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Samstag, 31. August 2024

Die Reaktor-Etappe

Der Aussenbereich des Reaktors von Lucens auf einer Flugaufnahme von Werner Friedli.
Das Foto stammt vom Juli 1969, im Januar 1969 war die Katastrophe passiert.
(ETH-Bibliothek / Wikicommons)

Heute wird wieder gejakobswandert, Etappe 22 steht an, es geht von Lucens via Moudon nach Mézières; wir wechseln dabei so etwa in der Hälfte der Strecke die Landschaft, der erste Teil spielt sich im Tal der Broye ab, der zweite führt Richtung Jorat, die Hochebene nordöstlich von Lausanne. Eine halbe Stunde nach Wanderstart werden wir bei Pra Salabre vom Uferweg östlich der Broye übers Wasser linsen. Auf der anderen Seite hat sich am Fuss eines Waldhanges Zeitgeschichte ereignet. In einem unterirdischen Atomkraftwerk kam es 1969 zu einer Teil-Kernschmelze, der Reaktor wurde zerstört, die Anlage im Berg stark verstrahlt. Was mir bisher nicht bewusst war: Der Reaktor von Lucens diente womöglich nicht nur zivilen Zwecken, also der Energieproduktion; er sollte angeblich auch helfen, atombomben-taugliches Plutonium herzustellen. Nach dem Gau wurde der Reaktor dekontaminiert und zerlegt, die Reaktorkaverne zubetoniert. Die 250 Fässer mit radioaktivem Abfall stehen seit mehr als 20 Jahren im Zwischenlager in Würenlingen. Ich bin gespannt, ob heute der grüppli-interne Geigerzähler anschlägt. Ronja besitzt seit ihrer Reise nach Tschernobyl einen solchen und wird ihn mitbringen.

Freitag, 30. August 2024

Bündner Militärbasis

Grabungszelte auf dem Colm la Runga (Bildmitte). Die nahe bewaldete Kuppe
 (links hinten) ist der Motta Palousa. Im Hintergrund das Bergsturzgelände von Brienz.

Was Legionäre so hinterliessen.
(Beide Fotos: Andrea Badrutt, Chur /
Medienmitteilung Kanton Graubünden)

Vor fünf Jahren stiegen wir im Sommer von Cunter aus auf den Motta Palousa und sahen dabei ganz in der Nähe unseres Ziels den Sattel von Colm la Runga. Gestern berichteten verschiedene Medien, dass ein Archäologenteam dort, auf circa 2200 Metern über Meer, ein römisches Militärlager entdeckt und erforscht hat. Die Wachstation war laut der Medienmitteilung des Kantons Graubünden mit drei Gräben und einem Wall befestigt und ermöglichte es, unter anderem das Oberhalbstein und das Albulatal zu kontrollieren. Das Lager datiert aus dem dritten oder zweiten Jahrzehnt vor Christus, also aus der Zeit des Kaisers Augustus. Einige Jahre später machten sich Tiberius und Drusus, dessen Adoptivsöhne, daran, die Alpen endgültig zu erobern und deren Stämme zu unterwerfen. Das Militärlager auf dem Colm la Runga liegt rund 900 Höhenmeter über einem Gefechtsfeld im Oberhalbstein, dessen Lage seit einigen Jahren bekannt ist; beide Orte dürften zusammenhängen.

Donnerstag, 29. August 2024

Verfilmte Kälte

20 Minuten dauert das Filmli, wir sind in Alaska, es ist Winter. Eine Hütte irgendwo draussen in den Wäldern, ein Typ, noch jung, steht auf, feuert ein, hackt Holz, sammelt Birkenrinde (fürs Feuermachen), kocht (enorme Portionen), putzt und schlurft einmal auch rüber zur Sauna. Gesellschaft leistet ihm allein sein Hund. "Cabin life in a snowstorm" entspannt mich total. Heute, da es wieder so heiss wird, ist zudem – verfilmte Kälte – der Anblick von Schnee wundervoll erfrischend.

Birkenrinde ist das Allerbeste, wenn man ein Feuer machen will. (Screenshot)

Mittwoch, 28. August 2024

Katholische Insel

In der Bildmitte die Freiburger Exklave Tours,
die vom Rest der Gemeinde Montagny FR (unten)
durch einen schmalen Waadtländer Korridor getrennt ist.

