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Mittwoch, 31. März 2021

Das Wolfsdorf

Loveresse in der Bildmitte. Links und unten Reconvilier.
Hinten die Moron-Flanke. (Foto: Oblic/Wikicommons)

Als wir letztes Wochenende in Loveresse durchkamen, einem hübschen Dorf im Berner Jura, dachte ich wieder einmal, dass englische Wörter im Französischen viel besser klingen. Vor allem, wenn sie so charmant eingemeindet wurden wie "Loveresse", das ja ein Femininum ist: le lover, der Liebhaber; la loveresse, die Liebhaberin.

Blödsinn. Diese Deutung ist natürlich kreuzfalsch. Ich schlug den Gemeindenamen zuhause nach. Die Endung -eresse geht auf die lateinische Form -aricia zurück und bezeichnet einen Ort, an dem sich eine Tierart sammelt. Und Lover- kommt von lateinisch lupus, Wolf. Loveresse ist der Ort, wo sich die Wölfe sammeln. Nun, wir sahen vor Ort keine.

Dienstag, 30. März 2021

Enge und Weite, Schnee und Krokusse

Très sympa! Ein Bewohner von Champoz. (Foto: Ronja)

Das war am Samstag eine tolle Wanderung. Auch wenn ein kalter Wind blies, der durch Mark und Bein ging, so dass wir die zwei Pausen kurz hielten. Wir starteten in Court im Tal der jungen Birs. Berner Jura also. Und durchzogen die Gorges de Court, eine gewaltige Kalkklus, in der der Fussgänger meist abseits der Strasse geht und von ihr nicht gestört wird. Schachtelhalm gedieh in ihr in grossen Mengen, die steilen Flanken waren beidseits von umgestürzten Bäumen übersät. Bei Perrefitte bogen wir ab in die aparte Kleinschlucht Combe Favet (siehe Eintrag von gestern). Und erreichten bald danach Champoz – Halbzeit. Die zweite Etappe führte unterhalb des Moron und parallel zu seinem Kamm via Rond Peux, Pâturage Dessous und den untersten Teil der Forêt de Moron nach Loveresse und hinab nach Reconvilier. Dort gab es ein kaltes Bier aus dem Lidl, das mich paradoxerweise wärmte. Ich kann die 5-Stunden-Route (655 Meter aufwärts, 590 abwärts) nur empfehlen, sie ist abwechslungsreich, zuerst geht man in der Enge, dann folgen aussichtsreiche Abschnitte. Und die Strecke ist schön einsam, wenigstens zu dieser Jahreszeit, andere Wanderer sahen wir nicht. Auf den höchsten Stellen, knapp 1000 Meter über Meer, lag übrigens noch ein wenig Schnee. Und gleichzeitig erfreuten uns winzige Krokusse, die hie und da aus dem Boden lugten.
Blick zurück am Ortsrand von Reconvilier. Links die Moron-Flanke.
Die Birs in den Gorges de Court.

Montag, 29. März 2021

Schönes Schlüchtli


In Perrefitte, das im Westen an Moutier anschliesst, öffnet sich Richtung Champoz eine kleine Schlucht. Auf der Schweizmobil-Karte erhält das Schlüchtli erst einen Namen, wenn man vergrössert: Es ist die Combe Fabet. Am Samstag durchzogen wir sie, waren angetan von den umgestürzten, vermoosten Bäumen, den gerölligen Kalkbrocken, der Stille. Die bernjurassische Klus war eine Trouvaille, wie hoffentlich auch die Fotos belegen. Etwas mehr zu unserer Wochenend-Unternehmung will ich morgen erzählen.

Sonntag, 28. März 2021

Verschiedene Zeiten

Zeitmesser Kerzenuhr.
(Foto: Flyout/Wikicommons)
Ich schreibe an einem längeren Artikel über die Zeitmessung und ihre Geschichte. Hier eines von vielen Dingen, die ich in den letzten Wochen gelernt habe: Wesentlich zur Verbreitung des modernen Zeitempfindens trägt die Erfindung der mechanischen Gross-Uhr bei. Die ersten Exemplare entstehen um 1300 in Oberitalien. St. Peter in Zürich hat sechs Jahrzehnte später als erste Kirche auf dem Gebiet der damaligen Eidgenossenschaft eine solche Uhr, die von weitem sichtbar ist durch ihren grossen Stundenzeiger. Die neuen Uhren mit den Zahnrädern im Inneren fordern auch die Klöster heraus, die durch das Mittelalter hindurch sozusagen Hüter der Zeit gewesen sind. Mönche teilen den Tag und die Nacht damals in je 12 Stunden ein. In sogenannte Temporalstunden, die sich am lichten, also hellen Tag von Sonnenaufgang bis -untergang orientieren. Im Sommer ist ein solcher 12-Stunden-Tag viel länger als im Winter, weil jede einzelne Stunde länger ist; das Gleiche gilt umgekehrt für die Nacht. Wichtigste Zeitquelle der Klöster ist die Sonnenuhr; hinzu kommen Sanduhren, Wasseruhren und Kerzenuhren. Die Temporalstunden halten sich je nach Gegend und Land noch Jahrhunderte.

