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Dienstag, 31. Januar 2023

Bärlauch und Baumstrunk

Aus dem Postautofahrplan.
Schon als Kind fuhr ich mit dem Postauto von Stein nach St. Gallen und retour und tue es bis heute, in Stein bin ich ja aufgewachsen. Ausserhalb des Dorfes gibt es eine Haltestelle Rämsen-Störgel. Als ich vor einigen Jahren begann, mich für Flurnamen zu interessieren, beschäftigte mich auch Rämsen, freilich ging ich der Sache nicht nach, sondern dachte einfach, dahinter stecke sicher eine "Remise". Falsch. Total falsch. Am Wochenende kam ich wieder einmal dort vorbei und nahm das zum Anlass nachzuschlagen. Rams oder Rämse bezeichnet Bärlauch, Schneeglöckchen und Märzglöckchen, von da stammt der Name; bei der Rämsen trifft man mindestens eines dieser Gewächse offenbar an. Und Störgel? Da gibt es zwei Deutungen: "Baumstrunk" und "Wäschestange". 

Montag, 30. Januar 2023

Eine andere Welt

Margaret Cavendish auf einem
Gemälde von Peter Lely, 1665.
(Quelle: Wikicommons)
Eine junge Frau wird entführt. Das Boot treibt zum Nordpol, der Entführer und die Besatzung erfrieren, die Frau aber gelangt in die "Blazing World" (Gleissende Welt), die an unsere Welt grenzt. Wesen in Tiergestalt von beachtlicher Intelligenz leben dort. Die junge Frau heiratet den König, der über sie herrscht, und macht sich daran, die fremde Welt samt ihren Geschöpfen, Mentalitäten und Wissenschaften systematisch zu ergründen und … (an dieser Stelle lasse ich sehr vieles aus) … bricht am Ende mit einer beachtlichen Streitmacht auf zur Reise zurück in ihre alte Heimat, die von feindlichen Mächten angegriffen wird.

Ich bin fasziniert von "The Blazing World", einem Text von 1666, der als eine der ersten oder gar die erste Science-Fiction-Geschichte der Menschheit gilt; natürlich kann man sich fragen, ob die Kategorie passt. Auch ein feministischer Text ist dies mit einer Heldin, die ihre eigene Meisterin ist und eine grosse Denkerin, ausgestattet mit einem alles wissen wollenden Intellekt. Das trifft auch auf die Autorin zu: Margaret Cavendish, Duchess of Newcastle, war Schriftstellerin, Philosophin und Naturwissenschaftlerin und publizierte Fiktionales ebenso wie Reden und naturphilosophische Erwägungen. Ihre fantastische Geschichte von der Reise in eine andere Welt hat mich gefesselt, wobei ich mit dem altertümlichen Englisch zu kämpfen hatte. Ging aber schon. Ich empfehle die Lektüre allen, natürlich gibt es Übersetzungen ins Deutsche.

Titelseite der Ausgabe von 1668.
(Wikicommons)

Sonntag, 29. Januar 2023

Hinter dem Mond

St. Antönien, Wanderstart. Der spitze Kirchturm ist Spätgotik.
Zwischen Aschüel und dem Capöllerbüel.
Die Bodähütte. Nie, nie, nie hätten wir
draussen essen wollen, es war viel zu kalt.
Bei Küblis im Prättigau öffnet sich ein langes Seitental. An seinem oberen Ende liegt St. Antönien, das für sich den touristischen Slogan "Hinter dem Mond, links" erfand. In der Tat ist das Dorf abgelegen, so dass man hier Ruhe findet, wir sahen gestern, während wir in der Gegend eine gut vierstündige Winterwanderung absolvierten, kaum Menschen. Ein Spektakel war das Wetter, Eiseskälte empfing uns und eine Bise, die mir die Haut vom Gesicht hobeln wollte. Die Sonne duellierte sich mit dem Hochnebel, keiner war am Ende der Gewinner, es war ein Hin und Her mit wallenden Wolken und mal fahlem, mal klarem Licht. Schnee hatte es gerade so viel, dass er die Wege komfortabel polsterte, mir schien, als würde ich auf einem weichen Teppich gehen. Toll war die Einkehr in der Mitte der Unternehmung, wir fanden in der kleinen und gemütlichen Bodähütte den einen der zwei Tische unbesetzt vor, als hätte man auf uns gewartet und für uns reserviert, wir passten perfekt in unsere Ecke, Fondue gabs, Schüblig, Salsiz, Alpkäse, Gerstensuppe, alles schmeckte. St. Antönien war gestern gut zu uns.

