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Samstag, 27. Juli 2024

Krieg machte sie reich

Blick über die Aare auf die Solothurner Altstadt mit der St. Ursen-Kathedrale (rechts).
Das Palais Besenval, links der Brücke am Fluss, ist samt seinem Garten eleganter Barock.
Die Dynastie der Besenval war im Söldnergewerbe zu einem grossen Vermögen gekommen.

Gleich noch einmal ein Hinweis auf die "Schweizer Familie", Ausgabe dieser Woche. In ihr findet sich nämlich ein zweiter Artikel von mir. Die kurze Reportage führt nach Solothurn, wo nächstens wieder "Barocktage" stattfinden. Man darf die Stadt durchaus als schönste Schweizer Barockstadt bezeichnen, sie ist üppig dotiert mit Festungsresten, Kirchen, Palästen aus der Epoche, die begann, als der Dreissigjährige Krieg 1648 geendet hatte. "Krieg" passt als Stichwort: Solothurns repräsentative Prachtbauten wurden finanziert mit dem Geld, das die Oberen der Stadt im Söldnergewerbe eingenommen hatten. Solothurn stellte nicht nur, wie andere Orte der alten Eidgenossenschaft, Söldner. Es war zusätzlich als "Ambassadorenstadt", in der der Gesandte des französischen Königs residierte, Schweizer Drehscheibe der Söldnervermittlung. Solothurns Prunk ist also nicht denkbar ohne die unzähligen kriegerischen Konflikte im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts.

Freitag, 26. Juli 2024

Vom Elefanten und vom Flaschensepp

Die Hauptgasse von Willisau. Der grüne Turm der Pfarrkirche wird "Elefant" genannt.

Der Flaschensepp in seinen Museum. Die Tim-und-Struppi-Locke ist sein Markenzeichen.

In der "Schweizer Familie" steht diese Woche eine grosse Reportage von mir über Willisau; Grund ist natürlich, dass im Städtchen im Luzerner Hinterland im September der nationale Wandertag unserer Zeitschrift ausgetragen wird. Für den Artikel traf ich interessante Leute. Hier sind sie:

  • Der Flaschensepp wird von allen so gerufen und mag das sehr. Auf einem Bauernhof unter dem Napf ist er aufgewachsen, entwickelte schon in jungen Jahren eine Begeisterung für Flaschen aller Art und baute ein Museum mit 100 000 Flaschen auf.
  • Ursula und Michael Renggli-Kurmann geschäften im Café Amrein, dem Ursprungshaus des Willisauer Ringlis; 140 Kilo des berühmten Hartgebäcks fertigen sie pro Woche und führen so die Familientradition fort.
  • Stefan Maissen personifiziert als Chef des landesweit aktiven Velovermittlers Rent a Bike das starke Gewerbe von Willisau, wo sein Unternehmen den Hauptsitz hat. Willisaus Umland sei perfektes Langsam-Tourismus-Gebiet, sagt er.
  • Evelyne Huber ist Präsidentin der katholischen Kirchgemeinde. Sie führte mich und den Fotografen auf den "Elefanten". So nennen die Einheimischen den eher ungeschlachten Turm der Willisauer Pfarrkirche.
  • Irene Brügger ist bekannt als Musikerin, Schauspielerin, Humoristin; in der "Schweizer Familie" schreibt sie wöchentlich eine Kolumne. Sie empfing uns in ihrem Haus, es steht auf einem herrlichen Plateau über Willisau, man verspürt dort grad Wanderlust. Nun, jedenfalls ich, denn das Frölein Da Capo, so Irene Brüggers Künstlerinnenname, wandert nicht wirklich gern. Einer der grossen Momente in ihren Teenie-Jahren: als sie ein Töffli Pony Sachs 03 bekam.

Donnerstag, 25. Juli 2024

Jakob und das Geisterschiff

Jakobus der Ältere, Fresko in der Kathedrale von
Le Puy-en-Velay in Frankreich. (Foto: Wikicommons)