PS: Alle Uhren im Haus brav adjustiert? Wir haben ab heute wieder einmal Sommerzeit. Müsste jetzt nicht sein, wenn es nach mir ginge.

Samstag, 27. März 2021

Meine Wunschliste

Wär schön, wenns heuer klappen würde: die Macun-Seen.
(Foto: Niculin Meyer / Wikicommons)

Jetzt, wo der Frühling wirklich und wahrhaftig da ist, werden die Bergwanderträume stärker – ist bei mir immer so gegen Ende März, Anfang April. Und jedes Jahr versuche ich die Sehnsucht zu benennen respektive sie mit den Namen realer Ziele zu füttern. Diesen Sommer und Herbst unbedingt machen will ich dies:

  • Golitschepass von Kandersteg nach Achseten
  • Bunderchrinde von Kandersteg nach Adelboden
  • Scalettapass vom Dischmatal nach Cinuos-chel
  • Passo della Maggia von Loco (Onsernonetal) nach Lodano (Maggiatal)
  • Bocchetta di Val Maggia und Passo San Giacomo vom Robièisee zur Nufenenpassstrasse 
  • Furggeli von Adelboden nach Matten im Simmental
  • Monte Generoso
  • Pierre Avoi ab Verbier
  • Chüemettler
  • Fuorcla da Patnaul von Vals nach Vrin
  • Macun-Seen ab Zernez
So, fertig. Ich gebe mir jeweils Mühe, die Wunschliste nicht zu überladen. Ende Oktober will und werde ich auf diesen Eintrag zurückkommen und schauen, was mir gelungen ist. Ich hoffe, vieles.

Freitag, 26. März 2021

Surfen in Sion

Und das in Sion! (Foto: Alaïa Bay)

Surfen vor hohen Bergen: Kann man in wenigen Wochen in Sion. Dort eröffnet nächstens am Stadtrand Alaïa Bay, eine Anlage mit künstlichen Wellen, die zwei Meter hoch werden und in einem Abstand von 12 Sekunden durchs Becken rollen. Um die 30 Millionen Franken hat der Bau der Anlage gekostet, weltweit gibt es nur wenige davon.

PS: Ein bitzli Musig. Die Beach Boys im Jahr 2012 mit "Surfer Girl".

Donnerstag, 25. März 2021

24/7 in Cerniat

C'est petit, c'est sympa: Cerniat.
(Foto: Terfili/Wikicommons)
Cerniat liegt im Greyerzbezirk des Kantons Freiburg, hat 360 Einwohnerinnnen und Einwohner und serbelt. Eine Genosssenschaft gibt sich Mühe, dass etwas Leben im Dorf ist – und hat es hingekriegt, dass man hier an sieben Tagen rund um die Uhr einkaufen kann. Das Geheimnis heisst Selbstbedienung, mit einer Kundenkarte gelangt man in den Laden, scannt die Waren im Korb ein und bezahlt per Karte oder Twint. Oder per Monatsrechnung. Eine gute Sache, finde ich, über die das Magazin der "Schweizer Berghilfe" dieser Tage berichtet. Und wer es in Cerniat nun gar nicht schön findet, so allein shoppen zu müssen, für den oder die gibt es einen Trost: Vormittags ist der Laden bedient. Denn jemand muss die Regale ja schliesslich auffüllen.

Mittwoch, 24. März 2021

Is (CH/D/F/I)

Hat Verwandte in anderen Ländern: der Isorno bei Intragna.
(Foto: Cassinam/Wikicommons)

Woher kommt der Name des Onsernonetals, in dem ich kürzlich wanderte? Nun, vermutlich verbirgt sich im Wort, sagen die Spezialisten von ortsnamen.ch, nichts anderes als der Talfluss Isorno, kombiniert mit der im Italienischen häufig auftauchenden Endung -one. Und woher kommt der Flussname? Besagte Spezialisten erkennen in ihm eine indoeuropäische Wurzel. Nämlich Is, was "sich schnell bewegen" bedeutet. Gleich mehrere europäische Fliessgewässer enthalten Is:

  • die Isar in Deutschland
  • die Isère in Frankreich
  • der Isonzo in Italien.

