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Donnerstag, 31. Oktober 2024

Schlafen im Flughafen


Als ich im Flughafen Zürich auf dem Weg zu meinem Gate das aerodynamisch gestylte Ding sah, dachte ich zuerst: Oh nein, das ist doch diese umstrittene Sterbekapsel. Tatsächlich war es eine harmlose Schlafkabine namens "Recovery Pod" von der Firma GoSleep. Würde ich sie benutzen? Mir würde das zu eng. Wie es in ihr riecht, würde mich interessieren. Im besten Fall nach Desinfektionsmittel und aggressivem Raumspray. Oder täusche ich mich?

Mittwoch, 30. Oktober 2024

Wer kennt Marie Dentière?

2002 eingemeisselt: Marie Dentières Name auf der Seite des ...
... abseitigen Genfer Blocks, der Ulrich Zwingli gewidmet ist. (Oberes Foto: Ronja)

Aus Zürisicht ist Ulrich Zwingli der Held der Schweizer Reformation. In Genf sieht man das ganz anders, stellten wir fest, als wir dort am Sonntag im Parc des Bastions das Internationale Reformationsdenkmal besuchten, eine Art Hall of Fame des Protestantismus. Vier gestrenge Herren stehen im Zentrum der grossflächigen Anlage: Calvins Mitarbeiter Guillaume Farel. Jean Calvin selber, der Genfer Reformator. Theodor Beza, der ebenfalls in Genf wirkte. Sowie der schottische Prediger John Knox. Hinzu kommen weitere grosse Gestalten der konfessionellen Umwälzung vor 500 Jahren von Oliver Cromwell bis Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Zwinglis Name ist in einen abseitigen, von einem Baum verdeckten Steinblock eingemeisselt, als Skulptur zu sehen ist der Mann nicht. Am selben Block ist die einzige Frau des Denkmals genannt, Marie Dentière. Auch sie begeisterte sich für die Ideale der Reformation und fand damals, Frauen sollten ebenfalls predigen dürfen. Der mächtige Calvin und seine bärtig-gestrengen Compagnons goutierten das gar nicht, Dentière wurde verhöhnt und verleumdet. Sie verliess Genf und eröffnete im grenznahen Frankreich ein Mädchenpensionat. Erst 2002 wurde ihr Name dem Reformationsdenkmal zugefügt.
Die vier Herren, die im Zentrum der Denkmal-Anlage stehen:
Farel, Calvin, Beza, Knox (von links). (Foto: Ronja)

Dienstag, 29. Oktober 2024

Schönes Zeichen

Bei Charrot, 200 Meter vor der Landesgrenze. Hinten ein Wasserturm, dahinter
die Krete des auf französischem Boden stehenden Mont Salève.
Oktoberblume.
Unser Prosecco.
Am Samstag, als wir in Versoix zur Jakobsweg-Wanderung nach Genf starteten, war der Himmel grau und das Licht flau. Derweil der Jet d'Eau näherkam, das Wahrzeichen von Genf, begann es zu regnen. Am Sonntag war es ebenso grau. Aber immerhin trocken. Carouge, Genfs Nachbargemeinde, gefiel uns an diesem Tag zwei sehr, reizende Gassen und Plätze und jede Menge lauschige Beizli, das fühlte sich an wie Paris. Später, kurz vor der Grenze, nun schon im offenen Gelände mit Wiesen und Wäldern und Weinbergen, geschah es: Am Himmel öffnete sich ein blaues Fenster, und es zeigte sich der Mont Salève, der ganz auf französischem Boden stehende Genfer Hausberg. Als wir kurz danach auf der Landesgrenze mit einem mitgebrachten Prosecco auf das Ende unserer Schweizer Jakobspilgerei anstiessen, die vor Monaten in Konstanz begonnen hatte, beschien uns die Sonne. Was für ein schönes Zeichen.
Die Grenzbarriere. Die Wanderinnen und Wanderer stehen in Frankreich.