Route: St. Antönien, Platz – Aschüel – Capöllerbüel – Boden, Bodähütte – Loch – Unter Calondis – Tratza – Unter Tratza – Büelenwis – Güggelstein – Pany, Skilift (Bus). Die Karte mit dem Winterwanderwegnetz, das wir nutzten, hier.

Kurz vor Wanderschluss beim Skilift von Pany, dem Nachbardorf von St. Antönien.
Winter, wie man ihn sich wünscht.

Samstag, 28. Januar 2023

Wandern reicht mir

Im Radio hörte ich eben von der neuen Fitnessmethode HIIT, "high-intensity interval training". Offenbar ist die Methode derzeit in, man absolviert kurze, sehr heftige Trainingseinheiten. Mir sind solche Trends ebenso zuwider wie die saisonal wechselnden Ernährungs- und Nichternährungs-Hypes von Goji-Beeren und Chia-Samen bis Intervallfasten und Paleo-Diät. Ich machte nie Zumba. Ich stand nie im Hallenbad und trat, schwimmflügelitragend, Wasser. Ich machte nie Crossfit. Und ich werde nie HIIT betreiben. Wandern reicht mir zum Wohlbefinden. In Kombination mit Einkehren und Essen natürlich.

Freitag, 27. Januar 2023

Ein Berghaus schliesst

Screenshot von der Homepage des Berghauses Gurnigel
Ich werde hier nicht jedem Restaurant, das grad eingegangen ist, einen Eintrag widmen; derzeit findet ja ein Massensterben statt. Sehr schade finde ich, dass – ich sah das erst jetzt – seit fünf Wochen das Berghaus Gurnigel geschlossen ist. Ein wichtiges Lokal. Es stand ideal bei der Gurnigel-Passhöhe, auf knapp 1600 Metern, war eine Art Basislager für Leute, die wandern, auf Schneeschuhen unterwegs sind, Langlauf betreiben oder auf Bergtour gehen. Der Pächter nennt für seine Entscheidung, das Berghaus zu schliessen, in der "Berner Zeitung" zwei Gründe. Zum einen das warme Wetter, welches das Wintergeschäft zunehmend lähmt. Und zum anderen die für ihn zu hohe Miete. Ob und wie es auf dem Pass weitergeht, ist nicht ganz klar, womöglich mit einem Umbau des Hauses, das auch ein Hotel ist. Eine Wiedereröffnung ist also möglich – wir hoffen.

Donnerstag, 26. Januar 2023

Sympathischer Schwächling

Begrüssungskomitee zum Wanderstart.
Der Dodge von Egnach.
Am Hafen von Romanshorn.
Unser Fischzmittag.
Drei Stunden Wandern im Thurgau. Wenig Schnee und viel Matsch. Weiler mit Fachwerkhäusern in Rotweiss. Drahtgerüste, Plastikplanen, Holzstangen, alle in Ruhestellung, doch bereit, bald schon wieder Obst zu stützen und zu schützen. Und am südlichen Horizont im fahlen Licht die Alpsteinkette mit dem Säntis. Wir, Freund M. und ich, zogen am Dienstag los vom Bahnhof Häggenschwil-Winden, hielten via Erbel, Häuslen, Burkartsulishaus, Stocken hinab zum Bodensee. Dort gab es im Egnacher Weiler Wiedehorn im Landgasthof Seelust zu M.'s  Geburtstag ein angemessenes Mahl, Hauptgang war ein Zander mit Vitello-Tonnato-Ravioli. Worauf wir am Nachmittag seenah weitergingen nach Romanshorn, weit war das nicht mehr. Winter? Viel war von ihm nicht zu spüren. Im Thurgau ist er ein sympathischer Schwächling.

Mittwoch, 25. Januar 2023

Bahnhofsgeschichten

Ein Teil des Tanklagers beim Bahnhof Häggenschwil-Winden
an der Bahnlinie von St. Gallen nach Romanshorn. Das Foto
machte ich auf dem Perron, bevor wir Richtung Egnach loszogen.

Der Bahnhof Häggenschwil-Winden liegt zwischen Häggenschwil SG und Winden TG knapp auf der Thurgauer Seite der Kantonsgrenze. Drei Dinge möchte ich erzählen zu diesem Ort, von dem aus wir gestern Richtung Bodensee loswanderten. Erstens stehen gleich beim Bahnhof gewaltige Tanks, in denen bis zu 300 Millionen Liter Heizöl, Benzin und Diesel gelagert werden können; es handelt sich um ein Pflichtlager des Bundes im Besitz einer St. Galler Firma. Ganz in der Nähe gibt es, zweitens, auf der Thurgauer Seite den Weiler Raach, der Name aus dem Mittelalter kommt von "bei der Eiche". Einer der Höfe des Weilers steht etwas für sich und bildet die einzige St. Galler Exklave, was historische Gründe hat. Drittens: Unweit des Bahnhofes Häggenschwil-Winden gibt es gleich noch einen interessanten Flurnamen, Chartespil. In dieser Wiese standen offenbar 36 Obstbäume, genau so viele wie in einem Jasskarten-Set.