Dienstag, 23. März 2021

Trampelökos

Im "Tagi" war kürzlich ein Artikel über Glühwürmchen. Sie leiden darunter, dass die Menschen von ihnen fasziniert sind. Es gibt Bird-Watcher. Es gibt Whale-Watcher. Und es gibt Glühwürmchen-Watcher. Die sind unterwegs in jenen Nächten, in denen die Leuchtkäfer ihre Spuren durch die Dunkelheit ziehen im Gefolge ihrer Paarungsrituale. Das Problem ist: In der Regel sind es bloss die Glühwürmchen-Männchen, die fliegen. Die Weibchen vieler - in Europa gar aller - Arten sitzen am Boden. Und werden von den Ökotouristen zertrampelt. Das setzt den Populationen arg zu. Bleibt zuhause, Leute, schaut euch die Glüherei auf Youtube an! Zeigt Herz für die Liebe.

Sehen Sies? Da, rechts! Ein Glühwürmchen. Hier gehts zum Film.

Montag, 22. März 2021

Veganer Wein

Mmm, Merlot. Zu
mindestens 85 Prozent.
In der "SonntagsZeitung" stand ein Artikel über Schweizer-Wein-Flaschen und deren Etiketten. Sozusagen eine Übersetzungs- und Versteh-Hilfe. Ich erfuhr einiges, das ich nicht gewusst hatte. Zum Beispiel:

  • Der angegebene Alkoholgehalt darf um höchstens 0,5 Volumenprozent abweichen. "12,5 Prozent" bedeutet somit: zwischen 12 und 13 Prozent. 
  • Wenn "2020" auf der Etikette steht, müssen 85 Prozent der Trauben diesem Jahrgang angehören.
  • Wenn eine Traubensorte angegeben ist, "Merlot" etwa, müssen 85 Prozent der Trauben Merlottrauben sein.
  • "Grand Vin" heisst gar nichts. "Grand" kann man einfach so draufschreiben.
  • "Vegan" klingt kurios, weil man aufs erste denkt, dass Weine doch immer vegan sind. Nun, nicht ganz! Als Klärhilfen werden bisweilen Kasein, eine Fischblase oder Gelatine eingesetzt. Also tierische Produkte.

Sonntag, 21. März 2021

Sechs statt fünf

Nachdem ich am Freitag in diesem Blog das Foto aus dem Tessin vom Jesuskind mit dem speziellen Haarschnitt gepostet hatte, merkte Leserin Franziska an, dass sie weniger die Frisur irritiere und mehr die sechs Fingerchen an der rechten Hand. Was hat man doch für aufmerksame Followerinnen und Follower! Ich fand dann im Internet einen wissenschaftlichen Aufsatz von 1997, der sich genau mit diesem Phänomen – sechster Finger – in der christlichen Kunst auseinandersetzt. Leider ist die Abhandlung sehr umständlich geschrieben. Wenn ich es recht verstehe, handelt es sich beim sechsfingrigen Jesus (manchmal ist auch Maria mit sechs Fingern abgebildet, bisweilen sind es auch sechs Zehen) um ein Beispiel für Zahlenmystik. Die Sechs gilt schon Platon und Aristoteles als vollkommene Zahl. Euklid begründet, dass sie die Summe ihrer Teile enthält, eins und zwei und drei. Mehrere Autoren der christlichen Antike und des Mittelalters übernehmen die Wertschätzung für die Sechs; sie halten auch fest, dass Gott in sechs Tagen die Welt schuf. Die Verdoppelung der Sechs zur Zwölf erzeugt neue Assoziationen: die zwölf Monate, die zwölf Stämme Israels, die zwölf Jünger Jesu. Was genau der Künstler im Sinn hatte, als er den sechsfingrigen Jesus in der Kapelle oberhalb von Intragna malte: Ich weiss es nicht. Sicher im weitesten Sinn, dass Jesus mehr war als ein normaler Mensch. Dass er übersinnliche Kräfte hatte. Dass er das perfekte Wesen war.

Magische Kräfte? Goalie Ochoa.
(Foto: Chivista/Wikicommons)
PS: Dem mexikanischen Fussball-Goalie Guillermo Ochoa wurden zeitweise übernatürliche Kräfte beim Abwehren von Torschüssen zugeschrieben. Es hiess, sein rechter Handschuh verberge eine Hand mit sechs Fingern, bisweilen kursierten Fotomontagen, die das zeigten. Mir scheint klar, dass sich das weltliche Gerücht aus christlich-magischen Vorstellungen nährt.