Montag, 28. Oktober 2024

Tempel mit Bauzaun

Heute vier Fotos, die den Eintrag von gestern illustrieren. Auf dem Schweizer Jakobsweg kamen wir also, gestartet im Februar in Konstanz, am Samstagnachmittag in Genf bei der Kathedrale an. Deren Fassade zum grossen Platz gleicht einem griechischen Tempel, schade, beeinträchtigte ein Bauzaun den Anblick leicht. Wer Fotos macht, hasst Architektur mit Abschrankungen. Im Inneren des gewaltigen Baus stiegen wir auf zu den beiden Türmen. Eben, wie gestern berichtet. Mehr vom Pilgerwochenende in der Region Genf erzähle ich nächstens, zuerst muss ich die rund 300 Fotos sichten und ordnen. 

Reformierter Glaubenstempel: die Genfer Kathedrale St. Pierre.
Drinnen.
Aufstieg.
Die Scheiben in der Turmstube müsste man mal wieder putzen.
Aber man sieht den Jet d'Eau ja durchaus.

Sonntag, 27. Oktober 2024

Am Ziel

Vor wenigen Tagen stieg ich in Rom auf die Kuppel des Petersdoms. Gestern waren die Türme von St. Peter in Genf an der Reihe, sie sind ein wesentlich leichteres Ziel, 10 Minuten, dann ist man oben und hat die Stadt zu Füssen. Wir sind praktisch am Ziel unserer Pilgerei auf dem Schweizer Jakobsweg, die in Konstanz begann und uns nach Genf führte, morgen gehts noch an die Landesgrenze. Mehr von unserem Genfer Wochenende später, Bloggen auf dem Smartphone ist mühsam, Fotos hochladen geht nicht. Allen einen schönen Sonntag.

Samstag, 26. Oktober 2024

Gutes endet

Genfs Kathedrale St. Pierre auf einem Stich aus
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
(Schweizerische Nationalbibliothek / Wikicommons)
Heute ziehen wir von Versoix nach Genf, das letzte Stück auf dem Schweizer Jakobsweg steht an. Wobei ich ja, wie diese Woche berichtete, noch eine Lücke zu schliessen habe. Beim Gedanken, dass die Unternehmung, die im Februar beim Konstanzer Münster begann, demnächst endet, wird mir wehmütig ums Herz. Es bereitet Vergnügen, ein Wanderprojekt zu verfolgen, das Monate dauert – noch besser, wenn das Projekt einem grandiose Kirchen näherbringt. Viel Geschichte. Und viel Gegenwart, denn das Jakobspilgern ist lebendiger denn je. Bereits ist mir klar, dass ich mich nächstes Jahr mit meinem Grüppli wieder einem Projekt widmen will. Gar nicht zur Diskussion steht, von Genf aus weiterzuziehen durch Frankreich nach Spanien. Erstens sind wir Leute, die jeden Samstag wandern mit Anreise ab Zürich. Da stösst man zeitlich an Grenzen. Und zweitens höre ich so viele Berichte über Massen von Pilgern sowie schauerliche Unterkünfte und überhaupt eine lieblose Pilgerindustrie vor allem in Spanien, dass mir jede Lust abgeht, in den Ferien am Stück zu pilgern. Was wir machten, war toll, so lassen wir's stehen.

Freitag, 25. Oktober 2024

Baselstab an der Piazza Navona

Kurt Kochs Wappen an der Kirche Nostra Signora del Sacro Cuore an der Piazza Navona in Rom.
Die silbernen Löffel nehmen wohl Kochs Nachnamen auf, zu sehen ist im Wappen zudem der Baselstab.
Der rote Hut mit den Quasten ist der Kardinalshut und wird auch "Galero" genannt.

Wie kommt es, dass das Kardinalswappen des Schweizers Kurt Koch, vormals Bischof von Basel und derzeit Kurienkardinal, also ein hoher Verwaltungsfunktionär der römisch-katholischen Kirche – wie kommt es, dass Kurt Kochs Kardinalswappen in Rom an der Kirche Nostra Signora del Sacro Cuore prangt? Nun, jedem Kardinal wird in Rom eine sogenannte Titularkirche oder Titelkirche zugeeignet. Der Kardinal ist Pfarrer dieser Kirche, übt das Amt aber nicht aus, sondern delegiert es. Die Einrichtung der Titelkirche dient dazu, die enge Verbundenheit der Kardinäle mit dem Papst zu betonen, der ja auch Bischof von Rom ist. Was man nicht alles lernt, wenn man in Rom unterwegs ist.