In der Apostelgeschichte des Lukas im Neuen Testament heisst es in Kapitel 12: "Um jene Zeit liess der König Herodes einige aus der Gemeinde verhaften und misshandeln. Jakobus, den Bruder des Johannes, liess er mit dem Schwert hinrichten." So kam er also im Jahre 44 ums Leben, der Jesusjünger und Apostel Jakob, auf den die Jakobspilgerei nach Santiago de Compostela zurückgeht, wo er begraben sein soll. Aber halt, etwas stimmt hier nicht! Wenn Jakobus der Ältere, wie er meist genannt wird, in Judäa hingerichtet wurde – wie kann es dann sein, dass sein Grab im fernen Spanien liegt? Die christliche Tradition, der es noch nie an Erfindungsgeist mangelte, hält zur Erklärung verschiedene Legenden bereit. Mein Liebling ist diejenige, dass die Anhänger des Jakob dessen Leichnam einem Schiff ohne Besatzung übergaben, das in Spanien landete. Dort setzten Helfer angeblich den Leichnam im Landesinneren bei. Das Grab geriet alsbald in Vergessenheit bis zu seiner Wiederentdeckung im 9. Jahrhundert. Hübsche Geschichte. Warum ich sie grad heute erzähle? Nun, der 25. Juli ist der Jakobstag, jener Tag, an dem Jakobs gedacht wird.

Mittwoch, 24. Juli 2024

Gallus, Volusianus und der Leugenstein

Imperatoribus dominis nostris Gallo et Volusiano piis felicibus Augustis consulibus perpetuis Aventico leug VII.

Eine Transkription der durchgehend
aus Abkürzungen bestehenden
Inschrift auf der Säule in der Krypta.
Quelle: "Die Amsoldinger Inschriften"
googeln, Aufsatz von 1875.
Soweit die lateinische Inschrift auf der Säule in der Krypta der Basilika von Amsoldingen, die wir letzten Samstag besuchten. Es braucht schon einen Spezialisten, eine Spezialistin, um die Abkürzungen auszudeuten. Die Säule ist zeitlich einordbar aufgrund der zwei Personennamen, sie fällt in die Regierungszeit der römischen Co-Kaiser Gallus und Volusianus, Vater und Sohn, die zusammen von 251 bis 253 nach Christus herrschten und von den eigenen Truppen ermordet wurden. Wichtig ist an der Inschrift des weitern die Ortsangabe: Die Säule stand in Aventicum, dem heutigen Avenches. Genauer gesagt, war sie von Aventicum sieben Leugen entfernt; die Masseinheit Leuge bezeichnete in der Regel die Distanz, die ein Mensch in einer Stunde zu Fuss zurücklegen kann. Die Säule von Amsoldingen ist eine Spolie; dieses lateinische Wort kursiert für ein Bauteil oder sonst einen Überrest, etwa von einer Skulptur, der in einem neuen Werk wiederverwendet wurde. Nicht klar ist mir, wie die Spoliensäule konkret aus der Broyeregion in die Gegend des Thunersees kam.

Dienstag, 23. Juli 2024

2 von 12

Das Kirchlein von Einigen steht direkt am Thunersee.
Schlicht ist schön: im Kirchlein.

Der Jakobsweg führte uns am Samstag in der Thunerseeregion zu zwei bedeutenden Kirchen. Die eine Kirche ist ein Kirchlein, dasjenige von Einigen, simpel, über 1000 Jahre alt, dem heiligen Michael geweiht und Nachfolger eines früheren Baus, der wohl auf die Reste eines keltischen Heiligtums platziert worden war. Muss man gesehen haben. Noch eindrücklicher fand ich die Basilika von Amsoldingen, neben der einst eine bedeutende Stiftsschule stand. Auch diese Kirche ist über 1000 Jahre alt; sie fasziniert durch die Nüchternheit ihres riesigen Innenraumes mit dem Schiff und den zwei Seitenschiffen. Was für eine Wohltat, diese Absenz von Dekor und Formenfuror, nachdem wir in der Innerschweiz sehr viel Barock gesehen hatten, schönen, aber auch schwülstigen. Eine Besonderheit der Amsoldinger Kirche, die dem heiligen Mauritius geweiht ist, ist die Krypta. Dort steht eine Säule, der ich nächstens einen eigenen Eintrag widmen will. Und jedenfalls empfehle ich allen, diese zwei Kirchen zu besuchen, die zum berühmten Dutzend 1000-jähriger Kirchen am Thunersee gehören.
Die Basilika von Amsoldingen. In der Kunstgeschichte bezeichnet "Basilika"
einen langgestreckten Kirchenbau mit niedrigen Seitenschiffen.

Kühl wars in der frühromanischen Basilika.