Die Grösse des Tanklagers beim Bahnhof Häggenschwil-
Winden zeigt dieser "Schweizmobil"-Screenshot. Am
oberen Bildrand ist die Wiese "Chartespil" zu sehen.

Dienstag, 24. Januar 2023

Muss man berührt haben

Wer durch das Loch langt und die Einschlüsse im Stein befühlt,
kommt in Kontakt mit dem Anfang der Erdgeschichte.
Ich stutzte einen kurzen Moment, als ich sah, dass der hinter einer Scheibe ausgestellte, flache, kieselgrosse Stein berührbar ist, wozu ein Schild auffordert. Ich langte dann aber doch durch das kleine Loch in der Scheibe und erfühlte mit den Fingern den Stein und besonders die hellen Einschlüsse darin. Nichts passierte, auch später nicht, meine Hand ist noch dran und sieht aus wie vorher. Eindrücklich war das Erlebnis im Museum Focus Terra an der ETH Zürich aber schon. Über drei Stockwerke zieht sich im Lichthof des Erdwissenschaften-Gebäudes die frei zugängliche Ausstellung zu ebendiesem Wissenschaftsbereich, vieles ist permanent zu sehen, anderes temporär im Rahmen der jeweiligen Sonderausstellung, mit einem einzigen Besuch ist man überfordert, jedenfalls war ich es. Und jetzt wieder zum Stein. Es handelt sich um ein kleines Stück des Meteoriten "Allende", der im Februar 1969 über Mexiko in die Erdatmosphäre eintrat und dabei zerplatzte. Ein Teil der weitum verstreuten Trümmer wurde geborgen – eine Trouvaille für Forscherinnen und Forscher, stellte sich heraus. Die Einschlüsse im Allende-Fragment an der ETH sind 4,57 Milliarden Jahre alt; sie stellen die älteste Materie in unserem Sonnensystem und sind nur geringfügig jünger als unsere Erde. So etwas muss man berührt haben.
Der Lichthof des ETH-Gebäudes an der Sonneggstrasse in Zürich,
in dem sich das Museum Focus Terra eingerichtet hat;
die blauen Infowände gehören zu einer Sonderausstellung über Wellen.
Das Gebäude des Architekten Gustav Gull entstand in den 1910er-Jahren 

Montag, 23. Januar 2023

Was tun?


Letzten Mittwoch war ich an der ETH – mehr davon morgen. Ziemlich als erstes fiel mir ein Schild auf, das Verhaltenstipps für den Fall eines Amoklaufes liefert. Traurig, dass so etwas wohl nötig ist. Dass es zu unserer Gegenwart gehört.

Sonntag, 22. Januar 2023

Ein Cordon bleu zeigt Flagge

Vormittagshimmel im Säuliamt.
An der Reuss.
Kanal nah Mühlau, bald gibts Zmittag.
Mein Essen.
Ich hatte gestern Morgen Polarängste und kleidete mich sehr, sehr warm. Tatsächlich fror ich auf unserer Samstagswanderung keine Minute, obwohl die Bise an uns rüttelte; ich musste sogar eine Schicht ausziehen – wenn man zügig geht, heizt das auf. Die Route, die uns durch drei Regionen und Kantone führte (Zürcher Säuliamt, Aargauer Freiamt und Rüssspitz, Kanton Zug), schenkte uns viel. Wir erlebten lange Geraden und weite Felder, die mächtige Reuss mit ihren gefrorenen Sand-und-Kiesel-Ufern, Seitendämme und Kanäle und Bäche, Flächen von Magergras und stoppelig geschnittenem Schilf, gefrorene Zweige, Blätter und Gräser. Vor allem aber verwöhnte uns das Licht. Ich war davon ausgegangen, dass wir unter einem grauen Himmel gehen würden. Tatsächlich bekamen wir über zwei Drittel der Unternehmung etwas Sonne ab, was ebenso gut tat wie der Zmittag im "Kreuz Schoren", einem Restaurant im Naturschutzgebiet Schoren in Mühlau AG. Alles war dort untadelig vom Cordon bleu (mit Schweizerfähnli) über die Gemüserösti und die geschmorten Schweinekopfbäckchen bis zum Rotwein, einem Zweigelt von Gelfingen. Am Schluss dann, am Bahnhof Knonau, gabs auch noch einen Kafi Schnaps. Man ist ja unter der Woche solid unterwegs, da darf man am Samstag alles.