Notre-Dame-de-Tours.
Auf dem Jakobsweg kamen wir unlängst, nah Corcelles-près-Payerne VD und Payerne VD, zur Kirche Notre-Dame-de-Tours, die auf einem Hügelchen steht. Sie ist Teil der winzigen Freiburger Exklave Tours, die zur Freiburger Gemeinde Montagny gehört, von dieser aber durch einen Waadtländer Gebietsstreifen getrennt ist, der an der schmalsten Stelle nur grade 150 Meter misst. Tours war ursprünglich im Besitz der Stadt Payerne, kam durch einen Gebietstausch 1509 zu Freiburg, Payerne erhielt dafür Land in Corcelles. Kurz darauf wurde die Waadt reformiert. Und so ist Tours heute nicht nur eine politische, sondern auch eine konfessionelle Exklave. Eine katholische Insel im Protestantenland.

Dienstag, 27. August 2024

Heisse Stunden

O, fein, Fisch! 
Am Samstag gingen wir von Payerne nach Lucens, es waren vier heisse Wanderstunden, am Nachmittag wars deutlich über 30 Grad. Die Unternehmung machte dennoch Freude. Insbesondere überraschte uns die grossflächig korrigierte und begradigte Broye. Es gibt an ihr nämlich durchaus Abschnitte, auf denen sie Kurven ins Gelände schlagen darf. Immer wieder sahen wir Kiesbänke, zu denen ich gern hingewatet wäre. Und dschungelartige Busch- und Wald-Partien erlebten wir auch. So verdiente sich das Flüsschen samt dem Uferweg dann doch die Qualifikation "lauschig". Zudem wurde uns auf einigen langen Gerade immerhin ein Minium an Schatten zuteil, den Pappeln sei Dank. In Granges-près-Marnand holten wir uns beim Dorfbeck kalte Getränke und Glacé, was erfrischte. Am Ende unserer 21. Etappe auf dem Schweizer Jakobsweg gabs einen gastronomischen Höhepunkt, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Die Einkehr im unscheinbaren Restaurant Hôtel de Ville in Lucens stellte alle zufrieden. Der Wirt, ein Portugiese, versorgte uns mit den nötigen Flüssigkeiten, darunter einem wundervollen Féchy. Danach verschwand er für 25 Minuten in der Küche. Kam zurück mit hausgemachten Pommes-Frites, perfekt zubereiteten Eglifilets und einer Art Tortilla mit Kabeljau. Schmeckte alles hervorragend.
Ziemlich das Letzte, was wir von Payerne sahen: riesige Jakobsmuschel.
Langweilig oder meditativ? Irgendwie ist der Broye-Uferweg beides zusammen.

Montag, 26. August 2024

Das Testament des Publius Graccius Paternus

Römische Spolie in einer Seitenkapelle der Abteikirche von Payerne.
Die Seitenkapelle ist hübsch koloriert.
Vor einem guten Monat trafen wir in der Basilika von Amsoldingen BE auf eine Säule mit lateinischer Inschrift, wir waren dort als Jakobspilger vorbeigekommen. Ich erklärte in diesem Blog, dass die Amsoldinger Säule ursprünglich in der Römerstadt Aventicum gestanden hatte, dem heutigen Avenches VD. Und dass man einen solchen Überrest, der anderswo rezykliert wird, mit dem Fachbegriff "Spolie" bezeichnet. Vorgestern Samstag, als wir in Payerne zur Jakobswanderung nach Lucens ansetzten, begegneten wir gleich wieder einer solchen Spolie, und zwar in der Abteikirche, die als grösstes romanisches Bauwerk der Schweiz gilt, mehr als tausend Jahre ist und vor wenigen Jahren als Museumskirche neu eröffnet wurde. In der rosarot und orange bemalten Seitenkapelle, der Grailly-Kapelle, ist in die Wand am Boden ein grosser Stein eingearbeitet. Mit einer lateinischen Inschrift. Der Stein ist um 90 Grad gedreht, was das Lesen der Inschrift nicht leichter macht. Es handelt sich um den Rest einer Säule, wohl einer Huldigung an irgendwelche Götter. Die Inschrift verkündet, Publius Graccius Paternus habe testamentarisch verfügt, dass man die Säule aufstelle, seine Erbin Scribonia Lucana haben seinen Willen umgesetzt. Auch diese Spolie stammt aus Aventicum. Die Römersiedlung musste, als im Mittelalter grosse Kirchen gebaut wurden, offensichtlich als Steinbruch herhalten.
Die Abteikirche von Payerne ist pure Romanik.