Montag, 22. Juli 2024

Hitzepilgern

Blick vom Strättligsteg auf die Kander, die etwas weiter unten in den Thunersee mündet.
Das Stockhorn (rechts der Mitte) dominiert die Gegend.
Zwischen Amsoldingen und Uebeschi. Nicht zu sehen: die Hitze über dem Gelände.
Polizeipräsenz in Amsoldingen.
Heiss war der Wandersamstag. Wir zogen von Spiez via Einigen, Amsoldingen, Uebeschi nach Blumenstein, was etwas über fünf Stunden (reine Gehzeit) dauerte bei rund 450 Metern auf- und abwärts. Im Wald ging es sich angenehm, auf den schattenlosen Partien hingegen brannte die Sonne gnadenlos. Eine Wirtschaft fanden wir keine, und die Bäckerei in Uebeschi – ich hatte mich auf eine Glace gefreut – war ferienhalber geschlossen. Doch, dann, am Ziel, jawohl! Der Volg in Blumenstein war offen, wir kauften Bier, wunderbar, wie die kalte Flüssigkeit den eingetrockneten Rachen gleichzeitig befeuchtete und betäubte. Und jetzt doch noch ein Wort zur Landschaft. Wunderbar war die Gegend, die wir durchzogen. Der Niesen baute sich vor uns auf, doch bald war es das Stockhorn, das dominierte. Wir überquerten auf dem Strättligsteg die Schlucht der Kander. Und immer wieder sahen wir auf den Thunersee, allein der Anblick des Wassers erfrischte uns. 

PS: Das war die Etappe 16 auf dem Schweizer Jakobsweg von Konstanz nach Genf. Die Etappe 18, Riggisberg–Schwarzenburg, ist schon gemacht. Die Etappe 17, Blumenstein–Riggisberg, werde ich nächstens angehen und bin dann wieder voll und ganz à jour, nachdem ich krankheitsbedingt zwei Mal hatte aussetzen müssen.

Sonntag, 21. Juli 2024

Schöner wohnen im Alter

Begann als Kurhaus: das Alters- und Pflegeheim in Elm GL.

Elm ist bekannt für seine prachtvollen alten Holzhäuser. Das stattlichste von ihnen steht ganz in der Nähe der "Elmer Citro"-Abfüllanlage, es ist das Alters- und Pflegeheim. Der ausladende Bau mit der überdachten Veranda und dem vorgelagerten Park zum Flanieren startete 1898 als Kurhaus und ist deutlich als Zeitzeuge der Belle Epoque erkennbar. Mit einer Leitung führte man damals eisenhaltiges Mineralwasser aus dem Berg zu den Gästen im Kurhaus. 1925 begann dessen Besitzer, das Wasser in Flaschen als Sprudel zu verkaufen. Zwei Jahre später mischte er Zitronensirup bei, es entstand das "Elmer Citro". So sind also beide Häuser, die Mineralwasser-Halle und das alte Kurhaus, historisch eng verbunden.

Samstag, 20. Juli 2024

Die Sache mit den Pilgerferien

Heute komme ich am Amsoldingersee vorbei. Um 
mich und die Leserschaft ein wenig zu erfrischen,
zeige ich hier ein Winterbild, aufgenommen 2015.
(Foto: Björn S… / Wikicommons)

Ich habe meinem Grüpplein Pilgerferien verordnet, diesen Samstag und die zwei folgenden wird nicht weitergewandert Richtung Genf. Die Idee ist, dass man in dieser Zeit entweder mal zur Abwechslung irgendeinen Berg besteigt oder aber verpasste Etappen nachholt, individuell. Genau das tue ich heute, ich nutze meine Pilgerferien, um zu pilgern. Es soll von Spiez nach Blumenstein gehen, ich hoffe, ich komme mit der Hitze gut zurecht, sind ja doch fünf Gehstunden. Aber freuen tu ich mich.

Freitag, 19. Juli 2024

1 Erbsenwurf

Die Verheissung der Süssspeise und …
... ihre Materialisierung als Schlorzifladen in der Skihütte Obererbs.

Wenn das Wanderwetter nicht besonders ist, müssen sekundäre Freudeli her – ja, ich rede vom Essen. Als ich am Montagmorgen in Elm bei der Haltestelle "Obererbs Höhenweg" aus dem Bus stieg, nieselte es. Und von den schönen Bergen rundum war nichts zu sehen, Nebel. Umso mehr motivierte mich das Schild, auf dem Kuchen verheissen wurde, zu haben in geringer Distanz ("1 Erbsenwurf entfernt"). Ich stieg also zur nahen Skihütte Obererbs auf, gönnte mir dort in der gemütlichen Stube einen Kafi und ein Stück Schlorzifladen. Und machte mich erst dann an den Elmer Höhenweg von Obererbs via die Bischofalp zur Seilbahn-Bergstation Ämpächli. Zwei Stunden brauchte ich für die Strecke, den Abstecher zur Wildbeobachtungsstation Bischofalp inbegriffen (Eintrag von gestern). Hinzu kam eine zusätzliche Stunde für die zweite Einkehr des Tages auf der Bischofalp, wo ich mir im Berghotel einen "Heuerspiess" gönnte mit Schweinefleisch, Speck, Zwiebeln und Dörrzwetschgen. War sehr gut. Und um das klarzumachen: Ja, Fernsicht hatte ich bei dieser Wanderung praktisch keine. Umso näher kamen mir der Weg und die Dinge an ihm, die Alpenblumen, Farne, Bäume, die nassen Felsbrocken, die angeschwollenen Bergbäche, die sonnengeschwärzten Alphütten. Gelohnt hat sich der Ausflug ins Glarnerland auf jeden Fall.
Auf dem Elmer Höhenweg.