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Das Coopbüsi


Im Eingang zu meinem kleinen Coop wacht oft eine Katze. Die lebt in der Nähe und kommt zu Besuch. Im Sommer lässt sie sich eher draussen nieder, jetzt, wo's kühler ist, macht sie es sich drinnen gemütlich. Ich frage mich jedesmal, wenn ich einkaufen gehe: Sehe ich heute wohl das Coopbüsi?

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Goethe übt die Schwindelfreiheit

Das Strassburger Münster. 
(Foto: Gerd Eichmann / Wikicommons)
Im Sommer 1770, als junger Mann, weilt der werdende deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe in Strassburg. Gezielt betreibt er dort eine Art Anti-Schwindel-Training:

"Ich erstieg ganz allein den höchsten Gipfel des Münsterturms, und sass in dem sogenannten Hals, unter dem Knopf oder der Krone, wie man's nennt, wohl eine Viertelstunde lang, bis ich es wagte, wieder heraus in die freie Luft zu treten, wo man auf einer Platte, die kaum eine Elle ins Geviert haben wird, ohne sich sonderlich anhalten zu können, stehend das unendliche Land vor sich sieht. (...) Dergleichen Angst und Qual wiederholte ich so oft, bis der Eindruck mir ganz gleichgültig ward."

Goethe übt fürs Wandern. Fürs Gebirge. Speziell auf seinen fünf Schweiz-Reisen ab 1775 wird er die Schwindelfreiheit brauchen können. Derzeit lese ich grad den ersten von zwei im letzten Jahr erschienenen Bänden über diese Reisen, es ist eine ergiebige Lektüre, speziell die vielen Zitate aus den Aufzeichnungen des bewegten Literaten faszinieren mich. Band zwei ist ein Führer durch unser Land auf Goethes Spuren, ich bin sicher, ich werde die eine oder andere Strecke nachwandern.

Dienstag, 22. Oktober 2024

Es war wohl die Rooftop-Bar

Blick von der Rooftop-Bar "Terrazza Les Etoiles" zum Petersdom.
Das lief jetzt grad ein bitzli blöd. Für das vergangene Wochenende war die zweitletzte Jakobsweg-Schweiz-Etappe vorgesehen, Nyon–Versoix. Und dieses Wochenende wollen wir die Pilger-Unternehmung, die vor Monaten in Konstanz begann, mit einem Zweitäger beschliessen: Für den Samstag ist die Strecke Versoix-Genf Kathedrale vorgesehen, für den Sonntag die Strecke Genf Kathedrale–Landesgrenze. Stimmig, an sich. Doch leider musste ich für Nyon-Versoix forfait geben, ich hatte aus Rom nämlich eine wuchtige Erkältung importiert, verspürte schon auf der Rückreise starkes Halsweh und verbrachte das Wochenende im Bett. Wenn wir nächsten Samstag in Genf ankommen, habe ich also eine Lücke im Rücken, mir fehlt der Abschnitt Nyon–Versoix, den mein Grüppli ohne mich bewältigte. Nun, ich freue mich trotzdem auf den Anblick der Genfer Kathedrale, und die Lücke wird baldmöglichst geschlossen. Noch einmal zu Rom: Ich denke, meine Erkältung holte ich mir beim Apéro auf der Rooftop-Bar, dort oben war es um acht Uhr abends zugig und kalt. Die Aussicht aber, die war halt schon grandios.

Montag, 21. Oktober 2024

Die Königin der Strassen

Hier marschierten die Legionäre: die Via Appia Antica. Die Leute
auf dem Velo zur Linken bevorzugen das neuzeitliche Pflaster.

Die Via Appia der Römer (weiss) führte von Rom nach Brindisi.
In Rot die Via Traiana, eine später gebaute Variante. (Karte: Wikicommons)

Ein Letztes noch zu meinem Rombesuch in der vergangenen Woche, es passt zum Grossthema dieses Blogs, dem Wandern. Südlich von Rom trafen wir nach dem Besuch der Calixtus-Katakombe auf die Via Appia. Genauer gesagt, erblickten wir einen Abschnitt der Via Appia Antica, so wird die alte Strasse dort genannt, wo die originale Pflästerung erhalten geblieben ist; über weite Strecken ist dies nicht der Fall und ist die Via Appia der Römer dem heutigen Autoverkehr ganz und gar überschrieben. Das Bauwerk wurde 312 vor Christus begonnen, wurde um 190 vor Christus bis zur Hafenstadt Brindisi verlängert; insbesondere gelangten auf der Via Appia Waren und Güter aus dem Orient nach Rom. So wichtig war die 540 Kilometer lange Fernverbindung, dass sie den Beinamen "Regina Viarum" erhielt, Königin der Strassen. Gern wäre ich auf ihr einen Tag gewandert. Das freilich ging nicht, keine Zeit.

