich und seine Familie bauen liess; seit 1969 gehört das neoklassizistische Gebäude der Stadt. Die Sammlung wiederum geht zurück auf den Posthalter Karl Held, der 1968 verstarb. Als passionierter Freizeit-Archäologe erforschte er beharrlich die Vergangenheit von Dietikon.

Dienstag, 13. Dezember 2022

Wo ist die Wendeschleife?

Bei der Endstation am Bahnhof Killwangen-Spreitenbach AG.

Die Vorstädte und Vorortgemeinden wachsen und wachsen, der öffentliche Verkehr ist gefordert, Lösungen für neue Siedlungsgebiete zu liefern. Im Norden der Stadt Zürich gibt es seit mehr als zehn Jahren die Glattalbahn, die tangential funktioniert, indem sie die grossen Achsen schneidet, die wie in einem Spinnennetz ins Stadtzentrum führen (danke für den Vergleich, liebe NZZ). Seit dem Fahrplanwechsel am Wochenende gibt es nun eine zweite Stadtbahn, die Limmattalbahn Richtung Westen, die freilich nicht rechtwinklig zu den wesentlichen Ein- und Ausfallachsen Zürichs verkehrt, sondern parallel. Bereits bin ich mit ihr gefahren, 13,5 Kilometer lang ist die Strecke vom Bahnhof Zürich-Altstetten zum Bahnhof Killwangen-Spreitenbach, es gibt 27 Haltestellen, unterwegs realisierte ich bei Haltestellen wie "Spital Limmattal" und "Shoppi Tivoli", wie viel mehr die neue Linie Nr. 20, verglichen mit der S-Bahn, an Feinerschliessung leistet. 755 Millionen Franken hat sie gekostet und soll 2024 auch massgeblich helfen, Besucherinnen und Besucher zur Grossausstellung "Phänomena" in Dietikon (Haltestelle "Niderfeld") zu führen. Ah ja, noch diese zwei Dinge: Die Limmattalbahn funktioniert kantonsübergreifend, fährt auf Zürcher und Aargauer Boden. Und: Wendeschleifen sucht man an beiden Endstationen vergeblich. Die Tramkompositionen von "Stadler Rail" haben kein vorn und hinten, jede besitzt zwei Führerstände.

Montag, 12. Dezember 2022

Der lange Weg zum Cheminée

Auf dem Lorenchopfturm.
Der Winter ist nun einmal unfarbig.
Das Cheminée.
Das war am Samstag unsere erste Winterwanderung. Sie spielte sich im Vorortgürtel der Stadt Zürich ab, war gleichzeitig ziemlich ländlich. Wir durchquerten auf dem Weg von Zollikerberg via Sennhof, Binz, Lorenchopf, Hinteradlisberg, Zoo Zürich, Klösterli nach Schwamendingen ausgedehnte Waldflächen. Und sahen wenig, es schneite, der Himmel war grau. Die Weite, anders gesagt, war uns verwehrt. Aber die Nähe, die war schön mit schneebeladenen Tannenzweigen und Tierspuren am Boden. Den Aussichtsturm auf dem Lorenchopf erstiegen wir eher aus Prinzip als in der Hoffnung, von oben etwas zu sehen. Nach drei Stunden in der wundervoll eintönigen Landschaft erreichten wir dann unser Ziel. Nämlich das Restaurant Ziegelhütte am Rand von Schwamendingen, wo Fleischfreaks und Vegetarier gleichermassen auf die Rechnung kommen. Nun, fünf von uns sechs entschieden sich für den Cheeseburger. Der war ebenso herrlich wie die Wärme, die durch das Cheminéefenster hinter uns drang. Der Winter kann vollends einziehen, wir haben uns schon wieder mit ihm angefreundet.

Sonntag, 11. Dezember 2022

Morchelkrimi

Nein, das sind keine Lorcheln, das sind Morcheln.
(Foto: Bob/Bobzimmer / Wikicommons)

Es gibt die Morchel. Und es gibt die "falsche Morchel", so der Beiname der "Giftlorchel". Wer statt des Speisepilzes das ähnlich aussehende, ebenfalls fein schmeckende, doch leider giftige Gewächs verzehrt, dem gehts schlecht. Gestern las ich im Tagi zum Thema einen Artikel, der wie ein Krimi klang. Im 200-Einwohner-Dorf Montchavin in Savoyen wurde über die Jahre auffallend oft die sehr seltene Nervenkrankheit ALS diagnostiziert, zwischen 1990 und 2018 traten im Ort mindestens 14 Fälle auf. Ein Heilmittel gegen die Krankheit, die in Gehirn und Rückenmark die Nervenzellen absterben lässt, gibt es nicht, wer sie hat, stirbt daran. Lange Jahre war es ein Rätsel, wieso es in Montchavin zu einer Häufung von ALS kam  – bis ein Neurologe an einem Wissenschaftskongress in Amerika die Vermutung äusserte, es könnten falsche Morcheln gewesen sein. In der Tat zeigte sich, dass in Montchavin manche Leute Pilze gesammelt und gegessen hatten. Fatalerweise äusserst unbekömmliche.