Etwas später auf dem Höhenweg: der Steg über den Bischofbach.


Mein Zmittag im Berghotel Bischofalp.

Donnerstag, 18. Juli 2024

Glarner Gämsen

Die Wildbeobachtungsstation auf der Bischofalp.

Gestern morgen fuhr ich nach Elm mit dem Ziel, ein bisschen den Sommer zu geniessen. Was ich bekam, war fetter, kalter Nebel. Morgen mehr von meiner Unternehmung – und heute vorgezogen dies: In der Nähe der Bischofalp, auf 1731 Metern, besuchte ich eine Wildbeobachtungsstation, eine von dreien im Gebiet Freiberg Kärpf; apart, ich musste an ein Vogelnest denken. Etwas unterhalb hatte ich auf einer Infotafel gelesen, dass der Glarner Rat den Freiberg Kärpf schon 1584 mit einem Jagdverbot belegt hatte, heute ist dies das älteste noch bestehende Wildschutzgebiet der Schweiz. Gleichzeitig führte die Obrigkeit quasi kompensatorisch die Gepflogenheit ein, jedem einheimischen Paar, das zwischen Juli und November heiratete, zum Fest zwei Gämsen zu spendieren, die sogenannten Hochzeitsgämsen. Die Folge war, dass der Gämsenbestand drastisch schrumpfte, weswegen ab 1777 nur noch eine Gämse pro Hochzeit vergeben wurde. 15 Jahre später ging auch das nicht mehr, die Tradition endete. Mittlerweile habe es im Freiberg Kärpf wieder viele Gämsen, hinzu kämen Steinböcke und Rehe, las ich auf der Tafel auch. Gern hätte ich so ein Tierli gesehen, von der Wildbeobachtungsstation aus. War aber leider nicht der Fall.

Mittwoch, 17. Juli 2024

Drache erklärt Graubünden

Das Hörspiel "Der letzte Drache" besteht aus acht kurzen und kurzweiligen Episoden. Die in Graubünden geborene, in Berlin lebende Schauspielerin Ursina Lardi leiht dem Drachen ihre Stimme, ideal, denn Lardi kann alle drei Sprachen, in denen das Hörspiel angeboten wird: Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch. Graubünden feiert dieses Jahr ein Jubliläum, vor 500 Jahren bildete sich aus drei dörflich-gerichtlichen Zusammenschlüssen der Freistaat des Grauen Bundes, stolzer und souveräner Vorläufer des heutigen Kantons. Zum festlichen Programm im laufenden Jahr gehört das erwähnte Hörspiel, in dem der Drache vom Schwarzhorn bei Davos die letzten Jahrhunderte Graubündens aus seiner launigen Sicht Revue passieren lässt –  Geschichtsunterricht light.

Das Signet des Hörspiels "Der letzte Drache".

Dienstag, 16. Juli 2024

Ein König war der Riho nicht

Aber schön ist es: das Wappen der Berner
Gemeinde Riggisberg. (Wappenbuch 
des Kantons Bern / Wikicommons)
Wappen erzählen in so manchem Fall nicht die wahre, sondern die schöne Geschichte. Dasjenige von Riggisberg – wir starteten dort am Samstag zu einer Wanderung – zeigt eine Krone; das Motiv stützt die Theorie, der Name der Gemeinde sei abgeleitet von lateinisch mons regis, Berg des Königs. Welcher König gemeint ist, bleibt unklar, was wohl auch damit zu tun hat, dass "Riggisberg" in Tat und Wahrheit aus dem Althochdeutschen stammt. Und auf einen Mann mit dem Vornamen Riho oder Rico verweist. Dessen Träger war sicher kein König, er war wohl eher ein alemannischer Siedler.