Affoltern am Albis – Chalchofen – Fuchsloch – Bickwil – Lindenbach – Rickenbach – Lunnergrien – Schoren, "Kreuz Schoren" – Mühlau, Reussbrücke – Rüssspitz – Maschwanden – Boll – Knonau. 19 Kilometer, 4 1/2 Stunden. 

Samstag, 21. Januar 2023

Sägistalsee?

Ein Screenshot der "Schweizmobil"-Karte mit
dem Brienzersee (oben) und Iseltwald. Der Sägistalsee,
1936 Meter über Meer, findet sich unten.

In der Nacht auf gestern wars am Sägistalsee infernalisch kalt, entnahm ich gestern der Online-Ausgabe des "Tages-Anzeigers": minus 42,3 Grad. Der anerkannte Schweizer Allzeit-Kälte-Rekord wird gehalten von La Brévine im Neuenburger Jura mit minus 41,8 Grad. Der Wert beim Sägistalsee stammt von einer privaten Messstation, ist also nicht offiziell. Mein Problem war, als ich die Meldung las, dass ich keine Ahnung hatte, wo der See liegt. Nun, jetzt weiss ich es. Im Berner Oberland, südlich von Iseltwald und unterhalb des Faulhorns. Das Gewässer ruht in einer tiefen Gebirgsrinne, die eisige Luft kann nicht entfliehen und staut sich hier.

Freitag, 20. Januar 2023

Wendy und das S

Influencer kennen wir alle, es sind Leute, die in den sozialen Netzwerken ihrer Anhängerschaft bestimmte Produkte nahelegen – so geht Marketing in der Internet-Ära. Gestern bekam ich eine Medienmitteilung, gemäss der die Schweiz jetzt eine Sunfluencerin hat. Nämlich die Schwyzer Skisportlerin Wendy Holdener, die per sofort als eine Art Markenbotschafterin für die Schweizer Sonnencrème "Sherpa Tensing" amtiert. Das mitgelieferte Pressefoto (photoworkers.ch) zeigt die Weltmeisterin und Olympiasiegerin mit einem S aus Sonnencrème auf der Wange. Es steht, lese ich, für "Stärke". Und natürlich auch für "Sherpa Tensing".

Donnerstag, 19. Januar 2023

Vom Schwefel merkte ich nichts

Doppelbrunnen mit Wasser aus der Magdalenaquelle in Magden.
Das Wasser fliesst im Erdgrund vom Önsberg hinab nach Magden und wird dort unter dem Namen "Magdalenaquelle" gefasst, ein Schwefelbrunnen ist für 1843 schriftlich belegt. Heutzutage sind es gleich sechs Brunnen, die an verschiedenen Punkten im Fricktaler Dorf die Mineralquelle mit Kalzium, Magnesium und Schwefel nutzen, wobei ein Teil des Wassers weitergeleitet wird in den benachbarten Badeort Rheinfelden, wo man es als "Kurwasser" nutzt; bis zu 300 Liter dringen pro Minute aus dem Boden. Letzten Samstag kamen wir an einem der Magdener Brunnen vorbei und kosteten, der Trunk mundete, vom Schwefel merkte ich nichts. Und nun ist noch ein mögliches Missverständnis zu klären: Magden hat mit dem Frauennamen Magdalena nichts zu tun. Das Wort ist keltischen Ursprunges und setzt sich zusammen aus magos, Ebene, und der Silbe dun, die im deutschen Wort Zaun weiterlebt und einen befestigten Platz bezeichnet.

Mittwoch, 18. Januar 2023

Pfahlbautennager

Der Inkwilersee gehört halb zum Kanton Bern
(rechte Hälfte) und halb zum Kanton Solothurn.
(Karte Schweizmobil, Screenshot)
Rund um die Insel im Inkwilersee gibt es unter Wasser Pfahlbauerrelikte, die als Unesco-Weltkulturerbe registriert sind. Auf derselben Insel hat sich ein Biberpaar mit seinen Jungen angesiedelt. Es bereitet den Archäologen Sorgen – die Nager haben in den letzten Jahren die prähistorischen Lagen von Bauhölzern aus der Bronze- und der Jungsteinzeit angegraben und teilweise zerstört. Die Schäden seien schlimm, doch lohne sich ein Einschreiten noch, sagt der zuständige Solothurner Kantonsarchäologe in der Radio-SRF-Sendung "Regional Diagonal", die gestern auch berichtete, dass der Kanton bald um die Insel ein Gitter installieren will. Gleichzeitig werden Fachleute im See einen Ersatzbau anlegen und Familie Biber umsiedeln. 800 000 Franken wird das alles kosten.

