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Donnerstag, 29. Februar 2024

Der Maler und die lesenden Kinder


Ja, ich weiss, man sieht nicht viel auf obiger Abbildung. Könnte ja sein, dass dieses Manko den einen oder die andere anregt, diese Woche die "Schweizer Familie" zu kaufen. In ihr beantworte ich 40 Fragen zu Albert Anker, 1831–1910. Und versuche dabei zu zeigen, dass es sich lohnt, den Maler und sein Werk genauer zu betrachten. Anker taugt einigermassen zur Ikone der Rechten – alt Bundesrat Christoph Blocher ist nicht von ungefähr ein grosser Anker-Sammler. Anker malte Dorfleben, manches mutet sehr heil an, mit Erscheinungen seiner Zeit wie der Fabrikarbeit befasste er sich nicht. Doch gleichzeitig war Anker durchaus ein Freund des Fortschrittes, diese Seite ist weniger bekannt. Man muss des Malers Werk zu "lesen" verstehen, um es zu erkennen. Wenn der Künstler zum Beispiel immer wieder lesende Kinder porträtierte, dann auch darum, weil die allgemeine Schulpflicht zu seiner Zeit etwas Neues war. Und eine umstrittene Sache. Anker war ein Anhänger des Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi, er freute sich, dass im jungen Bundesstaat die Kinder – auch die Mädchen – Rechte genossen und in die Schule gehen durften, um sich zu entfalten. Erfährt man alles aus meinem Artikel. Und übrigens: Heuer ist ein Anker-Jahr. Im Kunstmuseum Bern startet im März die Ausstellung "Lesende Mädchen", in Martigny läuft schon die Ausstellung "Anker et l'enfance". Und im Juni öffnet im Lebensort des Malers, in Ins im Berner Seeland, das "Centre Albert Anker" samt einem neuen Kunstpavillon im Garten des Anker'schen Wohnhauses.

Mittwoch, 28. Februar 2024

Gute Laune auf dem Innauenweg

Gestern am Inn.
Gestern, auch am Inn.

Leer und wunderbar warm: 
die Kirche St. Andrea in La Punt.
Gestern ging ich von Samedan nach La Punt, das Wetter war mässig, die erste Stunde schneite es waagrecht, ein kalter Wind blies. Den ersten Kilometer oder so legte ich auf einem nicht gepfadeten Abschnitt des offiziellen Winterwanderweges zurück und musste stapfen. Schön wars trotzdem, jedenfalls packte mich bald schon eine gute Laune. Wie auch nicht! Besagte Route ist als "Innauenweg" bekannt, der Inn wurde im Raum Bever auf grosser Fläche aufwändig revitalisiert, ein Biotop oder auch eine Serie von Biotopen ist entstanden, in dem zum Beispiel die Kreuzotter leben kann. Schön, wie der grosse Fluss des Engadins wieder mehr Platz bekommen hat mit Seitentümpeln und so weiter, das bekommt man auch im Winter mit. Nach etwas mehr als zwei Stunden erreichte ich La Punt. Dort setzte ich mich in die Kirche. In ihr war niemand, doch sie war schön beheizt. Ich verweilte eine Stunde, las das eine oder andere über die Natur am Inn nach und fuhr dann in mein Hotel. Von ihm berichte ich übermorgen. Morgen soll es nämlich um etwas ganz anderes gehen.

Dienstag, 27. Februar 2024

Zurück in den Winter

Schneeflocken.
(Foto: Wilson Bentley / Wikicommons, 1902)

Vor meinem Haus sehe ich im Rasen Primeln – wir haben Frühling, auch wenn es rein kalendarisch noch nicht ganz soweit ist. Nun, heute geht es für zwei Tage zurück in den Winter. Ich reise ins Oberengadin, zum Winterwandern. Das Wetter wird alles andere als ideal sein, aber organisiert ist organisiert. Für heute ist der Plan, von Samedan aus ein Stück am Inn talabwärts zu laufen. Und morgen? Muottas Muragl, theoretisch. Jetzt bin ich gespannt, wie es mir im Schnee ergehen wird, mit dem ich ja eigentlich schon vor Wochen abgeschlossen habe. Und noch etwas: Besonders freue ich mich auf die Übernachtung in einem speziellen Hotel. Aber davon erzähle ich später.

Montag, 26. Februar 2024

Geldlos pilgern

Sogar das riesige Tanklager bei Tägerschen hatte ...
... an dem wolkenreichen Samstag etwas Schmuckes.
Grüner Hinterthurgau: kurz vor St. Margarethen.