Montag, 15. Juli 2024

Der Zweitürenzugriff

Kurz vor Rüeggisberg, das Korn steht hoch. Ganz hinten in der Bildmitte grün
der Schwendelberg und rechts daneben als winziger Spitz das Guggershorn.

Im Abstieg von Rüeggisberg nach Rohrbach.
Jakobsmuschel als Hommage
an den Jakobsweg in einem
Einfamilienhaus-Vorgarten.
Das Korn stand hoch, die Äpfel waren fast reif, die Haselnüsse nur knapp noch nicht pflückbar. Als wir am Samstag auf dem Jakobsweg von Riggisberg via Rüeggisberg, Wislisau und Schönentannen nach Schwarzenburg pilgerten, gingen wir durch ein blühendes Land, das wir umso mehr liebten, als wir vollkommen allein unterwegs waren. Berg des Tages war das Guggershorn, ein kecker Waldhügel, den wir die meiste Zeit vor Augen hatten, während wir ihm langsam näherkamen. In Rüeggisberg machten wir Pause im "Dorfegge", einem Miniladen, der auf Selbstbedienung ausgelegt ist, an ebendiesem Tag Eröffnung feierte und ziemlich voll war mit Einheimischen; wir kauften Glace, Dauerwürste, Käse. Ich könnte nichts nennen, was wir an dieser vierstündigen Unternehmung (390 Meter aufwärts, 360 Meter abwärts) nicht gemocht hätten, sie war nachgerade perfekt. Was auch für den folgenden späten Zmittag in Schwarzenburg im Gasthof Bühl passt, auf den schön frischen und knackigen gemischten Salat, das riesige Wienerschnitzel, den Roten aus Italien. Und um das letzte Highlight zu nennen: In Bern, wo wir Richtung Zürich umsteigen mussten, war das Perron rappelvoll mit Reisenden. Trotzdem sicherten wir uns dank der bewährten Methode, uns aufzuteilen und durch zwei verschiedene Türen den Zug zu entern, locker einen Vierertisch im Speisewagen.
Was man so isst, wenn man Pilger ist.

Sonntag, 14. Juli 2024

Zwischenzeitlich zweckentfremdet

Ich liebe Kirchen. Gestern lernte ich in Schwarzenburg eine kennen, die ich gleich ganz fest liebte. Es handelt sich nicht etwa um die Dorfkirche, die steht weit ausserhalb auf einem Hügel im Weiler Wahlern. Schön im Ortszentrum platziert ist hingegen die der Maria Magdalena geweihte Kapelle, um die es hier geht. Sie wurde im endenden Mittelalter als Frühmesskapelle eingerichtet. Das "Chäppeli", wie es genannt wird, wurde 1463 geweiht und bekam gut 70 Jahre später – also nach der Reformation – den charakteristischen Schindelturm in der Form eines spitzen Pyramidenkegels mit aufgesetztem Würfel, der Turm diente als Ausguck für die Feuerwache. Erinnert der Bau nicht an eine Holzkirche irgendwo in den Karpaten oder in Karelien? Schockiert war ich, als ich auf einer Infotafel dies las: Im 19. Jahrhundert wurde das Gotteshaus zweckentfremdet, es diente als Gerümpelkammer und Arrestzelle. Erst seit 1913 nutzt man es wieder zu sakralen Zwecken: Seit 1963 wird im Chäppeli einmal pro Woche für die Katholikinnen und Katholiken die Messe gelesen.
(Foto: Ronja)

Samstag, 13. Juli 2024

Es wird wieder gepilgert

Hier kommen wir heute durch: 
die Ruinen des Klosters Rüeggisberg.
So, endlich. Zwei Wochen in Folge musste ich bei der samstäglichen Pilgerei aussetzen. Erkältungshalber oder grippehalber; was es auch immer war, es war heftig. Heute nun bin ich wieder mit dabei, es soll auf dem Jakobsweg Konstanz–Genf von Riggisberg nach Schwarzenburg gehen – Etappe 18. Die verpassten Etappen Spiez–Blumenstein und Blumenstein–Riggisberg, 16 und 17, will ich in den nächsten Wochen nachholen. Jetzt bin ich gespannt, wie sich das Wandern anfühlt, so richtig fit bin ich noch nicht.

Freitag, 12. Juli 2024

Den Menschenrechten geht es dreckig

Verschmuddelte, praktisch unlesbare Tafel in Interlaken Ost.

Hey, Interlaken und Unterseen, ihr habt 2003 einen "Weg der Menschenrechte" eröffnet mit elf Tafeln. Putzt die bitte mal wieder! Sonst komme ich als Tourist nämlich auf die Idee, die Menschenrechte seien euch so was von egal.