Sonntag, 25. August 2024

Gern bald wieder

Appenzeller Hinterland halt.
Ein Damhirsch (oder ähnlich) vom Zuchtbetrieb in Schwellbrunn.
Jetz sömmer denn gad z'Schwellbronn!
Normalerweise läuft man ja am Morgen los. Oder am Vormittag. In diesem Fall starteten wir erst um vier Uhr nachmittags, was erklärbar ist: Die Unternehmung dauerte nur zwei Stunden, und ihr Ziel war ein Restaurant, in dem wir für das Abendessen reserviert hatten. Nämlich der "Ochsen" in Schwellbrunn, der mit einer Metzgerei gekoppelt ist und seit langem einen guten Namen hat; ich kann mich bestens erinnern, wie wir im November 2009 nach einer relativ langen Wanderung in Schwellbrunn ankamen und zufällig im "Ochsen" landeten, als grad Metzgete war. Mein 500-grämmiges "Metzgerkotelett": unvergesslich. Damals war auch J. dabei gewesen, ein mittlerweile pensionierter Journalistenkollege aus Herisau. Diesmal kam J. wieder mit, so dass wir sozusagen nostalgisch unterwegs waren. Wir starteten am Bahnhof Herisau-Schachen, stiegen via Flue, Stierweid, Lehn, Bergli, Dietenberg auf nach Rötschwil, wobei es zwischendurch auch immer wieder mal abwärts ging, was in dieser Hügelgegend normal ist. Kurz darauf erreichten wir Schwellbrunn, sahen dort auf dem Sportgelände Jugendliche Faustball trainieren, offenbar ist die Sportart in der Gemeinde speziell beliebt. Im "Ochsen" liessen wir uns nieder, sehr gemütlich, die Gaststube. Bald stiess J.'s Partnerin dazu. Wir assen dann sehr gut. Ich hatte den Hackbraten mit Chnöpfli und Gemüse. Oh ja! Gern bald wieder!
Wer Fleisch mag, wird den "Ochsen" lieben.

Samstag, 24. August 2024

Brojä, wir kommen

Die Broye in Payerne, Hauptort des Waadtländer Bezirks Broye-Vully.
Heute und nächsten Samstag wird uns auf dem Schweizer Jakobsweg die Broye begleiten. Oder vielmehr begleiten wir sie. Von Payerne werden wir viele Kilometer weit alles flussaufwärts Richtung Süden pilgern, zuerst nach Lucens, dann nach Moudon. Ein imposantes Gewässer ist diese Broye, 89 Kilometer lang. Sie fliesst mal im Kanton Freiburg und mal im Kanton Waadt und durchströmt den Murtensee, um dann kanalisiert in den Neuenburgersee einzumünden. 80 Brücken überqueren sie. Was mich des Weitern fasziniert, ist das Sprachliche. Die Broye ist auf französisch La Broye, brwa ausgesprochen. Brujji oder ähnlich klingt das Wort im französischen Patois*. Nicht mehr gebraucht wird die deutsche Bezeichnung Brüw. Stattdessen spricht man in der Deutschschweiz einfach den französischen Namen nach Deutschschweizer Art aus: Brojä. Also, Brojä, wir kommen.

* Im Wikipedia-Eintrag zur Broye kann man in der ersten Zeile auf das Lautsprecher-Symbol klicken und sich die Patois-Version anhören.

Freitag, 23. August 2024

Zwei Wege führen nach Lucens

Zwei Varianten des Jakobswegs: Freiburg–Payerne–Lucens (oben)
und Freiburg–Romont–Lucens (unten).
(Schweizmobil, Screenshot)

Zum gestrigen Eintrag wurde ich gefragt, ob die Strecke von Freiburg nach Payerne – und weiter nach Lucens – denn überhaupt zum Schweizer- Jakobsweg-Netz gehöre. Man gehe doch von Freiburg nicht nach Payerne, sondern halte südlich via Autigny nach Romont und dann hinüber nach Lucens. Nun, die Romont-Variante wird deutlich mehr begangen. Doch sind beide Varianten, die in Lucens wieder zusammenkommen, Jakobsrouten; man sieht das auf "Schweizmobil", wo beide mit der 4 bezeichnet sind, der offiziellen Signatur der Via Jacobi Schweiz. Wir entschieden uns für die Strecke via Payerne, weil es auf der Strecke via Romont zwischen Posat und Autigny eine Sperrung gibt: Die Passerelle Posat, eine Brücke über die Glâne, ist bis auf Weiteres nicht benutzbar, als Umleitung dient eine kommune Strasse.