Später Zmittag (Spaghetti Carbonara)
auf dem Heimweg nach der Wanderung
im "Santa Lucia" beim Bahnhof Winterthur.
Bei wundersamem Wetter gingen wir am Samstag von Märstetten nach Münchwilen – Etappe zwei auf dem Jakobsweg von Konstanz nach Genf. Die Sonne schien, doch machten ihr wilde Wolkengebilde Konkurrenz. In windgeschützten Winkeln war es warm wie im Maien, doch wo die Bise wirkten konnte, war uns zum Schlottern. Toll war die Sicht, wir machten zum Beispiel in einiger Entfernung das Hörnli aus, das wir bald einmal überschreiten werden auf dem Weg vom Hinterthurgau ins Züribiet. Viereinhalb Stunden dauerte die Unternehmung, von zwei beeindruckenden Kapellen habe ich gestern schon erzählt, die eine steht in Kaltenbrunnen, die andere in St. Margarethen. Gleich gegenüber dieser zweiten Kapelle gibts ein Wirtshaus, das offen hatte, freilich eines, in dem wir nicht hätten essen wollen, drinnen wurde geraucht. Aber einen Kafi tranken wir und fühlten uns wohl, die junge "Frohsinn"-Wirtin war nett. Momentan kämen noch kaum Jakobspilger und -pilgerinnen im Ort vorbei, sagte sie, bis das so richtig losgehe, dauere es noch ein paar Wochen. Interessant die Anekdote, die sie nachschob: Einmal habe sie ein Typ um eine Zigarette gebeten. Und ihr erzählt, dass er den Jakobsweg mache. Mit dem Zelt. Und ohne Geld – er lebe von dem, was die Leute ihm schenkten. Huch! Ich befingerte mein Portemonnaie und dachte, dass ich das nicht könnte.

Sonntag, 25. Februar 2024

Wir trafen unseren Helden

Vorbild und Idol aller Jakobspilgerinnen und -pilger:
Jakobus in der Kapelle von Kaltenbrunnen (Gemeinde Affeltrangen).

Die Kapelle St. Margaretha in
St. Margarethen (Gemeinde Münchwilen).
Gestern zogen wir also von Märstetten nach Münchwilen. Kanton Thurgau, Jakobsweg, Gehzeit knapp viereinhalb Stunden. Zwei Kapellen begeisterten uns. Zuerst die von Kaltenbrunnen, die eigentlich erst ab Ostern geöffnet ist – wir trafen auf den Bauer, der nebenan wohnt, er schloss auf. Drinnen traten wir Jakobus gegenüber. In einem Seitenfenster ist er wunderbar bunt wiedergegeben: barfuss, mit verwegenem Hut, Wanderstock, Wandertasche und selbstverständlich Muscheln, Zeichen des Pilgers, auf dem langen Wanderrock.

Gut zwei Stunden später besuchten wir in St. Margarethen, etwas oberhalb von Münchwilen, die Kapelle, nach der der Ort benannt ist. St. Margaretha ersetzte 1641 ein älteres Modell und gilt als typische Pilgerkapelle. Auf dem Alter war eine Jakobsmuschel drapiert. Eindruck machte uns etwas Profanes. Die Wandkritzeleien nämlich von Jakobspilgern, die teilweise ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Schön, direkt aus der eigenen Anschauung zu erleben, dass schon seit langer Zeit Menschen auf der Strecke unterwegs sind, die man nun selber begeht. 

Wandkritzeleien in der Kapelle St. Margaretha.
Die obere ist datiert mit 1641, Baujahr der Kapelle.

Samstag, 24. Februar 2024

Essproblem und Esslösung

Wandersocken mit der Jakobsmuschel,
Erkennungszeichen der Jakobspilger.
Wer sie kaufen will – hier der Link. Ich
selber lege keinen Wert auf solche Dinge.

Ich ahne jetzt schon, dass mir dieses Projekt fehlen wird, wenn es einmal abgeschlossen ist. Wir bewandern heuer den Jakobsweg von Konstanz nach Genf – habe ich ja schon erzählt. Das sind ingesamt 429 Kilometer. Vergangenen Samstag starteten wir in Konstanz und legten knapp 18 Kilometer zurück. Heute nun geht es in Märstetten los, wo wir das letzte Mal endeten, wir ziehen nach Münchwilen. Aus dem Thurtal in den Hinterthurgau also, wieder beträgt die Distanz zwischen 17 und 18 Kilometer. Freudig stimmt mich, dass wir wohl die Sonne sehen werden. Und schade finde ich, dass es mir beim Planen nicht gelang, ein Restaurant zu finden, das am Mittag offen hat oder sogar durchgehend warme Küche bietet; gern hätten wir den Umweg nach Lommis gemacht, doch die "Krone" ist schon ausgebucht. Habe ich ein Lokal übersehen? Nun, wir werden irgendwo am Weg snacken und uns später in Zürich eine Pizza oder so gönnen. Das ist auch ein schöner Plan, finde ich. Der Weg ist ja das Ziel, nicht die Wirtschaft. Oder täusche ich mich?