Donnerstag, 11. Juli 2024

Gesucht: junge Bauernkrieger

Im Bauernkrieg von 1653 rebellierten gleich mehrere Schweizer Landschaften. Vor allem waren es die Leute im Entlebuch und Emmental, die sich erhoben; der Zusammenschluss von katholisch und reformiert machte die Sache noch viel beängstigender für die Obrigkeit. Am Ende freilich waren die Untertanen immer noch Untertanen. Und die Anführer Christian Schybi (Entlebuch) und Niklaus Leuenberger (Emmental) waren tot. Hingerichtet. Bis heute trifft man vor Ort auf Erinnerungen, der Bauernkrieg lebt fort. In Willisau fotografierte ich kürzlich die Hausfassade beim Obertor, wo die Herren Schybi und Leuenberger aufgemalt sind. Nächstes Jahr, übrigens, wird in Huttwil BE das Freilichtspiel "Burechrieg" aufgeführt. Gesucht werden noch, lese ich auf der Website, junge Bauernkrieger. Also die jungen Männer, die sie verkörpern.

Mittwoch, 10. Juli 2024

Sommersaison gerettet

In den letzten zwei Jahrhunderten ist der Ort doch ein wenig gewachsen:
San Bernardino im Jahr 1825. Aquatinta von Joh. Jakob Meier und Rudolf Bodmer.
Quelle: "Graubünden in alten Ansichten" von Bruno Weber (Wikicommons)

San Bernardino ist bekanntlich daran, sich neu zu erfinden, der Tessiner Immobilienmann Stefano Artioli pumpt rund 300 Millionen in den maroden Bündner Passort, insbesondere soll auch das Sommergeschäft angekurbelt werden. Hart, wenn dann – wie eben im Juni  – Unwetter aufziehen und die wichtigste Zufahrt, die von Süden, blockiert ist. Nun, mittlerweile ist der Misoxer Abschnitt der A13 bereits wieder repariert, darüber staunt die Schweiz. Die touristischen Veranstaltungen der in der zweiten Julihälfte anlaufenden Sommersaison könnten von Musikfestival bis Gourmet-Event alle stattfinden, teilte die Destination "San Bernardino Swiss Alps" gestern mit.

Dienstag, 9. Juli 2024

Süsses Portugal

Es waren portugiesische Gastarbeiter, die das Pastel de Nata in den Norden trugen, also auch in unser Land. Was für ein Gewinn! Diese Süsse, dieses Zusammenspiel des Blätterteigs mit der Creme aus Eigelb, Zucker, Rahm ("Nata") und Mehl! Erfunden haben das Küchlein, das ich kürzlich in Rapperswil im "La Fuente" als Dessert bestellte, Mönche eines Klosters in Belém, heute ein Stadtteil von Lissabon; seiner Herkunft wegen nennt man es auch "Pastel de Belém ", Gebäck von Belém. So was könnte ich jeden Tag drei Mal essen.

Montag, 8. Juli 2024

Eine Note von Nahbarkeit

Bruder Klaus in Zürich. Mit Vogel.
Die Statue am Turm der Kirche Bruder Klaus aus der Distanz.
Links die Pauluskirche der Reformierten, um die es hier gestern ging.

Klaus-Darstellungen im Kircheninneren.
Es befremdete mich leicht, Bruder Klaus in Zürich zu sehen. Er kam mir irgendwie verpflanzt vor, ist in meinem Kopf der Innerschweiz zugeordnet, in der er lebte und starb. Als wir vor Wochen von Stans nach Flüeli-Ranft jakobspilgerten und weiter nach Sachseln, begegneten wir ihm, gemalt oder skulptiert, immer wieder mal, sahen seine Zelle, sahen seine Kapellen, sahen die Kirche mit dem Reliquienbehälter; wir gewöhnten uns an ihn, wenn ich auch nicht sagen könnte, dass wir ihn liebgewonnen hätten. Unser Landespatron, ein Obwaldner Bauer und Krieger des 15. Jahrhunderts, Asket, Einsiedler, Visionär, ist stets hager dargestellt, das Gesicht eingefallen, der Blick entweder flackernd oder in sich gekehrt. Und dann, am Samstag, Zürich. Dort steht die Bruder-Klaus-Statue an der nach ihm bennnten, 1933 eingesegneten Kirche gleich beim Milchbuck. Zum genauen Hinschauen zwang mich das Vögeli auf Klausens rechter Schulter. Ich hielt es zuerst für echt – ist es aber nicht, es gehört zum Kunsterk von Alphons Friedrich Magg und verleiht dem gestrengen Mann eine Note von Nahbarkeit.