Samstag, 20. März 2021

"Die Kastanie ist unser Baum"

In Berzona im Onsernonetal lebten zeitweise berühmte Autoren: Golo Mann, Alfred Andersch, Max Frisch. Doch wer ist Francesco Chiesa? Beim Friedhof von Berzona steht an der Durchgangsstrasse der "Baum des Poeten Francesco Chiesa", das Schild ist auf 1939 datiert. Chiesa lebte von 1871 bis 1973, er war Dichter, Schriftsteller und Gymasiallehrer. Dass man seiner mit einem Baum gedenkt, hat zu tun mit einer Schlaumeierei kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Damals wurden in Berzona Kastanienhaine abgeholzt. Ein paar Leute schafften es immerhin, ein besonders prächtiges und sehr altes Baumexemplar zu retten, indem sie es eben zum Erinnerungsträger umfunktionierten. So kam Chiesa zu Ehren. Über die Kastanie hat er dies geschrieben: "Sie ist unser Baum. So wie der Olivenbaum für die Toscana, die Pinie für Rom, die Palme für die Oase und die Tanne für die Alpen."
Francesco Chiesa im Jahr 1927. (Wikicommons)

Freitag, 19. März 2021

Jesus, Timmy, Lassie


Zwischen Intragna und Pila fotografierte ich diese Woche ein Kapellenfresko, es zeigt Maria und Sohn. Ich gestehe, dass ich einen Jesus nicht ernstnehmen kann, der eine – über den Daumen gepeilt – 1950-er-Jahre Bubenfrisur hat. Mich erinnerte der Haarschnitt ein bisschen an den von Timmy (gespielt von Jon Provost) in den "Lassie"-Filmen meiner Kindheit.

Donnerstag, 18. März 2021

Nie gottfern unterwegs

Bänkli hart an der Kante oberhalb von Intragna.
Auf der Via delle Vose zwischen Pila und Vosa am Rand der Isorno-Schlucht.

In Zürich schneite es, im Tessin blitzte die Sonne – so war das vorgestern. Wir reisten über Locarno nach Tegna und starteten dort. Unsere viereinhalbstündige Wanderung (840 Meter aufwärts, 380 abwärts) zerfiel in zwei unterschiedliche Teile. Der erste, etwas kürzere war eine Schlenderei: Der Melezza entlang, dem Talfluss des Centovalli, zogen wir nach Intragna. Es folgte die längere und wesentlich anstrengendere zweite Etappe. Wir begingen die Via delle Vose, den liebevoll instandgesetzten und -gehaltenen Maultierpfad via Pila und Vosa und über den Isorno nach Loco im Onsernonetal; wir wanderten praktisch nur auf Granit, aus Stufen und Platten ist der Weg gebaut, alte Bildstöcke und Kapellen säumen ihn, so dass der gläubige Fussgänger von einst auch hart am Abgrund der Schlucht des Isorno nie gottfern unterwegs war. Vor allem Bauern benutzten diese Route auf dem Weg zu den Märkten von Ascona und Locarno. In Loco hatten wir noch Zeit und verlängerten ins Nachbardorf Berzona. Dort hatte der Schriftsteller Max Frisch 20 Jahre lang gelebt. Leider kamen wir nicht mehr dazu, uns zu erkundigen, wo genau. Denn bald kam der Bus, und der verkehrt im Onsernonetal nicht allzu oft. 
Das zerfallene Kirchlein in Niva unterhalb Loco.

Mittwoch, 17. März 2021

Menns Brücklein


Endlich! Seit genau drei Jahren stand das Brücklein aus Holz, das südlich unterhalb von Loco im Onsernonetal am Wanderweg den Isorno überquert, nein, überspringt - seit genau drei Jahren stand dieses Brücklein auf meiner Wunschliste. Gestern nun habe ich es gesehen, benutzt, bewundert; das war toll. Die Geschichte begann im März 2017 damit, dass ich, damals als Tagi-Journalist, in Chur Christian Menn besuchte und mit ihm anlässlich seines anstehenden 90. Geburtstages über sein Lebenswerk sprach. Menn war nicht zwäg, er war angeschlagen, hatte grad eine Lungenentzündung hinter sich. Alt war er und müde. Und doch kam er in Fahrt, während wir über die Vielzahl und Vielfalt der Strassenbrücken redeten, die er überall in der Schweiz als Bauingenieur platziert hat. Viele davon kennen wir alle: den Felsenau-Viadukt bei Bern, die Ganterbrücke oberhalb Brig an der Simplonroute, die Limmatbrücke in Würenlos im Aargau, die Sunnibergbrücke bei Klosters, die Prinz Charles himself eröffnete. Eine Sache betrübte Menn allerdings. Nie habe er, klagte er mir, sein einziges Holzbrücklein mit eigenen Augen gesehen, den im April 2016 eingeweihten Fussgängersteg im Onsernonetal. Der Weg hinab in die Schlucht war für den greisen Architekten schlicht zu ruppig. Wehmütig sprach er: "Ich habe es einfach furchtbar gern, dieses Brüggli." Ein Jahr nach meiner Visite, im Sommer 2018, starb Christian Menn. Und ich wusste, dass ich irgendwann die Holzbrücke unten am Isorno besuchen musste, ihm zu Ehren, zu seinem Angedenken. Nun, wie gesagt, gestern war es so weit.