Donnerstag, 22. August 2024

Das Speisewunder von Payerne

Hütte mit orginellem Dach im Bois de Belle-Croix 40 Minuten nach dem Start.
Schmuck nach Freiburger Art: Holztafel mit Alpaufzug-Motiv in der Schutzhütte im Wald vor Noréaz.
In der Dorfkirche von Noréaz. Der Mann links ist – Muschel und Stock! – ein Jakobspilger. 
Endlich etwas zu essen: mein sehr später Zmittag in Payerne.

Die Etappe von Freiburg nach Payerne auf dem Schweizer Jakobsweg: sechs abwechslungsreiche Stunden mit doch etwas Höhendifferenz, 440 Meter aufwärts, 620 Meter abwärts. Zehn Minuten nur regnete es, dies freilich so heftig, dass ich die Pelerine montierte. Ansonsten war es zuerst kühl, dann warm, dann heiss, dann schwül. Wir lernten drei neue Kirchen kennen, von derjenigen bei Les Arbognes habe ich gestern erzählt, hinzu kamen die Dorfkirche von Noréaz und die Kirche Notre-Dame-de-Tours zwischen Cousset und Corcelles-près-Payerne. Zweimal rasteten wir kurz im Wald in Schutzhütten, in der einen hatte es zwei zusammengefügte Plastiksitze, die von einem Wartesaal zum Beispiel eines Busbahnhofes stammen müssen. Mit der Zeit meldete sich bei uns der Hunger, und ich hatte ein schlechtes Gefühl, weil ich wusste, dass es am Ziel in Payerne nichts Richtiges, Warmes geben würde, die einen Restaurants im Ort schliessen routinemässig am Nachmittag die Küche, und andere hatten grad Ferien. Doch o Wunder! Wir kamen an, sahen gleich eine riesige Chilbi, stiessen auf etliche Essstände. Und kamen alle zu etwas Gutem. Ich hatte ein Poulet-Gemüse-Reisgericht von einer vietnamesischen Familie. War sehr fein.

Mittwoch, 21. August 2024

Wir schraubten uns auf den Turm

Erster Anblick des Burgturms bei Les Arbognes, als wir von Südosten anwanderten.
Die moderne Treppe. Im Turminneren schraubt man sich weiter in die Höhe.
Blick vom Turm auf die Kirche, hinten der Jurariegel.

Das winzige Freiburger Dorf Les Arbognes, Gemeinde Montagny, ist nach der Arbogne benannt. Diesen rechten Nebenfluss der Broye lernten wir näher kennen, als wir am Samstag auf dem Jakobsweg von Freiburg nach Payerne wanderten. Nie zuvor gehört hatte ich von der Burgruine Montagny, die auf einem Felssporn hoch über Les Arbognes steht als Teil einer längst entschwundenen Schlossanlage; deren Mauern hatten den Leuten der Umgebung bestes Material für andere Bauten geliefert. Ebenso wie der Burgturm überraschte uns die benachbarte Kirche, deren Chor den Rest einer früheren Kirche umfasst, der einstigen Schlosskapelle, in der es mehr als 500-jährige Wandmalereien zu sehen gibt. Wir beschauten sie uns, stiegen dann über die moderne Treppenanlage auf den Turm der Burg und schauten weit übers Land zum Jurariegel westlich des Neuenburgersees. Anschliessend hatten wir unten in Les Arbognes im Restaurant reichlich Gesprächsstoff – was für ein interessanter Freiburger Flecken.
Die frühere Schlosskapelle, von der später gebauten Kirche umfasst, ist gotisch geprägt.

Die Fresken in der Schlosskapelle sind etwas über 500 Jahre alt.