Freitag, 23. Februar 2024

Ixodes ricinus nervt

Ihn mag keiner: Ixodes ricinus, der Gemeine Holzbock.
(Foto: W.alter/Wikicommons)

Unerfreulich! Gestern las ich im "Tagi", dass die Zeckensaison im Kanton Zürich bereits begonnen hat, normalerweise ist das einige Wochen später der Fall. Die bei uns am häufigsten auftretende Zeckenart, der Gemeine Holzbock, wird bei Temperaturen über sieben Grad aktiv, und die gibts derzeit halt täglich. Was die Zeitung auch ankündigt: dass sich die Zecken heuer besonders stark vermehren werden – ein Zeckenjahr läuft an. Also wir Wanderinnen und Wanderer mögen das gar nicht.

Donnerstag, 22. Februar 2024

Man reiche mir ein Metermass

Das passende Buch. Im Roman
von Eveline Hasler geht es um
den Glarner "Riesen" Melchior
Thut, der 2 Meter 34 mass.
Im "Tagi" gabs gestern einen Artikel über die Körpergrösse der Schweizerinnen und Schweizer zu lesen. Hier fünf Dinge, die ich erfuhr:

  1. Die durchschnittliche Schweizerin ist zurzeit 164,6 Zentimeter gross, der durchschnittliche Schweizer 177,4 Zentimeter.
  2. Vor 100 Jahren waren die Schweizer Männer rund 15 Zentimeter kleiner, wie Daten der militärischen Aushebung zeigen.
  3. In der Schweiz sind die Männer im Kanton Schwyz am grössten und im Kanton Tessin am kleinsten, der Unterschied ist mit 2 Zentimetern aber nicht riesig. Zu den Frauen gibts im Artikel keine Daten nach Kantonen.
  4. In Europa sind die Leute in den Niederlanden am grössten und in Portugal am kleinsten, die Differenz beträgt bei den Männern rund 10, bei den Frauen rund 5 Zentimeter. Die Schweiz findet sich zwischen den Extremen. 
  5. Zwischen 40 und 70 schrumpft der männliche Mensch rund 2 Zentimeter, der weibliche Mensch rund 2,5 Zentimeter. Im Extremfall kann man bis zu 10 Zentimeter schrumpfen. Huch! Man reiche mir ein Metermass, ich muss das bei mir selber checken!

Mittwoch, 21. Februar 2024

Friedhof verpasst

Der Friedhof "Judenespeli"
auf der Landeskarte.
(Schweizmobil, Screenshot)
Man ist halt manchmal abgelenkt beim Gehen, gsprächlet zum Beispiel miteinander. Als wir am Samstag von Konstanz nach Märstetten gingen, übersahen wir glatt den jüdischen Friedhof von Kreuzlingen am Bernrain. Erst zuhause, als ich die Karte mit unserer Route vergrösserte und studierte, fiel mir der Flurname "Judenespeli" auf; "Espeli", übrigens, hat wohl nichts mit der Baumart Espe zu tun, hier der Link für die, die sich für den Ausdruck interessieren. Eine jüdische Gemeinde hat Kreuzlingen erst seit 1939, nachdem in den sechs Jahren zuvor einige deutsche Juden, besonders solche aus dem benachbarten Konstanz, in die Schweiz emigriert waren. 1936 wurde der Friedhof eingerichtet – jener Friedhof, den wir am Wochenende nichtsahnend passierten.  

Dienstag, 20. Februar 2024

Pilgern+

In Ottoberg gibt es reizende Riegelbauten.
Kreuzlingen: mein erstes Foto nach dem Grenzübertritt.