Sonntag, 20. Oktober 2024

Drei Räder für den Papst

Blick vom Papstpalast in Castel Gandolfo auf den Albaner See.
Der Hauptplatz mit der Kirche.

So schlafen Päpste.
Johannes Paul II., der polnische Papst, in der Galerie des Palastes.

Das Städtchen Castel Gandolfo liegt auf einem Hügelkamm in den Albaner Bergen etwa 25 Kilometer südöstlich von Rom, letzten Donnerstag lernte ich es kennen und fand es wunderschön mit dem kreisrunden See unterhalb und der langgezogenen Flaniergasse, die auf den Hauptplatz und den Palast ganz zuoberst zuführt. Dieser ist seit Jahrhunderten die Sommerfrische der Päpste, was dem Ort mit 8600 Einwohnerinnen und Einwohnern zu Einkünften aus dem Tourismusgeschäft verhilft. Und also war man in Castel Gandolfo gar nicht erfreut, als 2016 offiziell bekanntgegeben wurde, dass der drei Jahre zuvor angetretene Papst Franziskus an Ferien nicht besonders interessiert ist und den Palast nicht nutzen will. Was tun? Nun, man hat die Räume des Papstpalastes zum Museum umfunktioniert mit Absperrungen, die jederzeit entfernbar sind, falls Franziskus doch einmal anreisen möchte. Auf unserem Rundgang sahen wir so einiges, die Gemäldegalerie, den Audienzsaal, den Schreibtisch, die Bibliothek und gar das Bett des Papstes. Draussen faszinierten uns im Innenhof diverse Papamobile, also Vehikel für den Papst bei Auftritten vor viel Volk.
Ein Piaggio-APE 400 Calessino, eine Spezialanfertigung für Benedikt XVI.
Das Dreirad-Vehikel steht neben anderen Papamobilen im Innenhof des Palastes.

Samstag, 19. Oktober 2024

Blutiges Nyon

Das Amphitheater von Nyon. Es wurde übrigens erst 1996 entdeckt.
Ich bin zurück aus Rom, heute wird der Koffer ausgeräumt und Wäsche gewaschen, handschriftliche Notizen werden abgetippt und Fotos verarbeitet. Also ein geschäftiger und doch gemütlicher Tag. Morgen Sonntag soll es weitergehen mit unserer Jakobspilgerei, die Etappe von Nyon nach Mies oder Versoix steht an. Wie weit wir kommen, hängt davon an, wie lange wir am Startort für die Besichtigung der Altstadt samt Schloss brauchen. Letztes Mal inspizierten wir bloss ganz kurz auf dem Weg vom Seeufer zum Bahnhof das antike Amphitheater; wir waren ein wenig enttäuscht, weil es halt zwecks Schutz in Plastik verpackt ist, viel zu sehen gibts nicht. Von den Dimensionen her ist der Bau mit ovalem Grundriss aber schon beachtlich, 50 Meter misst die lange Achse, 36 die kurze, ein paar tausend Menschen passten hinein. Im grossen Rund wurden Tiere gejagt, und Gladiatoren kämpften um ihr Leben, darf man annehmen. Nyons heutige Spektakel sind im Vergleich mit seinem Amphitheater total friedlich und unblutig: Die Stadt ist in der Gegenwart bekannt für das Open Air "Paléo Festival Nyon" und für den Dokumentarfilm-Anlass "Visions du Réel".