Samstag, 10. Dezember 2022

Über die Aare gondeln

Die Aaregondel vor der Stadt Solothurn
und der Weissensteinkette. (Visualisierung: IG Aaregondel)

Wenn im ÖV Neues vorgeschlagen wird, finde ich das in der Regel zunächst mal gut. In diesem Sinn gefällt mir die Idee einer Gondelbahn, die vom Bahnhof Solothurn aus über die Aare via eine Mittelstation in Zuchwil zum Uferpark Attisholz verkehren würde. Bis zu 2000 Menschen pro Stunde würde die "Aaregondel" befördern, 11 Minuten betrüge die Fahrzeit bei einer Streckenlänge von 3,2 Kilometern. Von einer "direkten Erschliessungsachse zu den grossen Aktions- und Entwicklungsfeldern im Osten der Stadt Solothurn" spricht die Interessengemeinschaft, die das Projekt entworfen hat; diese Woche gab sie bekannt, dass sie mittlerweile, unter anderem mit Crowd Funding, das nötige Geld für eine Machbarkeitsstudie gesammelt hat. Ich bin gespannt, wies weitergeht. Und finde die Idee zunächst mal gut.

Freitag, 9. Dezember 2022

Das federleichte Feuilleté


War das am Dienstag eine Wanderung? Im Mittelpunkt stand ein Restaurant. Wobei wir immerhin vor dem Essen eine knappe Stunde gingen und nach dem Essen 40 Minuten; hinauf nahmen wir den Weg von Lengnau, hinab gings nach Grenchen. Das "Chappeli" 150 Höhenmeter über Grenchen am Hang der ersten Jurakrete heisst so, weil gleich daneben eine alte Kapelle steht; das  Restaurant, bekannt für seine exzellente Küche, ist bodenständig geblieben, der Empfang war warm, das Servicepersonal freundlich, die Gaststube völlig unsnobby. Und als wir da so sassen, kamen grad die Kinder der Wirtsleute von der Schule und stoben vorbei. Das war sympa. Was mein Feuilleté mit Fleisch vom Aubrac-Kalb angeht – unglaublich fein war es, ich würde vom Pastetli meines Lebens sprechen. Das Blätterteigkissen war so federleicht, dass ich fürchtete, es würde mir zur Decke entschweben. 

Donnerstag, 8. Dezember 2022

2500 Mal auf die Baarburg

Meine Reportage über Guido Stefani
in der neuen "Schweizer Familie".

In den letzten Monaten war ich gleich zwei Mal auf der Baarburg, dem Hausberg von Baar im Zugerland. Beide Ausflüge ergaben Blogeinträge (Links hier und hier), freilich verriet ich nicht, was mich auf den Berg getrieben hatte. Nämlich eine Reportage über Guido Stefani. Der ist 75, wuchs in Zürich auf, studierte Deutsch und Englisch, war lange Journalist, wurde dann Protokollschreiber des Zuger Kantonsrates und ist mittlerweile längst pensioniert. In den letzten Jahrzehnten hat Stefani mehr als 2500 Mal die Baarburg bestiegen, jeden seiner "Umgänge", wie er es nennt, verzeichnet er auf baarburg.ch. Was den Mann antreibt, wie er auf die Baarburg kam und wie auch ein schlimmes Ereignis in seinem Leben vor der Grösse und Kraft der Natur verblasst – in der neuen "Schweizer Familie" kann man es nachlesen.

Mittwoch, 7. Dezember 2022

Der nackte Bundesrat


Gestern trafen wir in der Stadt Grenchen auf einen Bundesrat. Hermann Obrecht, 1882-1940, in Grenchen in einfache Verhältnisse geboren, machte in der FDP Karriere, wurde 1935 in die Landesregierung gewählt, baute eine starke Kriegswirtschaft auf und war ein Gegner der Nazis. Die Obrecht-Statue im Lindenpark zeigt einen kraftgeladenen Heros. Einen Muskelprotz mit Riesenpranken. Einen ungeschlachten Arbeiter. Was eigentlich nicht zu Obrecht passt, der Lehrer, Journalist und Beamter war. Das Denkmal will den Mann nicht abbilden, sondern ihn ehren durch eine Gestalt, die schweizerischen Wehrwillen verkörperte; die Bodenplakette nennt bloss den Namen des Politikers samt dem Zusatz "in Dankbarkeit". Interessantes Detail: Der Basler Bildhauer Ernst Suter hatte die Skulptur ursprünglich mit einem Kind im Arm ausstatten wollen, was in Grenchen nicht gut ankam. Bei der Einweihung 1959 war da kein Kind. Obrecht selber, übrigens, war dreifacher Vater.

