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Donnerstag, 16. April 2020

Der See, der ums Eck geht

Hans Weigel, 1908 - 1991, das
Foto stammt von 1974.
(Wolfgang H. Wögerer/
Wikicommons)
Hans Weigel war Theaterkritiker und Schriftsteller. Ein Wiener, klug, belesen, ein Künstler des Formulierens; seine Texte würden sich für den Deutschunterricht eignen, ihnen geht alles Gestelzte ab, direkt sind sie, unaffektiert und witzig bis in jeden Satz hinein. Gestern nahm ich wieder einmal Weigels "Lern dieses Volk der Hirten kennen" aus dem Bücherregal, las darin und war grad wieder begeistert. Das Buch, ein facettenreiches Schweizporträt, erschien 1962 und war hierzulande ein Riesenerfolg. Die Schweizer fühlten sich verstanden und auch ein wenig geschmeichelt in der eloquenten Hommage. Die feine Ironie des Autors, der in seinen Wörtern zu allen angeblichen Wahrheiten und Gewissheiten ein bisschen Abstand hält und in sich hinein lächelt, goutierten sie, weil sie spürten, dass er ein Freund des Landes war, in dem er von 1938 bis 1945 als Emigrant gelebt hatte; Weigel war jüdischer Abstammung. Hier zwei Zitate aus dem Buch, das längst vergriffen ist:
Lugano liegt am gleichnamigen See, dessen Unübersichtlichkeit ihresgleichen sucht. Er ist nicht sehr gross und überkompensiert diesen Mangel durch seine Allgegenwart. Er sendet seine Lappen und Zipfel in alle Richtungen aus. Er geht sogar ums Eck. Man steigt vom Ufer aus auf einen Berg, steigt auf der anderen Seite wieder hinab und ist wieder am Lago di Lugano.
Anders als anderswo ist auch im Schweizer Deutsch die Betonung. Man wird ihr im allgemeinen gerecht werden, wenn man sich an die Regel hält: Betone jedes Wort auf der ersten Silbe ausser St. Moritz, Schaffhausen, Abonnement, Departement und General! Der Drang des Schweizers, die betonte Silbe möglichst weit vorzuverlegen, ist so ungestüm, dass er gelegentlich über die erste Silbe hinausgeht und die nullte beziehungsweise minus erste Silbe betont, so bei den Adelsprädikaten; man sagt von Arx, von Moos, von Salis, von Fischer.

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