Sonntag, 7. Juli 2024

Unverhofft kam ich zu einem Turm

Blick von der Pauluskirche gleich beim Milchbuck. Links hinten der Zürichsee,
in der Mitte der Uetliberg, rechts in Blau der Primetower.

Die Turmtreppe im Abstieg.
Gestern schaute ich mir in Zürich-Unterstrass die katholische Kirche Bruder Klaus an. Und realisierte, dass gleich daneben eine zweite, reformierte Kirche steht, die Pauluskirche. Ein ziemlicher Klotz, der – ich las das vor Ort in der Wikipedia – das grösste Geläute des Kantons Zürich besitzt; im September 1933, vier Monate vor der Einweihung, hatten 1500 Kinder die Glocken in den Turm aufgezogen. Die Kirche war leer bis auf einen Mann, der möglicherweise der Sigrist war. Er fragte mich, ob ich wegen des Rooftop Day da sei. Keine Ahnung, was das war. Nun, die Newsletter-Firma Ron Orp organisiert diesen Anlass seit Jahren in mehreren Schweizer Städten, am betreffenden Tag stehen jeweils viele Dächer zum Besuch offen. Toll, ich stieg die Wendeltreppe hoch, kam dabei heftig ins Schwitzen und Keuchen und freute mich oben auf 34 Metern über das 360-Grad-Zürich-Panorama. Unverhofft immer gut.
Die Pauluskirche. (Foto: Ikiwaner/Wikicommons)
Am Kirchenportal wachen grimmig die vier Reformatoren.
Es sind (von links) Calvin, Zwingli, Luther, Bullinger.

Samstag, 6. Juli 2024

Tröstlicher Plan

Der Patient und die Ärztin: Illustration von 1865 aus der britischen Satirezeitschrift
"Punch". Der Text unter der Illustration besagt, der Mann habe gezielt eine
Erkältung angestrebt, um die junge Ärztin kennenlernen zu können. (Wikicommons)

Das wird grad wieder nichts heute mit Pilgern auf dem Jakobsweg Schweiz, bin zu circa zwei Dritteln wiederhergestellt, schniefe und huste aber noch und bin ziemlich unfit – so eine Erkältung oder Grippe oder was auch immer es in diesem Fall ist, kann einen ja recht hernehmen. Ich habe in zehn Tagen vier Kilo abgenommen. Immerhin: Letzten Samstag ging ich gar nicht aus dem Haus, heute hingegen gönne ich mir eine kleine Fahrt mit der Forchbahn nach Zürich, ich will mir in der Stadt eine bestimmte Kirche anschauen und mir danach etwas Feines kaufen. Das koche ich dann zuhause. Klingt das nicht tröstlich?

Freitag, 5. Juli 2024

Die Rätselhand

Die Hand von Prêles in der Ausstellung in Bern.

Eine geöffnete rechte Hand, 502 Gramm schwer, knapp 18 Zentimeter lang. Aus Bronze ist sie, den Armansatz umschliesst eine Goldmanschette. Die Hand wurde in der Bronzezeit, vor etwa 3500 Jahren, gefertigt und einem Toten, wohl einer hochgestellten Persönlichkeit, einem Priester etwa oder einem Fürsten, ins Grab mitgegeben. Vor sieben Jahren fanden Sondengänger, die ohne Genehmigung unterwegs waren, die Hand im Erdgrund in Prêles oberhalb des Bielersees, zwei Tage später meldeten sie sich beim Archäologischen Dienst des Kantons Bern; sie wurden einige Monate später wegen Grabräuberei verurteilt. Vor einigen Tagen schaute ich mir die Hand von Prêles im Bernischen Historischen Museum in Bern an. Sie, die in Fachkreisen weltweit Beachtung gefunden hat und schon im "British Museum" in London gezeigt wurde, ist das Prunkstück der Ausstellung "Und dann kam Bronze!". Ungewiss ist bis anhin, was genau die Hand sollte. War sie ein Szepter? Ein Kultgerät? Eine Prothese? Alles möglich.