Dienstag, 20. August 2024

6 Uhr 29

Sonnenaufang in der Wüste in Marokko.
(Foto: Wikicommons)
Zwei Monate sind es heute her seit dem längsten Tag des Jahres. Damals ging die Sonne um 5 Uhr 29 auf, heute tut sie dies exakt eine Stunde später, um 6 Uhr 29. Als Wanderer interessiert mich dergleichen, ich schaue mir jeden Tag auf meinem Handy an, wann es hell wird und wann dunkel und so weiter. Natürlich hängt das vom Standort ab, die oben genannten Uhrzeiten beziehen sich auf Zürich. Je weiter man nach Westen geht, desto später wird es hell. In Genf zum Beispiel geht die Sonne eine gute Viertelstunde später auf als in St. Gallen. Dass die Genferinnen und Genfer weniger hell sind als die Leute von St. Gallen – das würde ich nun aber nicht behaupten wollen.

PS: Für heute versprach ich einen Eintrag zur Romandie. Der kommt, ich gelobe es hoch und heilig, morgen.

Montag, 19. August 2024

Junes Hütte

Die June-Hütte, hinter ihr in der Tiefe der Talboden der Lenzerheide.
Man erreicht die Hütte in einem zehmninütigen Abstieg von der Piz-Scalottas-Bergstation.
Als ich (siehe Eintrag von gestern) letzten Montag in Lenzerheide beim Piz Scalottas startete, den Piz Danis als Ziel vor Augen, sah ich die June-Hütte etwas unterhalb meines Weges. Der Name steht auch auf der Landeskarte und machte mich neugierig. "June" wird englisch ausgesprochen, so hiess die Tocher des britischen  Ehepaares Phillis und Mervin Baggally; June verstarb in den 1930er-Jahren an einer Kinderkrankheit. Ihr zu Ehren stifteten die Eltern ein Berghaus, die June-Hütte eben. Sie stand später längere Zeit leer, galt als Geisterhütte, ging dann 2007 nach einer Renovation wieder in Betrieb.

PS: Morgen geht's in eine ganz andere Gegend, ich will von einem Burgturm und einer zauberhaften Kirche in der Romandie erzählen, die mir bisher völlig unbekannt waren.

Sonntag, 18. August 2024

Ein Berg mit zwei Gesichtern

Der Piz Danis (rechts) von Norden gesehen. In der Bildmitte grün der Piz Scalottas.
Wer sich dem Piz Danis von Süden näher, ist zunächst mit dem Vorgipfel konfrontiert.

Geissen bei der Alp Raschil.
Der Piz Danis gehört zur Bergkette, die das Hochtal der Lenzerheide auf der Westseite begrenzt. Der Gipfel hat zwei Seiten. Gegen Norden ist er eine harmonische oder auch etwas langweilige Erscheinung, präsentiert sich als Graskuppe. Von Süden her besehen, löst er hingegen Respekt aus. Es liegt am Vorgipfel, einem Felskopf, einer abschreckenden Bastion. Freilich kann man diesen Vorgipfel umgehen, die kurze Passage ist mit Drahtseilen gesichert, kein Problem. Am Montag bestieg ich den Piz Danis, 2496 Meter, in einer kurzen Tour. Einem Türli eher, das mit der Sessellift-Fahrt auf den benachbarten Piz Scalottas begann und mit der Gondelfahrt vom Heidbüel talwärts nach Churwalden endete. Drei Stunden dauerte die Bergwanderung (435 Meter aufwärts, 830 Meter abwärts) nur, bescherte mir aber eine traumhafte Rundsicht. Vom Piz Danis sieht man so circa tausend andere Berge.
Auf dem Piz Scalottas, mit dem Sessellift fuhr ich  hinauf.  Unten Lenzerheide mit dem Heidsee ganz links.

Samstag, 17. August 2024

Ich bin der Appenzeller Bro

Reena Krishnaraja ist eine junge Appenzeller Comedian mit tamilischen Wurzeln. Ich kenne sie nur dem Namen nach, also nicht persönlich; eben las ich mit Interesse ein Interview, das sie meiner Zeitschrift, der "Schweizer Familie", gegeben hatte. Gestern ging mir – Überraschung – ein auf der Plattform Instagram veröffentlichtes Filmli zu. Für SRF-Kultur war Reena in der Stadt Bern unterwegs mit meinen zwei Büchern über Schweizer Wunder und besuchte den Holländerturm, der in meinem einen Buch vorgestellt wird. Mich bezeichnet Reena, siehe Screenshot, als ihren "Appenzeller Bro". Ich bin natürlich geschmeichelt. Jetzt hoffe ich, dass die, die es interessiert, den Link zum Filmli öffnen können.