Dienstag, 17. Januar 2023

Als die Schweden kamen

Die Stiftskirche in Olsberg.
Das Stift mit den zugehörigen Gebäuden.
Olsberg im westlichen Fricktal liegt schön. Ein bewaldeter Hügelkamm trennt das Dorf im kleinen Tal des Violenbaches ab von den geschäftigen Orten und Durchgangsachsen des Hochrheins im Norden. Als wir am Samstag das zugehörige Stift Olsberg entdeckten, ein Kulturgut von nationaler Bedeutung, waren wir angetan. Mittlerweile habe ich seine Geschichte nachgelesen. Das im 13. Jahrhundert entstandene Zisterzienserinnen-Stift mit dem Namen "Hortus Dei" (Garten Gottes) musste so einiges erdulden, nachdem es in seinen ersten zwei Jahrhunderten spektakulär gewachsen war und einen Teil des Baselbiets erwarb sowie verstreute Ländereien im Elsass und in Südbaden. Hier drei Katastrophen, die das Kloster trafen:

  • 1427 brannte es vollständig nieder.
  • 1525 wurde es von den Bewohnern und Bewohnerinnen der umliegenden Dörfer im Deutschen Bauernkrieg geplündert.
  • 1632, im Dreissigjährigen Krieg, plünderten es die Schweden gleich zwei Mal. Dabei wurde das Kloster auch schwer beschädigt.
Seit gut 230 Jahren ist das Stift kein Stift mehr, sondern eine Erziehungsinstitution – heutzutage ist es ein Sonderschulheim des Kantons Aargau für Kinder mit Lern- und Verhaltensproblemen. Ein biologischer Landwirtschaftsbetrieb gehört zur Anlage, deren Grösse die überregionale Ausstrahlung früherer Jahrhunderte als geistliches Zentrum bezeugt. Mietwohnungen finden sich ebenfalls, wobei die Leute, die hier wohnen, nicht schreckhaft sein sollten: In gewissen Nächten sei auf dem Gelände der fromme Gesang der Nonnen von einst ganz fein zu hören, heisst es. Wo ich das herhabe? Okay, ich gebs zu, ich habe den Sagenstoff soeben erfunden. Aber Olsberg ist wirklich faszinierend.

Montag, 16. Januar 2023

Durch die Grimsellücke

Haselzötteli an der Ergolz zehn Minuten nach Wanderstart.
In der "Blume" in Magden
haben sie ein Herz für Salat.
Mild war der Samstag im Baselbiet und im Aargauer Fricktal, Schals wurden entfernt, Jacken geöffnet oder gar ausgezogen, Haselzötteli und Schneeglöckchen zierten den langen Weg von Itingen via Magden nach Kaiseraugst. Hügelig war die Landschaft mit viel Wald, die meiste Zeit waren wir auf langen Geraden unterwegs, ruppig wars nirgendwo. Die "Grimstelücke", einen kleinen Einschnitt zwischen zwei Höhen, tauften wir "Grimsellücke" und brachten so alpines Flair in den Tag. Gut war der Zmittag von Falafel über Pouletbrust mit Morchelsauce bis Wildpfeffer im Restaurant Blume in Magden, wir tranken zum Essen einen örtlichen Rotwein. Gegen Ende der Wanderung landeten wir dann in der Antike, in den Ruinen der Römerstadt Augusta Raurica, heute Augst und Kaiseraugst. War alles toll – und genau deswegen habe ich nun eine kritische Bemerkung an den Winter: Du weckst Frühlingshoffnungen, spielst mit unseren Gefühlen, lässt Wärme zu, und dann plötzlich ist es doch vorbei mit der Gemütlichkeit. Wie kalt es diese Woche wird, nachdem es so lange so warm war! Mir wärs lieber, du wärest weniger launisch, Winter.

Itingen, Bahnhof – Atlisten – Limperg – Grimstelücke – In der Weid – Nusshof – Zelgli – Magden – Schildmatt – Stift Olsberg  – Frauewald – Lochhau – Schwarzacker – Augst, römisches Theater – Augst, Lapidarium – Kaiseraugst, Bahnhof. 5 1/2 Stunden, 500 Meter aufwärts, 590 Meter aufwärts.

Unsere Samstagslandschaft.
Das Theater von Augusta Raurica, heute Augst.

Sonntag, 15. Januar 2023

Alles klar nach 16 Jahren

Der Ikea bei Itingen BL.