Freitag, 18. Oktober 2024

551 Stufen, 14'000 Tonnen, 133 Meter

Der Petersplatz von der Kuppel des Petersdomes aus gesehen.
Die äussere Panoramagalerie auf halber Höhe.
Zu ihr hinauf kann man den Lift nehmen.
Wer auf die Kuppel will, braucht Geduld.
So, heute endet mein Aufenthalt in Rom, programmiert ist noch eine Antike-Tour mit Stationen wie Forum Romanum und Kolosseum. In den letzten Tagen bin ich ausgiebig stadtgewandert, die Füsse tun mir weh ob all der Stunden auf Asphalt. Gelohnt hat sich das auf jeden Fall. Bestes Erlebnis? Grossartig war jedenfalls die Besteigung der von Michelangelo ersonnenen Hauptkuppel des Petersdomes, wobei wir auf den Lift verzichteten, der einen Teil der Höhe bewältigt. Unsereins stieg vollständig zu Fuss auf, kurvte im unteren Teil durch die komfortable Spiraltreppe ("Schnecke von St. Andreas") und geriet höher oben in enge und steile Gänge, zeitweise stauten sich die Leute, es gibt immer solche, die unbedingt hinauf wollen, dabei aber vergessen, dass sie ein kaputtes Knie haben oder null Kondition. Nun, irgendwann hatten wir die letzte der 551 Stufen hinter uns und waren oben. Und begeistert. Die Stadt breitete sich unter uns aus, auf dem Petersplatz wuselten die Menschenameisen, in der Distanz sahen wir liebe Bekannte wie die Engelsburg, die wir am Montag besucht hatten. Für diesen Blick nimmt man gern das Anstehen und Warten in Kauf – eine knappe Stunde hatten wir gebraucht, bis wir den Ticketschalter erreichten. Und noch zwei Zahlen: Die Kuppel wiegt 14'000 Tonnen, die Spitze des Kreuzes obendrauf erreicht eine Höhe von 133 Metern.
Auf Michelangelo geht die Petersdom-Kuppel zurück.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Roms Klageort


Der Pasquino erinnert ein wenig an den Speakers' Corner im Londoner Hyde Park, wo jeder und jede grosse Reden schwingen darf. Auch aggressive, auch aufrührerische. Beim Pasquino, dem Rest einer 1501 entdeckten antiken Figurengruppe in der Nähe der Piazza Navona in Rom, handelt es sich um eine sogenannte "sprechende Statue", die letzte noch genutzte der Stadt. Woher ihr Name kommt, ist unklar. Aber jedenfalls heften Bürgerinnen und Bürger an den Sockel der Statue seit einem halben Jahrtausend ihre Klagen und Schmähungen gegen alles und jedes. Als ich eben vorbeikam, war da ein Blatt Papier, auf dem eine anonyme Person in – recht höflichen – Worten ein allgemein bekanntes Problem benannte. Die Schmutzigkeit und, ich zitiere, "vergiftete Luft" von Rom. Ob die örtliche Politik das zur Kenntnis nimmt?

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Baustelle Rom

Zweimal die Engelsburg.

Alle 25 Jahre begeht die katholische Kirche ein Heiliges Jahr. 2025 ist es wieder soweit, rund 45 Millionen Menschen werden nach Rom reisen, um sich einen Ablass ihrer Sünden zu holen oder doch zumindest Segenswirkungen aller Art. Derzeit bereitet sich die Stadt vor, es wimmelt von Baustellen, die Piazza Navona ist praktisch ungeniessbar, im Petersdom stehen Gerüste, am Tiber wird ein Radweg eingerichtet, viele Strassen sind aufgerissen, als Fussgänger macht man riesige Umwege. Und alle hoffen, dass die Arbeiten rechtzeitig fertig sind. Auch den Zugang zur Engelsburg fanden wir – ich bin mit einem Fotografen für eine Reportage in Rom – am Montag von Abschrankungen verunstaltet, aus der Nähe hatten wir immerhin einen ungehinderten Blick auf den Bau, eine riesige Torte mit wulstigen Rändern. Die Anlage startete als Mausoleum, der grosse römische Kaiser Hadrian ruht in ihr; später wurde sie, insbesondere von den Päpsten, mehrfach ergänzt und zur Festung umgewandelt, die mit einer 800 Meter langen Mauer, einem militärisch befestigten Gang, mit dem Vatikan verbunden ist. Beim Sacco di Roma, der Plünderung Roms durch die Soldateska von Kaiser Karl V. im Jahr 1527, floh der Papst durch diesen Gang aus seinen Gemächern beim Petersdom in die Engelsburg. 42 Schweizer Gardisten eskortierten ihn, 147 Schweizer waren zuvor bei der Verteidigung des Papstes umgekommen.