PS: Hier der Link zu meinem Artikel im Tagi 2017. Weil es in letzter Zeit Probleme beim Öffnen meiner Links gibt (ich kann dem erst nächste Woche nachgehen), zusätzlich der Hinweis: Mit "Christian Menn Überbrücker" kommt man in der Google-Suche ebenfalls zu dem Artikel.

Dienstag, 16. März 2021

Uitoduro

Winterthurs Altstadt. (Foto: JoachimKohlerBremen / Wikicommons)

Winterthur? Der Name war mir immer ein Rätsel. Weder ist in der zweitgrössten Stadt des Kantons Zürich der Winter ausgeprägter als anderswo, noch liegt sie an der Thur. Die Eulach durchströmt vielmehr Winterthurs Zentrum, die Töss streift die Stadt am Rand. Ortsnamen.ch hilft weiter: Uitoduro, wie der Ort einst hiess, bedeutet "Weidentür".  Oder "Tür des Uito". Mit der "Tür" ("duro" ist keltisch) gemeint ist wohl diejenige zu einem umfriedeten Platz, auf dem ein Markt abgehalten wurde.

Montag, 15. März 2021

Der Wald ächzte

Der Blindensteg über die Töss unterhalb von Dättlikon. 
Wer wissen will, wieso er so heisst: hier die Geschichte.
Vor Pfungen, direkt vor uns der Multberg.

Wir starteten am Samstag in Dättlikon, einem Dorf, das unter dem Irchel und über der Töss liegt. Unser Ziel war Winterthur, vier Berge waren zu besteigen: Multberg, Berenberg, Büechlibuck, Brüelberg. Nach zwei Stunden und kurz nach dem ersten Berg war freilich klar, dass wir die Route ändern mussten: Oben hatte es so stark zu winden begonnen, dass es in den Ästen unheilvoll knackte. Einzelne Bäume hatten geächzt. Man will ja keinen Schädelbruch, wenn da etwas herunterkommt. Und also drehten wir ab, hielten hinab zur Töss und hinein nach Wülflingen, einem Winterthurer Stadtteil, der noch ländliche und dörfliche Züge trägt. Es war grad Markt, freilich drohten die leichteren Auslagen wie Säckli mit gedörrten Apfelschnitzen weggeweht zu werden. Das letzte Stück der Route überraschte. Auf einem Fussweg an der Eulach, gelb signalisiert, erreichten wir den Bahnhof von Winterthur, ohne wirklich das Gefühl zu haben, wir seien in einer grossen Stadt unterwegs. Die Vier-Berge-Tour wollen wir auf jeden Fall noch einmal in Angriff nehmen. Aber nicht bei Sturm.
Zerrissene Schweiz in einem Schrebergarten in Winterthur-Wülflingen.

Sonntag, 14. März 2021

Der Berg, der Mord, die Leere


Das bin ich (danke fürs Foto, Brigit). Einst stand auf dem Multberg, einem Hügel über dem Dorf Pfungen im Tal der Töss unweit von Winterthur, eine der Burgen des Adelsgeschlechts der Wart. 1309 rückten die Habsburger an und schleiften sie vollständig. Vorangegangen war wenige Monate zuvor, am 1. Mai 1308, bei Windisch im Aargau eine Bluttat, die die damalige Welt mindestens so erschütterte wie der Kennedy-Mord unsere Gegenwart. Fünf Ritter meuchelten den Habsburger-König Albrecht I. Einer der Verschwörer war Rudolf III. von Wart. Die Rache der Habsburger war brutal, Rudolf wurde ergriffen und gerädert, die Familienburgen wurden zerstört. Seither ist der Multberg leer. Mehr zu unserer windreichen Wanderung von gestern erzähle ich morgen.
Gertrud von Balm, Gattin Rudolfs, fleht vor Agnes von Ungarn, der Tochter des von Rudolf
ermordeten Habsburgerkönigs Albrecht, um das Leben ihres Mannes. Vergeblich.
Gemälde von August Weckesser aus dem Jahre 1878. (Adrian Michael / Wikicommons)