2007 beschrieb ich in der "Weltwoche", wie wir Wochen zuvor zu zehnt von Gelterkinden auf die Sissacherfluh gestiegen waren. Hier ein paar Zeilen aus der Wanderkolumne mit dem Titel "Die Chaostruppe". Sie erzählen, wie es nach der Sissacherfluh weiterging:

Als Wanderschlussziel hatte ich Hersberg ausgerufen. Nur hatten anscheinend – es muss mir an Charisma fehlen – nicht alle zugehört. Als wir nun nämlich weitergingen, zog sich die Truppe in die Länge und zerfiel im dichten Wald in drei Teile, die verschiedene Wege einschlugen. Meine Fraktion steuerte brav nach Hersberg. Rainer und Anhang hielten Richtung Liestal, riefen mich aber bald auf dem Handy an und korrigierten hernach ihren Kurs; in Hersberg fanden wir uns wieder. Beatrice und Katharina verirrten sich und riefen auch an; sie sagten, sie stünden hoch über einem Tal und sähen dort ein Ikea-Center. Ich hatte keine Ahnung, wo sie waren, und konnte ihnen nur raten: Helft euch selbst!

Und damit in unsere unmittelbare Gegenwart. Gestern waren wir in derselben Gegend wie damals unterwegs, die Wanderung begann damit, dass wir von Itingen auf den Limperg stiegen, den Nachbarberg der Sissacherfluh. Kurz bevor wir oben waren, schaute ich zurück auf die Ebene, in der wir gestartet waren. Und erblickte … einen riesigen Ikea. Nun weiss ich, welches Tal Beatrice und Katharina damals sahen, nämlich das der Ergolz. Und das mit dem Ikea-Center ist jetzt auch klar. Die Verwirrung von einst hat sich verzogen. Nach nur 16 Jahren.

Samstag, 14. Januar 2023

Der Krattenturm

Im Wappen des Zürcher Stadtquartiers
Oberstrass ist der Krattenturm abgebildet.

Wie jede mitttelalterliche Stadt war Zürich befestigt. Eine Ringmauer reichte beidseits der Limmat bis zum See. Im Vorland der Stadt gab es zwei weitere Verteidigungslinien. Die eine habe ich auf meinem Kärtli in Rot sehr grob eingezeichnet, sie sicherte die Stadt gegen Attacken aus dem Limmattal und dem Glatttal. Der Äussere Letzigraben, wie die Linie hiess, reichte vom Fuss des Üetlibergs hinüber zum Fuss des Zürichbergs. Es handelte sich um eine behelfsmässige Anlage, die natürlichen Geländehindernissen wie etwa Bachläufen folgte und bei Angriffen mit gefällten Bäumen verstärkt wurde. Mitte des 14. Jahrhunderts gab es an diesem Graben Gefechte, als Herzog Albrecht von Österreich – erfolglos – die Stadt angriff. Heute lebt der Äussere Letzigraben fort in Form von Strassennamen: dem "Letzigraben" links der Limmat, der zum Stadion Letzigrund führt, und der Letzistrasse rechts der Limmat. Am Zürichberg, in Zürich-Oberstrass, endete der Graben beim Krattenturm, der freilich 1444 im Alten Zürichkrieg von den Eidgenossen zerstört wurde, später als Steinlieferant herhielt und schliesslich ganz abgetragen wurde. Die "Krattenturmstrasse" erinnert an das entschwundene Bauwerk, von dem aus das Anrücken des Feindes mit Rauchsignalen vermeldet wurde. Es hatte seinen Namen angeblich davon, dass das Harz für das Signal auf dem Turm in einem Kratten aufbewahrt wurde.

Freitag, 13. Januar 2023

Das 3000-Meter-Carnotzet

Das "Carnotzet" auf dem Sex Rouge. Die Hängebrücke im Hintergrund ist
der "Peak Walk by Tissot", eine touristische Attraktion. (Foto: glacier3000.ch)

"Carnotzet", ein welscher Patois-Ausdruck, bezeichnet ein gemütliches Gastlokal; im engeren Sinn gemeint ist ein Kellerraum mit Gewölbedecke, in dem Freunde und Freundinnen zusammen Wein trinken. Oder Fondue essen. Oder beides in Kombination. Ende Dezember ist auf dem Gipfel Sex Rouge im Kanton Waadt auf 3000 Metern das Restaurant "Le Carnotzet" eröffnet worden, es bietet je 70 Plätze drinnen und draussen und ersetzt das Botta-Restaurant, das im September abbrannte. Das Tempo, mit dem an dieser exponierten Lage unter winterlichen Bedingungen der Ersatzbau entstand, verdient Bewunderung. Die Wintersaison von "Glacier 3000", wie das Tourismusgebiet hoch über Les Diablerets heisst, ist damit gerettet. Im Frühling soll der Wiederaufbau des Botta-Restaurants beginnen.

Donnerstag, 12. Januar 2023

Der magische Moment

Im "Waldhaus" in Leukerbad ass ich am Montagabend sehr gut.

Drei Dinge möchte ich nachtragen zu meinem wegen des vielen Schnees vorzeitig abgebrochenen Leukerbad-Aufenthalt.