PS: Der Appenzeller Bro geht heute mit seinen Leuten wieder jakobswandern. Die Etappe 20 von Freiburg nach Payerne steht an.

Freitag, 16. August 2024

Die Kinder von Churwalden

In Churwalden, dem Dorf an der Postautostrecke Chur-Lenzerheide. Der Migros ist in einem hübschen
Holzbau untergebracht, die Postautohaltestelle "Bergbahnen" findet sich an der linken Wand.

Am Montag fuhr ich kurz nach Mittag von Churwalden hinab nach Chur. Mit mir stiegen bei der Haltestelle "Bergbahnen" ein Dutzend Schulkinder ein, sie riefen durcheinander, rannten hin und her, Trottinetts knallten an Sitze. Derweil das Posti noch einen Moment stillstand, rief die Fahrerin, eine Zürcherin, von vorn, es reiche jetzt, alle sollten sich hinsetzen, sonst werde es nämlich sehr gefährlich. Das nützte vorerst, das Posti fuhr los, worauf einige Kinder wieder aufstanden und den Platz wechselten. Die Fahrerin schaltete den Lautsprecher ein und rief genervt, das sei jetzt die letzte Warnung. Auch wenn dies der erste Schultag sei nach den Ferien, wüssten sie, die Kinder, ganz genau, was sie tun dürften und was nicht. Bei der nächsten Haltestelle stiegen weitere Kinder ein, erneut musste die Fahrerin schimpfen. Bei den folgenden Haltestellen riefen die Kinder im Bus den Kindern, die einstiegen, zu: "He, ihr müsst still sein und sofort abhocken." Klappte vorzüglich. In Malix stiegen alle Kinder aus, die Fahrerin wünschte ihnen freundlich einen schönen Nachmittag, die Kinder dankten und zottelten Richtung Schule. Still war‘s jetzt im Bus nach Chur.

Donnerstag, 15. August 2024

Ungeheuer

Die Dorfkirche von Brienz und der Mühlebach am 16. Juni.

Der westliche Dorfteil von Brienz ist seit dem Gewitter vom Montagabend Katastrophengebiet: Geschiebefelder, kaputte Strassen, Trümmer, ausgerissene Bäume, verschüttete Häuser, ruinierte Autos. Auch das Bahntrassee ist beschädigt. All das hat der Mühlebach angerichtet. Die Dorfkirche freilich blieb auf ihrem Hügel unversehrt. Die zwei Fotos, die ich hier zeige, entstanden Mitte Juni. Damals kam ich auf dem Jakobsweg zur Brienzer Kirche, schaute sie mir an, fotografierte auch den Mühlebach, der in einem Kanal an ihr vorbei in den See fliesst. Er wirkte harmlos. Gebändigt. Anfang Woche hat er sich mal kurz in ein Ungeheuer verwandelt.

Mittwoch, 14. August 2024

Der böse Wirt von Tafers

Die Jakobskapelle in Tafers mit dem Hühnerwunder-Bildzyklus.
Die riesige Jakobsmuschel vor der Kapelle.
Der heilige Jakob.
Wir besuchten am Samstag auf dem Jakobsweg von Schwarzenburg nach Freiburg mehrere Kirchen, die letzte, grösste, bedeutendste war natürlich die Kathedrale von Freiburg, St. Nikolaus. Besonders gefiel uns ein viel kleineres Modell, die Jakobskapelle in Tafers FR, die ja auch dem Heiligen von uns Jakobspilgerinnen und -pilgern gewidmet ist. Die Kapelle ist dicht bepackt mit Pilgersymbolen und Pilgergegenständen wie etwa Pilgerstäben. Auch ist da eine Statue Jakobs sowie ein ihn ebenfalls zeigendes Fresko von 1620. Und draussen ist in den Boden eine Muschel eingelassen, das Erkennungszeichen derjenigen, die nach Santiago ziehen. Die Kapelle ist schon 1665 erwähnt, zu jener Zeit gab es bereits eine örtliche Jakobsbruderschaft, in der Gönner, Pilger und zur Pilgerschaft Entschlossene sich trafen; diese Bruderschaft schlief irgendwann ein, wurde aber 2002 als "Gruppe Santiago" wieder zum Leben erweckt. Eindrücklich ist auch der Bilderzyklus, der auf der Aussenfassade aufgemalt ist, die Geschichte ist an die 1000 Jahre alt. Sie geht so: Ein böser Wirt steckt nachts zwei Jakobspilgern, Vater und Sohn, einen goldenen Becher ins Gepäck. Und bezichtigt sie am nächsten Tag des Diebstahls. Der Sohn nimmt die Schuld auf sich und wird gehängt. Der Vater pilgert nach Santiago und klagt dem heiligen Jakob sein Leid. Als er zurückkommt, findet er den Sohn lebend am Galgen. Sein Sohn lebe, sagt er dem Wirt. "Wie diese Hühner, so ist auch dein Sohn tot", antwortet dieser und deutet auf einen Bratspiess. Worauf die Hühner vom Spiess wegfliegen. Der Vater und und der Sohn treten die Heimreise an. Und der böse Wirt wird hingerichtet.
Noch einmal Jakob in der Kapelle in Tafers. Man erkennt ihn am Hut mit der Muschel. Und am Pilgerstab.