Dienstag, 15. Oktober 2024

Der viel zu frühe Widmer

Gestern morgen, ein Selfie aus dem "Sprüngli" im Duty-Free-Bereich des Flughafens Zürich.
Guten Morgen aus Rom. Ich bin hier für eine Reportage, die mich in den Vatikan führen wird, aber nicht nur dorthin, das Programm ist dicht getaktet, ich werde in den nächsten zwei, drei Tagen sicher einiges zu erzählen haben. Speziell war für mich gestern die Anreise per Flugzeug – ich hatte sie übrigens nicht selber organisiert, das Fliegen statt Bahnfahren war mir vorgegeben. Ich muss sagen, dass ich froh war um diese Variante angesichts der Streikfreudigkeit der italienischen Eisenbahner, die grad am Wochenende wieder einmal den Schienenverkehr in ihrem Land lahmgelegt hatten. Und was war nun speziell? Seit 15 Jahren bin ich nicht mehr geflogen! Und so war ich im Vorfeld ein wenig nervös, man hört ja so Horrorgeschichten von endlosen Schlangen beim Check-in und bei der Sicherheitskontrolle. Nun, ich war mit Handgepäck unterwegs, hatte am Vorabend eingecheckt, hatte also den Boardingpass auf dem iPhone parat und stand nach 25 Minuten, gerechnet ab dem Bahnhof des Flughafens Zürich, bereits im Duty-Free-Bereich. Dort musste ich dann allerdings etwas mehr als zwei Stunden warten. Machte mir nichts aus, Widmer ist gern zu früh.

Montag, 14. Oktober 2024

Die Frau mit den Aluschuhen

Dieses Foto machte ich vor wenigen Tagen in der Forchbahn, auf dem Weg nach Hause. In der Stadt hatte ich mir soeben einen kleinen Hartschalenkoffer gekauft; den brauche ich, weil ich diese Woche verreise. Heute, genau gesagt. Das Foto zeigt aber auch eine Frau mit einem Wägeli, das mit Zeugs aller Art vollgestopft war. An den Füssen trug sie mit Aluminium verkleidete und zusätzlich mit Plastikfolie gegen die Nässe umhüllte Schuhe. Was muss das für ein Leben sein: unterwegs in einer Welt, die bedrohliche Strahlen aussendet, gegen die man sich mit kümmerlichen Massnahmen allenfalls knapp schützen kann. So, nun wünsche ich allen einen möglichst unbeschwerten Tag, morgen werde ich mich von anderswo melden.

Sonntag, 13. Oktober 2024

Roastbeef als Happy End

Blick über den Greyerzersee zum Moléson (links der Mitte).
Typische Neogotik: die Kirche von Pont-la-Ville.
Die Staumauer des Greyerzersees. Die Häuser hinten gehören zu Rossens.

Gestern habe ich von der erst zwei Jahre alten Hängebrücke über eine Bucht des Greyerzersees erzählt. Heute nun etwas zur ganzen Wanderung, die uns am Mittwoch von La Roche nach Pont-la-Ville, zur Hängebrücke, zur benachbarten Staumauer des Sees und nach Rossens führte. Lang war die Unternehmung bei knapp zweieinhalb Stunden Gehdauer (270 Meter aufwärts, 310 Meter abwärts) beileibe nicht. Aber doch abwechslungsreich mit schönem Blick auf den Freiburger Hausberg Moléson und mit immer neuen Ansichten der weiten Wasserfläche des 1948 aufgestauten Sees. Am Ende dann gönnten wir uns ins Rossens die Einkehr in der Auberge du Barrage – die Freiburger Wanderung schloss mit einem stilvoll dekorierten Roastbeefteller.

Samstag, 12. Oktober 2024

Meine neuste Hängebrücke

Obige Kombination zeigt in zwei Swisstopo-Screenshots die Staumauer am Nordende des Greyerzersees. Links das Jahr 2021, rechts das Jahr 2022. Jawohl, da ist südlich der Staumauer etwas hinzugekommen: eine Hängebrücke plus ein Fussweg zu ihr. Dass es sie gibt, erfuhr ich im September aus einer Medienmitteilung der "Schweizer Wanderwege"; die Hängebrücke bei Rossens FR hat dieses Jahr einen Sonderpreis des "Prix Rando" erhalten, einer Auszeichnung für schlaue Wanderwegprojekte. Die 105 Meter lange Brücke überquert in, je nach Wasserstand, 10 bis 20 Metern Höhe eine Seitenbucht des Greyerzersees; zuvor hatten Fussgänger und Fussgängerinnen in diesem Abschnitt auf der rege befahrenen Strasse wandern müssen, dies zum Teil trottoirlos.