  1. Ich schaute mir im Dorf alle Brunnen an, die das Thermalwasser fassen, von dem der örtliche Tourismus abhängt. Beeindruckend, derweil es rundum kalt ist, die Hand ins warme Wasser zu tunken; Dampf steigt auf. Schon die Römer badeten an diesem Ort, Münzfunde belegen es. Pro Tag entspringen den verschiedenen Quellen 3,9 Millionen Liter Wasser von 51 Grad, laut der Webseite der örtlichen Thermalquellenzunft sprudelt das warme Wasser nirgendwo anders in Europa so reichlich.
  2. Die deutsche Fernsehsendung "Aktenzeichen XV … ungelöst" war der Schrecken meiner Kindheit und bescherte mir so manchen Alptraum. Der legendäre Moderator Eduard "Ganoven-Ede" Zimmermann lebte – ich las das in der "Wikipedia" – von 1997 bis 2008, ein Jahr vor seinem Tod, mit seiner Gattin in Leukerbad.
  3. Im Restaurant Waldhaus ass ich am Montagabend hervorragend, als Hauptgang hatte ich Eglifilets nach Grenobler Art mit Reis. Draussen schneite es heftig, das Lokal mit den grossen Scheiben war eine hell erleuchtete Schachtel, ein Pianist spielte Klassiker, und ein kleines Mädchen, vielleicht fünfjährig, tanzte neben ihm selbstvergessen – es war ein magischer Moment. Als hätte kurz die Zeit innegehalten. 

Mittwoch, 11. Januar 2023

Nicht zu wenig – zu viel!


Gestern am sehr frühen Morgen – ich lag in meinem Hotel noch im Bett – war in Leukerbad einige Male dasselbe Geräusch zu hören: ein dumpfes Grollen. Es waren gezielte Sprengungen gegen Lawinen in den Bergen rundum. Als ich Stunden später nach dem Frühstück ins Freie trat, schien die Sonne, hell war die Welt. Nun, wie ich bald feststellte, nützte mir das nicht viel, mein Plan war zu winterwandern, doch das ging fast gar nicht, viele Wege, vor allem die höheren, per Seilbahn erschlossenen, waren gesperrt. Ich machte einen Ausflug ins Nachbardorf Albinen (meine Fotos). Schaute mich dort um, genoss die Aussicht. Reiste retour nach Leukerbad. Packte meinen Koffer. Und reiste einen Tag früher als vorgesehen ab. Nicht zu wenig, sondern zu viel Schnee war das Problem gewesen.

Dienstag, 10. Januar 2023

Als ich ankam, wechselte das Wetter

Gemmi voraus.
Mein Schuh, schwerer Neuschnee.
Bei überraschend gutem Wetter – Sonnenschein, teilweise blauer Himmel – reiste ich gestern Morgen ins Wallis. Die Prognosen hatten Schlechteres verheissen. Nun, kaum war ich an meinem Ziel angekommen, in Leukerbad, schaltete am Mittag der Himmel auf Grau, grad sah ich noch die Gemmi, dann wurde sie mir entzogen. Wild begann es zu schneien, dick und fett waren die Flocken. Mein Plan ist, dass ich bis Mittwoch in Leukerbad bleibe und ausgiebig winterwandere. Könnte schwierig werden, des vielen Neuschnees wegen. Die Runde auf dem Torrent-Panoramaweg war gestern schon mal nicht möglich, Lawinengefahr. Auf dem Rundweg Allmei nah der Gemmi-Bahn-Talstation brach ich nach zehn Minuten ab: tiefer Schnee, nur vereinzelte Stapfen. Immerhin gelang mir daraufhin die kurze Wanderung vom Dorf talauswärts in den Weiler Birchen. Wies heute weitergeht: Ich bin gespannt, ob heute mehr möglich ist. Man kann das Wetter halt zu gar nichts zwingen.
Unterwegs von Leukerbad nach Birchen.

Montag, 9. Januar 2023

Tempo à la Solothurn

Reich an Sehenswürdigkeiten: die Stadt Solothurn auf einer Luftaufnahme 
von Werner Friedli aus dem Jahr 1947. (ETH-Bibliothek / Wikicommons)

2010 wurde im Solothurner Stadtparlament ein Postulat angenommen, 2014 sprach der Gemeinderat den stattlichen Kredit von 110'000 Franken für die Beschilderung der wichtigsten historischen Gebäude in der Stadt als Orientierungshilfe für Touristinnen und Touristen. Mittlerweile ist der Kredit, so das örtliche Stadtbauamt, "aufgrund der aufwendigen Konzepterarbeitung mit vielen Beteiligten sowie der inhaltlichen und dreisprachigen Erarbeitung der QR-Codes" fast aufgebraucht. Die Übersichtstafeln stehen. Doch die Schilder bei den einzelnen Objekten fehlen noch. Damit sie produziert und montiert werden können, ist jetzt ein Zusatzkredit von 55'000 Franken fällig. Nicht gerade dynamisch, oder? Letzter Satz des Artikels der "Solothurner Zeitung", der vor wenigen Tagen erschien: "Ende 2023 wird Jürgen Hofer, Direktor von Solothurn Tourismus, von seinem Posten zurücktreten. Ob er die Umsetzung in seiner Amtszeit noch erleben wird?"