Nachdem ich viele Jahre lang praktisch für jeden Samstag eine Wanderung organisiert habe, muss ich sagen: Der Jakobsweg macht es mir als Planer leicht. Die Route – wir haben uns Konstanz–Genf vorgenommen – ist gegeben, allenfalls kann man bei der Länge mancher Etappen schräubeln oder mal zwischen zwei Varianten wählen. Easy macht die Sache zudem, dass ich mich nicht mit der Überlegung abplagen muss, wie ich meinem Grüppli eine besonders schöne Strecke serviere. Der Jakobsweg ist der Jakobsweg, mal ist er hässlich, mal ist er schmuck, man nimmts, wies kommt, man ist ja kein ordinärer Tourist, der Postkartenlandschaften sucht. Am Samstag starteten wir also, wie gestern erzählt, beim Münster von Konstanz. Zogen hinüber nach Kreuzlingen, stiegen aufs Plateau des Seerückens, durchquerten ein paar kleine Dörfer, sahen schliesslich von Ottoberg aus unter uns das Tal der Thur und beschlossen die Wanderung nach 4 1/2 Stunden am Bahnhof von Märstetten. Gleich an drei Orten gabs Gutes zu essen und zu trinken: Am westlichsten der Bommer Weiher überraschte uns Mitwanderin C. gegen die Mittagszeit mit einem Apero zum Auftakt unserer Unternehmung: Schaumwein, Mandeln, Cracker. In Ottoberg assen wir zwei Stunden später im Gasthaus Haldenhof sehr gut: Forellenknusperli, Forellenfilets, Knöpfli mit Käse; dazu tranken wir einen Pinot vom Hof. Kurz vor Wanderschluss in Märstetten schauten wir dann noch, nun schon in der Ebene, beim Pilgerhof vorbei, einem riesigen Beerenhof mit Laden. Und gönnten uns eine hausgemachte Glace. Für unseren kulinarisch veredelten, der Selbstkasteiung völlig abholden Wanderstil prägte ich daselbst einen Ausdruck: Pilgern+.

Schönes Wegstück: das Tobel des Saubaches zwischen Kreuzlingen und dem Seerücken.


Montag, 19. Februar 2024

Wir kommen wieder, Jakob

Beliebtes Fotosujet: Jakobsweg-Tafel vor dem Konstanzer Münster.
Im Mittelalter wurde Konstanz zum wichtigsten süddeutschen Sammelpunkt der Jakobspilger und -pilgerinnen, die nach Santiago de Compostela im fernen Spanien wollten. Die Mauritiusrotunde, eine an das Konstanzer Münster via einen Kreuzgang angeschlossene Kapelle, zog das Pilgervolk speziell an. Im Inneren der Kapelle steht ein Nachbau des Heiligen Grabes Jesu in der Grabeskirche von Jerusalem. Zu diesem Nachbau gehört die Figur Jakobs, des Jesusjüngers und Apostels, der angeblich nach Spanien auszog, um die christliche Botschaft zu verkünden, und dort – in Santiago eben – starb. Der Jakob in der Konstanzer Rotunde hält sieben Pilgerstäbe sowie mit Jakobsmuscheln verzierte Taschen in den Händen, das gefällt den Leuten, die ihm nachwandeln. Wir wollten am Samstag, als wir in Konstanz zu unserer etappenweisen Jakobswanderei durch die Schweiz starteten, auch bei Jakob vorbeischauen. Doch leider war im Münster eine Eucharistiefeier im Gang, wir kamen weder in die Kirche noch in die Rotunde und mussten uns also in pilgerlicher Gelassenheit üben. Gleich fanden wir auch einen anderen würdigen Startpunkt: Vor dem Münster verkündet eine Tafel die Entfernung nach Santiago de Compostela. Es sind 2340 Kilometer. Was den Jakob in der Rotunde angeht: Wenn wir den Schweizer Jakobsweg ganz gemacht haben, bis Genf, gibts ein feierliches Schlussessen. In Konstanz. Bevor wir essen, werden wir unseren Heiligen aufsuchen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Durch das Schnetztor, das fasnächtlich dekoriert war, verliessen wir Konstanz und ...

... überschritten gleich danach die Grenze zur Schweiz.

Sonntag, 18. Februar 2024

Der Alpenrhein-Express

Im Dezember bekommt das Rheintal einen Halbstundentakt im Fernverkehr der Bahn. Die SBB wechselt sich dabei auf ihrer angestammten Strecke von Chur nach St. Gallen mit einer neuen Partnerin ab, der Schweizerischen Südostbahn (SOB). Die Südostbahn hat ihre zusätzliche Linie schon benannt, einer ihrer Kundenbegleiter lieferte den Namen, "Alpenrhein-Express". Auf die Neuerung gegen Ende des laufenden Jahres aufmerksam gemacht hat mich freundlicherweise Blogleser Kurt Landolt, von ihm stammt auch obiges Foto eines Traverso-Zuges der SOB, bereits ist auf diesem der "Alpenrhein-Express" aufgeführt. Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

PS: Vom Jakobsweg, dessen Abschnitt Konstanz–Märstetten wir gestern bewanderten, will ich morgen erzählen.