Diese Woche begingen wir die Passerelle du Barrage, so der französische Name, im Rahmen einer knapp zweieinhalbstündigen Wanderung mit Start in La Roche und Ende in Rossens; schön, eine Hängebrücke mehr in diesem hängebrückenreichen Land kennengelernt zu haben. Noch ein Detail: Die Tragseile sind ausgemusterte Seile von Skiliftanlagen – sinnvolles Recycling.

Freitag, 11. Oktober 2024

Auge in Auge mit der Madonna

Maria und Sohn in der Kirche Scherzligen in Thun.

Blick zum Chor mit der modernen Rundbank.
Die Kirche Scherzligen in Thun liegt am alten Jakobsweg. Der wird durchaus noch bewandert,
auch wenn das Gros der Leute heutzutage bei Merligen über den Thunersee setzt und Thun umgeht.

Ein Letztes zu meinen beiden Ausflügen nach Thun, ich gelobe, mich danach wieder anderen Exkursionen in andere Regionen des Landes zu widmen, dies ist ja kein Bernensia-Kanal. Aber die Kirche von Scherzligen, die längst zur Stadt Thun gehört und vom Bahnhof in 15 Minuten Gehminuten erreicht ist – diese Kirche verdient einen eigenen Eintrag. Mitte des 8. Jahrhunderts taucht sie erstmals in einer Urkunde auf, ist aber wohl viel älter; oder es stand an diesem Ort eine Vorgängerkirche. Und die folgte mit einiger Sicherheit auf eine antike Kultstätte, was Münzenfunde belegen. Ich traf vormittags um zehn, als die Mesmerin öffnete, ein, hatte die Kirche ganz für mich, verweilte darum länger, genoss die Stille, schaute mir alles in Ruhe an,  insbesondere die gotischen Fresken mit Szenen aus dem Leben der Gottesmutter. Kaum lösen konnte ich mich von der Maria mit Kind hinter Glas in einer Nische – dieser Blick! Die Statue geht freilich auf eine Schenkung aus der Gegenwart zurück, steht hier nur zu besonderen Zeiten, ist nicht ursächlich mit dem Gotteshaus verbunden. Zufrieden in der umlaufenden elegant-modernen Holzbank* im Chor sitzend, las ich auch ein wenig nach über das mit der Kirche Scherzligen verbundene Lichtphänomen. Eigentlich sind es mehrere Phänomene, so geht zum Beispiel zur Wintersonnwende die Sonne exakt über dem Gipfel der Jungfrau auf, und alsbald durchmisst ihr Morgenlicht die Kirche in der Diagonale.

*Schön, wie manchmal die Dinge zusammenkommen. Die Kirche Scherzligen steht am alten Jakobsweg von Interlaken nach Thun. Vor gut 20 Jahren wurde sie saniert, die Neumöblierung besorgte Kurt Sigrist. Der Obwaldner Künstler führte mich vor längerem durch Sarnen für einen Artikel in der "Schweizer Familie". Und als wir, mein Grüppli und ich, diesen Frühling auf dem Schweizer Jakobsweg in Obwalden durchzogen, trafen wir Kurt auf einen Kafi. Eben: Schön, wie manchmal die Dinge zusammenkommen.

Donnerstag, 10. Oktober 2024

Ein Morgen in Thun

Menschen und ihre morgendlichen Verrichtungen: kleiner Ausschnitt des Thun-Panoramas von 1814. 

