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Mittwoch, 4. Dezember 2024

Die Bundesratswanderung

Gossau ZH, der Ernst-Brugger-Platz.
Ernst Brugger, 1914–1998.
(Foto: Wikicommons)
Erinnert man sich an Ernst Brugger? Ich schon. Jedenfalls ist mir der Name aus meiner Kindheit im Gedächtnis geblieben. Ein Bundesrat. Der Wikipedia entnehme ich, dass er Zürcher war, dass er ursprünglich parteilos war, sich dann aber der FDP anschloss, dass er 1969 in die Landesregierung gewählt wurde, dass er ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft realisierte, damals eine politische Grosstat. Wie komme ich auf Ernst Brugger? Nun, vor einigen Tagen wanderte ich von der Forchbahn-Haltestelle Emmat nah Esslingen hinab nach Mönchaltorf und hinüber nach Gossau. Dort endete die knapp zweistündige Unternehmung am Ernst-Brugger-Platz, einer gar nicht charismatischen Fläche. Ernst Brugger, muss man wissen, war in Gossau als Lehrer tätig und war dort auch Gemeindepräsident. Als Bundesrat holte er sich viel Anerkennung und wurde zwei Mal glanzvoll wiedergewählt.

Dienstag, 3. Dezember 2024

Der gute Gärtner

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das deutsche Territorium nördlich der 
Schweiz französische Besatzungszone. Die Militärregierung gab Ausweise an die
Deutschen ab. Dieser, im Jüdischen Museum ausgestellt, zeigt Mathias Hany.
Man verlässt das Jüdische Museum Gailingen (siehe Eintrag von gestern) erschüttert. Immerhin gibt es neben den vielen scheusslichen Geschichten aus der Nazi-Ära, die einen am Menschen zweifeln lassen, ein paar wenige, die Hoffnung stiften. Dem Gärtner Mathias Hany ist unter dem Titel "Der selbstlose Helfer" eine Tafel gewidmet. Der Katholik hielt in der Diktatur zu den örtlichen Jüdinnen und Juden, gefährdete dabei sich selber, riskierte die Verhaftung und gar das Konzentrationslager. Als am 10. November 1938 die Gailinger Synagoge von der SS zerstört wurde, rettete Hany deren Heiligstes, die Tora-Rollen. Während des Krieges bewahrte er diese bei sich auf und gab sie danach zurück. Eine Rolle gelangte nach Israel und wird dort bis heute verwendet. Im Museum steht folgender Satz zu lesen: "Mathias Hany ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass auch in der gewalttätigen NS-Zeit ein mitfühlendes, anständiges und hilfreiches Handeln gegenüber Juden und Verfolgten möglich war."

Montag, 2. Dezember 2024

Sie sprengten die Synagoge

Das Jüdische Museum Gailingen. Wo heute Gras wächst, stand die Synagoge.
Gedenkstein am Ort der von den Nazis zerstörten Synagoge.
Als wir letzten Mittwoch in Gailingen am Hochrhein weilten, der deutschen Gemeinde gleich gegenüber Diessenhofen TG am anderen Ufer des Rheins, da besuchten wir auch das Jüdische Museum, das im ehemaligen jüdischen Schul- und Gemeindehaus untergebracht ist. Auf dem Platz vor dem Museum finden sich heute bloss Gedenksteine, hier stand einst die Synagoge, die 1938 gesprengt wurde. Das Museum erzählt uns Heutigen nicht nur vom traurigen Ende der jüdischen Gemeinde von Gailingen, deren Mitglieder während der Nazidiktatur deportiert und grossteils im KZ umgebracht wurden. Es geht in der Ausstellung auch um die guten Zeiten. Die Jüdinnen und Juden von Gailingen waren nach dem Dreissigjährigen Krieg, der 1648 endete, gezielt geholt worden, man wollte wieder Leben in den verwüsteten Landstrich bringen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren gut die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner Gailingens jüdische Bürger, von 1870 bis 1884 hatte der Ort gar einen jüdischen Bürgermeister. Etliche Juden aus Gailingen zogen für das Deutsche Reiche in den Ersten Weltkrieg, einige zeichneten sich an der Front aus, im Museum sind die Bescheinigungen und Orden zu sehen. Das ist umso erschütternder, als wir Heutigen wissen, wie später mit den Ordensträgern umgesprungen wurde.
1935 erhielt Alfons Rothschild, ein damals in Diessenhofen TG lebender jüdischer
Bürger Gailingens, für seine Verdienste als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg einen
Orden. Dies im Namen Adolf Hitlers. Gegen dessen Widerstand durchgesetzt hatte die
Vergabe von Kriegsorden an deutsche Juden noch Reichspräsident Paul von Hindenburg.

Sonntag, 1. Dezember 2024

Grau ist auch schön

Am Rhein (I).
Am Rhein (II).
Auf respektive in der Brücke von Diessenhofen TG über den Rhein nach Gailingen, Deutschland.
Zmittag im Hotel Rheingold. Ich hatte
Poulet an Zitronensauce mit Reis,
mein Gegenüber ein Stroganoff.
Klamm und grau war es, als wir am Mittwoch von Langwiesen ZH am Rhein nach Diessenhofen TG liefen und dort die Brücke hinüber ans deutsche Ufer nahmen, um 20 Minuten später in Gailingen anzukommen. Dort taten wir zwei Dinge. Zum einen: Wir assen – sehr gut – im Hotel Rheingold. Zum anderen: Nun, von diesem zweiten Erlebnis will ich später erzählen, es braucht einen eigenen Eintrag. Als wir gegen drei Uhr wieder retour nach Diessenhofen gingen, wo die dreistündige Wanderung am Bahnhof endete, schien die Sonne. Schön. Aber der Nebel war mindestens so schön gewesen. Die Stille im Wald, die Wildsaukuhlen, das Totholz im Naturschutzgebiet Schaaren, der träge fliessende, wenig Wasser führende Rhein, die Natur im Winterschlaf und all das umhüllt vom grauen Dunst: Mir hatte dies am Vormittag mindestens ebenso gut gefallen wie die Helligkeit des Nachmittags.