Samstag, 17. Februar 2024

Einsiedeln, wir kommen

Der Jakobsweg über den Etzelpass nach Einsiedeln, Abbildung
auf der Infotafel auf dem Etzelpass. (Foto: Roland zh / Wikicommons)

Wenn man sich mit dem Phänomen der Jakobspilgerei befasst, muss man sich mindestens drei geschichtliche Dinge vor Augen halten. Erstens wurde im 9. Jahrhundert in Santiago de Compostela in Spanien jene Grabstätte entdeckt, in der angeblich die sterblichen Reste des Apostels Jakobus ruhten. Damit bekam die christliche Welt ein neues Pilgerziel neben Rom und dem Heiligen Land. Zweitens: Jeder Weg, der nach Santiago de Compostela zu Jakobus führt, ist automatisch ein Jakobsweg. Erst mit der Zeit ergaben sich fixe Routen wie zum Beispiel, auf dem Gebiet der Schweiz, der Schwabenweg von Konstanz nach Einsiedeln. Und drittens: 1987 erklärte der Europarat die Pilgerwege nach Santiago zur ersten europäischen Kulturstrasse. Er löste damit jenen Wander-Pilger-Boom aus, der nach wie vor anhält.

Warum ich das erzähle? Nun, ich habe vor einer Woche mit ein paar lieben Leuten ein neues Grüppli gebildet, das wohl nicht länger als ein Jahr bestehen wird. Wir wollen uns immer am Samstag treffen und auf Jakobswegen die Schweiz durchwandern. Etappenweise also, wobei diese Etappen nicht allzu lang sein sollen, man will es ja nicht übertreiben mit der Pilgerei, möchte auch gut essen und sich ab und zu einen Abstecher zu Interessantem in der Nähe der Route leisten. Möglicherweise gibt es, wenn der Sommer da ist und die Alpen endlich wieder begehbar sind, einen längeren Unterbruch zugunsten der einen oder anderen Passwanderung oder Bergtour. Sei dem, wie dem sei: Heute starten wir vor dem Münster von Konstanz zu Etappe eins und ziehen auf dem Schwabenweg südwärts – Einsiedeln, wir kommen.

Freitag, 16. Februar 2024

Gondeln wir bald auf die Rigi?

Sommer 2013, die Seilbahn von Weggis nach
Rigi Kaltbad. (Foto: Alireza Rezvani / Wikicommons)
Die Seilbahn von Weggis hinauf nach Rigi Kaltbad ist in die Jahre gekommen, 2027 läuft die Betriebsbewilligung aus. Geplant ist, die 1968 eröffnete Pendelbahn durch eine effizientere Gondelbahn zu ersetzen, allerdings sind dazu viele neue Stützen nötig. Die bestehende Bergstation würde abgebrochen und in der Nähe neu gebaut, wobei man den Beton der alten Station rezyklieren würde. Im November 2022 sagte die Weggiser Stimmbevölkerung klar Ja zu dem Projekt. Diese Woche nun hat der Luzerner Regierunsgrat diverse Einsprachen abgewiesen und einen Seilbahnkorridor im steilen Schutzwald gutgeheissen, in dem die Stützen eingerichtet würden. Das Unterfangen ist damit einen wichtigen Schritt weiter, allenfalls können die Gegner beim Kantonsgericht aber eine Verwaltungsbeschwerde einreichen.

Donnerstag, 15. Februar 2024

Schmutziges Gelb

Markante Sache: Wanderwegweiser in Rotkreuz LU.
(Foto: Lord Koxinga / Wikicommons)
Betti aus Wald hat mir "Us eusere Walder Heimat" zugeschickt, ein Blatt mit Themen rund um ihre Gemeinde im Zürcher Oberland. Und zwar bekam ich die Ausgabe vom Dezember 2023, in der es um den Lehrer Johann Jakob Ess geht. Er, der wegen seiner Liebe zur Tochter eines Bierbrauers nach Wald gezogen war, begann 1933 im Züribiet mit dem Markieren von Wanderwegen, die "Schweizer Wanderwege" als nationale Organisation entstanden erst ein Jahr später. Drei wissenswerte Dinge aus dem langen und informativen Artikel:

  1. Die ersten, 1933 markierten Wanderrouten führten von Zürichs Tram-Endstationen in die nahe Landschaft und retour.
  2. Im Zweiten Weltkrieg wurden alle Wanderschilder entfernt, man fürchtete, bei einer Invasion könnten sich die deutschen Truppen an den Markierungen orientieren. Sozusagen als Realersatz publizierten die "Zürcher Wanderwege" 1943 das Buch "Auf Wanderwegen rund um Zürich".
  3. Warum die normalen Wanderwege gelb markiert sind – dazu gibt es verschiedene Theorien. Laut dem Sohn von Pionier Ess fuhr ein Zahnarzt, der ein Auto besass, mit Vater und Sohn Ess ins Gelände. Dort wurden Wegweiser in verschiedenen Farben an einen Baum gehalten. Der Versuch zeigte: Grün ging nicht, weil das Blattwerk ja auch grün war. Orange und Rot wiederum passten Johann Jakob Ess nicht, weil er leicht farbenblind war und beide Farben als unangenehm empfand. So kam man auf Gelb. Auf ein leicht "schmutziges" Gelb genauer gesagt, das vom Gelb der Post unterscheidbar war.

Mittwoch, 14. Februar 2024

Die 4-R-Route

Kurz nach Wanderstart, links die Ron, rechts die Reuss,
in die die Ron gleich (im Rücken des Fotografen) mündet.
Lange Gerade mit der Ron zwischen Root und Buchrain. Hinten der Pilatus.

Als ich am Montag in Rotkreuz umstieg, realisierte ich, dass Fasnacht war, Scharen von Maskierten warteten auf den Zug nach Luzern. Ich selber fuhr mit dem Bummler bis Gisikon-Root, stieg aus und absolvierte im Folgenden eine Route, die ich bald "4-R-Route" taufte nach den Gewässern, denen entlang ich wanderte: zuerst die Reuss, dann die Ron, dann der Rotsee, dann wieder die Reuss. Etwas mehr als dreieinhalb Stunden brauchte ich von Gisikon-Root nach Luzern, der Weg war in der ersten Hälfte nicht wirklich schön, aber interessant, ich beinelte kilometerweit parallel zur Bahnlinie, passierte die Bahnhöfe "Root D4" (der heisst so, wirklich!), Buchrain und Ebikon, Gewerbehallen und Shoppingzentren wie die "Mall of Switzerland" erzählten die Geschichte des Rontals, das sich in unserer Gegenwart gefüllt hat mit Betrieben und modernen Wohnblocks dazwischen. Die Ron selber, das fand ich erfreulich, ist in den letzten Jahren renaturiert worden. Am Rotsee dauerte es danach längere Zeit, bis der Weg am Südostufer endlich hinab zum Wasser führte, fortan fand ich ihn idyllisch. Es folgte ein kleiner Aufstieg zum Kantonsspital Luzern, via die moderne Kirche St. Karli kam ich wieder zur Reuss und ging ihr entlang Richtung Bahnhof. Die letzten zwei Kilometer wimmelte es von Fasnächtlern und Fasnächtlerinnen, so richtig viel Stimmung war noch nicht spürbar, es war ja auch erst Mittag. Lustig fand ich zwei vielleicht 14-jährige Mädchen, die in den "McDonald's" an der Pilatusstrasse wollten. Ein paar Meter vor dem Eingang blieben sie auf dem Trottoir stehen und schrien synchron: "Au nei, Shit, Shit!". Ich folgte ihren entsetzten Blicken und sah, dass eine riesige Gruppe Kostümierter mit ihren Guggeninstrumenten grad das Lokal betrat. Die Mädchen drehten ab, keine Chance, einigermassen speditiv einen Big Mac zu bekommen.

Der kann auch verträumt: zwei Impressionen vom Rotsee.

Dienstag, 13. Februar 2024

Gefängniswein

Wein aus Lenzburg –
mit Fingerabdruck.
(Screenshot von der Website
des Gefängnisshops)

Zur Justizvollzugsanstalt Lenzburg gehören zwei Gefängnisse, wir passierten beide Areale am Samstag. Einen Landwirtschaftsbetrieb gibts auch. In einem Laden kann man Obst, Gemüse, Brot, Joghurt und auch Wein kaufen. Der Gefängniswein ist online bestellbar, stellte ich eben fest und grinste über ein Designdetail. Auf die Flaschen ist ein Fingerabdruck aufgeprägt. Also ich finde das witzig.