Samstag, 13. März 2021

Der Turmschädel gestern und heute

Deformierter Schädel einer Alamannin aus der Zeit der
Völkerwanderung. (Foto: Anagoria/Wikicommons) 
In einer Biografie des 2000 verstorbenen syrischen Diktators Hafis al-Assad las ich vor Jahren, dass die Religionsgemeinschaft der Alawiten, der er angehörte, ihre Babys auf eine ganz besondere Art lagerte: Man platzierte den Kopf in eine harte Mulde aus Holz, um so dessen Form zu beeinflussen. Mehr zum Thema fand ich damals nicht, doch hatte Assad tatsächlich einen speziell hohen, frankensteinisch anmutenden Schädel. Kürzlich nun entnahm ich einem Sachbuch über die Goten der Völkerwanderung, dass diese wie andere germanische Stämme, darunter auch die Alamannen, gezielt die Köpfe ihrer Kleinkinder bandagierten, um diese höher und unverwechselbar zu machen. Die Turmschädel liessen Erwachsene kriegerisch aussehen. Im Folgenden entdeckte ich, dass es in der Wikipedia erstens einen Artikel über künstliche Schädelveränderung gibt und dass zweitens auch in unserem Zeitalter, zumindest bis vor Jahrzehnten, dergleichen in Afrika und Asien vorkam. Heute weiss man, dass der anhaltende Druck durch Hauben oder Bänder nicht ganz harmlos ist; zum Beispiel kann eine Kieferarthrose die Folge sein oder eine Verengung der Augenhöhlen mit Glubschaugen. Faszinierend ist die Idee jedenfalls.
Mutter mit Kleinkind im Kongo um 1930.
(Foto: Tropenmuseum, Amsterdam / Wikicommons)

Freitag, 12. März 2021

Schnürkunst

Jede Schnürung wirkt anders, weiss
ich jetzt. (Foto: Wikicommons/Babylas)
Man kann dem Schienbein Spiel geben. Man kann über dem Rist etwas mehr Luft schaffen. Auch kann man gezielt Druck von den Zehen und vom Vorfuss nehmen. Wanderschuhe schnüren ist eine Kunst, jawohl. Bisher wusste ich von ihrer Existenz rein gar nichts, band halt jeweils oben zu und zog dann los, um mir im Problemfall mit einem Pflästerli zu helfen oder mir eine Einlage zu besorgen. Dank einem kundigen Artikel, den mir die liebe Wanderkollegin Marina vor wenigen Tagen mailte, weiss ich nun Bescheid, wie die Flaschenzugtechnik funktioniert, was eine Parallelschnürung ist und was genau eine Ladenschnürung. 

Donnerstag, 11. März 2021

Corona to take

Eine nette Blogleserin schickte mir eben diesen  Screenshot. In Schlieren ZH gab es früher eine "Krone". Dann taufte man das Lokal um. Seither heisst es "Corona". Italianità ist meist eine gute Sache. Aber nicht immer.

Mittwoch, 10. März 2021

Pendelzeichnen mit Emma Kunz

Eine Zeichnung von Emma Kunz in Aarau.

Emma Kunz war Heilerin, Naturkundlerin, Pendlerin, Magierin. 1892 wurde sie in Brittnau im Aargau geboren, 1963 starb sie in Waldstatt in Appenzell Ausserrhoden, wo ein Emma-Kunz-Pfad an sie erinnert. Zu ihren Hinterlassenschaften gehören unzählige Blätter mit Zeichnungen. Kunz nahm manchmal ihr Pendel, eine Silberkette mit einer Silberkugel am einen und einer Jadekugel am anderen Ende, liess das Ding über Papier ausschlagen, markierte Linien und Punkte und kolorierte manche der so entstehenden Flächen Ihr Tun verstand sie nicht als Kunst, sondern als eine Art Kommunikation mit Energien. Oder so ähnlich. Im Aargauer Kunsthaus in Aarau läuft eine Ausstellung. Zu sehen sind zum einen die Kunz'schen Blätter und zum anderen Werke von Künstlerinnen, die mit diesen Hervorbringungen in einen – Achtung, Kuratorendeutsch aus dem Prospekt! - Dialog treten. Gestern schaute ich mir die Ausstellung an. Fasziniert war ich nicht, ich denke, Emma Kunz war eine recht fantasielose Person. Ernsthaft war sie und wohl auch ein wenig besessen. Die Zeichnungen sehen sich alle ähnlich, sind ein bisschen Carambole-Spielbrett und ein bisschen Mantra. Mehr Freude hatte ich an den zeitgenössischen Arbeiten anderer (siehe Foto unten). Hingehen und sich im Kunsthaus die Sachen anschauen lohnt sich aber auf jeden Fall.
Neon-Kunst von Mai-Thu Perret. 

Dienstag, 9. März 2021

Wie die Aargauer einst wohnten

Das bronzezeitliche Haus bei Seengen aussen und innen.