Donnerstag, 4. Juli 2024

550 Wege gesperrt

Eine Wanderwegsperrung. auf Schweizmobil.
Immerhin gibts in diesem Fall eine Umleitung,
sie ist in fettem Gelb markiert.
Derzeit seien in der Schweiz rund 550 Wanderwege oder Wanderweg-Abschnitte gesperrt, las ich gestern auf der News-Plattform von SRF. Das ist ein Rekord. Seit vier Jahren gibt es die nationale Datenbank, in der die Sperrungen erfasst sind; nie zuvor waren in diesen vier Jahren so viele Wanderwege nicht benutzbar. Aber sind 550 gesperrte Wege viel, ist die Sache gravierend? Die Frage ist schwer beantwortbar, weil wir nicht wissen, wie vielen Kilometern sie entsprechen; das ganze Schweizer Wanderwegnetz umfasst  65'000 Kilometer. Auf jeden Fall hoffe ich, dass die kaputten Wege geflickt werden können oder "entsperrt" werden.

Mittwoch, 3. Juli 2024

Das doppelte Willisau

Willisau aufgenommen aus 300 Metern Höhe, Foto von Flugpionier
Walter Mittelholzer, 1922. (Quelle: ETH-Bibliothek)

Gibt es ein Willisau oder zwei? Kürzlich schaute ich mich in der 9100-Menschen-Gemeinde im Luzerner Hinterland um für eine Reportage. Und stellte fest, dass in den Köpfen der älteren Leute eine einstige Trennung immer noch wirkt. Für sie ist jemand, der in Willisau beheimatet ist, entweder ein Städtler bzw. eine Städtlerin oder ein Ländler bzw. eine Ländlerin. Da wirkt Geschichte nach. 1803, nachdem in der Schweiz die alte Ordnung durch die Franzosen beseitigt worden war, entstanden im Gebiet zwei Gemeinden, Willisau Stadt und Willisau Land. Hie auf dem flachen Boden das herrschaftliche Städtchen samt Landvogtei, hie das hügelig-bergige Hinterland mit den verstreuten Bauernhöfen. 2006 kam es zur Vereinigung: Die beiden Gemeinden schlossen sich zusammen zur heutigen Gemeinde Willisau. Im Gespräch freilich sagten mir etliche Leute, die ich traf: Ich bin ein Ländler. Oder: Ich bin eine Städtlerin. Alle sagten es mit Stolz.

Dienstag, 2. Juli 2024

Tili, Uffzig, Schluff

Ein Estrich. (Pittigrilli/Wikicommons)
Das Mundart-Wörterbuch "Schweizerisches Idiotikon" bringt auf seiner Website regelmässig Wortgeschichten. Vor wenigen Tagen las ich eine solche Geschichte, die Dialektwörter für "Estrich" auflistet und erklärt. Ergiebige Sache, hier die Liste.

  • Tili bezeichnet nicht immer den Dachraum, kann aber; man findet diesen Ausdruck im Aargau, im Thurgau und in den Alpen.
  • Büni ist im Emmental und in der Nordwestschweiz zu hören. Und auch in Baden-Württemberg.
  • Schütti nennen sie den Estrich im Norden des Kantons Zürich, im angrenzenden Thurgau und in der Nordwestschweiz.
  • Reiti sagt man im nordöstlichen Kanton Bern.
  • Gade bezeichnet im Berner Oberland den Estrich.
  • Laube ist im Schaffhausischen gebräuchlich.
  • Soller oder Solder ist weitverbreitet: Freiburg, Bern, Solothurn, Glarus.
  • Winde heisst der Estrich im Kanton Zürich.
  • Uffzig kursiert im nordöstlichen Kanton St. Gallen.
  • Unnertach sagen sie im Wallis. "Unter dem Dach", das leuchtet ein
  • Last not least ist da der Schluff. Jener Raum, in dem man hineinschlüpft. Dieses Wort kenne ich aus meiner Kindheit, es ist im Appenzellerland gebräuchlich.

Montag, 1. Juli 2024

Alles gesperrt

Der Lagh de Cama, der See zuoberst im Val Cama.
Alles gesperrt, zeigt Schweizmobil an.
O weh! Letzten Juli stieg ich mit Freund Peider auf zum Val Cama, einem Seitental des Misox. War eine meiner schönsten Wanderungen, in das Tal und zu seinem See führt keine Strasse, die Ruhe war himmlisch, die Landschaft ein Traum. Vor wenigen Wochen schrieb ich über das Val Cama eine Kolumne für die "Schweizer Familie". Bloss kann sie nicht erscheinen. Seit den Unwettern im Misox vor einigen Tagen sind in der Gegend praktisch sämtliche Wanderwege gesperrt. O weh! Mir tun die Leute im Misox leid, die vom Tourismus leben oder mit ihm ein Zusatzeinkommen generieren. Was meine Kolumne über das grandiose Val Cama angeht, so hoffe ich, sie nächstes Jahr bringen zu können.