Dienstag, 6. Dezember 2022

Kentenich am Walensee

Das Zentrum Neu-Schönstatt in Quarten SG, Restauranteingang.
Ein Teil des Zentrums, hinten die Kapelle.

Wenn ich eine Wanderung plane, schaue ich, ob es am Weg ein Restaurant gibt. So kam ich auf das Hotel "Neu-Schönstatt" in Quarten, zu dem auch eine Kapelle und ein Tagungszentrum gehören. Tatsächlich assen wir an dem aussichtsreich über dem Walensee gelegenen, von Nonnen geführten Ort letzten Samstag zu Mittag. Später schlug ich die Geschichte der Anlage nach. Ich fand die Schönstattbewegung. Sie geht zurück auf den deutschen Priester Josef Kentenich, 1885-1968, der als junger Mann seine eigene Sicht des katholischen Glaubens formulierte. Inmitten seiner Kirche, die geprägt war vom Klerus, von Regeln und Riten, vom Druck der Hierarchie, setzte er auf den Einzelnen, dessen individuelle Beziehung zu Gott, dessen Entwicklung zu einem ganzen Menschen – ich fasse zusammen, was ich las. Was aus Kentenichs Wirken hervorging, heisst "Schönstattbewegung", weil dieser lange in Schönstatt bei Koblenz tätig war. Im zweiten Weltkrieg sass der Pater im KZ Dachau ein. Das macht mir Eindruck. Gleichzeitig gibt mir zu denken, dass Kentenich später sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, was dazu führte, dass das kirchliche Verfahren zur Seligsprechung ausgesetzt wurde. Kann man alles in Wikipedia nachlesen – und wieder einmal gilt: Wer wandert, trifft auf alles, was zwischen Himmel und Erde geschieht.

Montag, 5. Dezember 2022

Noch einmal

Blick nach 45 Minuten zur Walensee-Ostspitze, hinten rechts der Sichelkamm.
Unterterzen, der Walensee, die Churfirsten.
Kurz vor dem Tobel des Murgtals bei Tasten.
Gleich sind wir in Murg.
Noch einmal abschüssige Waldhalden mit eingestreuten Felsklötzen, noch einmal ungefrorene Wasserfälle, noch einmal raschelndes Herbstlaub auf den Pfaden. Und unten der tiefblaue Walensee und auf der anderen Seite die Churfirsten und in der Verlängerung ihrer Phalanx der Sichelchamm, der unverwechselbar ist durch seine in der Alpenbildung geknickten und verdrehten Felsbänder: Das war unsere Samstagsroute, die uns von Walenstadt via Oberterzen und Quarten nach Murg führte. Schön wär die Unternehmung und von Wehmut begleitet, weil jetzt die Saison zu Ende geht und die Art Landschaft, die wir durchzogen, nächstens für Monate unzugänglich sein wird.

Route: Walenstadt, Bahnhof – Neuhof – Prantenär – Raischibli – Dachslen – Nejenberg – Platten – Hofstetten – Knobelboden – Oberterzen – Boden – Himpetur – Lehn – Blangs – Quarten, Kirche – Trantenboden – Racheten – Tasten – Gödis – Luchsberg – Murg, Bahnhof. 4 Stunden, je 540 Meter auf- und abwärts.

Sonntag, 4. Dezember 2022

Aus vielen Stücken wird ein Ganzes


Gestern gabs, als wir in Murg ankamen, ein Bier, das wir mit auf den Zug heimwärts nahmen. Während wir auf dem Bahnperron warteten, leuchteten hinten die Churfirsten und ihre Nachbarn im Licht des schwindenden Tages. Wer sich an dieser Stelle fragt, was mit dem Widmer los ist, dass er in den letzten Wochen praktisch nur im Gebiet Walensee-Sarganserland-St. Galler Rheintal-Bünder Herrschaft wanderte – nun, das hat System. Wir kamen im Grüppli drauf, dass es Spass macht, mal für ein, zwei Monate in derselben Region unterwegs zu sein. Man verknüpft so laufend Erinnerungen und Entdeckungen, jede neue Anreise fühlt sich an wie ein Heimkommen, aus vielen Stücken wird ein Ganzes. Jetzt dürfte aber die Zeit gekommen sein für anderes, der Dezember erzwingt es. Die nächsten Wochen wird es wohl eher in flacheres Gelände gehen. Oder aber höher hinauf in die Berge und in den Schnee.