Montag, 12. Februar 2024

Guet, gnueg, günstig

Der Innenhof von Schloss Liebegg.
Stöckli unterhalb der Sandsteinhöhlen.
Juhu, Schneeglöggli.
Viereinviertel Stunden brauchten wir am Samstag für unsere Aargauer Route, die uns von Teufenthal via Seon nach Lenzburg führte – und viel bot. Hier einige der Dinge am Weg:

  • Gleich zu Beginn passierten wir zwei Schlösser, die Trostburg und Schloss Liebegg. Bei der Trostburg konnten wir nur gerade einen kleinen Aussenturm besteigen, der Rest ist privat. Das Tor zu Schloss Liebegg wiederum, einem Tagungszentrum, war noch verschlossen, immerhin konnten wir das Anwesen zur Hälfte umrunden und hatten von einem erhöhten Punkt auch eine schöne Übersicht. Das Hexenmuseum im Schloss möchte ich später mal besuchen.
  • Die Sandsteinhöhlen samt Steinbruch etwas oberhalb von Teufenthal habe ich gestern erwähnt. das Sammelsurium von Grotten, Kavernen, schmummrigen Schlitzen im Untergrund ist ein Spektakel. Wer Kinder hat, führe sie hierhin, Freude garantiert.
  • Am Siebenzwingstein trafen einst die Grenzen von sieben Zwingen (Gerichtsbezirken) und Gemeinden aufeinander. Heute sind es drei Gemeinden: Gränichen, Teufenthal und Seon. Markiert ist der Punkt im Wald mit einem Gedenkstein.
  • Im "Frohsinn" bei der Bahnstation Seon-Nord, Motto "Guet – gnueg – günstig", gibt es riesige Cordon bleus, ich schätze mal, dass so ein Ding 30 Zentimeter lang ist. Ich und Wanderfreundin B. teilten uns eines, Variante Kalbfleisch, gefüllt mit Schinken und Appenzellerkäse. Dazu gabs Nüdeli bzw. Pommes. Und Gemüse. B. verstaute den Rest ihres Fleisches dann in einer Tupperware-Dose, die sie vorsorglich mitgebracht hatte. Ich ass meine Hälfte fertig, war danach satt wie selten und japste nach Luft. Das Lokal, beobachteten wir, läuft toll, es füllte sich am Mittag schnell. Ein Foto zeige ich hier nicht, weil es mir nicht gelang, das Cordon bleu gut zu fotografieren. Man muss es erlebt haben.
  • Last not least müssen die Blüemli am Weg erwähnt sein. Wir sahen Primeln, Christrosen, Schneeglöggli. Das war wundervoll.
    Alter Grenzpunkt mit moderner Markierung: der Siebenzwingstein.

Sonntag, 11. Februar 2024

Die Sandsteinvisite

Ein Screenshot der Schweizmobil-Karte:
Am schnellsten erreicht man die 
Sandsteinhöhlen (oben rechts) vom
Bahnhof Teufenthal (unten links) aus.
Auf dem Gebiet der Gemeinde Gränichen im Wynental, Kanton Aargau, gibt es über 30 Sandsteinbrüche. Vor allem im 19. Jahrhundert war der Bedarf an Sandstein riesig, damals ersetzten vielerorts Steinhäuser die alten Holzbauten. Gestern schauten wir im bedeutendsten Gränicher Steinbruch vorbei, demjenigen im Liebegger-Wald in der Nähe von Schloss Liebegg; an diesem Ort finden sich, soweit wir sahen, sowohl natürliche Höhlen als auch Kavernen, die während des Abbaus entstanden. Um 1850 gab es in Gränichen rund 70 Fuhrhalter. Sie spannten ihren Fuhrwerken mal Pferde und mal Ochsen vor, bis zu drei Tonnen schwere Quader führten sie hinab ins nahe Tal. Heutzutage ist das alles Historie, die Steinbrüche sind stillgelegt; schön war gestern, dass wir die einzigen Leute auf Besichtigungstour waren.

Samstag, 10. Februar 2024

Innerrhoder Direktsaft

"Flauder" von der Firma Goba in Gontenbad AI ist ein 2002 lanciertes Mineralwasser mit Holunderblüten- und Melissengeschmack, es wurde schnell zum Erfolg. In den letzten Jahren sind zum Original weitere Geschmacksvarianten hinzugekommen, vor wenigen Tagen probierte ich auf der Heimreise von meiner Hochhamm-Wanderung "Flauder Yolo", das ich im Dorfladen von St. Peterzell gekauft hatte. "Yolo" steht für "You only live once", was moderner Jugendjargon ist und dazu auffordert, dass man seine Zeit auf Erden gut nutzt. Eigentlich könnte das Wasser auch "Flauder Yuzu" heissen, denn es enthält den Saft der Yuzu, einer asiatischen Zitruspflanze. Das leicht bittere Getränk schmeckte okay, ich war aber nicht so begeistert, dass ich es wieder kaufen würde. Lustig fand ich eine Angabe auf der seitlichen Etikette, wonach die Flasche "Yuzu-Direktsaft" enthält. Ja was denn sonst? Indirektsaft? Fertig gewitzelt. Direktsaft ist Fruchtsaft, der nach dem Pressen, Keltern und Filtrieren sofort abgefüllt wird. Oder der jedenfalls nicht aus Konzentrat rückverdünnt wurde.