Dienstag, 13. August 2024

Sandstein, alles Sandstein

Sandstein: Hohlweg zwischen Schwarzenburg und der Sodbachbrügg.
Sandstein: Muscheln, das Zeichen der Jakobspilger, kurz nach St. Antoni in einer Fluh.
Sandstein: Freiburgs Altstadt mit den Fluhen über der Saane.
O du schöner roter Citroën DS.
Knapp sechs Stunden brauchten wir am Samstag für das Stück Jakobsweg von Schwarzenburg nach Freiburg, machten dabei immerhin 475 Höhenmeter aufwärts und 650 Höhenmeter abwärts. Die Sonne setzte uns zu an dem heissen Tag, doch gab es auch etliche schattige Abschnitte, ging schon. Auch kehrten wir gleich dreimal ein und erfrischten uns, in Tafers im "Saint-Martin, im unteren Teil des Galterengrabens in der "Pinte des Trois Canards" und schliesslich in Freiburg im italienischen Restaurant Luigia, wo ich die schlechtesten denkbaren Spaghetti aglio e olio ass, die Sauce war seltsamerweise rötlich, von Knoblauch war nichts zu spüren. Aber zurück zu unserer Etappe 19 auf dem Weg von Konstanz nach Genf. Wir sahen etliche prachtvolle Kirchen und Kapellen. Wir begegneten kurz vor St. Antoni einer Bäuerin, die einen Monsterzucchetto vorzeigte und uns das kiloschschwere Gemüseteil gern mitgegeben hätte. Und wir bewunderten in Tafers einen wundervollen roten Citroën DS. Eine abwechslunsgreiche Wanderung in jeder Hinsicht war's – die aber durchaus ein Thema hatte. Eines, das von Anfang bis Ende regierte. Den Sandstein meine ich. Wir gingen gleich mehrmals durch historische, in den Sandstein geschlagene Fluhen. Wurden im Galterengraben kleingemacht durch die aufragenden Felswände aus Sandstein. Und fanden diesen auch in der Altstadt von Freiburg wieder, deren Häuser aus Sandstein gebaut sind.

Montag, 12. August 2024

Die schönste Art, Freiburg zu betreten


Ein grossartiger Moment, wenn man über fünf Stunden gewandert ist, und nun endet die Schlucht, und es erscheint die Kathedrale von Freiburg mit ihrem Turmstummel. Als wir am Samstag von Schwarzenburg nach Freiburg pilgerten, hatten wir eigentlich gar nicht durch den Galterengraben gehen wollen, der Jakobsweg vermeidet derlei Geländehindernisse in der Regel; in früheren Zeiten hatte man Schluchten ohnehin nicht als schön oder gar romantisch empfunden, sondern als gruselig und diabolisch. Nun, wir entschieden uns in Tafers gegen die übliche Jakobsroute und für die leicht längere Variante durch den Galterengraben. Der heisst auch Gorges du Gottéron, denn zu dieser 19. Etappe auf dem Jakobsweg von Konstanz nach Genf gehörte auch, dass wir die Sprachgrenze überquerten. Was die Schlucht angeht, bescherte sie uns genau das, was wir brauchten: Schatten. Und natürlich ist sie – ich habe sie jetzt das dritte Mal durchquert – mit ihren vermoosten Partien, den Stegen und unzähligen mit Bohlen gesicherten Stufen immer wieder ein Spektakel. Es gibt keine schönere Art, nach Freiburg zu gelangen, als durch den Galterengraben.
Im Galterengraben.

Sonntag, 11. August 2024

Scheen!