Samstag, 3. Dezember 2022

Adieu, Ersatzbus, adieu

Dieses Gefährt wird in wenigen Tagen im Waldenburgertal
verkehren. (Foto: MBxd1/Wikicommons)

Das Waldenburgertal war längere Zeit eine Art Baugrube mit Häusern zu beiden Seiten, höchst unwirtlich mutete das an. Und den Ersatzbus mochte in den 20 Monaten, da er fuhr, wohl keiner wirklich, weder die Leute aus dem Tal noch die Reisenden von auswärts. Nun, auf den Fahrplanwechsel hin, wird am 11. Dezember wieder auf die Schiene umgestellt: Die Geleise, die Bahnbauten, der Bahnhof in Waldenburg sind vollständig erneuert, das alte "Waldenburgerli" wird abgelöst durch eine moderne, von "Stadler Rail" gelieferte Schmalspurbahn, ein Stadttram ähnlich dem im Zürcher Glattal. Ah ja, für die, die das nicht wissen: Das Waldenburgertal, das von der Vorderen Frenke durchflossen wird, findet sich im Baselbiet.

Freitag, 2. Dezember 2022

Gestern traf ich Josephine

Hübsches Holzhüsli! Ich sah es gestern in Zürich-Aussersihl an der Lutherstrasse. Neun dieser rustikal designten Automaten mit Erzeugnissen von kleinen Schweizer Bauernhöfen gibt es in Zürich, es handelt sich um ein Pilotprojekt bis Ende Jahr, das auf andere Städte ausgeweitet werden soll, wenn es in der grössten Schweizer Stadt reüssiert; ein Crowdfunding läuft. "Alpomaten" heissen die Dinger, jedes ist zudem einzeln benannt. Das gestern war Josephine. Mal schauen, wies mit ihr weitergeht.

Mittwoch, 30. November 2022

Tarngletscher

Der Blockgletscher Murtèl am Piz Corvatsch im Engadin.
(Foto: Matti& Keti; Lorenz King at
Giessen.university.de / Wikicommons)
Im Alltag macht mich die Liste mit den bedeutendsten geologischen Orten weltweit nicht heiss. Man hat ja schon Mühe, im eigenen Land den Überblick zu behalten über Naturpark-Welterbe-Unesco-Nationalpark-Label-Zeugs, die Auszeichnungen für Landschaften und Naturattraktionen geraten einem durcheinander. Eine kommt nun hinzu, eine geologische eben: Die "International Union of Geological Sciences" hat in ihre Liste der 100 geologischen Welterbestätten, auf der auch der Zuckerhut in Rio de Janeiro und der Grand Canyon in Amerika stehen, eine Schweizer Besonderheit aufgenommen: die Engadiner Blockgletscher. In dieser Art Gletscher sind Geröllschutt und Eis vereint. Rund 300 solche Gebilde gibt es im Engadin, touristisch vermarktbar sind sie kaum, der Nichtkenner, die Nichtkennerin halten sie in der Regel für schnöde Geröllhalden – Blockgletscher sind Meister der Tarnung.

Bevorzugte Wohnlage

Ein Screenshot der Schweizmobil-Karte mit den
Ruinen der Burg Wartau und der Procha Burg sowie 
dem Herenfeld und der prähistorischen
Wehranlage auf dem Ochsenberg.
Von Oberschan hielten wir am Samstag nach Sevelen – auf dem Weg über Gretschins. Denn dort gibt es eine prähistorische Festung, die rundum von einer Felsfluh geschützt wird. Sie wollten wir uns anschauen. Aber würden wir es zu ihr hinauf schaffen? Wir besichtigten zuerst die Ruine der Burg Wartau auf dem benachbarten Sporn. Und fanden dann, dass vom Sattel zwischen beiden Erhebungen ein Weglein die einzige Schwachstelle der erwähnten Befestigung nutzt. So kamen wir also auf den Ochsenberg oder auch St. Martinsberg, wie der Ort heisst, ohne freilich auf der Karte so beschriftet zu sein; wir entnahmen die Namen einer Infotafel. Schon in der Jungsteinzeit liessen sich hier oben Menschen nieder, errichteten ihre Hütten und Verteidigungsanlagen. Auch unterhalb des Ochsenberges lebten auf dem Herenfeld lange vor den Kelten und Römern Menschen. Kein Wunder, die Gegend ist von Geländekuppen durchsetzt, die den Wind abhalten, als Versteck und Schutz dienen und gleichzeitig den Blick auf das Rheintal etwas tiefer ermöglichen. Von der attraktiven Lage zeugt auch die Ruine der Procha Burg ganz in der Nähe, ein Platz, wo ebenfalls schon in der Jungsteinzeit gesiedelt wurde.

Die Burgruine Wartau. Der Hügel zu ihrer Linken ist der Ochsenberg mit der
befestigten Siedlung aus der Prähistorie. Von ihr ist nichts Auffälliges geblieben.
In der Burgruine Wartau.
Blick von der Ruine der Procha Burg zur Ruine
Wartau. Links unten das St. Galler Rheintal.