1988 entstand am Hallwilersee unweit des Männerbades Seengen ein Pfahlbauhaus. Man wollte zeigen, wie die Menschen der Vorgeschichte in der Ufergegend gelebt hatten. Oder wie man das sich vorstellte. Letzten Herbst wurde das Haus, das immer mehr in den Boden eingesunken und von der Feuchtigkeit angegriffen worden war, abgerissen. Und man machte sich darin, zu Kosten von rund 220'000 Franken ein neues Haus zu bauen. Es sieht völlig anders aus, denn es orientiert sich nicht mehr an Rekonstruktionen jungsteinzeitlicher, sondern jüngerer Bauten aus der späten Bronezeit so circa um 900 vor Christus. An die Stelle des Reetdaches ist eines aus Holzschindeln getreten. Die Flechtwände sollen demnächst mit Lehm verstrichen werden – nun, schon jetzt ist es hübsch zu sehen, wie die Ur-Aargauerinnen und -aargauer wohnten.
2012 fotografierte ich am selben Ort das Pfahlbauhaus.

Montag, 8. März 2021

Schlottersamstag

Grüner Aargau: auf dem Niesenberg.

Der Alphornbläser von Sarmenstorf.
Eiskalt fühlte sie sich an, unsere Samstagswanderung im Kanton Aargau. Die Bise war daran schuld, die durch Mark und Bein ging, die Hände blau färbte und uns schlottern liess. Die Route selber, die war herrlich. Wir starteten in Boniswil, gingen zum Wasserschloss Hallwyl, folgten ein Stück weit dem Hallwilersee, bogen aber bald schon ab hinauf nach Sarmenstorf. Über dem Dorf kamen wir im Murimooshau zu einem Gutshof aus der Römerzeit respektive zum ausgegrabenen Badetrakt desselben, geschützt durch ein Holzdach; vor 170 Jahren hatten die Pfarrer von Fahrwangen und Birrwil, offenbar beide begeisterte Hobby-Archäologen, die antiken Mauern freigelegt. An einem Waldrand in der Nähe rasteten wir, gönnten uns gute Dinge, sahen den See unter uns. Und froren. Via den Niesenberg, Kallern und Büttikon erreichten wir danach unser Ziel, Wohlen, fast fünfeinhalb Stunden waren wir unterwegs gewesen Als wir heimfuhren, zeigte sich die Sonne, es kam mir vor, als wolle sie uns verspotten.
Bildstock auf dem Niesenberg.

Die Reste des römischen Bades oberhalb Sarmenstorf.

Sonntag, 7. März 2021

Der Briefkastenritter


Ritter waren mal gefürchtet. Heute ist die stolze Gestalt von einst allenfalls als Blechpuppe im Museum zu sehen. Oder sie wird, in anderen Zusammenhängen, ironisiert. Dieser Ritter ist zum  Briefkastenhalter degradiert. Ich fotografierte ihn an der Forchstrasse in meinem Wohnort Zollikerberg, als ich zum Bäcker ging. Wo ist des Ritters Pferd? Vermutlich schon lange tot.

Samstag, 6. März 2021

Das Sonntagsrezept

Der kocht aserbaidschanisch.
Auf Youtube gibt es diesen Aserbaidschaner, der auf seinem Kanal "Wilderness Cooking" vorführt, wie er kocht. Was er zubereitet, verschenkt er nachher, wenn ichs richtig verstehe. Gestern schaute ich mir gebannt einen Film von 13 Minuten an, in dem der Mann eine Erdgrube aushebt, einen Lehmofen hineinmauert, im Wald Holz holt, Feuer macht und eine gewaltige Rinderkeule in den Ofen abseilt, die er zuvor mariniert hat. Siebeinenhalb Stünden gart das Ding und sieht am Ende sehr gluschig aus. Was für morgen Sonntag zum Zmittag? Also bei mir könnte ich das nicht machen, die Nachbarn würden, fürchte ich, reklamieren, wenn ich im gemeinsamen Vorgarten Erdarbeiten vornähme.

PS: Bei Youtube kann man Untertitel einblenden,

Freitag, 5. März 2021

Armer Atlas

Der Segnespass mit dem Passweg in Grün. Ich muss
den nahen Atlas gesehen haben, als wir letztes Jahr den Pass machten.