Sonntag, 8. Januar 2023

Frau Holle und die Holle


Ein Mädchen, das sich als Magd verdingt hat, schüttelt das Federbett ihrer Herrin – und es schneit in der Welt. So geht das im Märchen "Frau Holle" der Gebrüder Grimm zu. Ich musste vor Wochen an die Geschichte denken, als wir in Bärschwil im Solothurnischen zu einer Wanderung starteten; dort gibt es eine Strasse namens Holle. Nun, die Erklärung des Ausdrucks hat nichts mit dem Märchen zu tun, eine Holle ist schlicht und einfach eine Halde. Die hat es dort wirklich, das in einer Geländemulde liegende Dorf grenzt an eine steile Juraflanke. Auch anderswo im Land kommt der Flurname vor.

Samstag, 7. Januar 2023

Hegifret

Das Kafifenster am Hegibachplatz. (Foto: Yve Delaquis)

Die Kaffeekultur in diesem Land hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Hatte sie auch bitter nötig. Beliebt sind Ausgabefenster, vor demjenigen am Bellevue in Zürich ist oft eine Schlange zu sehen. An einem neuen Fenster dieser Art fahre ich fast täglich vorbei, es findet sich am Hegibachplatz, ebenfalls Zürich. Eine gute Sache. "Hegifret" heisst der Kafikiosk, was wohl auf "Kägifret" anspielt. Eventuell schwingt auch "fretta" mit, "Eile" auf Italienisch. Ist das ein guter Name? Eher nicht, ich jedenfalls finde ihn gesucht. Ob der Kaffee schmeckt, muss ich noch ausprobieren.

Freitag, 6. Januar 2023

Einmal gut, einmal ungut

Vor vier Jahren war ich das letzte Mal auf
dem Aussichtsturm auf dem Stadlerberg im
Zürcher Unterland. Er stammt von 1964.

Heute zwei ganz verschiedene Dinge, beide – für mich jedenfalls – Neuigkeiten. Erstens: Auf dem Stadlerberg entsteht ein neuer Aussichtsturm. Er ersetzt das bisherige, in die Jahre gekommene Modell, wird derzeit gebaut, besteht aus Holz und soll nächsten Frühling eingeweiht werden. Der Stadlerberg, zur Erinnerung, ist jene Erhebung im Zürcher Unterland, von der man wunderbar die Flugzeuge bei der Landung auf dem Flughafen Zürich beobachten kann. Wen es interessiert, wie der neue Turm aussieht, hier gehts zu den Bildern. Eine gute Sache, denke ich. Und nun, zweitens, zu etwas Ungutem. Im Bahnhof Baden finde ich den "Biolade Bade" direkt am Gleis eins eine tolle Sache, hier gibts Feines zu essen und zu trinken. Gestern las ich im "Tagi", dass der Laden Ende Monat schliesst. Vor allem der Pendlerschwund während der Zeit der Corona-Einschränkungen hatte ihm offenbar zugesetzt.

Donnerstag, 5. Januar 2023

Artiolis Plan

San Bernardino im August 2019. (Foto: Adrian Michael / Wikicommons)

Samih Sawiris heisst der Mann, der Andermatt neu erfand. Rund anderthalb Milliarden Franken flossen in den letzten Jahren in sein Unterfangen, den bescheidenen Urner Tourismusort in eine luxuriöse Feriendestination mit allem Drum und Dran zu verwandeln. Diese Woche nun darf man sich fragen, ob Stefano Artioli der neue Samih Sawiris ist. In der "Hotelrevue" las ich jedenfalls einen Artikel, gemäss dem der Tessiner Unternehmer bis zu 300 Millionen Franken in die Wiederbelebung des serbelnden Südbündner Passdorfes San Bernardino stecken will. Bereits hat er dort diverse historische Hotels gekauft, die er zu Luxusherbergen ummodeln möchte. Und auch das dem Ort zugehörige, vor zehn Jahren stillgelegte Skigebiet will er erwecken. "San Bernardino Swiss Alps" nennt Artioli, der vor einem Jahr das "Grand Hotel" von Locarno erwarb, sein Riesenprojekt, für das er noch Partner sucht. Wird das wirklich was? Wir bleiben dran.