Freitag, 9. Februar 2024

Ein sehr spezielles Glas

Trinitit. (Foto: Tartaric acid / Wikicommons)
Wenn Sand bei extrem hohen Temperaturen schmilzt und später wieder erstarrt, ergibt das Glas. Die Glas-Sorte Trinitit hat eine spezielle Hitzequelle, las ich gestern. Beim Trinity-Test wurde 1945 in einem Wüstengebiet im Süden der USA die erste Atombombe gezündet – danach fand man aus dem Wüstensand entstandene Glasstücke und nannte sie, eben, "Trinitit". Das Gegenstück, das sich 1949 bei der ersten sowjetischen Atombomben-Explosion in Kasachstan bildete, heisst nach dem Physiker Juli Chariton "Charitonschik".  Ich klaube beim Wandern ja des öftern interessante Stein auf. Einen – schwach radioaktiven – Trinitit werde ich hierzulande garantiert nie finden.

Donnerstag, 8. Februar 2024

Hörnerparade und Hörnli

20 Minuten nach dem Start: der Steg über den Tüfenbach.
Begleiter am Horizont: der Säntis. Rechts im
Vordergrund angeschnitten die Hochalp.
Schild an der Tür zum 
Bergrestaurant Hochhamm.
Die war gut! Meine Montagsroute von St. Peterzell via Bächli und Hofstettli auf den Hochhamm und via Tüfenberg und Fuchsstein hinab nach Schönengrund-Wald schenkte mir fortlaufend neue Landschaften und Ausblicke. Zuerst war da das Tobel des Tüfenbachs mit einem Holzsteg. Dann zeigte sich das Kretendorf Hemberg und der ebenfalls nahe Höhenzug Wilket samt seinen nackten Fluhen. Auf der Brandhöchi schliesslich erschienen der Speer und der Säntis sowie vorgelagert der Kronberg und die Hochalp, sie alle begleiteten mich für den Rest der Wanderung, die auf dem Hochhamm kulminierte – ich meine das auch kulinarisch, ich ass im Bergrestaurant eine nicht kleine und sehr feine Siedwurst samt den kanonischen Beilagen Chäshörnli und Apfelmus. Vom Gipfel aus sah ich weit Richtung Zürcher Oberland, Appenzeller Mittelland und Vorderland sowie zu den Bergen Vorarlbergs, sah aber auch den Bodensee; den Säntis habe ich schon erwähnt. Was für eine Hörnerparade! Schliesslich hatte ich zu Ende der Unternehmung (4 1/4 Stunden, 740 Meter aufwärts, 600 Meter abwärts) die Talrinne mit den zwei Gemeinden Schönengrund AR und Wald SG zu Füssen, die zusammengewachsen sind und im Alltag über die Kantonsgrenze hinweg ein Ganzes bilden. Eine wunderbare Route war das, die ich allen empfehle, die ein eher unbekanntes Stück Ostschweiz und Appenzellerland suchen.
Stilvolles Höckli auf dem Fuchsstein.
Abstieg vom Hochhamm zum Tüfenberg, hinten die Hundwiler Höhi.

Mittwoch, 7. Februar 2024

Der Schinkenberg

Wanderschluss: Blick über das Dorf Schönengrund zum Hochhamm.

Das Bergrestaurant auf dem Hochhamm liegt etwas
unterhalb des Gipfels. Bei meiner Einkehr ass ich
keine Hamme. Sondern eine Siedwurst mit Chäshörnli.
Bei wunderbarem Wetter stieg ich am Montag auf den Hochhamm, einen 1275 Meter hohen Hügel im Ausserrhoder Hinterland, der mir von der Kindheit her hätte vertraut sein sollen, es aber nicht wirklich war – jedenfalls meldeten sich vor Ort keine Erinnerungen aus meinen ersten zehn oder fünfzehn Lebensjahren. Hier vorerst etwas zum Namen "Hochhamm", ich schlug ihn auf der Rückreise nach. "Hoch" muss man nicht erklären. "Hamm" wiederum kommt von mittelhochdeutsch "hamme", gemeint ist der Hinterschenkel des Schweins. Kennen wir, "Hamme" heisst Schinken im Dialekt. Es war die Keulenform des Berges, die zu dem Namen führte. Als länglicher Höhenzug trennt er die Gemeinden Urnäsch und Schönengrund. Allfällige Bestrebungen vegetarischer Kreise, den Schinkenberg umzubenennen, sind mir nicht bekannt.