Atlas war – ich rede von der griechischen Mythologie – einer aus dem Riesengeschlecht der Titanen, die sich gegen die Olympier auflehnten, gegen die zwölf höchsten Götter. Nachdem der Aufstand gescheitert war, bedachte Göttervater Zeus Atlas zur Strafe mit der Aufgabe, auf ewig den Himmel zu stemmen. Platziert war der arme Atlas am Ende der damals bekannten Welt, irgendwo am Mittelmeer in der Nähe Gibraltars. Genau deswegen heisst das Gebirge, das sich von Tunesien über Algerien bis Marokko zieht, Atlas-Gebirge. 1595 erschien das Kartenwerk des Gerhard Mercator, das dieser nach dem mythischen König Atlas von Mauretanien, grosso modo in derselben Region gelegen, "Atlas" betitelte; seit Mercator werden Kartenwerke gern "Atlas" genannt. Was ich leider nicht weiss: Warum der Berg ganz nah am Segnespass, der von Elm nach Flims führt, Atlas heisst. Ich stiess letzten Sonntag, als ich ein paar Dinge auf der Karte nachschaute, auf den Bergnamen.

Donnerstag, 4. März 2021

Kummakivi

"Kummakivi" heisst offenbar auf Deutsch: kurioser
Stein. Hat was. (Foto: Kotivalo/Wikicommons)
Gnappsteine, "Pierres Branlantes" auf Französisch, gibt es in unserem Land einige. Sie wirken aufgrund ihrer prekären Lage so, als könne man sie zum Wackeln bringen. Manchmal täuscht man sich, so ist es mit dem Gnappstein oberhalb von Mettmenstetten beim Homberg und mit der Pierre Pendue im Wald bei Cuarnens im Waadtland: Man gibt Schub, doch nichts passiert. In Ruokolahti in Finland gibt es auch so einen Stein, er heisst Kummakivi, ist sieben Meter lang und liegt auf kleiner Fläche auf einem anderen Stein auf. Wie ich in der Wikipedia lese, kann man ihn nicht in Bewegung versetzen. Auch wenn es so aussieht.

Mittwoch, 3. März 2021

Cornet Nummer sechs

Das Wasserschloss Hallwyl sieht so aus, wie ein Wasserschloss aussehen soll.

Gestern folgten wir dem Aabach von Lenzburg bis Schloss Hallwyl, hielten dort Mittagsrast, zogen weiter zum Hallwilersee und folgten dessen Ostufer bis Meisterschwanden. Dort war nach vier Stunden (Gehzeit) unter der blitzenden Frühlingssonne Wanderschluss. Der Volg gleich bei der Bushaltestelle hatte offen, wir wollten alle Glace, stellten aber fest, dass es nur Familienpackungen gab – eine Sache der Saison. Nun, wir waren zu fünft und kauften eine Box mit sechs Erdbeer- und Vanillecornets. Draussen vor dem Laden assen wir und schafften es tatsächlich, der ersten Person, die daherkam, einer jungen Frau, Cornet Nummer sechs zu schenken. Sie hatte Freude, und wir hatten Freude. Immer schön, wenns aufgeht.

Dienstag, 2. März 2021

Die Germanenfrisur

Odoaker (l.) nahm den Römern Rom. Und Theoderich
nahm Odoaker Rom. (Wikicommons)
Gerade lese ich Felix Dahns historischen Roman "Ein Kampf um Rom" von 1876, eine teutonisch wallende, in die Zeit des sechsten Jahrhunderts zurückblendende Geschichte, die mit dem Tod des grossen Ostgoten Theoderich im Jahr 526 beginnt; es geht um den Untergang ebendieser Ostgoten und ihres Reiches auf dem Gebiet Westroms mit Zentrum in Ravenna. Die ersten Seiten inszenieren die nächtliche Zusammenkunft von vier ostgotischen Recken, die sich sorgen, derweil ihr verehrter König dem Tode nahe ist. Die Ostgoten, muss gesagt sein, waren Germanen. Einer der Männer im Quartett ist so beschrieben: "Sein schlichtes, hellbraunes Haar war über der Stirn gradlinig abgeschnitten: eine uralte germanische Haartracht, die schon auf römischen Siegessäulen erscheint." Bei diesem Satz musste ich grinsen. Ich hatte nämlich grad eben ein wenig über Theoderich und sein kurzlebiges Reich nachgeforscht und sein Bild auf einer Münze der Epoche erblickt. So ist er dargestellt: schnurgerad geschnittene und horizontal über die Stirn gezogene Linie lockiger Haare. Auch Theoderichs Schnurrbart ist durchaus typisch, die Germanen unterschieden sich von den Römern dadurch, dass sie in der Regel ebenso unrasiert waren wie ihre Kontrahenten rasiert; jedenfalls beschrieben es die Römer so und bemühten so das Klischee des germanischen Barbaren. Der Germanenherrscher Odoaker, den Theoderich eigenhändig ermordete, sieht auf Münzen ganz ähnlich aus. "Ein Kampf um Rom" kann ich übrigens nur empfehlen, man bekommt durch die Lektüre ein Gefühl für die reichlich unübersichtliche Zeit der Völkerwanderung.
Theoderichs Grabmal in Ravenna. (Foto: Wilfred Krause / Wikicommons)