Zur roten Rotunde mit dem Panorama ist 
2014 ein Erweiterungsbau gekommen.
Marquard Wocher ist Kunstmaler. Ein Süddeutscher, niedergelassen in Basel. Eine Reise ins Berner Oberland begeistert ihn, und er beschliesst, der Kleinstadt Thun ein monumentales Rundgemälde zu widmen. Im Sommer 1809 sitzt er Tag für Tag auf einem Dach in der Thuner Altstadt, fertigt Skizzen an, die er später in seinem Atelier zu gemalten Ansichten vervollständigt. Das so entstandene 360-Grad-Panorama wird ab 1814 in Basel ausgestellt, gerät später in Vergessenheit, taucht nach Jahrzehnten wieder auf. Seit 1961 ist es dort zu sehen, wo es entstand, in Thun. Dort steht im Schadaupark eine Rotunde von 1961, eigens erschaffen für das Thun-Panorama, das als ältestes erhaltenes Rundbild der Welt gilt und mit 38 Metern Breite und 7,5 Metern Höhe beachtliche Dimensionen hat. Kürzlich schaute ich mir das Thun-Panorama an. Beeindruckend, wie gleichzeitig ablaufende Szenen der morgendlichen Stadt dargestellt sind, der Mann etwa, der sich grad rasiert, oder Bürgerinnen und Bürger, die auf der Strasse ein wenig plaudern. Und natürlich sind da die engen Gassen, die Häuser, die Stadtkirche, das Schloss, die Aare und die von den Bergen überragte Landschaft – alles plastisch und saftig und realistisch wiedergegeben. War dieser Wocher nicht ein Genie?
Thun, hinten die Kette mit dem markanten Stockhorn.
Schloss und Stadtkirche Thun. Besucherinnen und Besucher betrachten
das Rundpanorama von einer erhöhten Plattform in der Mitte.

Mittwoch, 9. Oktober 2024

Xanadu VD

Xanadu gilt, seit es der Chinareisende Marco Polo im 13. Jahrhundert schwärmerisch beschrieben hat, als Inbegriff ferner Schönheit. Als Stadt der grossen und kleinen Wunder. Xanadu ist ein Sehnsuchtsort. Und daher gibt es, abgesehen von Olivia Newton-Johns Popsong, in aller Welt Hotels und andere Einrichtungen, die sich so nennen. In Bursinel VD passierten wir am Samstag, unterwegs auf dem Jakobsweg, das Wohnhaus "Xanadu". Es kam mir reichlich krud vor, gemessen an den Schilderungen Marco Polos, der von vergoldeten Marmorpalästen und Ähnlichem geschwärmt hatte. Nun noch die historischen Fakten: Xanadu heisst im Chinesischen Shangdu und war die Sommerresidenz-Stadt von Kublai Khan zur Zeit, als auf Chinas Kaiserthron die Mongolen aus der Yuan-Dynastie sassen. 1369 wurde Xanadu zerstört, als die Mongolenherrscher weichen mussten. Heute sind seine Ruinen in der zur Volksrepublik China gehörenden Region Innere Mongolei Unesco-Weltkulturerbe. Man müsste mal hinreisen.

Die Ruinen von Xanadu. (Foto: Flaumfeder/Wikicommons)

Dienstag, 8. Oktober 2024

500 Frauen auf 1000 Metern


Katharina von Zimmern, eine in Süddeutschland geborene Adelige, wird 1496 Äbtissin des Fraumünsterklosters in Zürich. Im November 1524 übergibt sie die Abtei dem Rat der Stadt Zürich, der sich der Reformation angeschlossen hat; der Rat gewährt Katharina von Zimmern im Gegenzug das Wohnrecht im zum Verwaltungsgebäude umfunktionierten Kloster und zahlt ihr eine Rente. Bald heiratet Von Zimmern einen deutschen Adelsmann, der später an der Seite des Zürcher Reformators Zwingli in der Schlacht bei Kappel am Albis sein Leben lassen wird. 500 Jahre nach der Übergabe des Klosters an die Stadt gedenkt Zürich der letzten Äbtissin mit dem Katharinenturm, einem zweiten Turm der Fraumünsterkirche auf Zeit. Wobei der Turm eher nach Baugerüst aussieht, Massiveres lag nicht drin, es handelt sich um ärchäologisch sensiblen Boden. Das Erinnerungskunstwerk steht bis zum 10. Dezember, ist 40 Meter hoch und mit einem 1000-Meter-Stoffband umwickelt. Auf ihm stehen die Namen von 500 Frauen, die Zürich prägten oder prägen. Deren Porträts kann man auf einer Website nachlesen.