Der Radiojournalist Michael Zezzi aus Lungern ist 48 und hat bisher an 16 verschiedenen Orten gelebt, in Lungern und anderswo. Seine Grossmutter Marie Vogler-Gasser wiederum, 100-jährig, hat ausschliesslich in Lungern gelebt. An drei Orten: Im Elternhaus im Weiler Obsee. Im Dorf, mit der eigenen Familie. Und jetzt im Altersheim. Diese Woche hörte ich mir auf SRF1 Zezzis zehminütigen Radiobeitrag an. Er spricht mit der Grossmutter über ihr Leben. Über die Zeit zum Beispiel, als es im Dorf nur gerade vier Autohalter gab. Über die Verdunkelungspatrouillen im Zweiten Weltkrieg. Über den touristischen Aufschwung nach dem Krieg, als viele Bauern ihre Häuser an Touristen und Touristinnen vermieteten und selber im Keller wohnten. Und heute? Da sehe man im Dorf kaum Leute unterwegs. All das und vieles mehr erzählt Marie Vogler-Gasser in ihrem kräftigen Dialekt. Scheen, dieses Porträt.

Marie Vogler-Gasser und ihr Enkel Michael Zezzi. (SRF-Homepage)

Samstag, 10. August 2024

Durchs Land von wuy u ay

Die Pilgerferien sind vorbei, heute machen wir uns an die Etappe 19 auf dem Schweizer Jakobsweg, es geht von Schwarzenburg nach Freiburg. Im langen Mittelteil der Wanderung durchqueren wir den Sensebezirk, in dem die Leute eine höchst originelle Sprache haben. Es geht bei ihnen nicht auf und ab, sondern wuy u ay. Das Verb werden ersetzen sie durch das Verb kommen: I bü berüehmt cho. Und für richtig sagen die Seislerinnen und Seisler nur juscht. Ich hoffe, die Kommunikation klappt. Und ich hoffe des weitern, dass uns die Hitze nicht umbringt, die Unternehmung ist bei fünfeinhalb Stunden Gehzeit doch einigermassen lang. Die eigentliche mentale Herausforderung des Tages erwartet uns freilich erst später, nach der Heimreise im Zug. In Zürich ist Street Parade. Das heisst, dass wir uns durch monströse Menschenmassen kämpfen müssen, bis wir ganz zuhause sind.

Mein Foto vom Neujahrstag 2012 zeigt die Sodbachbrügg über die Sense zwischen
Schwarzenburg und Heitenried. Damals zogen wir, wie heute wieder, von Schwarzenburg
nach Freiburg. Dass wir auf dem Jakobsweg gingen, bedeutete uns aber nicht wirklich viel.

Freitag, 9. August 2024

Tod eines Riesen

Blick von der Alp Bommen zur Bogartenlücke, der Einkerbung rechts
der Fotomitte. Der Pfeiler in der Lücke – das ist das Bogartenmannli.

Das Bogartenmannli aus der Nähe, ein Foto
von einer früheren Wanderung.

Ich war am Montag, siehe Eintrag von gestern, wieder einmal im Alpstein, dem Gebirge meiner Appenzeller Heimat. Und stieg von Wasserauen auf die Ebenalp. Die Landschaft war mir vertraut, mit Freuden erblickte ich in der Bogartenlücke den Felspfeiler, der als "Bogartenmannli" bekannt ist. Der Name hatte mich als Kind immer fasziniert. Es gibt zum Bogartenmannli eine ziemlich brutale Sage: Ein Riese soll einst in der Gegend gehaust haben. Er nährte sich von den Kühen der Alpen rundum, die er stahl und schlachtete. Zwei Sennen, Brüder, waren sich einig, dass es so nicht weitergehen konnte. Als einmal der Föhn die Fluren ausgetrocknet hatte, legten die Brüder im Bogartenwald Feuer. Dieses frass sich rasch den Hang hinauf, der Riese floh, wurde aber oben in der Bogartenlücke vom Feuer ereilt – er verbrannte. Der Felspfeiler, der einem gekrümmt stehenden Männlein gleicht, ist von ihm übrig geblieben.

PS: "Bogarten" benennt die Alp unterhalb der Bogartenlücke. "Baumgarten", so die hochdeutsche Variante, bezeichnet eine Liegenschaft, die wegen der sie umgebenden Bäume einem Obstgarten gleicht.